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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: 8 K 360/09
Rechtsgebiete: FGO, EStG, AO


Vorschriften:

FGO § 100 Abs. 1
FGO § 100 Abs. 2
EStG § 34 Abs. 1
EStG § 40b
AO § 164 Abs. 1
AO § 165 Abs. 1
AO § 173 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid des Streitjahres 1999 unter Berufung auf das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache zum Nachteil der Kläger geändert werden kann.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger zu Ziffer 1 war bis zum 31. August 1999 bei der .. AG (Arbeitgeber) beschäftigt und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Einkommensteuererklärung der Kläger betreffend das Streitjahr 1999 vom 1. Dezember 2000 wurde unter Mithilfe ihres steuerlichen Beraters, der zugleich Prozessbevollmächtigter im finanzgerichtlichen Verfahren ist, gefertigt. In der Anlage N erklärten die Kläger neben laufendem Arbeitslohn des Klägers zu Ziffer 1 entsprechend der Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers auch Einnahmen aus Entschädigungen in Höhe von 176.782 DM (Rechtsbehelfsakten, Einkommensteuererklärung 1999, Anlage N, Zeile 11). Im Rahmen der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung des Streitjahres forderte der Beklagte vom steuerlichen Berater der Kläger u.a. im Hinblick auf die erklärten Einnahmen aus Entschädigungen diverse Unterlagen an (Rechtsbehelfsakten, Schreiben des Beklagen vom 12. Dezember 2000). Mit Schreiben des steuerlichen Beraters der Kläger vom 2. Januar 2001 wurde auf die Anforderung des Beklagten geantwortet und u.a. die vom ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 ausgestellte Verdienstbescheinigung für den Monat August 1999 (Rechtsbehelfsakten, Verdienstabrechnung August 1999) sowie ein Schreiben desselben an den Kläger zu Ziffer 1 vom 14. Juli 1999 (Rechtsbehelfsakten, Schreiben des Arbeitgebers vom 14. Juli 1999) dem Beklagten zu den Akten überreicht.

Aus dem vorgenannten Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers vom 14. Juli 1999 erhielt der Beklagte erstmals Kenntnis, dass dieser im Streitjahr einen unverfallbaren Anspruch des Klägers zu Ziffer 1 in Höhe von 141.426 DM - gemäß einer Betriebsvereinbarung - in eine Direktversicherung einzahlte. Der Beklagte forderte daraufhin mit Schreiben vom 10. Januar 2001 vom steuerlichen Berater der Kläger u.a. die betreffende Betriebsvereinbarung und "Unterlagen über den unverfallbaren Anspruch auf eine Direktversicherung i. H. v. 141.426 DM" an (Rechtsbehelfsakten, Schreiben des Beklagten vom 10. Januar 2001). Die Beantwortung des vorgenannten Schreibens wurde vom Beklagten mit Schreiben vom 28. März 2001 angemahnt (Rechtsbehelfsakten, Schreiben des Beklagten vom 28. März 2001). Der steuerliche Berater der Kläger überreichte sodann mit Schreiben vom 20. August 2001 Kopie des Versicherungsausweises der abgeschlossenen Direktversicherung zur Bearbeitung der Einkommensteuererklärung des Streitjahres (Rechtsbehelfsakten, Schreiben des steuerlichen Beraters vom 20. August 2001). Mit Schreiben des Beklagten vom 3. September 2001 bat der Beklagte den steuerlichen Berater der Kläger u.a. um Beantwortung der Frage, wie die Direktversicherung steuerlich behandelt worden sei, und forderte gleichzeitig entsprechende Nachweise an (Rechtsbehelfsakten, Schreiben des Beklagen vom 3. September 2001). In der Zeit zwischen 3. September 2001 und 15. Oktober 2001 kam es vermutlich zu einer telefonischen Kontaktaufnahme zwischen dem für die Veranlagung der Kläger zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten und dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1. Ein Aktenvermerk über dieses Telefongespräch existiert nicht. Sein Inhalt ist unbekannt. Nach Angaben des Beklagten kann sich der betreffende Sachbearbeiter weder an Einzelheiten noch an den Vorgang an sich erinnern. Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 teilte mit Schreiben an den Beklagten vom 15. Oktober 2001 unter Bezug auf ein vorangegangenes Telefonat mit, dass der Kläger zu Ziffer 1 bezüglich einer Altersversorgung bei seinem Ausscheiden einen Anspruch auf eine unverfallbare Anwartschaft in Höhe von 177.476,40 DM gehabt habe. Diese Anwartschaft sei auf den Wunsch des Klägers zu Ziffer 1 hin als Einmalbetrag in eine Direktversicherung einbezahlt worden (Rechtsbehelfsakten, Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers vom 15. Oktober 2001). Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 überreichte mit vorgenanntem Schreiben eine Kopie der Betriebsvereinbarung vom 7. Juli 1999 zu den Akten des Beklagten (Rechtsbehelfsakten, Betriebsvereinbarung vom 7. Juli 1999). Diese Betriebsvereinbarung regelt unter 4., dass der unverfallbare Anspruch der Mitarbeiter in eine Direktversicherung überführt werde. Andernfalls erfolge eine Auszahlung dieses Betrages. Weiter regelt die vorgenannte Betriebsvereinbarung unter 7., dass die Abfindungen u.a. nach Punkt 4 mit der Gehaltsabrechnung August 1999 ausbezahlt werden würden und die gesetzlichen Abzüge zu Lasten der Mitarbeiter gingen. Angaben darüber, wie die Einzahlung in die Direktversicherung im Falle des Klägers zu Ziffer 1 im Streitjahr lohnsteuerlich tatsächlich behandelt wurde, macht der ehemalige Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 in seinem Schreiben an den Beklagten vom 15. Oktober 2001 nicht (Rechtsbehelfsakten, Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers vom 15. Oktober 2001). Die Verdienstbescheinigung für den Monat August 1999 (Rechtsbehelfsakten, Verdienstabrechnung August 1999), die dem Beklagten im Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens des ehemaligen Arbeitgebers vom 15. Oktober 2001 bereits vorlag, beinhaltet keine Angaben zu einer etwaigen lohnsteuerlichen Behandlung der Einzahlung in die Direktversicherung.

