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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 2 K 5450/03
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 1
UStG § 17 Abs. 1 S. 1 S. 1
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin

2 K 5450/03

Umsatzsteuer 1995 bis 1999

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin, 2. Senat,

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2006

in der Besetzung mit dem Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Dr. Herbert,

der Richterin am Finanzgericht Keil-Schelenz und

dem Richter am Verwaltungsgericht Goessl sowie

den ehrenamtlichen Richtern Fuchsmann und Gruhn

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt 61 035,47 EUR.

Tatbestand:

Die Klägerin ist als Umzugsunternehmen tätig. Dabei führt sie sowohl Transporte innerhalb Berlins als auch darüber hinaus durch. Ferner unterhält sie einen so genannten Umzugsshop, in dem sie Zubehör für Umzüge verkauft und vermietet.

Sowohl im Zusammenhang mit den von der Klägerin selbst durchgeführten Umzügen als auch im Rahmen des Umzugsshops vertrieb die Klägerin in den Streitjahren Faltkartons und Bücherkartons. Dabei berechnete die Klägerin für neuwertige Kartons gegen Ende des Streitzeitraums 4,00 DM und für gebrauchte Kartons 3,50 DM. Die von ihr erteilten Angebote und von ihr vertriebene Werbung enthielten Zusätze wie: "Rückgabe gegen Entgelt", "Wir erstatten unsere gebrauchten Kartons im wiederverwertbaren Zustand mit 2,00 DM" oder "Bei Rückgabe der Kartons erstatten wir 2,00 DM/Stück". Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl. 39 bis 51 der Streitakte sowie die im Arbeitsbogen des Außenprüfers enthaltenen Kopien sowie Originale der "Umzugshelfer" Bezug. Entsprechend verfuhr die Klägerin, wobei sie nur bei Kartons mit dem firmeneigenen Logo den ausgelobten Betrag von 2,00 DM erstattete. Dies geschah in geringem Umfang auch bei Kartons, die bei Schwestergesellschaften der Klägerin außerhalb Berlins erworben worden waren. Die Klägerin zahlte die Vergütung an jeden, der einen Karton mit dem firmeneigenen Logo an sie zurückgab. Nur bei größeren Mengen prüfte sie, ob die Umzugsrechnung bereits bezahlt war. Für fabrikneue Kartons musste die Klägerin in den Streitjahren zwischen ... DM und ... DM bezahlen, wobei Bücherkartons jeweils ca. 0,10 DM preiswerter waren.

Die Erstattungen für Kartons behandelte die Klägerin in ihren Buchführungswerken als Erlösschmälerungen, zog sie also von den von ihr erklärten und ansonsten erwirtschafteten Umsätzen ab. Dabei handelt es sich um Beträge zwischen ... DM netto und ... DM netto. Bis auf einen relativ geringen Anteil erfolgten die Erstattungen an Privatpersonen. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf Tz. 20 des Außenprüfungsberichts Bezug.

Die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre gingen ab dem Jahr 1997 beim Beklagten ein. Sofern sie nicht als Umsatzsteuerfestsetzungen wirkten, wurde die Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Vom 20. November 2001 bis 7. November 2002 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Streitjahre durch. Dabei gelangte der Prüfer zu der Feststellung, dass die Erstattungen für Kartonrückgaben keine Erlösschmälerungen darstellten, sondern Entgelte für eigenständige Umsätze, für die jedoch mit Ausnahme geringer Beträge für Gutschriften an Unternehmer, keine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen oder Gutschriften vorlägen. Dementsprechend ermittelte er ausgehend von den gebuchten Erlösschmälerungen abzüglich der Gutschriften an Unternehmer in den Streitjahren erhöhte Umsätze von ... DM bis ... DM. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Tz. 20 des Außenprüfungsberichts Bezug.

Ausgehend von diesen Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 30. Juli 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 1999, gegen die die Klägerin am 14. August 2003 Einspruch einlegte, den der Beklagte am 14. Oktober 2003 zurückwies.

Daraufhin hat die Klägerin am 11. November 2003 Klage erhoben.

