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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 03.09.2002
Aktenzeichen: 7 K 7227/01
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob die klagende GmbH Verlustvorträge im Streitjahr 1998 bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer zur Minderung des zu versteuernden Einkommens heranziehen kann. Der Beklagte verneint dies, obwohl er mit bestandskräftigem Bescheid auf den 31. Dezember 1997 einen vortragsfähigen Verlustabzug zur Körperschaftsteuer von 1.423.923,00 DM feststellte. Seiner Ansicht nach fehle es gemäß § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz - KStG - an einer wirtschaftlichen Identität mit der Körperschaft, die Verlust erwirtschaftete.

Die klagende GmbH wurde im Jahre 1979 gegründet. An ihr waren ursprünglich Herr G sowie seine Ehefrau F beteiligt. Die Anteilhöhe entsprach auch der Höhe der Stimmrechte für die Beschlussfassung bei der Klägerin. Gegenstand der Gesellschaft sollte laut Gesellschaftsvertrag der Handel mit ... Kraftfahrzeugen sein.

Herr G schied zum 19. Dezember 1991 aus der Klägerin aus, indem er seine Anteile an der Klägerin in eine G GmbH einbrachte. An der G GmbH hatte Herr G alle Anteile inne. Beim Ausscheiden des Herrn G verfügte die Klägerin nur über einen geringen Verlustvortrag, der schon durch Verrechnung mit positivem Einkommen des Jahres 1994 aufgebraucht wurde.

Nach Ausscheiden des Herrn G kam es bei der Klägerin in den Jahren 1992 und 1993 zu hohen Verlusten. Der Verlust 1992 betrug 882.285,41 DM und ergab sich vor allem aus einer Abschreibung auf im Umlaufvermögen stehende Kraftfahrzeuge in Höhe von 902.407,33 DM. Die Fahrzeuge waren in der Zeit angeschafft worden, als Herr G Gesellschafter bei der Klägerin war. 1993 erwarb die Klägerin eine C GmbH (ehemals: G Steuerberatungs GmbH) für 4,7 Mio. DM. Hierauf nahm die Klägerin eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung von 3,9 Mio. DM vor, was 1993 einen Verlust von 2.125.104,71 DM verursachte. Die Verluste für 1992 und 1993 wurden großenteils durch Darlehen abgedeckt, die Herr G der Klägerin einräumte. So erhöhten sich etwa die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber Herrn G., die schon in den Vorjahren in beträchtlicher Höhe bestanden hatten, im Jahre 1993 um fast 2 1/2 Mio. DM auf 4.645.042,07 DM. Die Verbindlichkeiten wurden in den nachfolgenden Jahren zwar stufenweise abgebaut. Ende 1997 beliefen sie sich aber noch auf 1.494.851,18 DM und erst Ende 1998 war die Klägerin gegenüber Herrn G schuldenfrei, nachdem vor Jahresende 1998 Herr G noch auf restliche Verbindlichkeiten von 450.000,00 DM verzichtet hatte.

Bis zum 27. Dezember 1995 waren am Stammkapital der Klägerin von 50.000.00 DM Frau F mit Anteilen von zusammen 12.500,00 DM (= 25 v. H.) und die G GmbH mit 37.500,00 DM (= 75 v. H.) beteiligt. Alle Anteile an der G GmbH hielt weiterhin Herr G.

Mit Vertrag vom 27. Dezember 1995 verkaufte die G GmbH alle ihre Anteile an der Klägerin für 1,00 DM an Herrn G. Anteilseigner an der Klägerin waren danach demgemäß Frau F zu 25 v. H. und Herr G zu 75 v. H. Außerdem erwarb die Klägerin zum Jahresende 1995 die Anteile an der G GmbH.

Herr G veräußerte später mit Vertrag vom 25. Dezember 1997 Anteile an der Klägerin im Nennwert von 12.500,00 DM an die ehemalige G GmbH, die nunmehr als M Gesellschaft ...mbH firmierte. Alle Anteile an der M Gesellschaft ...mbH, ehemals G GmbH, hielt weiterhin die Klägerin. Nach dem Stand ab 25. Dezember 1997 waren somit an der Klägerin Frau F und die M Gesellschaft ...mbH zu jeweils 25 v. H. sowie Herr G zu 50 v. H. beteiligt.