Der steuerliche Berater der Kläger überreichte mit Schreiben vom 22. November 2001 mit Bezug auf ein vorangegangenes Telefongespräch zwischen ihm und dem für die Veranlagung der Kläger zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten weitere Unterlagen betreffend die Klägerin zu Ziffer 2.

Der Beklagte veranlagte die Kläger sodann zur Einkommensteuer des Streitjahres. Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 3. Dezember 2001 berücksichtigte in den Besteuerungsgrundlagen die Abfindung in Höhe von 176.782 DM und führte diese einer nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigten Besteuerung zu. Die Einzahlung in die Direktversicherung in Höhe von 141.426 DM fand bei der Veranlagung keine Berücksichtigung (Rechtsbehelfsakten, Einkommensteuerbescheid 1999 vom 3. Dezember 2001). Eine Begründung hierfür ist weder im Bescheid noch in den Akten enthalten. Der vorgenannte erstmalige Einkommensteuerbescheid des Streitjahres erging weder unter Vorbehalt der Nachprüfung - § 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) - noch war er hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Einzahlung in die Direktversicherung vorläufig - § 165 Abs. 1 Satz 1 AO -. Der vorgenannte Einkommensteuerbescheid 1999 wurde mit Bescheid vom 17. Januar 2002 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO auf schlichten Antrag des steuerlichen Beraters der Kläger vom 21. Dezember 2001 geändert. Diese Änderung betraf den Sachverhalt der Einzahlung in die Direktversicherung nicht (Rechtsbehelfsakten, Einkommensteuerbescheid 1999 vom 17. Januar 2002).

Das für die steuerlichen Angelegenheiten des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 zuständige Finanzamt unterrichtete den Beklagten mit Schreiben vom 29. November 2004, Eingang beim Beklagten am 6. Dezember 2004, über das Ergebnis einer Lohnsteueraußenprüfung (Rechtsbehelfsakten, KM FA X, Schreiben des Finanzamtes X vom 29. November 2004). Nach dieser Kontrollmitteilung zur Nachversteuerung über die persönliche Einkommensteuerveranlagung des Klägers zu Ziffer 1 sei die Einbringung der Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung in eine Direktversicherung in Gestalt der Einzahlung eines Betrages in Höhe 141.426 DM lohnsteuerlich nicht gewürdigt worden. Der Beklagte änderte hierauf den Einkommensteuerbescheid 1999 mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO unter Berufung auf das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache und berücksichtigte den Betrag der Einzahlung in die Direktversicherung zugunsten des Klägers zu Ziffer 1 in Höhe von 141.426 DM als regulär zu besteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Rechtsbehelfsakten, KM FA X, Einkommensteuerbescheid 1999 vom 9. Dezember 2004).

