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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 01.12.2006
Aktenzeichen: 9 K 29/05
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 4
UStG § 9 Abs. 2
UStG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob hinsichtlich von Vermietungsumsätzen zur Umsatzsteuerpflicht optiert werden kann und infolgedessen Vorsteuerbeträge aus der Herstellung des Mietobjekts abgezogen werden können.

Die klagende Grundstückgemeinschaft ist Eigentümerin eines in A belegenen Grundstücks, das ursprünglich mit einem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Wohn- und Werkstattgebäude bebaut war.

In den Streitjahren 2000 und 2001 gestaltete die Klägerin mit einem Kostenaufwand von rund 1,7 Mio. DM das Gebäude grundlegend zu einem Seniorenstift - betreutes Wohnen - um. Hierbei wurde die vorhandene Gebäudesubstanz weitgehend durch neue Bauteile ersetzt. So blieb zwar das Fundament erhalten, doch wurden die Außenwände und die tragenden Innenwände größtenteils neu hergestellt.

Gleiches gilt für die Geschossdecken und den Dachaufbau. Schließlich wurde das Dach komplett neu eingedeckt und alle zentralen Ausstattungsmerkmale wie Fenster, Heizungsanlage, Elektro- und Sanitärinstallation neu eingefügt.

Nach Abschluss der Baumaßnahmen vermietete die Klägerin mit Vertrag vom 20.12.2000 ab 01.01.2001 das gesamte Gebäude an die Beigeladene. "Der Mieter", so der Mietvertrag, "verwendet das Objekt für Zwecke des 'Betreuten Wohnens'." Die Beigeladene als Betreiberin des "Seniorenstifts ..." stellt die einzelnen Wohnungen seitdem den diversen Bewohnern typischerweise auf der Grundlage zweier Verträge zur Verfügung. Sie schließt zum einen "Mietvertrag über eine seniorengerechte Wohnung" (im Folgenden MV) ab, zum anderen einen "Dienstleistungsvertrag" (im Folgenden: DV). Ersterer regelt die Überlassung einer 1 - oder 2- Zimmer-Wohnung mit Küchenzeile sowie Bad mit WC. Der DV regelt die Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen und die Betreuung der Senioren durch die Beigeladene.

Ausweislich des Vertragstextes lässt der DV die Wahl verschiedener einzelner, jeweils gesondert zu vergütender Leistungen, wie Verpflegung, Wäscheservice, Wohnungsreinigung, Notruftelefon, zu.

Daneben wird eine Dienstleistungspauschale für die Vorhaltung der gesamten Dienstleistungen, Pflegemöglichkeiten, Telefon- und Schließanlage bei den einzelnen Mietern erhoben. Die Pflege als solche ist allerdings nicht Gegenstand des DV. Die Senioren müssen vielmehr diese Leistungen bei fremden Dritten, etwa einem ambulanten Pflegedienst, auf eigene Rechnung selbst "einkaufen". Obgleich der DV in seinen Vorbemerkungen ausdrücklich festhält, dass MV und DV rechtlich selbstständige Verträge darstellen, teilt der eine Vertrag durchaus rechtlich und erst recht faktisch das Schicksal des anderen Vertrages. So führen Tatsachen, die zur Kündigung des DV aus wichtigem Grund berechtigten, auch zur Kündigung des MV (so Ziffer 2 des DV "Hinweis zum Mietvertrag"). § 4 Nr. 3 DV sieht des Weiteren vor, dass eine Kündigung des MV automatisch zur Beendigung des DV führt. Im Vorspann des MV heißt es schließlich ganz allgemein, dass die Beendigung des MV die Beendigung des DV nach sich zieht und umgekehrt. Faktisch werden, was die Beigeladene allerdings bestreitet, ohnehin lediglich solche Senioren in das Stift aufgenommen, die bereit sind, beide Verträge abzuschließen und alle im DV vorgesehenen Einzelleistungen in Anspruch zu nehmen.

In den Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2000 und 2001 zog die Klägerin die in den Rechnungen der Bauhandwerker und der sonstigen am Bauvorhaben beteiligten Unternehmen enthaltenen Vorsteuerbeträge ab. Im Gegenzug unterwarf sie den ab 2001 vereinnahmten Mietzins der Besteuerung.

