Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 26.10.2004
Aktenzeichen: 7 K 7088/03
Rechtsgebiete: UStG, AO 1977


Vorschriften:

UStG § 15 Abs. 4
AO 1977 § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin

7 K 7088/03

Umsatzsteuer 1994, 1995 und 2000

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin, 7. Senat,

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2004

in der Besetzung mit

dem Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Käwert,

den Richtern am Finanzgericht Röhricht und Dr. Herbert sowie

den ehrenamtlichen Richterinnen Derwanz-Dahlmann und Dr. Wünnemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Abweichend von der Umsatzsteuerfestsetzung 2000 vom 26. März 2002 wird die Umsatzsteuer auf 105 135,33 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 78 v. H. und der Beklagte zu 22 v. H.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war erforderlich.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der der Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten abwenden, sofern die Klägerin nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit geleistet hat.

Der Streitwert beträgt 11 200,00 Euro.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der ... -C-KG-, deren Gesellschafterin sie seit Gründung war. Von 1985 bis 2000 war sie deren Komplementärin, während die ... -C-GmbH-die Kommanditistin der C-KG war. Im Jahre 2000 tauschten die Gesellschafter die Gesellschafterrollen. Am 29. Mai 2002 schied die C-GmbH aus der C-KG aus, sodass deren Anteil der Klägerin zuwuchs. Dies war dem Beklagten seit dem 8. Juli 2002 bekannt. Am 10. April 2003 wurde die C-KG im Handelsregister gelöscht.

Die C-KG war bis 1995 umsatzsteuerliche Organträgerin der ... A-GmbH. Die C-KG und ihre Organgesellschaft erzielten zum Teil steuerpflichtige, zum Teil nach § 4 Nrn. 8 a und 12 Umsatzsteuergesetz -UStG-steuerfreie Umsätze, wobei die Klägerin Umsätze aus langfristigen Vermietungen und Darlehnszinsen erzielte.

In ihren Umsatzsteuererklärungen bis einschließlich 2000 teilte die C-KG die auf die Vermietungsumsätze entfallenden Vorsteuern nach Flächenanteilen auf. Die diesbezüglichen Umsatzsteuererklärungen für die verbliebenen Streitjahre wirkten als Umsatzsteuerfestsetzung.

Vom 3. November 1997 bis 4. Juli 2000 führte das seinerzeit für die C-KG zuständige Finanzamt ... bei dieser eine Außenprüfung durch. Diese führte hinsichtlich der Umsatzsteuer nur zu geringfügigen Feststellungen (Abgrenzungen zwischen Unternehmens und Privatsphäre).

Ausgehend von den Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 9. April 2002 geänderte und endgültige Umsatzsteuerbescheide 1994 bis 1996, gegen die die C-KG am 26. April 2002 Einspruch einlegte. Gleichzeitig legte sie auch gegen ihre am 26. März 2002 eingereichte Umsatzsteuererklärung 2000 Einspruch ein. Schließlich beantragte sie die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1997 bis 1999 zu ändern. Die C-KG begehrte nunmehr für die Aufteilung der Vorsteuern einen so genannten Umsatzschlüssel zugrunde zu legen, wonach sich in den Jahren 1994 und 1995 sowie 1997 bis 2000 eine höhere und im Jahre 1996 eine niedrigere Vorsteuer ergeben würde.

Am 3. März 2003 lehnte der Beklagte den Änderungsantrag ab. Das diesbezüglich anhängige Einspruchsverfahren ruht. Am gleichen Tag wies er den Einspruch der Klägerin mit einer Einspruchsentscheidung, die an die C-KG gerichtet war, zurück.

Am 10. März 2003 hat die Klägerin Klage erhoben, die sie am 24. Juni 2003 hinsichtlich des Jahres 1996 zurückgenommen hat.

Die Klägerin begehrt im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH-für die Aufteilung der Vorsteuer den so genannten Umsatzschlüssel zugrunde zu legen. Dabei beschränkt sie sich auf die Vorsteuern aus ihrem eigenen Geschäftsbetrieb (also unter Ausschluss der Organgesellschaft). Wegen der Berechnungsgrundlagen nimmt das Gericht auf Bl. 48 StrA Bezug. Eine Berichtigung nach § 15 a UStG zu Ihren Lasten komme nur in ganz geringem Umfang in Betracht. Wegen der Berechnung im Einzelnen nimmt das Gericht auf Bl. 52-55 StrA Bezug. Die Klägerin hält nicht mehr daran fest, dass ihr im Jahre 2000 ein Berichtigungsbetrag nach § 15 a UStG in Höhe von 76,26 DM zustehe.