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 wurde Einspruch gegen den vorgenannten Änderungsbescheid vom 9. Dezember 2004 erhoben (Rechtsbehelfsakten, Einspruch, Schreiben des steuerlichen Beraters vom 21. Dezember 2004). Im Einspruchsverfahren führten die Kläger u.a. aus, dass die Angaben in der Steuererklärung nach dem Wissen und Kenntnisstand wahrheitsgemäß gewesen seien. Sie hätten zu Recht davon ausgehen können, dass der ehemalige Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 die Zahlungen in eine Direktversicherung nach § 40b EStG pauschal besteuere oder anderenfalls zumindest auf der Gehaltsabrechnung des Arbeitnehmers die Lohnversteuerung der Direktversicherung vorgenommen habe. Letztlich habe ein Steuerpflichtiger - wie der Kläger zu Ziffer 1 - gar keine Kenntnis davon, wie sein Arbeitgeber Einzahlungen in eine Direktversicherung versteuere (Rechtsbehelfsakten, Einspruch, Schreiben des steuerlichen Beraters vom 14. Januar 2005).

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid wurde auf den Einspruch hin nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO im Rahmen einer Teilabhilfe mit Bescheid vom 7. Januar 2005 geändert. Der Beklagte besteuerte nunmehr den in die Direktversicherung eingezahlten Betrag in Höhe von 141.426 DM nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt (Rechtsbehelfsakten, Einspruch, Einkommensteuerbescheid vom 7. Januar 2005). Mit Bescheid vom 11. November 2005 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 1999 erneut nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO und aktualisierte den Umfang der Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung im Hinblick auf vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Bundesfinanzhof bzw. dem Gericht der Europäischen Gemeinschaften anhängige Verfahren (Rechtsbehelfsakten, Einspruch, Einkommensteuerbescheid vom 11. November 2005). Der Einspruch der Kläger wurde sodann mit Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005 als unbegründet zurückgewiesen (Rechtsbehelfsakten, Einspruch, Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005).

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger erhob mit Schreiben vom 19. Dezember 2005, Eingang beim Finanzgericht am 19. Dezember 2005, für die Kläger Klage. Die Kläger sind unter Verweis auf das Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten im Einspruchsverfahren vom 14. Januar 2005 im Kern der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die streitgegenständliche Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids 1999 vom 3. Dezember 2001, geändert durch Bescheid vom 17. Januar 2002, unter Berufung auf das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache durch Bescheid vom 9. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005 nicht gegeben seien. Der Beklagte habe bereits im Veranlagungsverfahren Kenntnis davon erlangt, dass im Rahmen der Aufhebung des Dienstverhältnisses des Klägers zu Ziffer 1 dessen ehemaliger Arbeitgeber eine Einzahlung in eine Direktversicherung geleistet habe.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid zur Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 9. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist - unter Verweis auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005 - der Ansicht, dass nicht die Zahlung des Betrages in Höhe von 141.426 DM zugunsten des Klägers zu Ziffer 1 in eine Direktversicherung eine neue Tatsache sei. Neu sei die Tatsache gewesen, dass diese Zahlung vom ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 lohnsteuerlich nicht gewürdigt worden sei. Weiter vertritt der Beklagte im Wesentlichen die Ansicht, dass der Verstoß gegen die Verpflichtung der Kläger aus § 90 Abs. 1 AO jedes mögliche Ermittlungsdefizit im Veranlagungsverfahren überwiege. Die Änderung des ursprünglichen Verwaltungsaktes nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei zulässig.

Die Streitsache wurde mit dem Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht am 23. März 2009 erörtert. Auf Nachfrage des Berichterstatters teilte der Kläger zu Ziffer 1 im Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes mit, er habe erstmals durch den Änderungsbescheid Ende 2004 darüber Kenntnis erlangt, dass die Einzahlung in die Direktversicherung lohnsteuermäßig von seinem ehemaligen Arbeitgeber nicht behandelt worden sei. Der Beklagte bestreitet dies nicht. Auf die Niederschrift über den Erörterungstermin wird verwiesen (Blatt 80 bis 81 Prozessakten).

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 19. Dezember 2005, 18. Januar 2006 und 7. April 2009 nebst dem der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage ist begründet.

Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid aufheben oder ändern, soweit dieser rechtswidrig und die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt sind. Im Streitfall ist der Bescheid zur Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 9. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

Die Voraussetzungen zur Änderung des bestandskräftigen, vorbehaltlosen und hinsichtlich des Vorgangs der Einzahlung in die Direktversicherung zugunsten des Klägers zu Ziffer 1 nicht vorläufigen Einkommensteuerbescheids 1999 vom 3. Dezember 2001, geändert durch Bescheid vom 17. Januar 2002, zum Nachteil der Kläger unter Berufung auf das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache liegen im Streitfall nicht vor. Der Beklagte war nicht berechtigt, den Einkommensteuerbescheid vom 3. Dezember 2001, geändert durch Bescheid vom 17. Januar 2002, mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.

a) Steuerbescheide sind nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die frühere Kenntnis der später bekannt gewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung rechtserheblich gewesen wäre und der Änderung zum Nachteil des Steuerpflichtigen Treu und Glaube nicht entgegen stehen (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Auflage, § 173 Rz. 71 und 80 jeweils m.w.N. aus der Rechtspr.)