Nach Durchführung einer Außenprüfung versagte der Beklagte den Vorsteuerabzug in den angegriffenen Umsatzsteuerbescheiden 2000 und 2001 vom 25.03.2004. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die von der Klägerin an die Beigeladene erbrachte Vermietungsleistung gemäß § 4 Nr. 12 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerbefreit sei, was gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG zwingend zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führe. Die Klägerin könne auch nicht gemäß § 9 UStG auf die Steuerbefreiung verzichten, weil die in § 9 Abs. 2 UStG geregelte Voraussetzung für einen derartigen Verzicht im Streitfall nicht gegeben sei. Denn die Beigeladene als Empfängerin der Vermietungsleistung verwende das von der Klägerin angemietete Grundstück nicht, wie von § 9 Abs. 2 UStG verlangt, ausschließlich zur Erbringung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ermöglichen. Vielmehr erbringe die Beigeladene mit der Weitervermietung der einzelnen Wohnungen an die Senioren einen gemäß § 4 Nr. 12 Buchstabe a UStG steuerfreien Umsatz. Die Rechtsbeziehung der Beigeladenen zu den Bewohnern des Stifts sei nicht als ein - insgesamt steuerpflichtiger - Vertrag besonderer Art zu qualifizieren, bei dem die Wohnraumüberlassung im Rahmen des MV völlig hinter den aufgrund des DV erbrachten Dienstleistungen zurücktrete. Vielmehr liege ein aus Elementen der Dienstleistung und der Wohnraumüberlassung bestehender so genannter gemischter Vertrag vor. Die steuerfreie Wohnraumüberlassung werde von anderen - steuerpflichtigen - Leistungen nicht völlig in den Hintergrund gedrängt, sondern habe ein erhebliches eigenes Gewicht. Auf die für sie günstigere frühere Fassung des § 9 Abs. 2 UStG könne sich die Klägerin nicht berufen. Gemäß § 27 Abs. 2 UStG sei § 9 Abs. 2 UStG n.F. im Endergebnis nur dann nicht anzuwenden, wenn es sich bei dem betreffenden Gebäude um ein Altgebäude handele. Durch die von der Klägerin in Auftrag gegebenen umfangreichen Bauarbeiten sei aber im Rechtssinne ein neues Gebäude entstanden, auf welches die strengere Fassung des § 9 Abs. 2 UStG anzuwenden sei.

In ihrem rechtzeitig eingelegten Einspruch trat die Klägerin dieser rechtlichen Würdigung entgegen. Der Beklagte habe in einem durchaus vergleichbaren Fall eines anderen Seniorenstifts dem dortigen Betreiber die verbindliche Auskunft erteilt, dass es sich trotz der zivilrechtlichen Aufspaltung der Rechtsbeziehung auf zwei Verträge um einen Vertrag besonderer Art handele. Da die dort zur Beurteilung anstehenden Verträge den von der Beigeladenen verwendeten inhaltlich entsprochen hätten, habe sie auf eine übereinstimmende rechtliche Behandlung durch den Beklagten vertraut. Von diesem Aspekt abgesehen, seien MV und DV nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise als ein einheitlicher Vertrag besonderer Art anzusehen und entsprechend umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen. Die gesamten Umsätze der Beigeladenen unterlägen daher der Umsatzsteuer. Wie die abgestimmten Regelungen über die Vertragsbeendigung zeigten, liege trotz der zivilrechtlichen Aufspaltung der Rechtsbeziehung zu den Bewohnern in einen MV und einen DV ein einheitlicher Vertrag vor. Entgegen den Vorgaben der das "Betreute Wohnen" betreffenden Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums Baden-Württemberg, wonach die Inanspruchnahme zusätzlicher Service- und Betreuungsleistungen nur auf völlig freiwilliger Basis erfolgen dürfe, sei es in der Praxis des Seniorenstifts ... ohnehin so, dass nur derjenige Interessent Aussicht auf Aufnahme in das Stift habe, der das volle Dienstleistungsangebot in Anspruch zu nehmen bereit sei. Zudem mache die erheblich über dem Mietzins liegende Höhe der aufgrund des DV zu entrichtenden Vergütung deutlich, dass die Raumüberlassung weit und nachhaltig von den Betreuungsleistungen überlagert werde. Schließlich deute die Rechtsprechung der Zivilgerichte darauf hin, dass es sich bei der aus MV und DV bestehenden Rechtsbeziehung des Betreuten Wohnens um einen einheitlichen Vertrag handele.

Das Vorbringen der Klägerin im Einspruchsverfahren vermochte den Beklagten nicht zu überzeugen. Er blieb in der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2004 bei seiner bisherigen Bewertung. Da die Beigeladene nicht ausschließlich vorsteuerunschädliche Umsätze erbringe, seien die Optionsvoraussetzungen gemäß § 9 Abs. 2 UStG nicht erfüllt, was sodann zur Versagung des Vorsteuerabzugs führen müsse.

