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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 14.06.2006
Aktenzeichen: 2 K 4129/03
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 163
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin war im Streitjahr im Leasinggeschäft tätig, u. a. auch im Baubereich.

In diesem Zusammenhang kaufte die Klägerin von der Firma K Leasinggüter und verleaste diese an die B-GmbH in xxx. Von der Klägerin unbemerkt wurden mehrere Leasinggüter doppelt, d. h. dasselbe Wirtschaftsgut in mehreren Verträgen, zum Gegenstand der Vereinbarungen gemacht. Die der Klägerin in Rechnung gestellte Vorsteuer aus den ihr im Zusammenhang mit bereits früher gelieferten und berechneten Wirtschaftsgütern (im Folgenden: Scheinverträge) in Rechnung gestellten Lieferungen beträgt zusammengefasst 326.850,00 DM. Die Klägerin machte diese Vorsteuer im Rahmen ihrer Umsatzsteuerveranlagungen geltend und meldete andererseits die im Zusammenhang mit den Scheinverträgen an die B-GmbH in Rechnung gestellten Nettobeträge als steuerpflichtige Umsätze an, soweit sie von der B-GmbH gezahlt wurden. Im Ergebnis zahlte die B-GmbH der Klägerin auf die laufenden Leasingraten Vorsteuer in Höhe von 21.436,35 DM. Wegen der Beträge im Einzelnen nimmt das Gericht auf Bl. 121 f. der Umsatzsteuerakte 1996 bis 1997 -UStA I- Bezug.

K meldete die Umsatzsteuer aus den an die Klägerin gerichteten Scheinrechnungen im Rahmen seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung an. Gleichzeitig machte er jedoch auch die Vorsteuer auf die entsprechenden Scheinlieferungen aus Rechnungen der Firma -L- (= umsatzsteuerlicher Organträger der B-GmbH) als Vorsteuer geltend, sodass aus diesen Geschäften keine oder jedenfalls keine wesentlichen Zahllasten resultierten. Das für K zuständige Finanzamt hielt nach Aufdeckung der Scheingeschäfte an den angemeldeten Umsätzen fest (nunmehr als Bemessungsgrundlage für eine Haftung nach § 14 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz -UStG- a. F.) und versagte den Abzug der Vorsteuern aus den Rechnungen des L. Die dadurch entstehenden Umsatzsteuernachzahlungen konnten bisher nicht beigetrieben werden. Das Gericht nimmt auf die Stellungnahmen des Finanzamts xxx - Steuerfahndungsstelle -Steufa xxx- vom 11. Dezember 2001 (Bl. 49 Streitakte 2 K 5391/03) und 9. März 2004 (Bl. 95 Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakte) Bezug.

Die B-GmbH machte aus den ihr erteilten Rechnungen der Klägerin insgesamt Vorsteuer in Höhe von 26.129,34 DM geltend. Das Gericht nimmt auf die Stellungnahme der Steufa xxx vom 11. Dezember 2001 (Bl. 48 Streitakte 2 K 539 1/03) Bezug.

Die Umsatzsteuer 1997 für die Klägerin war zunächst aufgrund der am 9. September 1998 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung 1997 festgesetzt.

Im Februar 2001 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch, in deren Verlauf der Prüfer Kenntnis von den Ermittlungen der Steufa xxx erhielt, nach denen ein Teil der von der Klägerin abgerechneten Leasinggeschäfte ohne entsprechenden wirtschaftlichen Hintergrund waren. Dem folgend vertrat der Prüfer die Auffassung, dass im Streitjahr ein Vorsteuerabzug in Höhe von 326.850,00 DM zu versagen sei und die Klägerin für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG a. F. hafte. Er bezifferte den Haftungsbetrag auf insgesamt 317.762,42 DM. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf Tz. 1, 2.4 und 6.3 des Umsatzsteuer-Sonderprüfungsberichts vom 23. Februar 2001 (Bl. 20 ff. Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakte) Bezug.

Dem folgend setzte der Beklagte mit Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 14. Mai 2001 die Umsatzsteuer 1997 auf 711.994,00 DM fest. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 13. Juni 2001 unter dem Aktenzeichen 7 K 7243/01 Sprungklage, der der Beklagte nicht zustimmte, sodass die Klage als Einspruch an den Beklagten abgegeben wurde.

Während des Einspruchsverfahrens beantragte die Klägerin am 19. Oktober 2001, eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abgabenordnung -AO- vorzunehmen. Unter anderem beantragte sie, ihr die Vorsteuerbeträge für 1997 in Höhe von 326.850,00 DM zu belassen. Es sei unbillig, sie mit Vorsteuer zu belasten, die wirtschaftlich vom Endverbraucher zu tragen sei.