aa) Der Umstand, dass die Einzahlung des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 in eine Direktversicherung zu dessen Gunsten im Streitjahr lohnsteuermäßig nicht behandelt worden war, ist eine Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Tatsache im Sinne dieser Vorschrift ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Rechtliche Schlussfolgerungen, insbesondere juristische Wertungen und Subsumtionen, sind demgegenüber keine Tatsachen. Ebenso stellt eine geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, d.h. eine andere rechtliche Wertung bereits bekannter Tatsachen, keine Tatsache dar (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 II R 48/02, BStBl II 2005, 451 m.w.N.; Rüsken, in: Klein, AO, 9. Auflage, § 173 Rz. 21, 22 m.w.N.). Ob und wie die Einzahlung in die Direktversicherung im Streitfall lohnsteuermäßig zu behandeln ist, sind zwar Fragen, deren Beantwortung rechtliche Schlussfolgerungen voraussetzen. Im Streitfall beruft sich der Beklagte zur Änderung der ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres jedoch nicht auf eine geänderte Rechtsauffassung über die lohnsteuerliche Behandlung der vorgenannten Einzahlung, sondern auf die lohnsteuermäßige Nichtbehandlung derselben durch den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1, also auf einen tatsächlichen Vorgang, eine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.

bb) Die Tatsache der lohnsteuermäßigen Nichtbehandlung der Einzahlung in die Direktversicherung zugunsten des Klägers zu Ziffer 1 ist weiterhin nachträglich bekannt geworden. Der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch die Finanzverwaltung entscheidet, ob eine Tatsache nachträglich bekannt geworden ist. Somit werden Tatsachen nachträglich bekannt, wenn die Willensbildung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten bereits abgeschlossen war (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Auflage, § 173 Rz. 53 m.w.N. aus der Rechtspr.). Im Streitfall war dem Beklagten im Zeitpunkt der Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres - am 3. Dezember 2001 - die Einzahlung des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 in eine Direktversicherung aus den von den Klägern im Veranlagungsverfahren vorgelegten Unterlagen unstreitig bekannt. Hingegen war die lohnsteuermäßige Nichtbehandlung dieses Vorgangs durch den ehemaligen Arbeitgeber dem zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten im Zeitpunkt des Erlasses des Einkommensteuerbescheids 1999 am 3. Dezember 2001 sowie im Zeitpunkt der Änderung des vorgenannten Bescheids mit Bescheid vom 17. Januar 2002 nicht bekannt. Jedenfalls sind weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beteiligten Anhaltspunkte ersichtlich, dass die lohnsteuermäßige Nichtbehandlung der Einzahlung in die Direktversicherung dem für die Veranlagung zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten bereits im Veranlagungsverfahren im Laufe des Jahres 2001 bzw. im Zeitpunkt der Änderung dieses Bescheids durch Bescheid vom 17. Januar 2002 bekannt gewesen wäre. Kenntnis über die lohnsteuermäßige Nichtbehandlung der Einzahlung in eine Direktversicherung erlangte der zuständige Beamte nach den unbestrittenen Angaben des Beklagten vielmehr erst Ende 2004 - somit nach Abschluss der Willensbildung über die Steuerfestsetzung des Streitjahres - durch eine Kontrollmitteilung infolge einer Lohnsteueraußenprüfung beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1.

cc) Die nachträglich bekannt gewordene Tatsache der lohnsteuermäßigen Nichtbehandlung der Einzahlung in eine Direktversicherung durch den Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 ist auch eine Tatsache, die zu einer höheren Einkommensteuer der Kläger im Streitjahr führt.

dd) Die frühere Kenntnis der später bekannt gewordenen Tatsache der lohnsteuermäßigen Nichtbehandlung der Einzahlung in die Direktversicherung wäre für die ursprüngliche Veranlagung auch rechtserheblich gewesen. An den Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO fehlt es, wenn der zuständige Beamte auch bei Kenntnis der betreffenden Tatsache im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung gekommen wäre. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Finanzbehörde bei Kenntnis der fraglichen Tatsache die dem Sachverhalt entsprechende rechtlich zutreffende Entscheidung getroffen hätte (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Auflage, § 173 Rz. 53 m.w.N. aus der Rechtspr.). Im Streitfall sind weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beteiligten Anhaltspunkte ersichtlich, dass der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten die Einzahlung in die Direktversicherung nicht als Arbeitslohn bei den Einkünften des Klägers zu Ziffer 1 aus nichtselbständiger Arbeit bei der erstmaligen Veranlagung Ende 2001 berücksichtigt hätte, wenn deren lohnsteuermäßige Nichtbehandlung durch den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 ihm zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen wäre.

b) Eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres ist dennoch ausgeschlossen. Dem Erlass des angefochtenen Änderungsbescheids stehen im Streitfall Treu und Glauben, § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), entgegen.