Später veräußerten die Gesellschafter der Klägerin alle ihre Anteile mit Vertrag vom 22. Dezember 1998 an den Kaufmann H. Herr G verzichtete dabei außerhalb des Veräußerungsvertrags - wie bereits erwähnt - auf ihm gegenüber noch offene Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin von 450.000,00 DM. Außerdem wurden im Zuge der mit der Anteilsveräußerung zu Ende 1998 einhergehenden Umstrukturierung alle im Aktivvermögen der Klägerin befindliche Kraftfahrzeuge veräußert, woraus sich für 1998 ein Jahresüberschuss von 167.078,94 DM ergab.

Die Klägerin änderte schließlich die Struktur ihres Gesellschaftsvermögens und ihre Tätigkeit. Laut Bilanz auf den 31. Dezember 1998 verfügte sie nur noch über Anlagevermögen von 10.000,00 DM aus einer Grundstücksbeteiligung, 2.663,00 DM aus immateriellen Vermögensgegenständen und 2,00 DM aus Betriebsausstattung sowie daneben über Umlaufvermögen aus Forderungen, Darlehen, einem Genossenschaftsanteil sowie sonstigen Vermögensgegenständen von 287.319,00 DM sowie Kassenmitteln von 165,65 DM. Kraftfahrzeuge waren nicht mehr unter den Vermögensgegenständen. Zu Ende 1999 und 2000 wies die Klägerin nur noch Aktiva von jeweils 10.100,00 DM aus. Ihr Unternehmensgegenstand wandelte sich dahin, dass sie nun vor allem Immobilien betreute und erwarb.

Die Jahresabschlüsse der Klägerin zu den Jahresenden 1994 bis 1998 weisen folgende Positionen auf:

Aktiva lt. Handelsbilanz (Werte in DM) |1994|1995|1996|1997|1998 Anlagevermögen||||| Immaterielle Vermögensgegenstände|5.331,00|4.664,00|3.997,00|3.330,00|2.663,00 Sachanlagen Pkw|214.542,00|103.356,00|344.450,00|317.076,00|0,00 Betriebsausst.|2,00|2,00|2,00|2,00|2,00 Finanzanlagen||||| -Anteil G GmbH (spätere M G...mbH)||50.000,00|50.000,00|50.000,00| Grundstücksbeteiligungen||||| - GbR N||||356.545,00| - GG Ystr.||||10.000,00| Umlaufvermögen||||| Forderungen aus Lieferungen u. Leistungen|17.086,24|||133.175,00|215.696,00 Darlehen||||| - GbR O|816.270,00|670.000,00|390.000,00|390.000,00| - ...Büro G|455.840,00|452.460,00|160.000,00|160.000,00|706,00 - F|345.600,00|||| - F, GG Z|91.800,00|92.344,00||| - GbR P Str.||80.000,00||| - L GmbH||||195.480,00|2.585,00 - Q||||150.000,00|3.750,00 - H||||238.306,00|46.250,00 - R||||18.172,00|13.401,00 - GG Ystr.||||32.653,00| Genossenschaftsanteile|1.600,00|100,00|100,00|100,00|100,00 Bankguthaben||17.134,12|17.276,00|| Sonstige Vermögensgegenstände (insb. Steuererstattungsansprüche)|166.843,86|5.858,57|22.081,24|4.002,00|4.831,00 Kasse|884,55|1.784,55|1.264,65|165,65|165,65 Bilanzsumme|2.115.799,65|1.477.703,24|989.170,91|2.059.988,65|300.149,65

