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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 05.10.2005
Aktenzeichen: 6 K 6404/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4
EStG § 8 Abs. 3
EStG § 19 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger bezog im Streitjahr 1997 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der X-GmbH. Mit Bescheid vom 06. August 1998 wurde er zunächst erklärungsgemäß (damals noch zusammen mit seiner Ehefrau) veranlagt.

Im Rahmen einer beim Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung wurde festgestellt, dass der Kläger am 10. April 1997 bei einer beruflich bedingten (Trunkenheits-) Fahrt mit dem firmeneigenen PKW, Typ BMW 730i, einen Verkehrsunfall verursacht hatte, der zum Totalschaden führte. Der Arbeitgeber verkaufte den PKW am 24. April 1997 für 11.500,- DM; Schadenersatzforderungen gegen den Kläger wurden nicht geltend gemacht.

Der Beklagte änderte nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung -AO- den Einkommensteuerbescheid für 1997 und erhöhte den Arbeitslohn um die Differenz zwischen dem Zeitwert des PKW zum Unfallzeitpunkt (51.860,- DM) und dem erzielten Verkaufserlös in Höhe von 11.500,- DM, also um rund 40.000,- DM; dies führte zu einer steuerlichen Mehrbelastung (einschl. Zinsen u. Solidaritätszuschlag) in Höhe von 26.220,70 DM = 13.406,- €.

Gegen den geänderte Einkommensteuerbescheid vom 28. November 2001 legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein; danach sei die Berechnung des geldwerten Vorteils falsch. Durch die Anwendung der 1%-Regelung sei die Nutzungsentnahme einschließlich der außergewöhnlichen (Unfall-) Kosten vollständig abgegolten. Zur Begründung verweist er auf eine Rundverfügung der Oberfinanzdirektion -OFD- Kiel vom 19. Juli 2001. Im übrigen läge beim Arbeitgeber mangels Entnahmehandlung und Entnahmewille gar keine Entnahmehandlung vor.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Danach habe der Kläger das firmeneigene Fahrzeug im alkoholisierten Zustand beschädigt; insoweit habe dem Arbeitgeber ein Schadenersatzanspruch zugestanden. Der Verzicht des Arbeitgebers auf diese Schadenersatzforderung sei ein ausreichendes Indiz für einen Erlasswillen und begründe einen geldwerten Vorteil im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz -EStG-, der im Streitjahr zugeflossen sei. Die 1% Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG dagegen sei nur für die Ermittlung der Nutzungsentnahme anzuwenden; maßgeblich für die Bemessung des geldwerten Vorteils sei jedoch die Höhe der dem Arbeitgeber zustehenden Schadensersatzforderung.

Mit der rechtzeitig hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Einen nach Klageerhebung beim Beklagten gestellten Aussetzungsantrag hat dieser mit Bescheid vom 27. September 2002 unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 27. März 1992 (VI R 145/89, BStBl. II 1992, S. 837) zurückgewiesen.

Dem daraufhin bei Gericht gestellten Aussetzungsantrag hat der Senat mit Beschluss vom 20. März 2003 entsprochen und die Aussetzung der Vollziehung angeordnet (6 B 6494/02).

Der Kläger hat beantragt,

abweichend von dem Einkommensteuerbescheid 1997 vom 26. September 2005 und dem geänderten Einkommensteuerbescheid 1997 vom 28. November 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 die Einkommensteuer 1997 auf 231.296,00 DM festzusetzen sowie

hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen sowie

hilfsweise,

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Er hält auch angesichts des Senatsbeschlusses vom 20. März 2003 die Einspruchsentscheidung weiterhin für zutreffend. Danach sei zu unterscheiden zwischen der Ermittlung des Sachbezugs nach § 8 Abs. 2 EStG und der Gewährung eines weiteren, zusätzlichen Vorteils dadurch, dass der Arbeitgeber auf eine realisierbare Schadenersatzforderung gegenüber dem Arbeitnehmer verzichtet habe. Dieser durch das Dienstverhältnis veranlasste Verzicht habe zu einer Verbesserung der Vermögenslage des Klägers geführt und stelle somit Arbeitslohn im Sinne von § 8 Abs. 3 EStG dar. Es handele sich um zwei verschiedene Tatbestände.

Mit Bescheid vom 26. September 2005 hat der Beklagte die Vorläufigkeitsregelungen nach § 165 Abs. 1 S. 2 AO auf den neuesten Stand gebracht.

Die den Streitfall betreffenden Steuerakten zur Steuer-Nr.: xxxxxxxxx (3 Bände) haben vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet; der Kläger ist durch den angegriffenen Bescheid in seinen Rechten verletzt, da er rechtswidrig ist (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der Kläger als Arbeitnehmer der X-GmbH durfte den betrieblichen PKW zu Privatfahrten, zu Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie zu Familienheimfahrten nutzen. Entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG wurde für diese private Nutzung des PKW für jeden Kalendermonat 1 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten der Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer angesetzt. Durch die pauschale Ermittlung der Nutzungsentnahme nach der 1%-Methode sind auch die außergewöhnlichen Kraftfahrzeugkosten abgegolten. Das gilt auch dann, wenn diese Kosten eindeutig bei einer Privatfahrt bzw. einer betrieblich / beruflich veranlassten Fahrt angefallen sind.

