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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 06.09.2005
Aktenzeichen: 7 K 4120/03
Rechtsgebiete: EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 2 Abs. 1
EigZulG § 9 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägern eine Eigenheimzulage unter Berücksichtigung eines Förderungsgrundbetrages in Höhe von 2,5 v. H. der Bemessungsgrundlage oder in Höhe von 5 v. H. der Bemessungsgrundlage zusteht.

Die Kläger haben am 6. Februar 2001 das in XXX belegene Grundstück mit einer Fläche von 1 138 m zu einem Kaufpreis von 310 000,00 DM erworben. Das Grundstück war mit einem großzügigem Einfamilienhaus in sehr schlechtem baulichen Zustand bebaut, der u. a. auch darauf beruhte, dass das Haus vor dem Verkauf mehrere Jahre nicht bewohnt worden war.

Das Haus war nach drei Seiten frei zugänglich und mit der vierten Seite an ein auf dem Nachbargrundstück stehendes Gebäude angebaut. Es enthielt verschiedene Kellerräume, ein Erdgeschoss, ein Obergeschoss und ein Dachgeschoss. Zu den in dem Haus befindlichen Räumen wird auf das Exposé des Maklers (Bl. 53 Str.A.) sowie die Anlagen P 1 bis P 3 zu dem Schreiben des XXX (Anlage K 6 zu dem Schriftsatz der Kläger vom 7. Januar 2004) verwiesen.

Bei dem Dach handelte es sich um ein Mansardenkreuzdach, das etwa bis zum Boden des Obergeschosses heruntergezogen war. Im seitlichen Giebel sowie dem nach vorn und hinten aufgeführten Mauerwerk befanden sich im Obergeschoss jeweils zwei Fenster und im Dachboden jeweils ein Fenster.

Das Gebäude wurde von den Klägern mit einem Kostenaufwand von 253 591,00 DM umgebaut und saniert. Dabei wurde u. a. das Mauerwerk im Obergeschoss einschließlich einer tragenden Mittelwand entfernt und das Obergeschoss nun als Vollgeschoss aufgeführt. Das, einschließlich des Dachstuhls, vollständig neue Dach erstreckt sich jetzt nur noch auf das Dachgeschoss. Im Zuge dieser Arbeiten wurde ein zusätzliches Zimmer geschaffen. Nach Angaben der Kläger sollen auch Teile des Mauerwerks des Erdgeschosses entfernt und der Fußboden des Obergeschosses vollständig neu hergestellt worden sein. Im Keller und im Erdgeschoss waren umfangreich und aufwendig Feuchtigkeitsschäden zu beseitigen. Daneben wurden im gesamten Haus die Installationen erneuert.

Die Kläger beantragten beim Beklagten eine Eigenheimzulage für die Herstellung einer Wohnung in Höhe 5 v. H. der Bemessungsgrundlage. Demgegenüber gewährte der Beklagte nach einer Augenscheinseinnahme des Hauses nur einen Fördergrundbetrag in Höhe von 2,5 v. H. der Bemessungsgrundlage und hielt auf den Einspruch der Kläger hin auch in seiner Einspruchsentscheidung an dieser Rechtsauffassung fest. Er begründete dies damit, dass aufgrund der Baumaßnahmen lediglich eine bereits vorhandene Wohnung hinsichtlich ihres Wohnkomforts und ihrer Nutzbarkeit verbessert worden sei. Die Besichtigung der Wohnung habe ergeben, dass es sich eindeutig nicht um einen Neubau handele. Das Grundstück sei bereits bei der Anschaffung mit einem Einfamilienhaus bebaut gewesen. Durch die Baumaßnahmen sei keine zusätzliche bisher nicht vorhandene Wohnung erstmals entstanden. Von einem Vollverschleiß könne nicht ausgegangen werden, da weder die Fundamente noch die tragenden Wände im Erdgeschoss hätten ersetzt werden müssen.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf die Gewährung einer Eigenheimzulage für die Herstellung einer Wohnung weiter. Sie begründen dies damit, dass neben den typischen Sanierungsarbeiten in einem älteren und über mehrere Jahre nicht zu Wohnzwecken genutzten Gebäude, wie Sanierung und Trockenlegung des Kellers, Erneuerung der Fenster, der Elektroanlage, der Wasserver- und Entsorgung sowie der Sanitäranlage sowie des Innen- und Außenputzes, der malermäßigen Instandsetzung und der Wiederherrichtung der Fußböden in die tragende Substanz durch Baumaßnahmen tief eingegriffen worden sei. Dabei seien folgende Arbeiten ausgeführt worden:

Abriss und neuer Aufbau der gesamten Dachkonstruktion,

Abriss des gesamten Obergeschosses, d. h. der Außenmauern und der tragenden Mittelwand und erneutes Aufbauen dieses tragenden Mauerwerks,

Erneuerung der Holzbalkendecke zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss,

Abriss und Erneuerung ein Teil des Außenmauerwerks im Erdgeschoss.