Passiva lt. Handelsbilanz: (Werte in DM) |1994|1995|1996|1997|1998 Gezeichn. Kapital|50.000,00|50.000,00|50.000,00|50.000,00|50.000,00 Gesellschaftereinlage|||||394.153,18 Kapitalrücklage|7.068,04|7.068,04|7.068,04|7.068,04|7.068,04 Bilanzverlust|./. 1.395.830,77|./. 1.111.168,70|./. 1.031.766,86|./. 760.082,23|./. 593.003,29 Steuerrückstellungen|110.045,00|400,00||| Verbindlichkeiten:||||| Kreditinstitute|7.735,18|0,00|0,00|277.215,40|220.856,57 - G|3.176.356,64|2.433.623,34|1.886.906,00|1.494.851,18| - G|52.000,00|44.000,00|18.000,00|0,00| - G GmbH (spätere M G ...mbH)|56.645,00|52.000,00|55.120,00|57.876,00| - S KG||||550.000,00| Verbindlichkeiten aus Beteiligungen||||| - GbR N||||364.313,60| - GG Ystr.||||10.051,00| -Verlustanteile|||||19.707,70 Erhaltene Anzahlungen|50.000,00|||| Sonstige Verbindlichkeiten (insb. Steuern)|1.780,56|1.780,56|3.843,73|8.696,66|201.367,45 Bilanzsumme|2.115.799,65|1.477.703,24|989.170,91|2.059.988,65|300.149,65

Bei der Klägerin wurde 1999 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1994 bis 1997 durchgeführt. Diese führte zu Abweichungen bei den Bilanzwerten für Forderungen und Verbindlichkeiten. Außerdem wurden verdeckte Gewinnausschüttungen für Pkw-Vermietungen an die Gesellschafter der Klägerin konstatiert. Diese Feststellungen erwuchsen später nicht in Streit.

Ferner gelangte der Prüfer zu der Auffassung, die Klägerin habe aufgrund der Anteilsübertragung mit Vertrag vom 27. Dezember 1995 und der Zuführung neuen Aktivvermögens am 20. März 1997 ihre wirtschaftliche Identität im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG verloren. Daher könne eine Berücksichtigung vortragsfähiger Verluste im Veranlagungszeitraum 1998 nicht erfolgen. Denn nach § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Zuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 sei § 8 Abs. 4 KStG in seiner geänderten Fassung (Verlust der wirtschaftlichen Identität und damit Verwehrung des Verlustabzugs insbesondere bei Übertragung von mehr als der Hälfte der Anteile an der Kapitalgesellschaft anstatt wie in der Altfassung von mehr als drei Vierteln der Anteile und bei Fortführung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs mit überwiegend neuem Betriebsvermögen anstatt in der Altfassung nur bei Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs mit überwiegend neuem Betriebsvermögen) grundsätzlich erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden. Sei der Verlust der wirtschaftlichen Identität im Jahre 1997 vor dem 6. August 1997 eingetreten, gelte § 8 Abs. 4 KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998. Letzteres sei hier der Fall.

Durch den Vertrag vom 27. Dezember 1995 seien 75 v. H., somit mehr als die Hälfte der Anteile an der Klägerin von der G GmbH an Herrn G übertragen worden. Zudem sei der Geschäftsbetrieb der Klägerin in der Folge ab dem 20. März 1997 mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt worden. Hierzu gab der Prüfer in Anlage 10 zum Betriebsprüfungsbericht folgende Darstellung:

Das Aktivvermögen zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung sei wie folgt zu ermitteln:

 Aktivvermögen laut BP-Steuerbilanz1.328.541,24 DM
./. Anteile an G GmbH50.000,00 DM
./. Darlehen G400.000,00 DM
./. Bankzugang vom 28. Dezember 199523.840,00 DM
+ stille Reserven im Sachanlagevermögen (Pkw ...)120.000,00 DM
Aktivvermögen zu Teilwerten am 27. Dezember 1995974.541,24 DM

Im Rahmen der Betriebsprüfung seien folgende Zugänge von Aktivvermögen nach dem 27. Dezember 1995 festgestellt worden:

 1) Anteile an G GmbH per 28. Dezember 199550.000,00 DM
2) Pkw Ferrari, Einbuchung per 31. Dezember 1996239.000,00 DM
3) Beteiligung an GbR N per 10. Januar 1997 zu 91 v. H.356.545,00 DM
4) Darlehen an L GmbH per 10. Februar 1997250.000,00 DM
5) Darlehen an H per 20. März 1997223.843,00 DM
Zugeführtes Aktivvermögen insgesamt:1.119.388,00 DM

Im Einzelnen wird zu den Darstellungen und Ergebnissen der Betriebsprüfung auf den Inhalt des Betriebsprüfungsberichts vom 6. Juli 1999 in der vom Beklagten geführten Betriebsprüfungsberichtsakte verwiesen.

