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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.05.2008
Aktenzeichen: 8 K 1946/08
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 40 Abs. 1
FGO § 40 Abs. 2
FGO § 100 Abs. 2
AO § 157 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

8 K 1946/08

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin durch den Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2000 (Streitjahr), der die Einkommensteuer auf 0 DM festsetzt, beschwert ist.

Die Klägerin und ihr Ehemann wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Trotz wiederholter Aufforderung des Beklagten gaben die Eheleute eine Steuererklärung für das Streitjahr nicht ab. Der Beklagte schätzte sodann die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 der Abgabenordnung (AO) und erließ am 29. November 2002 einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, der noch am gleichen Tag zur Post gegeben wurde. Die Einkünfte des Ehemannes der Klägerin aus Gewerbebetrieb wurden hierbei mit 30.000 DM der Besteuerung zugrunde gelegt. Einkünfte aus anderen Einkunftsarten lagen nach dieser Schätzung der Besteuerungsgrundlagen weder bei der Klägerin noch bei ihrem Ehemann vor (Blatt 64 bis 65 Einkommensteuerakten). Der zusammengefasste Einkommensteuerbescheid der Eheleute für das Streitjahr erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO. Die Einkommensteuer wurde in diesem von der Klägerin angegriffenen Einkommensteuerbescheid unter Berücksichtigung eines Altersentlastungsbetrags und eines Sonderausgabenpauschbetrags nach der Splittingtabelle mit 0 DM festgesetzt. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 legten die Klägerin und ihr Ehemann gemeinsam Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 29. November 2002 ein. Der Beklagte verwarf mit Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2003 den Einspruch als unzulässig. Mit Schreiben vom 9. Mai 2003, Eingang beim Finanzgericht am 13. Mai 2003, erhoben die Klägerin und ihr Ehemann Klage.

Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 8 K 168/03 geführt. Der Senat wies die Klage der Klägerin und ihres Ehemannes mit Gerichtsbescheid vom 11. März 2005 ab (Blatt 17 bis 24 Prozessakte). Nachdem sowohl der Ehemann als auch die Klägerin mit Schreiben vom 29. März 2005 mündliche Verhandlung beantragten und der Senat inzwischen darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass über das Vermögen der Klägerin mit Beschluss des Amtsgerichts -X- vom 22. Februar 2005 das Insolvenzverfahren am 22. Februar 2005 um 12.00 Uhr eröffnet wurde, wurde mit Beschluss des Senats vom 7. April 2005 das Verfahren des Ehemannes abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 8 K 76/05 fortgeführt. Letztgenanntes Verfahren ist inzwischen durch Urteil vom 19. Mai 2005 rechtskräftig abgeschlossen. Der Insolvenzverwalter teilte mit Schreiben vom 27. März 2006 mit, dass er den Rechtsstreit nicht aufnehme (Blatt 84 Prozessakte). Mit Schreiben des Amtsgerichts -X- vom 24. April 2008 wurde der Senat darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Insolvenzverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts -X- vom 6. November 2007 aufgehoben wurde (Blatt 109 bis 110 Prozessakte). Das durch die Insolvenz der Klägerin unterbrochene Verfahren unter dem Aktenzeichen 8 K 168/03 wurde am 29. April 2008 unter dem neuen Aktenzeichen 8 K 1946/08 wieder aufgenommen.

Die Klägerin, die mit Schreiben vom 13. Mai 2008 dem Gericht auf die Ladung vom 6. Mai 2008 - zugestellt am 9. Mai 2008 - mitteilte, dass sie nicht zur mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2008 erscheinen werde, vertritt die Ansicht, dass ihr Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zulässig sei. Bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens müsse auch das Einkommen mit 0 DM festgestellt werden.

