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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: 7 K 222/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 2
EStG § 2 Abs. 4
EStG § 2 Abs. 5
EStG § 32a Abs. 5
EStG § 32b Abs. 1
EStG § 32b Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist die Behandlung von Sozialversicherungsbeiträgen bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 entsprechend ihrem Antrag zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin arbeitete bei den US-amerikanischen Streitkräften und bezog Arbeitslohn aus US-amerikanischen öffentlichen Kassen. Die Einnahmen der Klägerin betrugen umgerechnet 41.737 EUR. Hierauf entfielen eine US-amerikanische federal income tax in Höhe von umgerechnet 3.649,14 EUR sowie Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von umgerechnet 7.601,68 EUR. Die Beteiligten sind sich einig, dass das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Klägerin den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) nach Artikel 19 DBA-USA zusteht und die Einkünfte lediglich gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG dem sog. Progressionsvorbehalt unterliegen.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) behandelte den Arbeitslohn der Klägerin mit Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 15. Dezember 2004 als steuerfrei und berücksichtigte -nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages von 1.044 EUR- Einkünfte in Höhe von 40.693 EUR bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes (s. Absatz 3 der Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid, Finanzgerichts- Akten -FG-A.- Bl. 35).

Die Kläger erhoben dagegen Einspruch und vertraten (zunächst) die Auffassung, die US- amerikanische federal income tax sei zu Unrecht nicht auf die Steuerschuld angerechnet worden. Ferner seien die Sozialbeiträge der Klägerin von der Bemessungsgrundlage für die Berechnung des besonderen Steuersatzes abzuziehen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2006 wird Bezug genommen (FG-A. Bl. 15).

Mit der vor dem Finanzgericht erhobenen Klage begehren die Kläger nur noch, die einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 7.601,68 EUR im Rahmen der Berechnung des besonderen Steuersatzes von der Steuersatzbemessungsgrundlage abzuziehen. Der Progressionsvorbehalt werde bereits seit vielen Jahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt, mit der Folge, dass von den Klägern im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen jährlich erhebliche Nachzahlungen gefordert würden. Die finanzielle Leistungsfähigkeit sei so eingeschränkt, dass die Kläger die Nachzahlungen regelmäßig nicht auf einmal erbringen könnten. Die Kläger tragen vor, durch die Nichtberücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge werde die Klägerin schlechter gestellt als andere unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen. Darin liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Ferner spreche auch das Leistungsfähigkeitsprinzip jedenfalls im vorliegenden Fall für die Berücksichtigung der streitgegenständlichen Sozialbeiträge.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 15. Dezember 2004 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2006 dahin zu ändern, dass im Rahmen der Berechnung des besonderen Steuersatzes nur steuerfreie Einkünfte der Klägerin in Höhe von 33.091,40 EUR angesetzt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA bezieht sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und weist darauf hin, dass die Sozialbeiträge der Klägerin bei der Anwendung des Progressionsvorbehalts nach der Rechtsprechung des BFH nicht steuermindernd berücksichtigt werden können.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die vorgelegten Behördenakten (Rechtsbehelfsakten) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Sozialbeiträge der Klägerin bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht vom Steuersatzeinkommen abzuziehen sind.

1. Gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG ist bei Einkünften, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Berechnung der Einkommensteuer (sog. Progressionsvorbehalt) steuerfrei sind, auf das nach § 32a Abs. 1 zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Dieser besondere Steuersatz ist nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG derjenige, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 zu versteuernde Einkommen um die in § 32b Abs. 1 Nr. 2 und 3 bezeichneten Einkünfte, ausgenommen die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte, vermehrt oder vermindert wird. Der in § 32b EStG aufgeführte Begriff der Einkünfte wird im EStG einheitlich verwendet und in § 2 Abs. 2 EStG für das gesamte EStG übergreifend definiert (s. Beschluss des Bundesfinanzhofes -BFH- vom 15. Mai 2002 I B 73/01, BFH/NV 2002, 1295, m.w.N.). Danach sind Einkünfte bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (s. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG).

a) Nach diesen Maßstäben sind die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit bei den US-amerikanischen Streitkräften nur im Rahmen der Berechnung des besonderen Steuersatzes zu berücksichtigen. Denn die Einkünfte der Klägerin sind in der Bundesrepublik Deutschland von der Besteuerung freigestellt und unterliegen nur dem (positiven) Progressionsvorbehalt. Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Klägerin steht nach dem sog. Kassenstaatsprinzip gemäß Art. 19 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Vermeidung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (BGBl. II 1991, 354) -DBA-USA 1989- den USA zu. Es entspricht insoweit der Rechtsprechung des BFH, dass die Anwendung des Progressionsvorbehalts des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht auf die Fälle beschränkt ist, in denen eine Steuerfreistellung auf dem so genannten Methodenartikel des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens -im Streitfall Art. 23 DBA-USA 1989- beruht. Vielmehr gilt der Progressionsvorbehalt -soweit das einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts nicht verbietet- auch für Einkünfte, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen nur im anderen Vertragsstaat besteuert werden dürfen und damit bereits durch die so genannte Zuteilungsnorm -hier: Art. 19 DBA-USA 1989- im Wohnsitzstaat freigestellt sind (siehe BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2008 I B 60/08, BFH/NV 2009, 769, m.w.N.).