Auf diesen Antrag erließ der Beklagte mit Verfügung vom 21. Juni 2002 im Hinblick darauf, dass der eingetretene bzw. drohende Steuerschaden durch einen Vorsteuerabzug der B-GmbH teilweise abgewendet oder rückgängig gemacht werden konnte, von den nach § 14 Abs. 3 UStG a. F. angeforderten 317.762,42 DM insgesamt 265.503,74 DM (Bl. 124 e UStA I). Einen weitergehenden Erlass lehnte er jedoch ab.

Daraufhin wandte die Klägerin am 26. Juni 2002 ein, dass hinsichtlich des Vorsteuerabzugs so wie im Rahmen der Haftung nach § 14 Abs. 3 UStG a. F. verfahren werden müsse.

Am 10. Juli 2003 hat die Klägerin die hier anhängige Klage als so genannte Untätigkeitsklage gemäß § 46 Finanzgerichtsordnung -FGO- erhoben.

Am 20. August 2003 hat der Beklagte die Einsprüche (sowohl gegen die Umsatzsteuerbescheide als auch gegen die Ablehnung der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen) mit Einspruchsentscheidung zurückgewiesen. Sachliche und persönliche Billigkeitsgründe seien nicht ersichtlich. Es könne nicht erwartet werden, dass die Finanzverwaltung im Ergebnis Schäden übernehme, die durch betrügerische Handlungen entstanden seien und die der Betroffene zivilrechtlich geltend machen könne. Im Übrigen sei mit einer Realisierung der Rückforderung von K nicht zu rechnen.

Am 8. März 2005 hat das Finanzamt xxx die Umsatzsteuer 1997 auf 364.418,18 Euro (= 714.740,00 DM) heraufgesetzt. Der Senat hat das Verfahren insoweit mit Beschluss vom 27. April 2006 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 2 K 2139/06 an das Finanzgericht Düsseldorf verwiesen, wo die Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1997 nunmehr unter dem Aktenzeichen 5 K 2163/06 U anhängig ist.

Die Klägerin macht geltend, die Vorsteuer in Höhe von 326.850,00 DM sei ihr aus Billigkeitsgründen zu belassen. Wenn für eine Steuerpflichtige nicht erkennbar sei, dass es bei dem von ihr abgerechneten Geschäft an einer Leistung fehle und sie ihren (steuerlichen) Schaden nicht im Wege des zivilrechtlichen Regresses ersetzt bekomme, müsse ihr der Vorsteuerabzug nach § 163 AO belassen werden. Im Streitfall sei K vermögenslos, sodass eine zivilrechtliche Geltendmachung ihres Schadens aussichtslos sei. Auch die Oberfinanzdirektion -OFD- Karlsruhe habe mit Schreiben vom 11. Januar 2001 - S 7300 B - St 341 - anerkannt, dass im Rahmen von Geschäften mit der xxx der Vorsteuerabzug zu belassen sei. Für sie sei aufgrund eines nicht durchschaubaren Täuschungsmanövers unmöglich gewesen zu erkennen, dass den abgerechneten Leistungen keine wirtschaftlichen Vorgänge zugrunde lagen. Dass K die angemeldete Umsatzsteuer mit Vorsteuern seines angeblichen Vorlieferanten verrechnet habe, könne ihr nicht angelastet werden. Im Übrigen ergebe sich auch aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -EuGH- vom 12. Januar 2006 C-354/03, C-355/03, C-484/03 - Optigen u. a. (Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2006, 157), dass unbeachtlich sei, wenn ein Umsatz vorausgehe, der mit Betrug behaftet sei. Vielmehr reiche es aus, wenn die Klägerin eine ordnungsgemäße Rechnung habe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 21. Juni 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2003 zu verpflichten, ihr im Billigkeitswege Vorsteuer 1997 in Höhe 326.850,00 DM zu belassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt im Wesentlichen die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, es sei ein Schaden für den Fiskus eingetreten, da die nach § 14 Abs. 3 UStG von K und L geschuldete Umsatzsteuer nicht beitreibbar sei. Das EuGH-Urteil in UR 2006, 157 betreffe eine andere Fallgestaltung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der beigezogenen Akten. Dem Gericht haben die Streitakten der Verfahren 7 B 7314/01 und 2 K 5391/03 sowie zwei Bände Umsatzsteuer- und ein Band Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakten vorgelegen, die vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuernummer xxx geführt werden.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin wird durch die Versagung der begehrten abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht im Sinne des § 101 FGO in ihren Rechten verletzt.