Der Kläger hat als Arbeitnehmer auf einer beruflichen Fahrt im alkoholisierten Zustand den firmeneigenen PKW beschädigt; insoweit steht grundsätzlich dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Verzicht des Arbeitgebers auf Schadenersatz für den Kläger (=Arbeitnehmer) einen geldwerten Vorteil im Sinne des § 8 Abs. 3 EStG darstellt oder ob durch die Anwendung der 1%-Methode auch die Unfallkosten bzw. der Verzicht auf Ersatz der Unfallkosten als außergewöhnliche Kraftfahrzeugkosten abgegolten sind.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass die streitigen Kosten bzw. der Verzicht auf Ersatz dieser Kosten zu den für das Kraftfahrzeug insgesamt entstandenen Aufwendungen (gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen) gehören und damit mit dem pauschalen Nutzungswert abgegolten sind.

Diese Vorschrift über den pauschalen Nutzungswert ist eine gesetzliche Spezialregelung für Kraftfahrzeug-Nutzungsentnahmen. Als Spezialregelung verdrängt diese Regelung die sonst für Nutzungsentnahmen geltenden nicht gesetzlich geregelten, sondern von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätze. Dabei bezieht sich der speziale gesetzliche Charakter der Regelungen über den Kfz-Nutzungswert nicht allein auf die Bewertung des Nutzungswerts. Vielmehr handelt es sich um spezielle Aufteilungsregelungen für die Abgrenzung der Einkunftssphäre von der Privatsphäre. Im betrieblichen Bereich sollen sie abschließend die Abgrenzung des Betriebsausgabenabzugs von Privataufwendungen regeln. Die Pauschalierung dient nicht zuletzt der Vereinfachung, indem sie sowohl auf die Ermittlung der konkret durchgeführten Fahrten als auch auf die Zuordnung der tatsächlichen Kraftfahrzeugaufwendungen zu den jeweiligen Fahrten verzichtet. Aus der Pauschalierungsfunktion folgt, dass mit dem Ansatz des pauschalen Nutzungswerts die gesamte private Kfz-Nutzung abgegolten ist; daneben ist kein Raum für den Ansatz eines weiteren Sachbezugs nach § 8 Abs. 3 EStG.

Zu den durch den pauschalen Nutzungswert abgegoltenen gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen gehören auch Unfallkosten, soweit sie Schäden an dem Fahrzeug, für das der Nutzungswert zu ermitteln ist, betreffen (vgl. hierzu in einem vergleichbaren Fall Finanzgericht Köln, Urteil vom 08. Dezember 2004, 14 K 2612/03, abgedruckt in EFG 2005, S. 589). Der Begriff der gesamten Kraftfahrzeugkosten ist identisch mit dem für die Bewertung von Nutzungsentnahmen verwandten Begriff der tatsächlichen Selbstkosten. Die tatsächlichen Selbstkosten bestehen aus den Gesamtaufwendungen (Gesamtkosten) für das Wirtschaftsgut; dies sind die beweglichen (variablen) und die festen (fixen) Kosten einschließlich der Absetzungen für Abnutzung, die der Betrieb für das Wirtschaftsgut aufwendet. Zu den variablen Kosten gehören auch Unfallkosten für ein gemischt genutztes Kraftfahrzeug.

Soweit der Beklagte annimmt, die Nichtaktivierung einer Schadenersatzforderung sei ein ausreichendes Indiz für einen Erlasswillen mit der Folge, dass die Regelung über den pauschalen Nutzungswert als Spezialregelung der Nutzungsentnahme nicht anwendbar ist, teilt der Senat nicht. Für eine Sachentnahme fehlt es schon, worauf der Klägervertreter zutreffend hingewiesen hat, an dem erforderlichen Entnahmewillen, das Kraftfahrzeug vom Betriebsvermögen ins Privatvermögen zu überführen.

Aufgrund des Wesens der Nutzungswertpauschalierung und ihrer Abgeltungsfunktion ist auch eine veranlassungsbezogene Zuordnung konkreter Aufwendungen zu einzelnen Fahrten ausgeschlossen. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob ein Unfall mit einem betrieblichen Kraftfahrzeug sich auf einer Privatfahrt oder einer betrieblichen Fahrt ereignet hat. Ebenso wenig ist es erheblich, ob ein Unfall - wie im vorliegenden Fall - schuldhaft verursacht worden ist.

Im Streitfall war die private Kraftfahrzeugnutzung einschließlich der Unfallkosten bzw. des Verzichts auf Ersatz der Unfallkosten durch Anwendung des pauschalen Nutzungswerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG abgegolten (vgl. im Ergebnis auch Finanzgericht Köln, Urteil vom 08. Dezember 2004, a.a.O.). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten handelt es sich nicht um zwei unterschiedliche Tatbestände; der Kläger als Arbeitnehmer hat nicht neben dem Sachbezug (Privatnutzung des firmeneigenen PKW) noch zusätzlich - durch den Verzicht auf Schadenersatz seitens des Arbeitgebers - einen geldwerten Vorteil erlangt, der als Arbeitslohn gemäß § 8 Abs. 3 EStG zu erfassen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-; die Ermittlung des Streitwertes beruht auf den §§ 13 Abs. 2, 25 Gerichtskostengesetz -GKG-.

Die Revision hat der Senat zugelassen, da die Rechtssache im Hinblick darauf, ob sämtliche, auch außergewöhnliche Kraftfahrzeugkosten durch den Ansatz des pauschalen Nutzungswertes abgegolten sind, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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