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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 14.06.2006
Aktenzeichen: 2 K 2478/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid 1997 vom 7. Juni 2000 mit Bescheid vom 28. Oktober 2003 wegen des Fehlens der formalen Voraussetzungen für die Durchführung einer Veranlagung nach § 46 Einkommensteuergesetz -EStG- zu Recht aufgehoben hat.

Nachdem die Kläger für das Streitjahr zunächst keine Einkommensteuererklärung eingereicht hatten, erließ der Beklagte mit Datum vom 4. Februar 2000 einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Bescheid, mit dem er die Einkommensteuer 1997 unter Zugrundelegung von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 60 000,00 DM und nicht-selbständigen Einkünften in Höhe von 73 000,00 DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 27 172,00 DM festsetzte. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichten die Kläger die Steuererklärung ein, in der sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 119 757,00 DM, Arbeitslohn in Höhe von 83 476,00 DM sowie Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 215,00 DM erklärten. Der Beklagte erließ daraufhin am 7. Juni 2000 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- geänderten Bescheid, in dem die Einkommensteuer unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung auf 0,00 DM gemindert wurde. Der Einspruch wurde für erledigt erklärt.

Anlässlich einer Überprüfung des in der Steuererklärung 1998 geltend gemachten Verlustabzugs nach § 10 d EStG wurde jedoch festgestellt, dass mit den für 1997 erklärten Einkünften die formalen Voraussetzungen für die Durchführung einer Veranlagung nach § 46 EStG nicht erfüllt seien. Der Beklagte hob daraufhin mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 den Schätzungsbescheid vom 4. Februar 2000 sowie den Änderungsbescheid vom 7. Juni 2000 nach § 164 Abs. 2 AO auf und forderte die bereits erstatteten Steuerabzugsbeträge zurück.

Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch machten die Kläger unter anderem geltend, dass der Beklagte durch die Erteilung des Änderungsbescheids vom 7. Juni 2000 einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, durch den er daran gehindert gewesen sei, diesen Bescheid trotz des Bestehens des Vorbehalts der Nachprüfung aufzuheben. Darüber hinaus sei aufgrund des unklaren und unbestimmten Regelungsinhalts des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG für die Kläger nicht erkennbar gewesen, dass unter den Antrag auf Veranlagung zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer neben dem früheren Lohnsteuerjahresausgleich auch die Fälle zu subsumieren seien, in denen Verluste aus anderen als dem Steuerabzug unterworfenen Einkunftsarten berücksichtigt werden sollten. Ferner sei ihrer Meinung nach auch § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nur auf Nebeneinkünfte beschränkt, die ein Steuerpflichtiger neben und/oder während seiner lohnsteuerpflichtigen Haupttätigkeit erziele. Ungleichbehandlungen zwischen Arbeitnehmerveranlagungen und Veranlagungen mit ausschließlich anderen Einkunftsarten seien jedenfalls mit Artikel 3 Grundgesetz -GG- nicht vereinbar.

Der Beklagte folgte dem nicht, sondern wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 30. September 2004 als unbegründet zurück.

Er verwies insbesondere darauf, dass ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ohne sachliche Einschränkung jederzeit in vollem Umfang aus formalen oder materiellen Gründen geändert werden könne. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn das Finanzamt eine bindende Zusage erteilt oder durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, was vorliegend nicht der Fall sei. Auch die unterschiedlichen Fristen für die Abgabe einer Steuererklärung und für einen An-trag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG verstießen nach ständiger Rechtsprechung nicht gegen den sich aus Artikel 3 GG ergebenden Gleichheitssatz. Angesichts des allgemeinen Interesses, das bei einer Veranlagung von Amts wegen bestehe, und dem persönlichen Interesse an einer Antragsveranlagung sehe der Bundesfinanzhof -BFH- die unterschiedlichen Fristen für die Abgabe der Steuererklärung und für das Stellen des Antrags nicht als willkürlich an.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand im Vorverfahren wird auf die Gründe der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2004 Bezug genommen (Bl. 16-20 Streitakte -StrA-).

Zur Begründung der Klage haben die Kläger insbesondere auf ihren Vortrag im Vorverfahren hingewiesen. Ziel der Klage sei es, die Vertrauenstatbestände zu berücksichtigen, die es dem Beklagten verwehrten, den aufgrund der Steuererklärung 1997 geänderten Einkommensteuerbescheid vom 7. Juni 2000 aufzuheben. Der Gesetzestext zu § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sei gegenüber den früheren Fassungen unklar und unbestimmt formuliert, gebe Veranlassung zu erheblichen Zweifeln und sei offenbar wegen dieser Unklarheiten und Missverständnisse in der Steuerrechtskommentierung gegenüber den früheren Fassungen weitest-gehend ausgespart geblieben. Dies dürfe mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die Finanzbehörden bis 2002 Sachverhalte wie den vorliegenden im allgemeinen nicht beanstandet und die Veranlagungen bei Verlusten aus anderen Einkunftsarten als solchen aus Arbeitnehmertätigkeit erklärungsgemäß auch nach Ablauf von zwei Jahren durchgeführt hätten.

Ebenso sei ein Verstoß gegen Artikel 3 GG festzustellen, da eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmerveranlagungen bei Ablauf der Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG und Veranlagungen anderer Steuerpflichtiger bei ansonsten gleichgelagerten Verhältnissen (Verlustsituation) vorliege. Sofern bei anderen als Arbeitnehmerveranlagungen Verluste zu berücksichtigen seien, betrage im Extremfall die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen sieben Jahre, nämlich die allgemeine Festsetzungsfrist von vier Jahren und die Anlaufhemmung von drei Jahren.

Soweit die Kläger für den Fall, dass die Einkommensteuer 1997 nicht wie bisher erklärungsgemäß veranlagt werde, hilfsweise beantragt hatten, den erzielten Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 119 757,00 DM bei der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1997 zu berücksichtigen, haben sie die Klage insoweit in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Oktober 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2004 zu verpflichten, die Kläger entsprechend dem Einkommensteuerbescheid vom 7. Juni 2000 zur Einkommensteuer 1997 zu veranlagen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2004.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung zwei Bände der vom Beklagten geführten Einkommensteuerakten zur Steuernummer xxxxxxxxxxxx vorgelegen.

Gründe

Das Verfahren war gemäß § 72 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- einzustellen, soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf erklärungsgemäße Veranlagung.

Der Beklagte hat den Schätzungsbescheid vom 4. Februar 2000 und den Änderungsbescheid vom 7. Juni 2000 zu Recht nach § 164 Abs. 2 AO aufgehoben und eine Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 1997 abgelehnt, da die Voraussetzungen für eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 EStG nicht vorliegen. Die Kläger haben auch keinerlei Umstände dargetan, die wegen des Versäumens der Antragsfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerechtfertigt hätten.

Das Gericht folgt insoweit den zutreffenden Erwägungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2004 und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 105 Abs. 5 FGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO und - soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben - aus § 136 Abs. 2 FGO.

Im Hinblick auf die Vielzahl der beim BFH anhängigen Revisionsverfahren, welche die Voraussetzungen der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG und eine etwaige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Gegenstand haben (z.B. VI R 15/05 - Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urteil vom 6. Oktober 2004 7 K 4173/03 E; VI R 71/05 - Vorinstanz: FG Niedersachsen, Urteil vom 15. Juli 2005 11 K 87/05) wird die Revision zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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