Die begehrte abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO stellt eine Ermessensentscheidung dar, die das Gericht nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüfen kann. Dabei ergibt sich, dass der Beklagte weder die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten, noch von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Dem Grunde nach kommt auch die Gewährung von Vorsteuern aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO in Betracht. Dies setzt voraus, dass die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Tatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar, also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar ist. Danach kann auch ein Vorsteueranspruch aus Billigkeitsgründen zu gewähren sein, wenn der Gesetzeswortlaut die Entstehung eines Vorsteueranspruchs an Voraussetzungen knüpft, deren Erfüllung im Einzelfall vom leistungsempfangenden Unternehmer unter Beachtung der Wertungen des Gesetzgebers nicht verlangt werden kann (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 19. Oktober 1978 V R 39/75, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 127, 71, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1979, 345).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH und BFH und damit den Wertungen des Gesetzgebers, dass ein Vorsteuerabzug nur in Betracht kommt, soweit neben anderen Voraussetzungen die ausgewiesene Steuer aufgrund tatsächlich erbrachter Leistungen geschuldet wird (EuGH, Urteil vom 13. Dezember 1989 C-342/87 - Genius Holding, UR 1991, 83; BFH, Urteile vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695; vom 6. Mai 2004, V R 73/03, BFHE 205, 531, BStBl II 2004, 856; vgl. auch die Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge vom 8. Juni 2006 C-35/05 - Reemtsma, Rz. 51, veröffentlicht im Internet unter www.curia.eu.int/de). Abweichendes wurde nur vertreten, soweit Leistungen mit einem geringeren als dem abgerechneten Steuersatz belegt waren oder vollständig steuerfrei waren (vgl. BFH, Urteile vom 29. Oktober 1987 V R 154/83, BFHE 152, 161, BStBl II 1988, 508; vom 19. Mai 1993 V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II 1993, 779). Ein Gutglaubensschutz des Rechnungsempfängers wird in ständiger Rechtsprechung des BFH abgelehnt (BFH, Urteile vom 19. Oktober 1978 V R 39/75, BStBl II 1979, 345; vom 1. Februar 2001 V R 6/00, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV-2001, 941 a. E.; Beschluss vom 30. Oktober 2001 V B 92/01, BFH/NV 2002, 381).

Davon ausgehend steht der Klägerin im Festsetzungsverfahren der begehrte Vorsteueranspruch nicht zu, weil den streitbefangenen Vorsteuerbeträgen keine Leistungen zugrunde liegen, für die K aufgrund tatsächlich erbrachter Leistungen Umsatzsteuer schuldete. Ein Vorsteueranspruch wegen des guten Glaubens der Klägerin an die Leistungserbringung kommt nicht in Betracht.

Im Streitfall besteht kein Anlass, abweichend von diesen allgemeinen gesetzlichen Regelungen der Klägerin den Vorsteueranspruch im Billigkeitswege zuzusprechen. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das Risiko, einem "Luftgeschäft" aufgesessen zu sein, der Klägerin zugewiesen hat. Im Streitfall hat sich das (allgemeine) geschäftliche Risiko realisiert, Empfänger einer Schlecht-(hier sogar: Nicht-)Leistung zu werden. Es besteht kein Anlass, dieses Risiko dem Steuerfiskus aufzubürden.

Soweit in der Literatur (Stadie, Das Recht des Vorsteuerabzugs, S. 63 i. V. mit S. 58 f.; Gerken/Tetens, De­r Betrieb -DB- 2001, 1693) vertreten wird, einem Steuerpflichtigen, der unverschuldet eine so genannte Nichtleistung empfange und seinen zivilrechtlichen Regressanspruch nicht erfolgreich geltend machen könne, müsse die in Rechnung gestellte Vorsteuer nach § 163 AO belassen werden, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Diese Auffassung steht im Widerspruch zu dem von der ständigen Rechtsprechung praktizierten Konzept zur Bereinigung solcher Problemstellungen. Gleiches gilt im Ergebnis, soweit die Generalanwältin Sharpston die Gewährung von Vorsteuer für möglich gehalten hat, wenn ein Steuerpflichtiger ausländische Vorsteuer an einen ausländischen Leistungserbringer gezahlt hat, obwohl die Leistung im Ausland nicht der Umsatzsteuer unterlag und die Durchsetzung eines zivilrechtlichen Rückforderungsanspruchs gegen den Leistenden aus tatsächlichen Gründen aussichtslos ist (Schlussanträge vom 8. Juni 2006 C-35/05 - Reemtsma, Rz. 87 ff., veröffentlicht im Internet unter www.curia.eu.int/de).