Der auch im Steuerschuldrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben verbietet dem Finanzamt, unter Berufung auf das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache einen Änderungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu erlassen, wenn dem Finanzamt die Tatsache vor dem Erlass des zu ändernden Bescheids in Folge Verletzung der ihm obliegenden Ermittlungspflicht - zunächst - unbekannt geblieben ist (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 2008 IV B 53/07 u.a., BFH/NV 2008, 924 m.w.N.; Rüsken, in: Klein, AO, 9. Auflage, § 173 Rz. 80 m.w.N. aus der Rechtspr.). Die Durchbrechung der Bestandskraft ist nur gerechtfertigt, wenn die Steuerfestsetzung trotz eines rechtmäßigen Verfahrens zur Einkommensteuerveranlagung unrichtig ist. Die Finanzverwaltung hat es in der Hand, statt einer endgültigen Steuerfestsetzung eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung - § 164 AO - oder eine vorläufige Steuerfestsetzung - 165 AO - zu erlassen. Mussten sich der Finanzverwaltung Zweifel bei der Prüfung der Steuererklärung bzw. im Veranlagungsverfahren und in den eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen, darf sie diese nicht ignorieren und endgültig veranlagen. In diesem Fall muss von den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden. Die Angelegenheit ist entweder vollständig aufzuklären oder der Bescheid ist zumindest unter Vorbehalt der Nachprüfung zu erlassen. Wird beides versäumt, kann die Bestandskraft des Bescheids nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen durchbrochen werden, weil das Finanzamt von der ihm eröffneten Möglichkeit der Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. Frotscher, in: Schwarz, AO, § 173 Rz. 55 , Stand 15.11.2007 m.w.N. aus der Rechtspr.).

Diese Einschränkung der Änderungsbefugnis zulasten des Steuerpflichtigen aufgrund von Treu und Glauben greift indes nur ein, wenn der Steuerpflichtige die ihn treffende Mitwirkungspflicht, insbesondere die Steuererklärungspflicht nach §§ 90, 149 ff. AO in zumutbarem Umfang erfüllt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 2008 IV B 53/07 u.a., BFH/NV 2008, 924 m.w.N.). Liegt sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht des Finanzamtes als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen vor, so sind die beiderseitigen Pflichtverletzungen grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In der Regel trifft in diesem Fall die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen, so dass der Steuerbescheid geändert werden kann, es sei denn, der Verstoß gegen die Ermittlungspflicht überwiegt deutlich den Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 2008 IV B 53/07 u.a., BFH/NV 2008, 924 m.w.N.).

aa) Im Streitfall hat der Beklagte seine ihm nach § 88 Abs. 1 Satz 1 AO obliegende Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, verletzt. Im Zeitpunkt der vorbehaltlosen und hinsichtlich der Einzahlung in die Direktversicherung nicht vorläufigen Veranlagung waren - nach damaliger Aktenlage - Widersprüchlichkeiten im Sachverhalt erkennbar und es war ebenso offensichtlich, dass der Sachverhalt hinsichtlich der Einzahlung in die Direktversicherung noch einer Klärung bedurfte, und sich daher Zweifel und die Notwendigkeit weiterer Nachforschungen dem zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten hätten aufdrängen müssen.

(1) Die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen, deren Umfang sich gemäß § 88 Abs. 1 Satz 3 AO nach den Umständen des Einzelfalles richtet, ist nur verletzt, wenn das Finanzamt - wie im Streitfall - offenkundigen Zweifelsfragen, Unklarheiten oder Zweifeln, die sich ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht (Rüsken, in: Klein, AO, 9. Auflage, § 173 Rz. 81 m.w.N. aus der Rechtspr.). Zwar hat sich dem für die Veranlagung der Kläger zuständigen Sachbearbeiter im Verlauf des Veranlagungsverfahrens die in seinem Schreiben vom 3. September 2001 an den steuerlichen Berater der Kläger gerichtete Frage, wie die Einzahlung in die Direktversicherung steuerlich behandelt worden war, nicht nur aufgedrängt, sondern tatsächlich gestellt. Mit dem vorgenannten Schreiben vom 3. September 2001 hat der zuständige Sachbearbeiter zunächst auch Ermittlungen veranlasst, um diesen Sachverhalt weiter zu erforschen und aufzuklären. Allerdings stand die Antwort auf seine Nachfrage, wie die Einzahlung in die Direktversicherung steuerlich behandelt worden war, trotz Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 noch im Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen Einkommensteuerbescheids 1999 vom 3. Dezember 2001 aus.