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Beklagte sei auf ihre Argumente nicht hinreichend eingegangen. Auch der Sachverhalt harre noch vollständiger Aufklärung.

Nach den tatsächlich praktizierten Verhältnissen werde ihr Gebäude nicht zu Zwecken des Betreuten Wohnens verwendet, vielmehr handele es sich um ein Altenwohnheim bzw. einen sanatoriumsähnlichen Betrieb. Die Überlassung von Wohnraum stehe eindeutig nicht im Vordergrund, so rührten 57,87% der Einnahmen der Beigeladenen aus den Dienstleistungen her, lediglich die restlichen 42,13% entfielen auf die Vermietung.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001 dahingehend abzuändern, dass im Besteuerungszeitraum 2000 Vorsteuerbeträge in Höhe von 250.026,77 DM und im Besteuerungszeitraum 2001 Vorsteuerbeträge in Höhe von 27.860,31 DM abgezogen werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner vorgerichtlich vertretenen Auffassung fest.

Der Senat hat mit Beschluss des Berichterstatters vom 04.10.2006 Frau H., die Betreiberin des Seniorenstifts, gemäß § 174 Abs. 4 und 5 der Abgabenordnung (AO) zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass von ihr selbst keine Pflegeleistungen erbracht würden. Die Senioren, die bei ihnen einzögen, seien oft nicht pflegebedürftig. Würden die Bewohner mit der Zeit pflegebedürftig werden, dann stünde ein ambulanter Pflegedienst zur Verfügung. Dieser werde von den Bewohnern selbst beauftragt.

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sei es im Übrigen durchaus so, dass einzelne Bewohner z.B. nicht an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen würden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Die Vermietung von Grundstücken gehört nach § 4 Nr. 12a UStG zu den steuerfreien Umsätzen. Auf die Steuerfreiheit dieses Umsatzes kann der Vermieter gemäß § 9 Abs. 2 UStG nur dann verzichten, wenn der Mieter das angemietete Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.

Zu Recht hat der Beklagte den Vorsteuerabzug aus der Herstellung der Seniorenresidenz versagt, weil die Klägerin die empfangenen Bauleistungen zur Ausführung steuerfreier Vermietungsleistungen verwendet hat. Die Klägerin konnte auch nicht auf die Steuerfreiheit ihrer Vermietungsleistung verzichten (Option), weil die Beigeladene als Mieterin ihrerseits das bebaute Grundstück teilweise für steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Vermietungsumsätze verwendete.

1.

Es steht außer Frage, dass die Klägerin mit der Vermietung der in den Streitjahren errichteten Seniorenresidenz einen Umsatz tätigte, der grundsätzlich zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG führt, weil Grundstücksvermietungen kraft Gesetzes von der Umsatzsteuer befreit sind (§ 4 Nr. 12a UStG).

2.

Einem Verzicht auf diese Steuerbefreiung - mit der Folge der Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin - steht entgegen, dass die Beigeladene als Empfängerin der Vermietungsleistung das angemietete Grundstück ihrerseits steuerfrei und damit vorsteuerschädlich an die jeweiligen Bewohner der einzelnen Wohnungen vermietete. Die in § 9 Abs. 2 UStG enthaltene Voraussetzung für einen Verzicht der Klägerin auf die Steuerfreiheit ihres Vermietungsumsatzes war damit im Streitfall nicht erfüllt.

a)

§ 9 Abs. 2 UStG (i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom 21.12.1993 - StMBG - , BGBl. I 1993, 2310) war im Streitfall anwendbar. Nach der in § 27 Abs. 2 UStG enthaltenen Übergangsvorschrift ist § 9 Abs. 2 UStG (i.d.F. des StMBG) nur dann nicht anwendbar, wenn das auf dem Grundstück errichtete Gebäude vor den verschiedenen in Ziffern 1. bis 3. des § 27 Abs. 2 UStG im einzelnen aufgeführten Fertigstellungszeitpunkten (1. April 1985, 1. Januar 1986 oder 1. Januar 1998) fertig gestellt worden ist, das Gebäude mithin als Altgebäude zu qualifizieren wäre.