Die für die Klagebefugnis notwendige Beschwer ergebe sich aus der Diskrepanz zwischen den amtlich festgestellten Einkünften im Einkommensteuerbescheid und den Angaben der Klägerin über ihre Einkünfte an anderer Stelle. Die Klägerin wolle sich der Gefahr von möglichen Konsequenzen nicht aussetzen, die sich ergeben könnten, wenn sie im Gegensatz zu den amtlichen Feststellungen des Beklagten - Einkünfte in Höhe von 30.000 DM - angebe, Einkünfte in Höhe von 0 DM erzielt zu haben. Mit einer Klageabweisung setze der Senat die Klägerin bewusst und gewollt strafrechtlicher Verfolgung wegen Meineids aus, weil die von der Klägerin abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen die amtlich vom Beklagten bestätigten Einkünfte nicht enthielten. Es könne nicht sein, dass der Beklagte willkürlich, einfach so, ohne Grundlage oder Anhaltspunkte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb ihres Ehemannes auf 30.000 DM schätze. Sie habe keine Steuererklärung mehr abzugeben gehabt. Nicht sie - die Klägerin -, sondern vielmehr ihr Ehemann habe in -A- ein Einzelhandelsgeschäft betrieben. Die Klägerin bezieht sich auf ein nicht näher bezeichnetes finanzgerichtliches Verfahren in Karlsruhe und führt hierzu aus, dass ihrem Ehemann hierdurch ein Vorsteuererstattungsguthaben in Höhe von 112.000 DM auszuzahlen gewesen sei, das der Beklagte sogleich kassiert habe. Die Klägerin behauptet, die Besteuerungsgrundlagen seien gesondert festgestellt worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 29. November 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2003 dahingehend zu ändern, dass der Besteuerung im Veranlagungszeitraum 2000 ein Einkommen von 0 DM zugrunde gelegt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Er ist der Ansicht, dass der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 mit einer Steuerfestsetzung in Höhe von 0 DM unzulässig sei. Die Klägerin habe weder im Einspruchsverfahren noch im Klageverfahren eine Beschwer vorgetragen.

Mit Schreiben vom 5. April 2006 beantragte die nicht vertretene Klägerin Prozesskostenhilfe und übersandte mit Schreiben vom 20. April 2006 die ausgefüllte und eigenhändig unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an das Finanzgericht. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss des Senats vom 5. Mai 2008 abgelehnt.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Klägerin wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 9. Mai 2003 (Blatt 2 Prozessakte), 29. März 2005 (Blatt 32 bis 33 Prozessakte), 6. April 2006 (Blatt 87 Prozessakte) und 13. Mai 2008 (Blatt 118 bis 121 Prozessakte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist unzulässig.

Nach § 40 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann durch Klage die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 FGO auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer anderen Leistungen begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist gem. § 40 Abs. 2 FGO die Klage jedoch nur zulässig, wenn die Klägerin geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistungen in ihren Rechten verletzt zu sein.

Der Senat vermag im Streitfall eine Verletzung der Rechte der Klägerin durch den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres nicht zu erkennen. Es fehlt an der notwendigen Beschwer als Sachentscheidungsvoraussetzung der geltend gemachten Anfechtungsklage. Der Kläger hat nach § 40 Abs. 2 FGO substantiiert seine Rechtsbeeinträchtigung durch den angefochtenen Steuerbescheid darzulegen. Hieran fehlt es im Streitfall.