Die Klägerin beantragt,

abweichend von den Umsatzsteuerbescheiden 1994 und 1995 vom 9. April 2002 sowie der Umsatzsteuerfestsetzung 2000 vom 26. März 2002 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2003 die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuern in Höhe von 6 461,75 DM für 1994, 10 629,78 DM für 1995 und 4 808,86 DM für 2000 festzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung, eine Vorsteueraufteilung nach Mietumsätzen sei nicht sachgerecht. Er verweist auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -BMF-vom 19. November 2002, Bundessteuerblatt -BStBl-I 2002, 1368.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens nimmt das Gericht auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der beigezogenen Akten Bezug. Dem Gericht haben je zwei Bände Umsatzsteuer-und Bilanz-sowie je ein Band Vertrags-und Betriebsprüfungsakten vorgelegen, die vom Beklagten für die C-KG unter der Steuer-Nr. ... geführt werden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Allerdings ist die Einspruchsentscheidung unwirksam, da sie nach der Anwachsung des Gesellschaftsanteils der C-GmbH an die Klägerin ergangen ist, jedoch die C-KG als Adressatin ausweist. Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet das Gericht im Wege der Untätigkeitsklage im Sinne des § 46 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Die Klage ist nur hinsichtlich des Streitjahrs 2000 begründet.

Die Klägerin wird nicht dadurch in ihren Rechten im Sinne des § 100 Abs. 1 FGO verletzt, dass der Beklagte für diese Jahre daran festhält, die auf die Vermietungsumsätze entfallende Vorsteuer nach Flächenanteilen aufzuteilen.

Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG ist die Vorsteuer auf Eingangsleistungen des Unternehmers insoweit nicht abziehbar, als sie den von ihm erbrachten zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Vorrang hat also die direkte Zuordnung von Vorsteuerbeträgen zu den erbrachten Ausgangsleistungen. Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte, dass die streitigen Vorsteuerbeträge direkt entweder den steuerfrei oder den steuerpflichtig erbrachten Mietumsätzen zuzuordnen wären.

Der Klägerin ist einzuräumen, dass für die Aufteilung von Eingangsleistungen zur Erbringung von Mietumsätzen, die teils steuerpflichtig, teils steuerfrei erbracht werden, der so genannte Umsatzschlüssel jedenfalls in den Streitjahren eine sachgerechte Aufteilungsmethode war (ständige Rechtsprechung des BFH-Urteil vom 17. August 2001 V R 1/01, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE-196, 345, BStBl II 2002, 833; BFH-Beschluss vom 29. Juli 2003 V B 170/02, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV-2004, 234; Urteil des erkennenden Senats vom 24. Juni 2003 7 K 4010/02, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG-2003, 1004, Revision anhängig unter dem Aktenzeichen -Az.-V R 43/03; Beschluss des erkennenden Senats vom 18. November 2003 7 B 7379/03, EFG 2004, 380).

Zur Vermeidung von Missbräuchen ist der Unternehmer jedoch verpflichtet, das gewählte Aufteilungsverfahren auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume der Besteuerung zugrunde zu legen (BFH-Urteil in BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Rundschau -UR-2002, 153 [162]).

Daran fehlt es im Streitfall. Denn die Klägerin hat zunächst bis einschließlich 1993 die Vorsteuer nach Flächen aufgeteilt, woran sie aus Gründen der Bestandskraft der Steuerfestsetzung auch festhält, betreibt dann für die Streitjahre 1994 und 1995 die Aufteilung nach Umsätzen, während sie für 1996 die Aufteilung nach Umsätzen nicht weiterverfolgt hat. Ab 1997 begehrt die Klägerin dann wiederum die Aufteilung nach Umsätzen.

Die Klägerin kann auch nicht einwenden, sie sei verfahrensrechtlich gehindert gewesen, die (umsatzsteuererhöhend wirkende) Aufteilung nach Umsätzen im Jahre 1996 zu verfolgen.

Denn die insoweit erhobene Klage wäre zulässig gewesen, da sie zur Herstellung einer einheitlichen Aufteilung ein schützenswertes rechtliches Interesse gehabt hätte, auf eine Umsatzsteuererhöhung im Jahre 1996 zu dringen (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2003, IX R 76/99, BFH/NV 2003, 1161).

Zu Gunsten der Klägerin ergibt sich nichts daraus, dass über den Einspruch betreffend Umsatzsteuer 1996 nicht durch wirksame Einspruchsentscheidung entschieden worden ist. Die Klägerin hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erkennen lassen, dass sie dieses Einspruchsverfahren weiter betreiben will. Zwar ist ihr offenbar erst durch den Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung klar geworden, dass die Einspruchsentscheidung unwirksam ist, jedoch hat sie auch nicht versucht, nach Rücknahme der Klage ein Änderungsbegehren nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Abgabenordnung -AOdurchzusetzen.