Von dem aus einem Keller, einem Erdgeschoss, einem Obergeschoss und einem Dachgeschoss bestehenden Haus seien mithin lediglich das Kellergeschoss und Teile des Mauerwerks im Erdgeschoss erhalten geblieben. Die tragende Bausubstanz im Übrigen sei entfernt und erneuert worden. Ursächlich für diesen umfangreichen Abriss des Gebäudes und seinen Neuaufbau sei die Verrottung und der Schwamm- und Pilzbefall der entfernten tragenden Gebäudeteile gewesen.

Weiter weisen sie darauf hin, dass sich bei der Bemessung des Kaufpreises ein Gebäudewert nicht ausgewirkt habe. Selbst wenn man die vom Beklagten angesetzten 270,00 DM pro m für den Grund und Boden ansetze, ergebe sich ein Gebäudewert in Höhe von 2 740,00 DM. Die Beteiligten des Kaufvertrages seien allerdings von einem Quadratmeterpreis für den Grund und Boden in Höhe von 300,00 DM ausgegangen, sodass in dem Gesamtkaufpreis Abrisskosten für das Gebäude berücksichtigt seien. - Aus der Korrespondenz des bei Erwerb des Grundstücks beauftragten Maklers (Bl. 52 ff. Str.A.) ergeben sich derartige Überlegungen zu Abrisskosten allerdings nicht, sondern nur ein Bodenrichtwert auf den 1. Januar 1999 von 320,00 DM/m (Bl. 53 Str.A.). Der Bausachverständige des Finanzamts hat auf den Zeitpunkt des Erwerbs einen Wert des Grund und Bodens in Höhe von 307 260,00 DM und des Gebäudes in Höhe von 155 904,00 DM festgestellt. -

Zur Darstellung des bei Erwerb des Gebäudes vorhandenen Schäden haben sie wegen der Feuchtigkeitsschäden ein Gutachten des Sachverständigen des Büros XXX sowie wegen des Pilz-, Schwamm- und Schädlingsbefalls ein Schreiben des XXX eingereicht.

Sie beantragen,

abweichend von dem Bescheid über Eigenheimzulage für 2001 bis 2008 vom 11. Juli 2002 sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2003 die Eigenheimzulage unter Ansatz eines Förderungsgrundbetrags für 2001 in Höhe von 5 000,00 DM und für die Jahre 2002 bis 2008 in Höhe von 2 556,00 € zu gewähren,

hilfsweise,

im Falle des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an der Rechtsauffassung fest, dass nur die Förderung der Anschaffung für ein Altgebäude zu gewähren sei. Ein Vollverschleiß habe nicht vorgelegen. Die Fundamente, das Kellergeschoss und wesentliche Teile des Erdgeschosses seien erhalten geblieben. Die Erneuerung von Außenwänden und der tragenden Wand im Innenbereich des Obergeschosses sei in erster Linie durch die gestalterischen Wünsche der Kläger und dadurch begründet gewesen, dass im Dachgeschoss ein zusätzliches Zimmer geschaffen werden sollte. Wenn der Zustand des Gebäudes so baufällig gewesen sein sollte, dass im Kaufpreis noch die Abrisskosten berücksichtigt worden sein sollten, stelle sich die Frage, warum das Gebäude nicht tatsächlich abgerissen worden sei.

Dem Gericht hat ein Band die Kläger betreffende Eigenheimzulageakten des Beklagten vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Den Klägern steht kein Anspruch auf ungekürzte Gewährung der Eigenheimzulage zu.

Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Eigenheimzulagegesetz -EigZulG- in der für den Streitfall maßgebenden Fassung beträgt der Fördergrundbetrag jährlich 5 v. H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 5 000,00 DM. Der Fördergrundbetrag reduziert sich auf jährlich 2,5 v. H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 500,00 DM, wenn der Anspruchsberechtigte die Wohnung nicht bis zum Ende des zweiten auf das Jahr der Herstellung folgenden Jahres angeschafft hat. Streitentscheidend ist also, wann die von den Klägern erworbene Wohnung als hergestellt im Sinne dieser Vorschrift gilt. Von einer Herstellung im Jahre 2001 kann nur ausgegangen werden, wenn aufgrund der Sanierungsmaßnahmen eine neue Wohnung hergestellt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- wird ein Gebäude auch dann hergestellt, wenn es so sehr abgenutzt ist, dass es unbrauchbar geworden ist und durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile die Brauchbarkeit des Gebäudes wieder hergestellt wird. Dabei führen auch umfangreiche Sanierungsarbeiten nicht dazu, die Wohnung als neu hergestellt anzusehen. Erforderlich ist vielmehr, dass sie bautechnisch neu geworden ist (Beschluss, des BFH vom 8. März 2005, IX B 183/04 Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2005, 1243; Urteile des BFH vom 26. Juni 2003, III R 41/02, BFH/NV 2004, 11, vom 29. Januar 2003, III R 53/00, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 202, 57 = Bundessteuerblatt -BStBl- II 2003, 565, BFH, Urteil vom 13. Oktober 1998 IX R 61/95, BFHE 187, 431, BStBl II 1999, 282; vgl. auch Wacker Eigenheimzulagegesetz Kommentar, 3. Aufl., Tz. 111 ff zu § 2 EigZulG). Dies setzt schwere Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen voraus. Es darf nicht nur der durch die Außenmauern umbaute Raum umgestaltet werden. Vielmehr müssen die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben. Das ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind (BFH-Urteile vom 11. September 1996 X R 46/93, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94; vom 25. August 1999 X R 57/96, BFH/NV 2000, 186). Der X. Senat des BFH verweist insoweit beispielhaft auf Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, die Geschossdecken und die Dachkonstruktion (BFH-Urteile BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94; BFH/NV 2000, 186). Der IX. Senat verweist insoweit insbesondere auf tragende Wände und Fundamente (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1998 IX R 38/95, BFH/NV 1999, 603). Nicht ausreichend, um die Herstellung eines Gebäudes zu bejahen, ist es, dass ein unbewohnbares Gebäude wieder hergestellt wird (BFH-Urteile vom 12. Dezember 1997 X R 54/96, BFH/NV 1998, 841; BFH/NV 2000, 186). Ebenso wenig reicht es aus, wenn nur ein für die Nutzungsdauer bestimmter Gebäudeteil erneuert wird (BFH-Urteil BFH/NV 2000, 186; vgl. BFH-Urteil BFH/NV 1999, 603: Dacheindeckung nicht ausreichend). In der Literatur wird es für erforderlich gehalten, dass die tragenden Gebäudeteile in überwiegendem Umfang ausgetauscht werden (Wacker, Eigenheimzulagegesetz, 3. Aufl., § 2 Rdz. 110).