Die Klägerin ist der Auffassung, im Streitfall seien hinsichtlich der zurückgegebenen Kartons keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen erfolgt. Zwar seien die Kunden der Klägerin zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentümer der Kartons geworden, jedoch stehe der Annahme eines Liefervorgangs entgegen, dass nach dem Willen der Beteiligten und dem wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs Leistungen nicht auf die wirtschaftliche Substanz der Sache selbst bezogen gewesen seien. Vielmehr sei insoweit von vornherein vereinbart worden, dass die Lieferung durch Rückgabe und Pfandrückerstattung rückgängig gemacht werde. Sie schätze, dass etwa jeder zweite Karton wieder an sie zurückgelangt sei.

An anderer Stelle trägt die Klägerin vor, dass der Kunde den Karton nur zur Nutzung entgegennehme und ein Kauf gerade nicht bezweckt sei, da die Kartongestellung der Abwicklung des Umzuges diene und es dem Kunden damit an einer dokumentierten Kaufabsicht mangele.

Ferner sei die Kartongestellung Teil der angebotenen Umzugsleistungen. Daher definiere sich im vorliegenden Fall der wirtschaftliche Gehalt der Kartonüberlassung eindeutig nach der sonstigen Leistung des Umzugs.

Die streitbefangenen Vorgänge müssten entsprechend Abschn. 149 Abs. 8 der Umsatzsteuer-Richtlinien -UStR- (betreffend das Pfand auf Warenumschließungen) behandelt werden, weil der Umstand, dass die Kartons ohne Wareninhalt zur Verfügung gestellt wurden, unerheblich sei.

Die Klägerin räumt ein, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 25 a Umsatzsteuergesetz -UStG- in den Streitjahren nicht vorlägen.

Die Klägerin beantragt,

abweichend von den Umsatzsteuerbescheiden 1995 bis 1999 vom 30. Juli 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2003 die Umsatzsteuer auf ... EUR für 1995, ... EUR für 1996, ... EUR für 1997, ... EUR für 1998 und ... EUR für 1999 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beide Beteiligten beantragen hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest. Entgegen der Darstellung der Klägerin seien die Kartons an ihre Kunden geliefert worden. Die Rückgabe stelle demgegenüber eine eigenständige Rücklieferung dar. Denn die Kunden hätten eine eigenständige wirtschaftliche Entscheidung über die Rückgabe der Kartons getroffen. Sie hätten sich weder in einer tatsächlichen noch einer rechtlichen Zwangslage befunden, weil sie als Eigentümer über die Kartons ohne Einschränkung hätten verfügen können. Das von der Klägerin in Aussicht gestellte Entgelt stelle zweifelsfrei einen Anreiz zur Rückgabe dar, sei andererseits aber nicht so hoch, dass von einer faktischen Zwangslage gesprochen werden könne, nach der es für einen Abnehmer solcher Kartons in höchstem Maße wirtschaftlich unsinnig wäre, das Angebot der Klägerin nicht anzunehmen. Die Vorschrift des Abschn. 149 Abs. 8 UStR sei auf den Streitfall nicht anzuwenden, weil es sich nicht um Warenumschließungen handele. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die Kartons nicht nur im Zusammenhang mit den von ihr selbst durchgeführten Umzügen zur Verfügung stelle, sondern auch in ihrem Umzugsshop veräußere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens nimmt das Gericht auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der beigezogenen Akten Bezug. Dem Gericht haben zwei Umsatzsteuer-, drei Bilanz- und eine Betriebsprüfungsakte sowie der Arbeitsbogen des Außenprüfers vorgelegen, die vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuernummer ... geführt werden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 100 Abs. 1 FGO in ihren Rechten verletzt. Die von der Klägerin ausgezahlten Vergütungen für zurückgegebene Umzugskartons mindern nicht die von der Klägerin verwirklichten steuerpflichtigen Umsätze. Insbesondere handelt es sich nicht um Entgeltminderungen im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 UStG oder um eine Rückgängigmachung steuerpflichtiger Lieferungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG.

Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die Abnehmer der Kartons die wirtschaftliche Verfügungsmacht im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG erlangt und diese im Falle der Rückgabe gegen Erstattung von 2,00 DM/Stück im Wege der Rücklieferung an die Klägerin zurückübertragen haben. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat diese die Kartons den Abnehmern nicht im Wege sonstiger Leistungen zur Verfügung gestellt. Vielmehr hat sie damit Lieferungen an die Abnehmer ausgeführt.

Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG sind Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen, ihm also die Verfügungsmacht verschafft. Diese Regelung setzt Art. 5 Abs. 1 der 6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG -6. Richtlinie- um. Danach gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegen-stand zu verfügen. Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus. Sie ist in der Regel, aber nicht notwendig, mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum verbunden (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften -EuGH-, Urteile vom 14. Juli 2005 C-435/03 - British American Tobacco International, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2005, 491, Rz 35; vom 15. Dezember 2005 C-63/04 - Centralan, UR 2006, 418, Rz 62; Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 9. Februar 2006 V R 22/03, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2006, 727).

Ausgehend von diesen Kriterien haben die Abnehmer der Kartons im Streitfall die wirtschaftliche Verfügungsmacht an den Kartons erlangt. Sie waren zur Rückgabe der Kartons gegen teilweise Rückvergütung des von ihnen gezahlten Kaufpreises lediglich berechtigt, jedoch nicht verpflichtet. Die Klägerin hatte weder die Absicht noch die Möglichkeit, nach Aushändigung der Kartons auf deren Schicksal Einfluss zu nehmen. Selbst wenn die Kunden bereits beim Erwerb der Kartons deren Rückgabe mit der Klägerin vereinbart und bei dieser angekündigt haben, waren sie doch völlig frei, insoweit ihre Meinung zu ändern. Die Klägerin hat die Rückvergütung auch nicht bereits bei Aushändigung der Kartons abgezogen. Dementsprechend hat der BFH auch in Fällen des Getränkepfandes, bei denen Warenumschließungen (dem Wortlaut nach) unter Eigentumsvorbehalt mit der Ware vertrieben wurden, die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Getränkelieferanten an den Warenumschließungen mangels faktischer Kontrollmöglichkeiten verneint (BFH, Urteil vom 7. Mai 1987 V R 56/79, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 150, 85, BStBl II 1987, 582). In gleicher Weise wird auch für Pfandsysteme, die erst über mehrere Handelsstufen hinweg zur Rückführung so genannter Mehrwegsteigen für Obst und Gemüse führen, die Übertragung der Verfügungsmacht vom Erzeuger an den Großhändler usw. bejaht (Oberfinanzdirektion -OFD- Erfurt, Verfügung vom 20. Februar 2004, sis-Datenbank; OFD Düsseldorf, Verfügung vom 27. Juli 2005, Steuer-Erlass-Kartei -StEK-, UStG 1980, § 10 Abs. 1, 2/254; anderer Auffassung Weber, Zeitschrift für Umsatz- und Verkehrsteuern -UVR- 2003, 47). Auch die von der Klägerin zitierten UStR (Abschn. 149 Abs. 8) gehen grundsätzlich von der Übertragung der Verfügungsmacht, jedoch von anschließenden Rückgängigmachungen der Lieferungen aus. Nur unter den besonderen in Abschn. 149 Abs. 8 Satz 6 UStR vorliegenden Voraussetzungen, die im Streitfall nicht vorliegen, wird die Übertragung der Verfügungsmacht verneint.

Die vorstehenden Ausführungen gelten auch, soweit die Umzugskartons im Zusammenhang mit von der Klägerin selbst durchgeführten Umzügen zur Verfügung gestellt werden. Insoweit handelt es sich nicht um einheitliche sonstige Leistungen, in der die Lieferungen der Umzugskartons untergingen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des BFH ist grundsätzlich jede Dienstleistung als eigene selbständige Leistung zu betrachten. Jedoch darf andererseits eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Es ist aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu ermitteln, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt (EuGH, Urteil vom 25. Februar 1999 C-149/96 - Card Protection Ltd., UR 1999, 254; BFH, Urteile vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658 [660]; vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98; vom 18. August 2005 V R 42/03, BFHE 211, 537, BStBl II 2006, 44 [47]). Dementsprechend wird eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung angesehen, wenn sie keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptdienstleistung des Erbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 C-394/04, C-395/04 - Ygeia, UR 2006, 171, Rz 19).

Davon ausgehend gilt im Streitfall, dass die Überlassung der Umzugskartons sich nicht darin erschöpft, im Rahmen der von der Klägerin erbrachten Umzugsdienstleistungen Hilfe zu leisten. Das ist zwar ihr Hauptzweck, jedoch bleibt ein Umzugskarton auch über den konkreten Umzug, aus dessen Anlass er angeschafft wurde, von wirtschaftlichem Wert, weil er beispielsweise weiterhin als Aufbewahrungsbehältnis dienen, für weitere Umzüge verwendet oder Dritten, ggf. gegen Entgelt, zur Verfügung gestellt werden kann.