(2) Aus der nachfolgenden Kontaktaufnahme zwischen dem zuständigen Sachbearbeiter und dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1, deren Details im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht mehr nachvollzogen werden konnten und die vermutlich ebenfalls durch weitere Ermittlungen zur Erforschung des Sachverhalts im Zusammenhang mit der Einzahlung in die Direktversicherung veranlasst waren, wurde der steuerlich relevante Sachverhalt im Zusammenhang mit der Einzahlung in die Direktversicherung ebenfalls nicht hinreichend geklärt. Im Gegenteil. Aus dem aus der Kontaktaufnahme resultierenden Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 an den Beklagten vom 15. Oktober 2001 nebst Anlage ergaben sich im Zusammenhang mit der Einzahlung in die Direktversicherung neue Zweifelsfragen, die sich dem zuständigen Sachbearbeiter hätten aufdrängen müssen. Zunächst wurde die im Veranlagungsverfahren vom zuständigen Sachbearbeiter zur Ermittlung des Sachverhalts zutreffend aufgeworfene Frage, wie die Einzahlung in die Direktversicherung steuerlich behandelt worden war, durch das Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 vom 15. Oktober 2001 überhaupt nicht beantwortet, obwohl dieser in seiner Funktion des Lohnsteuerabzugs- und Lohnsteuerabführungsverpflichteten hierüber allein hätte verlässlich Auskunft erteilen können. Weiter bezifferte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 in dem vorbenannten Schreiben die Höhe der Einzahlung in die Direktversicherung mit 177.476,40 DM. In den dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Unterlagen wurde die Höhe dieser Leistung hiervon abweichend - wie nachfolgend durch die Lohnsteueraußenprüfung Ende 2004 auch festgestellt - in Höhe von 141.426 DM beziffert. Nach Überzeugung des Senats hätten diese Unklarheiten den zuständigen Sachbearbeiter bei pflichtgemäßer Erfüllung seiner Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen, vor der abschließenden Veranlagung veranlassen müssen, beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 erstmals oder ggf. erneut nachzufragen, um einerseits die Frage nach der steuerlichen Behandlung der Einzahlung in die Direktversicherung abschließend zu klären und andererseits die nunmehr bestehende Abweichung hinsichtlich der Höhe dieses Betrages aufzulösen. Weder die weiter bestehende und sich weiter aufdrängende Zweifelsfrage nach der steuerlichen Behandlung der Einzahlung in die Direktversicherung noch die hinzugetretene und sich ebenfalls aufdrängende Zweifelsfrage nach der Höhe dieser Einzahlung veranlassten im Streitfall jedoch zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen vor der vorbehaltlosen Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres. Weitere Ermittlungsmaßnahmen hätten sich dem zuständigen Sachbearbeiter auch deshalb aufdrängen müssen, weil sich aus der dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Verdienstbescheinigung für den Monat August 1999 und der dem Beklagten ebenfalls vorliegenden Jahreslohnsteuerbescheinigung 1999 keine Anhaltspunkte auf eine lohnsteuerliche Behandlung der Einzahlung in die Direktversicherung nach den individuellen Besteuerungsmerkmalen des Klägers zu Ziffer 1 ergaben, obwohl nach der mit dem Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 dem Beklagten überreichten Betriebsvereinbarung die Leistungen mit der Gehaltsabrechnung August 1999 ausbezahlt worden waren und die gesetzlichen Abzüge zu Lasten der Mitarbeiter gegangen sind. Die nachträglich bekannt gewordene Tatsache der steuerlichen Nichtbehandlung der Einzahlung in die Direktversicherung wäre dem Beklagten bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht somit nicht verborgen geblieben.

bb) Der Beklagte kann sich im Streitfall bei der Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagung nicht auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht der Kläger bzw. ihres steuerlichen Beraters berufen.

(1) Eine Ermittlungspflichtverletzung des Finanzamtes ist bei der Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO unbeachtlich, wenn der Steuerpflichtige den Sachverhalt ganz bewusst falsch darlegt und bei dem Finanzamt einen Irrtum über einen tatsächlichen Geschehensablauf hervorruft (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 2004 IX R 39/01, BStBl II 2004, 1072 m.w.N.). Im Streitfall sind weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beteiligten Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Kläger bzw. ihr steuerlicher Berater, den Sachverhalt bewusst falsch dargelegt haben, um den Beklagten über den tatsächlichen Geschehensablauf zu täuschen. Die Kläger haben im finanzgerichtlichen Verfahren - vom Beklagten unbestritten - vorgetragen, von der steuerlichen Nichtbehandlung der Einzahlung in die Direktversicherung durch den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 erst durch den streitgegenständlichen Änderungsbescheid Ende 2004 Kenntnis erlangt zu haben. Hieran zweifelt der erkennenden Senat nicht. Selbst der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten ging - wie die Kläger - im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres vermutlich von der lohnsteuerlichen Behandlung des Vorgangsgangs durch den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 aus. Anderenfalls hätte er die Kläger ohne Berücksichtigung der Einzahlung in die Direktversicherung nicht vorbehaltlos und endgültig zur Einkommensteuer veranlagt.