Denn das vom EuGH entwickelte Konzept sieht vor, dass grundsätzlich jeder Beteiligte in einer solchen Kette von Nichtleistungen für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG a. F. (heute: § 14 c Abs. 2 UStG) haftet, solange nicht auf der Ebene des Rechnungsempfängers die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt bzw. der in Anspruch genommene Vorsteuerabzug rückgängig gemacht wurde (EuGH, Urteil vom 19. September 2000 C-454/98 - Schmeink & Cofreth/Strobel, UR 2000, 470; BFH, Urteil vom 8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517; BStBl II 2004, 373; Beschluss vom 25. April 2002 V B 73/01, BFHE 198, 71, BStBl II 2004, 343). Systemgerecht hat der Beklagte den wesentlichen Teil der (grundsätzlich) von der Klägerin nach § 14 Abs. 3 UStG a. F. geschuldeten Umsatzsteuer (aus Rechnungen an die B-GmbH) mit Verfügung vom 21. Juni 2002 erlassen. Dementsprechend kann K einen entsprechenden Erlassantrag stellen, wenn der Vorsteuerabzug der Klägerin rechtskräftig versagt und durch Tilgung der streitigen Steuerschuld zurückgeführt ist, danach dann L entsprechend. Dieses System würde durch den von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzug gestört, weil dann die von K hervorgerufene Gefährdung des Steueraufkommens endgültig würde.

Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer. Dieser Grundsatz zielt - wie durch die oben zitierte Rechtsprechung des EuGH und BFH erkannt wurde - gerade daraufhin, die Neutralität dadurch herbeizuführen, dass die zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfenen Vorgänge so weit wie möglich rückabgewickelt werden. Eine ungerechtfertigte Bereicherung des Steuerfiskus (vgl. Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge vom 8. Juni 2006 C-35/05 - Reemtsma, Rz. 92, veröffentlicht im Internet unter www.curia.eu.int/de) liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die von der Steuerpflichtigen begehrte Vorsteuer nicht durch entsprechende Zahlungen des Rechnungsausstellers gedeckt ist. Auch die Generalanwältin Sharpston (a. a. O.) setzt voraus, dass die zu erstattende Vorsteuer an die Steuerbehörden abgeführt worden ist. Im Streitfall ist die von der Klägerin begehrte Vorsteuer nicht durch entsprechende Zahlungen des K gedeckt, weil dieser die an die Klägerin berechnete Umsatzsteuer zwar angemeldet, jedoch durch nicht gerechtfertigte Vorsteuer aus angeblichen Lieferungen des L gemindert hat, sodass im Ergebnis keine oder jedenfalls keine nennenswerten Zahlungen auf die Scheinumsätze erfolgt sind. Nicht gerechtfertigte und im weiteren Verlauf durch geänderte Bescheide versagte Vorsteuer kann nicht als Zahlungsäquivalent angesehen werden.

Schließlich spricht für die Auffassung des Beklagten, dass das Risiko eines undurchschaubaren Täuschungsmanövers des K von der Klägerin zu tragen ist, dass dieses Risiko eher der Sphäre der Klägerin zuzuordnen ist als dem Beklagten, da die Klägerin - anders als der Beklagte - die Möglichkeit hat, sich ihre Geschäftspartner auszuwählen und grundsätzlich auch den besseren Prüfungszugriff hat. Dass die öffentliche Hand das Umsatzsteuersystem eingerichtet und trotz des Belastungsgrunds des privaten Verbrauchs die Klägerin zum Steuerschuldner bestellt hat, ist demgegenüber zweitrangig.

Aus dem EuGH-Urteil in UR 2006, 157 ergibt sich nichts Abweichendes. Denn dieses Urteil betrifft einen Fall, in dem die Kläger tatsächlich Leistungen oder Lieferungen empfangen und erbracht haben. Die Frage war nur, inwieweit in dieser Konstellation der Vorsteuerabzug dadurch "infiziert" wurde, dass in früheren Handelsstufen ein Umsatzsteuerbetrug stattgefunden hat.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Das Gericht hat den Streitwert ausgehend von den Sachanträgen der Beteiligten bestimmt (§§ 13, 25 Gerichtskostengesetz -GKG- a. F.).

Ende der Entscheidung

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