Schließlich ist unbeachtlich, ob die streitige Räumlichkeit vor der Baumaßnahme den Voraussetzungen des aktuellen Wohnungsbegriffs entsprach. Die Schaffung von Bad, WC und Küche führt noch nicht zur Herstellung einer Wohnung (BFH-Urteil vom 4. März 1998 X R 142/94, DStR Entscheidungsdienst -DStRE- 1998, 917; ähnlich BFH-Urteil BFH/NV 1999, 603).

Davon ausgehend sprechen folgende Umstände für die Annahme einer neu hergestellten Wohnung:

Teile der tragenden Mauerwerkskonstruktion wurden ersetzt.

Die Holzbalkendecken des Erdgeschosses und des Dachgeschosses wurden komplett erneuert.

Die Dachkonstruktion ist neu.

Demgegenüber spricht gegen die Herstellung eines neues Gebäudes/einer neuen Wohnung: Die tragenden Mauerwerkskonstruktionen wurden auch ersetzt, um veränderte Grundrisse zu verwirklichen.

Die Dachkonstruktion musste auch wegen des Dachausbaus erneuert werden. Außenwände wurden im Keller nicht und im Erdgeschoss in geringerem Umfang ersetzt.

Das Gericht lässt dahingestellt, in welchem Umfang die Baumaßnahmen lediglich von gestalterischen Erwägungen bzw. von der Absicht im Dachgeschoss ein zusätzliches Zimmer zu erstellen bestimmt waren. Soweit das wegen der früheren Dachkonstruktion im Obergeschoss nur abschnittsweise vorhandene Mauerwerk abgebrochen wurde, mag dies auch durch die auf Raumgewinn ausgerichtete neue Dachkonstruktion mit einem zusätzlichen Zimmer mit einer anderweitigen Verteilung der Dachlasten und nicht durch einen Vollverschleiß dieser Mauerwerksteile bedingt gewesen sein. Selbst wenn sämtliche vorgenommenen Baumaßnahmen auch wegen des vorgefundenen Verschleißes erforderlich gewesen wären, ist im Streitfall kein neues Gebäude/keine neue Wohnung hergestellt worden, denn weder Außenmauern im wesentlichen Umfang noch Fundamente sind im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen ausgetauscht worden. Demgegenüber hat die Erneuerung der Geschossdecken und der (auch tragenden) Innenwand im Obergeschoss keine so große Bedeutung, dass sie es rechtfertigen würde, das Haus als neu hergestellt anzusehen. Denn die Außenmauern prägen das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes. Der erkennende Senat lässt dahingestellt, ob die Herstellung eines neuen Gebäudes überhaupt denkbar ist, solange nicht wesentliche Teile der Außenwände und/oder der Fundamente neu erstellt werden. Im Streitfall sieht er die vorgenommenen Maßnahmen für eine Neuherstellung jedenfalls nicht als ausreichend an, da trotz allem noch wesentliche Teile der Bausubstanz im Gebäudeinneren, insbesondere im Keller und im Erdgeschoss erhalten blieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß den §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz -GKG- a. F. festgesetzt (§ 71 GKG).

Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen (§ 115 FGO), weil die Frage, wann die Wiederherrichtung eines Altgebäudes als Herstellung einer neuen Wohnung anzusehen ist, höchstrichterlich geklärt ist; dies ergibt sich aus der vorstehenden Rechtsprechungsübersicht.

Anmerkung

Revision eingelegt (BFH IX R 13/06)

Ende der Entscheidung

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