Das zunächst noch für die Veranlagung der Klägerin örtlich zuständige Finanzamt D und ihm nachfolgend der Beklagte schlossen sich der im Betriebsprüfungsbericht niedergelegten Auffassung an. Mit inzwischen bestandskräftigen Bescheiden zur Körperschaftsteuer für 1995 bis 1997 stellte das Finanzamt D Einkommen von ./. 240.159,00 DM für 1995, 59.553,00 DM für 1996 und 237.542,00 DM für 1997 fest, wobei es unter Berücksichtigung von Verlustvorträgen die zu versteuernden Einkommen jeweils mit 0,00 DM feststellte.

Den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997 stellte der Beklagte bestandskräftig nach § 10d Einkommensteuergesetz - EStG - in Verbindung mit § 8 Abs. 1, 4 und 5 KStG gesondert auf 1.423.923,00 DM fest.

Mit Bescheid über die Körperschaftsteuer für 1998 vom 11. Juli 2000 sowie mit wiederholendem Bescheid vom 16. Januar 2001 stellte der Beklagte erklärungsgemäß ein Einkommen von 167.078,00 DM fest. Das zu versteuernde Einkommen stellte er ebenfalls - somit ohne Berücksichtigung eines Verlustvortrags - mit 167.078,00 DM fest, woraus sich eine festgesetzte Körperschaftsteuer von 75.185,00 DM ergab. Der Bescheid vom 16. Januar 2001 enthielt bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens unter "Verlustabzug" die Erläuterung: "Vortrag zum 31. 12. 1997: 1.423.923 es werden abgezogen: 0".

Mit ihrem Einspruch gegen die Bescheide zur Körperschaftsteuer für 1998 machte die Klägerin geltend, Herr G sei seit Gründung der GmbH und auch während des fraglichen Zeitraumes jeweils mittelbar oder unmittelbar an der GmbH beteiligt gewesen. Durch den Wechsel von einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung ergebe sich kein Verlust der wirtschaftlichen Identität, da beide Beteiligungen auch sonst im Steuerrecht gleich behandelt und gegebenenfalls durch Zusammenrechnung berücksichtigt würden. Dies sei sowohl bei der Frage der Beteiligungshöhe nach § 17 EStG als auch für Fälle des Umwandlungssteuerrechts anerkannt. Warum dies nach dem zu § 8 Abs. 4 KStG ergangenen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen - BMF - vom 16. April 1999 IV C 6 - S-2745 - 12/99 Bundessteuerblatt - BStBl - I 1999, 455 (dort Tz. 28) bei Veräußerungsfällen anders sein solle, sei nicht verständlich.

Mit der gesetzlichen Regelung des § 8 Abs. 4 KStG solle verhindert werden, dass jemand anders als der, der den Verlust wirtschaftlich erlitten habe, diesen Verlust steuerlich nutzen könne. In Fällen des Anteilswechsels zwischen mittelbarer und unmittelbarer Beteiligung sei diese Ausgangslage aber nicht gegeben, da letztendlich dieselben Personen sowohl hinter dem den Verlust verursachenden wie auch dem den Verlustabzug begehrenden Geschäftsbetrieb stünden und ihn wirtschaftlich zu tragen hätten. Dass sich dabei der Beteiligungsgrad zivilrechtlich von mittelbarer zu unmittelbarer Beteiligung oder umgekehrt gewandelt habe, könne nach Sinn und Zweck des Gesetzes, das gerade auf wirtschaftliche und nicht auf rechtliche Identität abstelle, nicht dagegen sprechen, dass die zuvor entstandenen Verluste auch später steuerlich genutzt werden könnten.

Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass durch den Vertrag vom 25. Dezember 1997 25 v. H. der Gesellschaftsanteile an der Klägerin an die M Gesellschaft ...mbH (vormals S GmbH) zurückveräußert worden seien, sodass nach dem Stand zum Jahresende 1997 gegenüber den Anteilsverhältnissen vor dem 27. Dezember 1995 nicht mehr als 50 v. H. der Anteile gewechselt hätten. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sei dieser Umstand bezogen auf das Kalenderjahr 1997, in dem ja nach Auffassung des Beklagten der Verlust der wirtschaftlichen Identität eingetreten sei, steuerrechtlich zu berücksichtigen.