Der Beklagte sieht in der Rückgabe der Kartons auch zu Recht eine eigenständige Rücklieferung und nicht die Rückgängigmachung der zuvor von der Klägerin an ihre Kunden erfolgten Lieferungen.

Die Rückgängigmachung einer Lieferung im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG ist anzunehmen, wenn der Lieferungsempfänger das der Hinlieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft beseitigt oder sich auf dessen Unwirksamkeit beruft, die zuvor begründete Erwartung des Lieferers auf ein Entgelt dadurch entfällt und der Lieferungsempfänger den empfangenen Gegenstand in Rückabwicklung des Umsatzgeschäfts zurückgibt. Dagegen ist eine Rücklieferung gegeben, wenn die Beteiligten ein neues Umsatzgeschäft eingehen und der Empfänger der Hinlieferung dieses dadurch erfüllt, dass er dem ursprünglichen Lieferer die Verfügungsmacht an dem hingelieferten Gegenstand in Erwartung einer Gegenleistung überträgt (BFH, Urteile vom 27. Juni 1995 V R 27/94, BFHE 178, 277, BStBl II 1995, 756; Beschluss vom 19. Juni 2002 V B 113/01, Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2002, 1353; Urteil vom 28. November 2002 V R 51/01, UR 2003, 197 a. E.). Dabei ist nicht die Sicht des ursprünglichen Lieferers, sondern die Sichtweise der ursprünglichen Lieferungsempfänger, hier also der Kunden der Klägerin, maßgebend (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1981 V R 75/77, BFHE 135, 115, BStBl II 1982, 233; in BFHE 178, 277, BStBl II 1995, 756).

Für die Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung sprechen insbesondere folgende Umstände: Der ursprüngliche Lieferungsempfänger hat keine andere Wahlmöglichkeit (BFH, Urteil in BFHE 135, 115, BStBl II 1982, 233). Das ursprüngliche Rechtsgeschäft ist noch nicht vollständig abgewickelt (Finanzgericht -FG- Köln, Urteil vom 27. Januar 2005 10 K 1139/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2005, 822, Leitsatz, Volltext in Juris). Dagegen spricht für eine Rücklieferung, wenn der ursprüngliche Lieferungsempfänger aus freien Stücken die Ware an den ursprünglichen Lieferanten zurückgibt (BFH, Urteil vom 21. Mai 1992 V R 66/86, BFH/NV 1995, 343; vgl. Hessisches FG, Urteil vom 23. Mai 2001 6 K 3717/98, EFG 2001, 1244).

Im Streitfall hatten die Kunden der Klägerin die freie Entscheidung, wie sie mit den Kartons verfahren wollten, also auch ob sie sie an die Klägerin zurückgeben wollten. Es gab insoweit keinerlei rechtliche Bindungen. Auch die tatsächlichen Verhältnisse sind im Regelfall nicht so, dass nur die Rückgabe an die Klägerin als einzig vernunftsgemäße Verhaltensweise erscheinen könnte. Denn wie bereits erläutert, ergeben sich auch über den Umzug hinaus, aus dessen Anlass die Kartons angeschafft wurden, Nutzungsmöglichkeiten für die Kartons. Sie mögen zwar im Einzelfall je nach Größenordnung der bezogenen Kartons fern liegen, jedoch erscheint es nicht sachgerecht, bei Massengeschäften für geringwertige Waren insoweit differenzierte Einzelbetrachtungen nach den persönlichen Verhältnissen bei den Kunden anzustellen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass in einer Reihe von Fällen eine Rückgabe ohnehin ausscheidet, insbesondere dann, wenn das Ziel des Umzugs außerhalb Berlins liegt. Denn die außerhalb Berlins liegenden Standorte sind umsatzsteuerlich und gesellschaftsrechtlich selbständige Gesellschaften. Im Ergebnis sind auch nach der Schätzung der Klägerin nur etwa die Hälfte der Kartons an sie zurückgelangt. Schließlich spricht gegen die Annahme einer Rückgängigmachung des ursprünglichen Kaufvertrages auch, dass nicht das gesamte ursprünglich gezahlte Entgelt, sondern nur ein Teilbetrag erstattet wurde und dass die Klägerin im Regelfall nicht prüfte, ob derjenige, der ihr die Verfügungsmacht an den gebrauchten Kartons verschaffte, dieselbe Person war, die zuvor bei ihr die Kartons erworben hatte, oder von dieser zur Rückgabe legitimiert worden war.