(2) Der Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO steht der Grundsatz von Treu und Glauben - trotz eines Verstoßes gegen die behördliche Ermittlungspflicht - nur dann entgegen, wenn der Steuerpflichtige seinerseits seine Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 1 AO erfüllt hat. Der steuerlich relevante Sachverhalt muss hierbei richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt zur Prüfung unterbreitet worden sein (vgl. BFH-Beschluss vom 13. November 2007 VI B 160/06, BFH/NV 2008, 341 m.w.N.). Der Umfang dieser Mitwirkungspflichten richtet sich gemäß § 90 Abs. 1 Satz 3 AO nach den Umständen des Einzelfalles. Die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen an der Aufklärung des Sachverhalts besteht allerdings nur in den Grenzen der Zumutbarkeit (vgl. BFH-Beschluss vom 13. November 2007 VI B 160/06, BFH/NV 2008, 341 m.w.N.).

(I) Der anfängliche Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht der Kläger wurde im Verlauf des Veranlagungsverfahrens geheilt. Die Kläger haben es zwar zunächst versäumt, den Sachverhalt der Einzahlung in die Direktversicherung in ihrer Einkommensteuererklärung bzw. in einer ergänzenden Anlage dem Beklagten umfassend zur Prüfung vorzulegen. Die dem Steuerpflichtigen nach §§ 90 ff. AO auferlegten Mitwirkungspflichten sind nicht auf die Erklärung der in der Lohnsteuerkarte von seinem Arbeitgeber ausgewiesenen Einkünfte reduziert (vgl. BFH-Beschluss vom 13. November 2007 VI B 160/06, BFH/NV 2008, 341 m.w.N.). Die Kläger waren daher zur Erklärung auch des Sachverhalts der Einzahlung in die Direktversicherung verpflichtet und durften sich nicht auf die Erklärung der Eintragungen auf der Lohnsteuerbescheinigung des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 beschränken. Im Verlauf des Veranlagungsverfahrens erlangte der Beklagte durch die von ihm angeforderten und von den Klägern eingereichten Unterlagen Kenntnis von dem Sachverhalt der Einzahlung in die Direktversicherung. Der umfassenden Prüfung dieses Sachverhalts und der weiteren pflichtgemäßen Ermittlung zur abschließenden steuerlichen Beurteilung durch den Beklagten stand die anfänglich versäumte Erklärung in der Einkommensteuererklärung der Kläger somit nicht entgegen. Diese anfängliche Verletzung der Mitwirkungspflicht war im Verlauf des Veranlagungsverfahrens damit zeitlich überholt. Die den Klägern zur Verfügung stehenden Informationen und Unterlagen über die Einzahlung in die Direktversicherung wurden im Verlauf des Veranlagungsverfahrens dem Beklagten zur Prüfung offenbart bzw. vorgelegt. Die Verpflichtung zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenlegung der für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen haben die Kläger - wenn auch nicht anfänglich, so doch im Verlauf des Veranlagungsverfahrens - erfüllt.