b) Der danach im Streitfall geltende Progressionsvorbehalt bewirkt, dass die (im Inland von der Besteuerung freigestellten) Einkünfte der Klägerin dem zu versteuernden Einkommen (nur) zum Zwecke der Ermittlung des besonderen Steuersatzes hinzuzurechnen sind. Der sich bei diesem höheren Einkommen ergebende (besondere) Steuersatz ist sodann auf das (tatsächlich) zu versteuernde Einkommen anzuwenden. Das FA ist bei dieser Berechnung zutreffend davon ausgegangen, dass dem zu versteuernden Einkommen ein Betrag in Höhe von 40.693 EUR hinzuzurechnen ist. Dieser Betrag ergibt sich nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 2 Abs. 2 EStG als Überschuss der Einnahmen der Klägerin in Höhe von umgerechnet 41.737,08 EUR über die Werbungskosten (hier: Berücksichtigung des Werbungskosten-Pauschbetrages in Höhe von 1.044 EUR).

c) Die Sozialbeiträge der Klägerin in Höhe von umgerechnet 7.601, 68 EUR sind entgegen der Rechtsauffassung der Kläger nicht abziehbar. Die Sozialversicherungsbeiträge gehören begrifflich zu den Sonderausgaben. Diese sind nach § 2 Abs. 4 EStG in den Einkünften bzw. dem Gesamtbetrag der Einkünfte enthalten und erst im Rahmen der Ermittlung des Einkommens (teilweise) abziehbar. Da das Gesetz in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG anordnet, dass bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes die steuerfreien Einkünfte der sog. Steuersatzbemessungsgrundlage hinzurechnen sind, folgt daraus, dass die Sozialversicherungsbeiträge als in den Einkünften enthaltene Größe zu dem zu versteuernden Einkommen zu addieren und nicht abziehbar sind (so auch Urteil des Finanzgerichts des Saarlandes vom 17. Juli 2008 2 K 2194/05, EFG 2008, 1708).

Diese Auslegung des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG entspricht der Rechtsprechung des BFH und steht mit dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm in Einklang (s. BFH in BFH/NV 2002, 1295, m.w.N.). Der BFH hat darauf hingewiesen, dass der in der Vorschrift angeführte Begriff der "Einkünfte" im EStG einheitlich verwendet und in § 2 Abs. 2 EStG für das gesamte EStG übergreifend definiert wird. Die Rechtsprechung des BFH ist dementsprechend bereits zu § 32b EStG in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten des JStG 1996 davon ausgegangen, dass die steuerfreien Einkünfte i.S. des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG nach § 2 Abs. 2 EStG zu ermitteln sind (Urteil vom 13. September 1989 I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl II 1990, 57; vgl. auch BFH-Urteile vom 6. Oktober 1982 I R 121/79, BFHE 136, 533, BStBl II 1983, 34; vom 22. Mai 1991 I R 32/90, BFHE 165, 197, BStBl II 1992, 94). Auch die Kommentarliteratur geht übereinstimmend davon aus, dass § 32b EStG sich durch die Verwendung des Wortes "Einkünfte" auf einen Begriff bezieht, der in § 2 Abs. 1 und 2 EStG ausgestaltet ist, so dass sich die Einkünfteermittlung nach diesen Vorschriften richtet (vgl. nur Frenz in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 32b Rz. E 5, 8 und 11; Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 32b EStG Rz. 82; Wewers in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 32b Rz. 47; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 32b Rz. 36; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz, § 32b Rz. 105; Blümich/Wied, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 32b EStG Rz. 41). Für die Anknüpfung an die Begrifflichkeiten des § 2 EStG spricht im Übrigen auch die Tatsache, dass in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG auf § 32a Abs. 1 EStG Bezug genommen und dabei der dort genannte Begriff des "zu versteuernden Einkommens" verwendet wird, dessen gesetzliche Definition in § 2 Abs. 5 EStG enthalten ist.

2. Diese Beurteilung verstößt auch nicht gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Der Progressionsvorbehalt dient vielmehr gerade der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Denn dem Steuerpflichtigen soll kein Progressionsvorteil dadurch entstehen, dass er seine Einkünfte in verschiedenen Staaten erzielt und dadurch sein Gesamteinkommen in eine niedrigere Tarifstufe als bei der Erzielung im Bereich nur eines Steuerhoheitsträgers gelangt (vgl. nur BFH vom 25. Mai 1970 I R 146/68, BFHE 99, 572, BStBl II 1970, 755; vom 27. September 1990 I R 181/87, BFHE 162, 284, BStBl II 1991, 84; vom 6. Oktober 1993 I R 32/93, BFHE 172, 385, BStBl II 1994, 113; Probst, a.a.O., § 32b Rz. 7, m.w.N.).

Etwas anderes folgt für den Streitfall auch nicht daraus, dass Ehegatten betroffen sind, die entsprechend ihrem Antrag zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Einkommensteuer der Kläger ist damit (zwar) -zugunsten der Kläger- gemäß § 32a Abs. 5 EStG nach dem sog. Splitting-Verfahren zu berechnen. Diese Vorschrift ordnet jedoch ausdrücklich an, dass auch im Rahmen des Splitting- Verfahrens die (Sonder-) Vorschrift des § 32b EStG anwendbar bleibt.

Der Einwand, die Kläger würden im Vergleich zu anderen unbeschränkt steuerpflichtigen Personen benachteiligt, ist im Übrigen auch rechnerisch nicht begründet. Im Erörterungstermin wurde dargelegt, dass die Kläger steuerlich deutlich geringer belastet sind als vergleichbare Ehegatten, die beide im Inland steuerpflichtig sind und deren Sozialbeiträge gemäß § 10 ff EStG (teilweise) abziehbar sind.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

4. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO). Die Rechtsmaßstäbe, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt.

Ende der Entscheidung

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