Soweit die Verwaltungspraxis bei der Rücknahme von bepfandeten Getränkeverpackungen die Rückgabe des Pfandgutes als Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung ansieht, lässt das Gericht dahingestellt, ob es dieser Sichtweise folgen könnte. Die dahingehenden Verwaltungsanweisungen sind für das Gericht nicht bindend. Im Übrigen sieht das Gericht die Sachverhalte auch nicht als vergleichbar an, weil die Getränkeverpackungen ausschließlich zusammen mit der eigentlichen Ware veräußert werden und nach dem Verbrauch der Ware kaum einen eigenständigen Nutzungswert für den Käufer mehr haben. Ferner decken sich insoweit die bei Hingabe und Rückgabe gezahlten Pfandbeträge.

Die Rückvergütungen für die gebrauchten Kartons stellen sich auch nicht als Entgeltminderungen im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG für die ursprünglichen Kartonlieferungen dar, weil dies voraussetzen würde, dass die Rückvergütungen nicht zugleich Entgelt für eine eigenständige Leistung der Kunden der Klägerin sind (vgl. BFH, Urteil vom 11. Mai 2006 V R 33/03, BStBl II 2006, 699 mit weiteren Nachweisen). Im Streitfall erhält die Klägerin jedoch als Gegenleistung für die Rückvergütungen die gebrauchten Kartons, die sie ihrerseits mit einem Aufschlagsatz von 1,50 DM erneut veräußerte. Darin unterscheidet sich der Streitfall von anderen Fällen der Rückvergütung, in denen die Rechtsprechung von Entgeltminderungen ausgegangen ist (vgl. BFH-Urteile vom 12. Januar 2006 V R 3/04, BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479; vom 13. Juli 2006 V R 46/05, veröffentlicht unter www.bundesfinanz-hof.de/Entscheidungen). Ferner hat die Klägerin im Regelfall nicht geprüft, ob derjenige, an den sie die Vergütung für die Kartonrückgabe auszahlte, dieselbe Person war, die zuvor bei ihr die Kartons erworben hatte, oder von dieser zur Rückgabe legitimiert worden war.

Schließlich gibt es auch keinen Anlass, die Veräußerung der gebrauchten Kartons von der Besteuerung auszunehmen, selbst soweit die Klägerin bei Erwerb keinen Vorsteuerabzug geltend machen konnte. Denn die Klägerin hat - schon mangels Privatsphäre - den Verkauf der Kartons ihrem Unternehmen zugeordnet bzw. ist aufgrund des Umfangs damit unternehmerisch tätig geworden und unterliegt damit der Umsatzsteuer (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 C-280/04 - Jyske Finanz, UR 2006, 360; BFH, Urteil vom 2. März 2006 V R 35/04, BStBl II 2006, 675).

Dem Grunde nach wäre die Klägerin allerdings berechtigt gewesen, die Umsätze mit den gebrauchten Kartons der Versteuerung nach § 25 a UStG zu unterwerfen. Dies hätte jedoch vorausgesetzt, dass sie die nach § 25 a Abs. 6 Satz 2 UStG 1995 bis 1999 erforderlichen Aufzeichnungen geführt hätte. Das Gericht versteht die Äußerung der Klägerin, dass die Voraussetzungen für die Besteuerung nach § 25 a UStG nicht gegeben sind, dahingehend, dass diese Aufzeichnungen nicht vorliegen. Ferner dürfte die Klägerin wohl in einer Vielzahl von Fällen die Umsatzsteuer auf das volle für den gebrauchten Karton erhaltene Entgelt ausgewiesen haben, so dass sie nach § 14 Abs. 2 UStG a.F. haften würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Der Streitwert beträgt 61 035,47 EUR.

Das Gericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen und den Streitwert ausgehend von den Sachanträgen der Beteiligten bestimmt (§§ 13, 25 Gerichtskostengesetz -GKG- in der bis zum 30. 6. 2004 geltenden Fassung). Die Zinsen bleiben nach § 22 Abs. 1 GKG a.F. außer Betracht.



Ende der Entscheidung

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