Die Seniorenresidenz ... wurde aber erst in den Jahren 2000 und 2001 errichtet. Dass sie aus einem bereits vorhandenen Altgebäudes hervorging, vermag daran nichts zu ändern. Denn der tiefgreifende Umbau eines Altbaus steht der Errichtung eines (neuen) Gebäudes gleich, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn verbrauchte Teile, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, ersetzt werden. Demgegenüber kann von einem Neubau nicht gesprochen werden, wenn wesentliche Elemente wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschossdecken und die Dachkonstruktion erhalten bleiben (BFH-Urteil vom 05.06.2003 V R 32/02, UR 2003, 495 m.w.N.). Die Klägerin hat in diesem Sinne einen Neubau errichtet. Denn die Umbaumaßnahmen haben nachhaltig in die Gebäudesubstanz eingegriffen. Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Wohn- und Werkstattgebäude wurde nicht lediglich generalsaniert, vielmehr ist durch die Baumaßnahmen etwas gänzlich Neues entstanden. Vom Fundament abgesehen wurden alle wesentlichen Gebäudeteile weitgehend oder vollständig durch neue Teile ersetzt. Dass dem tatsächlich so war, haben die Beteiligten nach umfangreicher Sacherörterung unstreitig gestellt. Die sehr hohen Baukosten indizieren die Richtigkeit dieser tatsächlichen Verständigung.

b)

Die in § 9 Abs. 2 UStG enthaltene Optionsvoraussetzung ist nicht erfüllt. Die beigeladene Grundstücksmieterin hat das Gebäude nicht ausschließlich zur Erbringung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug zulassen. Denn ihre Leistungsbeziehung zu den Bewohnern der Seniorenresidenz ist nicht als - insgesamt steuerpflichtiger - Vertrag besonderer Art zu qualifizieren, bei dem die Grundstücksüberlassung gegenüber anderen wesentlicheren Leistungen zurücktritt und das Vertragsverhältnis ein unteilbares Ganzes darstellt. Vielmehr handelt es sich um einen gemischten Vertrag, bei der neben der steuerfreien Grundstücksüberlassung eine weitere steuerpflichtige Leistung steht. Denn die von der Beigeladenen aufgrund des MV erbrachte Vermietungsleistung tritt nicht gänzlich hinter die aufgrund des DV erbrachten - steuerpflichtigen - Dienstleistungen zurück, sondern ist von erheblichem Eigengewicht. Die Grundstücksüberlassung prägt die Vertragsbeziehung mindestens ebenso stark wie das Dienstleistungselement. Der Begriff des "Betreuten Wohnens" bringt die Gleichgewichtigkeit der beiden Elemente sinnfällig zum Ausdruck.

Der Senat hat die vorstehende Beurteilung der Leistungsbeziehung der Beigeladenen zu den Bewohnern des Stifts aufgrund der in der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Abgrenzungsmerkmale vorgenommen. Danach ist, wenn es um die Unterbringung alter Menschen in Heimen und ähnlichen Einrichtungen geht, vor allem von Bedeutung, welches Gewicht und welchen Umfang die sonstigen Leistungen, die neben die Wohnraumüberlassung treten, im konkreten Einzelfall haben. Stehen die medizinische und pflegerische Betreuung und Versorgung alter, gebrechlicher Menschen, wie typischerweise bei Alten pflege - und Alten kranken heimverträgen, ganz im Vordergrund, weil die Wohnraumgewährung lediglich Teil und Voraussetzung der Pflege ist, dann wird regelmäßig von einem Vertrag besonderer Art auszugehen sein. Dies betrifft also Sachverhalte, in denen die Vermietung von Wohnraum gegenüber anderen wesentlicheren Vertragsleistungen gänzlich in den Hintergrund tritt.