Maßgebend für die objektive Klagebefugnis i. S. des § 40 Abs. 2 FGO ist bei Steuerbescheiden, die in dem Ausspruch enthaltene Steuerfestsetzung (BFH-Urteil vom 15. Februar 2001 III R 10/99, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [BFH/NV] 2001, 1125). Die Beschwer durch einen Steuerbescheid ergibt sich grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung und nicht aus den einzelnen Besteuerungsgrundlagen (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1994 IX R 124/92, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 176, 409, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1995, 537). Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet gem. § 157 Abs. 2 AO einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids. In aller Regel ist danach eine Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Steuerschuld auf 0 DM bzw. 0 EUR festgesetzt worden ist, unzulässig (BFH-Urteil vom 15. Februar 2001 III R 10/99, BFH/NV 2001, 1125; vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356; BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91, m.w.N.). Es ist daher auf den unmittelbar umstrittenen Steuerbetrag abzustellen, nicht auf das geldwerte Interesse des Steuerpflichtigen schlechthin (BFH-Urteil vom 10. November 1987 VIII R 17-19/84, BFH/NV 1989, 278; BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91). Eine auf 0 DM bzw. 0 EUR lautende Steuerfestsetzung belastet den Steuerpflichtigen regelmäßig - wie auch im Streitfall - nicht.

Ausnahmsweise kann eine Beschwer zwar im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen liegen, wenn diese für andere Verfahren bindend sind (BFH-Urteil vom 24. Januar 1975 VI R 148/72, BFHE 115, 9, BStBl II 1975, 382). Die Klägerin trägt hierzu im Verfahren jedoch keinerlei Gesichtspunkte vor, die trotz einer auf 0 DM festgesetzten Steuerschuld im Streitjahr ausnahmsweise eine Rechtsverletzung wegen einer eingetretenen Bindungswirkung erkennen lassen (zu den Ausnahmen, die trotz einer Steuerfestsetzung von 0 DM bzw. 0 EUR eine Rechtsverletzung auslösen vgl. von Groll, in: Gräber, FGO, 6 Aufl., § 40 Rz. 88 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Soweit die Klägerin auf die Konsequenzen abstellt, die aus der Diskrepanz zwischen der amtlichen Feststellung des Finanzamts einerseits und der Aussage der Klägerin an anderen Stellen anderseits entstehen, ist dies nur ein abstrakter, genereller Hinweis darauf, dass die im Steuerbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen, insbesondere die Höhe des zu versteuernden Einkommens, auf anderen Rechtsgebieten verselbständigt als verbindliche Entscheidungsgrundlagen fungieren können. Der Senat vermag allein aus dem Hinweis auf eine abstrakte Bindungswirkung jedoch keine Verletzung der Rechte der Klägerin durch eine konkrete Bindung an - möglicherweise - unzutreffende Feststellung der Besteuerungsgrundlagen im Steuerbescheid des Streitjahres zu erkennen.

Eine Verletzung der Rechte der Klägerin vermag der Senat ebenso nicht zu erkennen, soweit die Klägerin sich auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen eidesstattlichen Versicherung bezieht. Die Besteuerungsgrundlagen des von der Klägerin angegriffenen Einkommensteuerbescheids entfalten keine Bindungswirkung hinsichtlich der Angaben, zu denen die Klägerin in einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist. Die Klägerin ist weder aufgrund des angegriffenen Einkommensteuerbescheids gezwungen, in einer eidesstattlichen Versicherung vorsätzlich unzutreffende Angaben zu machen, noch werden die strafrechtlichen Folgen einer falschen eidesstattlichen Versicherung allein durch eine Abweichung zwischen den dem angegriffenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen und den Angaben der Klägerin in einer eidesstattlichen Versicherung ausgelöst.

Auch aus dem gesamten restlichen Vorbringen der Klägerin - wie z.B. willkürliche Steuerfestsetzung, keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung, verrechnetes Vorsteuererstattungsguthaben, Verstoß gegen § 155 Abs. 2 AO - vermag der Senat eine Beschwer derselben durch den angegriffenen Einkommensteuerbescheid des Streitjahrs im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren nicht zu erkennen. Eine Beschwer der Klägerin, die - trotz des im Streitfall vorliegenden Nullbescheids ausnahmsweise und von der Regel abweichend - angenommen werden könnte, ist jedenfalls für den Senat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich. Die Klage war daher als unzulässig abzuweisen.

2. Die Klägerin trägt gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe vorlag.



Ende der Entscheidung

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