(II) Der Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht der Kläger in Gestalt der Nichtbeantwortung des Schreibens des Beklagten vom 3. September 2001 war nicht kausal für das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsache über die lohnsteuerliche Nichtbehandlung durch den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1. Das Schreiben des Beklagten an den steuerlichen Berater der Kläger vom 3. September 2001 mit der Bitte um Beantwortung der Frage, wie die Einzahlung in die Direktversicherung steuerlich behandelt worden war, wurde von den Klägern zwar nicht beantwortet. Hatten die Kläger - wie unbestritten vorgetragen - zu jenem Zeitpunkt keine Kenntnis über die lohnsteuerliche Behandlung des Vorgangs durch den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1, hätten sie die ihnen gestellte Frage nach der steuerlichen Behandlung aus eigenem Wissen jedoch nicht beantworten können. So hätten sie allenfalls dem Beklagten mitteilen können, dass sie über die lohnsteuerliche Behandlung keine Kenntnis haben. Es kann dahinstehen, ob die Kläger in den Grenzen der Zumutbarkeit im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht verpflichtet gewesen wären, die notwendigen Informationen über die steuerliche Behandlung durch Nachfrage beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 zu beschaffen oder den Beklagten auf die Möglichkeit der Auskunftserteilung durch den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 hinzuweisen. Im weiteren Verlauf des Veranlagungsverfahrens kam es auch ohne eine Antwort der Kläger des vorgenannten Inhalts auf das Schreiben des Beklagten vom 3. September 2001 zur Auskunftserteilung des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 direkt an den Beklagten. Eine verbösernde Änderung der Steuerfestsetzung scheidet aus, wenn sie auf Tatsachen gründet, die der Finanzbehörde infolge einer Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen zunächst unbekannt geblieben ist (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 2008 IV B 53/07 u.a., BFH/NV 2008, 924 m.w.N.). Nichts anderes kann gelten, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht zwar nicht ordnungsgemäß erfüllt, dies jedoch - wie im Streitfall - auch bei hinzugedachter ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Pflicht keine Auswirkung auf das nachträgliche Bekanntwerden der rechtserheblichen Tatsache gehabt hätte. Hätten die Kläger bzw. ihr steuerlicher Berater das Schreiben des Beklagten vom 3. September 2001 nach ihrem damaligen Kenntnisstand wahrheitsgemäß mit Nichtwissen beantwortet, wäre - nach Überzeugung des Senats - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Prüfung des Sachverhalts einschließlich des Verstoßes gegen die amtliche Ermittlungspflicht nach Einholung der Auskunft beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 nicht anders verlaufen als. Die Nichtbeantwortung des vorgenannten Schreibens war daher für das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsache der steuerlichen Nichtbehandlung der Einzahlung in die Direktversicherung nicht ursächlich. Eine verbösernde Änderung der Steuerfestsetzung scheidet somit auch dann aus, wenn sie auf Tatsachen gründet, die der Finanzbehörde infolge einer Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz hinzugedachter ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen zunächst unbekannt geblieben ist.

cc) Die Verletzung der Ermittlungspflicht des Beklagten überwiegt nach Überzeugung des Senats darüber hinaus - entgegen der Ansicht des Beklagten - die Verletzung der Mitwirkungspflichten der Kläger deutlich.

Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 2008 IV B 53/07 u.a., BFH/NV 2008, 924 m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn - wie im Streitfall - die Pflichtverletzung der Finanzbehörde die Verletzung der Mitwirkungspflichten seitens des Steuerpflichtigen deutlich überwiegt (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 2008 IV B 53/07 u.a., BFH/NV 2008, 924 m.w.N.). Bei der Abwägung der beiderseitigen Pflichtverstöße ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die Kläger es allenfalls versäumt haben, zum einen dem Beklagten auf das Schreiben vom 3. September 2001 hin, diesem mitzuteilen, dass sie über die lohnsteuerliche Behandlung durch den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zu Ziffer 1 keine Kenntnis haben, und zum anderen die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen und Unterlagen über die Einzahlung in die Direktversicherung nicht mit der Einkommensteuererklärung des Streitjahrs, sondern erst im Verlauf des Veranlagungsverfahrens dem Beklagten nach Anforderung zur Prüfung offenzulegen bzw. vorzulegen. Dieser Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten ist allenfalls als geringfügig zu werten. Der Beklagte war durch die verspätete, aber noch rechtzeitige Offenbarung bzw. Vorlage der Kenntnisse und Unterlagen der Kläger über die Einzahlung in die Direktversicherung zur umfassenden Prüfung dieses Sachverhalts und der weiteren pflichtgemäßen Ermittlung zur abschließenden steuerlichen Beurteilung vor erstmaliger Veranlagung nicht gehindert. Die hinzugedachte ordnungsgemäße Erfüllung der Mitwirkungspflicht durch Beantwortung des Schreibens des Beklagten vom 3. September 2001 hätte - wie ausgeführt - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das nachträgliche Bekanntwerden der rechtserheblichen Tatsache infolge des Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht nicht verhindert. Demgegenüber waren die Zweifelsfragen, die sich dem Beklagten nach dem Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers zu Ziffer 1 vom 15. Oktober 2001 weiterhin bzw. erstmals aufdrängen mussten, derart massiv und offensichtlich, dass der Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht in Gestalt der unterlassenen notwendigen weiteren Ermittlungen vor vorbehaltloser und endgültiger Veranlagung die Verletzung der Mitwirkungspflichten der Kläger nach Überzeugung des Senats bei weitem und sehr deutlich überwiegt. Einer groben Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Beklagten steht ein nur geringfügiger Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten der Kläger gegenüber.

2. Der Beklagte trägt gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen im Streitfall nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Die Entscheidung beruht auf der höchstrichterlichen, ständigen Rechtsprechung und wendet diese auf den vorliegenden Einzelfall an (vgl. BFH-Beschluss vom 24. März 2004 X B 110/03, BFH/NV 2004, 1070).

Ende der Entscheidung

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