Stehen jedoch pflegerische und medizinische Leistungen nicht im Vordergrund, wie typischerweise bei Altenheim- und Alten wohn heimverträgen, dann ist die Wohnraumüberlassung nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung, sondern behält eigenständiges Gewicht. Maßgeblich für die Abgrenzung ist hiernach, ob es sich bei den Bewohnern des Heimes um Pflegebedürftige handelt, die von dem Heimbetreiber ähnlich wie in einem Krankenhaus umfassend medizinisch und pflegerisch betreut und versorgt werden. Auf die Bezeichnung der Verträge kommt es nicht an (zum Vorstehenden vgl. BFHUrteile vom 21.04.1993 XI R 55/90, BFHE 172, 141, BStBl II 1994, 266; vom 14.10.1993 V R 36/89, BFHE 173, 450, BStBl II 1994, 427; Brockmann in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 4 Nr. 12, Rz 41 und 51; Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 12, Rz 31 f. und 34 Stichwort "Heimunterbringung") 27 Gemessen an diesen Maßstäben musste vorliegend von einem gemischten Vertrag ausgegangen werden. Allein die Tatsache, dass die aufgrund des DV von der Beigeladenen erzielten Einnahmen einige Prozentpunkte über denen des MV lagen, rechtfertigt die Annahme eines Vertrages besonderer Art keinesfalls. Entscheidend sind Umfang und Gewicht der aufgrund des DV erbrachten Dienstleistungen. So stützt das Einnahmenverhältnis eindrucksvoll gerade die Argumentation des Beklagten, wird doch niemand ernsthaft behaupten wollen, dass ein "Geschäftszweig", der mehr als 40% der Gesamteinnahmen generiert, von zu vernachlässigender wirtschaftlicher Bedeutung wäre. Bewertet man die qualitativen Inhalte der beiden Leistungen, so sticht ins Auge, dass der DV gerade nicht vorsieht, die Senioren pflegerisch und medizinisch zu versorgen. Diese Leistungen werden, wenn sie überhaupt von den Bewohnern benötigt und nachgefragt werden, von fremden Dritten erbracht und charakterisieren somit nicht die Tätigkeit der Beigeladenen und deren Rechtsbeziehung zu den Bewohnern. Diese schuldet aufgrund des DV lediglich eine Art hauswirtschaftliche Rund-um-Versorgung mit Verköstigung, Wäscheservice, Reinigung u.Ä. Derartige Dienst- und Betreuungsleistungen sind typisch für ein Altenheim oder ein Altenwohnheim und damit für ein gemischtes Vertragsverhältnis. Sollten die Bewohner der Seniorenresidenz ... selbst die im DV aufgeführten Dienstleistungen nicht abrufen, was in der von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschilderten Praxis im Einzelfall durchaus vorkommt, dann liegt in diesen Fällen noch nicht einmal ein gemischter Vertrag, sondern eine reine Wohnraumüberlassung vor. Für das eigene Gewicht der Wohnraumüberlassung spricht zudem, dass diese deutlich die Züge eines normalen Mietverhältnisses trägt. Bei den Wohnungen handelt es sich durchgehend um in sich abgeschlossene, separate Wohneinheiten mit Bad, Küche und ein bis zwei Zimmern. Die Bewohner wohnen also in ihren eigenen vier Wänden und nicht in möblierten Ein-, Zweioder Mehrbettschlafräumen, wie sie häufig in Altenheimen anzutreffen sind. Nach alledem war für den Senat nicht erkennbar, dass, wie es für die Annahme eines Vertrages besonderer Art erforderlich wäre, die Wohnraumüberlassung gegenüber den aufgrund des DV erbrachten Dienstleistungen gänzlich in den Hintergrund tritt.

3.

Soweit die Klägerin sich auf eine verbindliche Auskunft beruft, mit der der Beklagte einem anderen Steuerpflichtigen gegenüber den Rechtsstandpunkt einnahm, das "Betreute Wohnen" sei als Vertrag besonderer Art zu würdigen, vermag dieser Umstand der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn die - dem materiellen Recht wohl widersprechende - Auskunft löste lediglich eine Bindung des Beklagten gegenüber dem konkreten Empfänger der verbindlichen Auskunft aus.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen folgt aus § 139 Abs. 4 FGO. Danach ist eine Erstattungsfähigkeit nur gegeben, wenn das Gericht diese Kosten aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Dem Beigeladenen Kostenerstattung zuzubilligen, ist in der Regel nur dann angezeigt, wenn er Sachanträge gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat.

Ausnahmsweise kann es der Billigkeit entsprechen, dem Beigeladenen Kostenerstattung zuzusprechen, wenn er das Verfahren durch seinen Vortrag oder durch Rechtsausführungen wesentlich gefördert hat (zum Ganzen vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, § 139, Rz. 136 und 138 m.w.N.). Der Senat ließ es dahinstehen, ob die Stellung eines Klageabweisungsantrages ausreichend ist, um der Beigeladenen Kostenerstattung zuzusprechen. Jedenfalls hielt er die Kostenerstattung deswegen für recht und billig, weil die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung durch ihren Sachvortrag nicht unwesentlich zur Aufklärung der Sachverhalts beigetragen hat.

Da die Frage, nach welchen Rechtsgrundsätzen der gemischte Vertrag vom Vertrag besonderer Art abzugrenzen ist, höchstrichterlich geklärt ist, bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung des Senats lag auf tatsächlichem Gebiet.

Ende der Entscheidung

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