Jedenfalls wäre sie gehindert, das Einspruchsverfahren betreffend Umsatzsteuer 1996 in der Sache fortzuführen. Die Klägerin hat die Klage betreffend 1996 erkennbar nicht wegen des Fehlens der Voraussetzungen des § 46 FGO zurückgenommen, sondern weil sie ihr diesbezügliches Begehren in der Sache nicht weiterverfolgen wollte. Daher ist darin zugleich die Rücknahme ihres (unerkannt anhängig gebliebenen) Einspruchs zu sehen. Die Erklärung einer Einspruchsrücknahme durch Prozesserklärung gegenüber dem Gericht ist dem Verfahrensrecht nicht unbekannt. Sie wurde auch angenommen, wenn ein Kläger unter der Geltung des § 68 FGO a.F. nach Einspruchseinlegung den Antrag nach § 68 FGO gestellt hat (vgl. BFH-Urteil vom 4. September 1997 IV R 27/96, BFHE 184, 393, BStBl II 1998, 286 m.w.N.).

Schließlich lässt § 367 Abs. 2 Satz 3 AO erkennen, dass es einer Einspruchsentscheidung nicht bedarf, wenn der Steuerpflichtige nach seinem erkennbaren Begehren durch die gegebene Bescheidlage nicht immer beschwert ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Finanzamt einem dem Einspruchbegehren des Steuerpflichtigen entsprechenden Abhilfebescheid erlässt. Der danach gleichwohl weiter geführte Einspruch ist unzulässig (BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 IV R 38/02, BFHE 203, 1, BStBl II 2004, 2 ). Nichts anderes kann jedoch gelten, wenn der Steuerpflichtige in einem Verfahren nach § 46 FGO erkennen lässt, dass er sein Begehren in der Sache nicht weiterverfolgen will.

Der Streitfall ist hinsichtlich der Jahre 1994 und 1995 nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen die Unternehmer auf die geänderte BFH-Rechtsprechung reagiert und vom bis dahin nach herrschender Meinung zu praktizierenden Flächen-/Rauminhaltsschlüssel auf den Umsatzschlüssel umgeschwenkt sind (vgl. die Senatsentscheidungen in EFG 2003, 1004 und EFG 2004, 380 sowie das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 12. November 2002 VII 249/00, EFG 2003, 654, Revision anhängig unter dem Az. V R 41/03).

Dagegen ist die Klägerin nicht gehindert, für die Jahre ab 1997 (wovon hier aber nur 2000 streitbefangen ist) die Vorsteuer nach dem Umsatzschlüssel aufzuteilen. Von diesem Jahr an hat die Klägerin den Umsatzschlüssel in ihren Änderungsanträgen und Steuererklärungen konsequent durchgehalten. Die Aufteilungsrechnung der Klägerin wird vom Beklagten nicht beanstandet. Auch das Gericht sieht keinen Anhaltspunkt, die Aufteilungsrechnung in Zweifel zu ziehen. Im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung (in EFG 2003, 1004 und EFG 2004, 380) gibt das Gericht insoweit der Klage statt. Danach sind weitere 4 808,86 DM Vorsteuern im Jahr 2000 zu berücksichtigen.

Da für die Streitjahre 1994 bis 1995 wie bisher ein Anteil abzugsfähiger Vorsteuer von 50,30 v. H. bzw. 47,53 v.H. zugrundezulegen ist, scheidet eine Berichtigung gemäß § 15 a UStG nach § 44 Abs. 1 und 2 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung -UStDV-aus.

Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 136 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit der analogen Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-. Zwar sind durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (Bundesgesetzblatt -BGBl-I 2004, 2198) in § 708 Nr. 10 ZPO die Worte "Urteile der Oberlandesgerichte" durch "Berufungsurteile" ersetzt worden. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass dadurch eine Änderung der Regelungen über die Vollstreckbarkeit von finanzgerichtlichen Urteilen (und damit eine Einengung des Kreises der nach dieser Vorschrift vollstreckbaren Urteile) beabsichtigt war. Vielmehr können über den bisherigen Anwendungsbereich des § 708 Nr. 10 ZPO hinaus nunmehr auch Berufungsurteile der Landgerichte (vgl. § 72 Gerichtsverfassungsgesetz -GVG-) nach dieser Vorschrift vorläufig vollstreckbar sein.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Der Streitwert beträgt 11 200,00 Euro.

Das Gericht hat den Streitwert ausgehend von den Sachanträgen der Beteiligten bestimmt (§§ 13, 25 Gerichtskostengesetz -GKG- in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung).

Ende der Entscheidung

Zurück