Im Übrigen sei die Darstellung des zugeführten Aktivvermögens falsch. Im vorliegenden Fall sei überhaupt kein neues Betriebsvermögen zugeführt worden, da sämtliche Neuinvestitionen bei der Klägerin durch die Aufnahme von Krediten finanziert worden seien.

Es sei auch sinnwidrig, bei der Beurteilung, ob der Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt werde, allein auf die Zuführung neuen Aktivvermögens abzustellen. Das Gesetz definiere hier weder die Methode der Beurteilung noch den dabei zu berücksichtigenden Zuführungszeitraum. Zwar habe der Bundesfinanzhof - BFH - in seinem Urteil vom 13. August 1997 I R 89/96, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 183, 556, BStBl II 1997, 829 ausgeführt, dass unter Betriebsvermögen im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG das Aktivvermögen zu verstehen sei. Dies müsse jedoch vor dem Hintergrund des damals zu entscheidenden Falles gesehen werden, in dem der Geschäftszweck vollständig geändert, hierzu das gesamte Anlagevermögen veräußert und neues angeschafft worden sei. Der BFH habe denn auch ausgeführt, der Fall mache es nicht erforderlich, über die insoweit anzusetzenden Bewertungsmaßstäbe zu entscheiden. Die Aussage des BFH könne daher nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus Geltung beanspruchen.

Das Abstellen auf Zugänge zum Aktivvermögen führe zu sinnwidrigen Ergebnissen. So sei es etwa bei Handelsbetrieben völlig normal, dass nach kurzer Zeit der Warenbestand umgeschichtet werde, was dann in derartigen Fällen letztlich fast immer zur Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG Anlass geben würde. Andererseits wäre die Zuführung echten Betriebsvermögens im Wege einer Kapitalerhöhung unschädlich, wenn das neu zugeführte Eigenkapital zum Ausgleich eines Bankkredites verwendet werde und somit das Aktivvermögen unangetastet bleibe.

Wenn also die Klägerin etwa Darlehen vergeben habe und die Auszahlung zulasten ihres im Minus befindlichen Kontokorrentkontos erfolgt sei, sei ganz ohne Zweifel kein neues Betriebsvermögen zugeführt worden.

Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass, wenn schon auf das Aktivvermögen abgestellt werde, dieses mit dem Teilwert anzusetzen sei. Der Teilwert der Beteiligung an der GbR N, die der Betriebsprüfer bei den Zugängen unter 3) erfasst habe, habe sich aber auf 1,00 DM belaufen, da diese in voller Höhe auf Kreditmittelbasis erworben worden sei.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2001 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 nach Maßgabe des § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Zuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 auf Sachverhalte, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität im Jahr 1997 vor dem 6. August 1997 eingetreten sei, mit der Rechtsfolge, dass § 8 Abs. 4 KStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998 gelte, stelle nach dem Urteil des BFH vom 11. Februar 1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485 keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot dar. Es handele sich um eine so genannte unechte Rückwirkung.

Die Klägerin habe ihre wirtschaftliche Identität wie vom Betriebsprüfer befunden mit dem 20. März 1997 eingebüßt. Die wirtschaftliche Identität einer Kapitalgesellschaft gehe in dem Zeitpunkt verloren, in dem sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 4 KStG erfüllt seien. Da die G GmbH mit Vertrag vom 27. Dezember 1995 75 v. H. der Anteile an der Klägerin auf Herrn G übertragen habe, sei hierdurch aus dessen mittelbarer Beteiligung aufgrund seiner alleinigen Gesellschafterstellung bei der G GmbH, eine unmittelbare Beteiligung an der Klägerin geworden. Gemäß Tz. 28 des BMF-Erlasses in BStBl I 1999, 445 und Tz. 11.30 des BMF-Erlasses vom 25. März 1998 IV B 7 - S-1978 - 21/98/IV B 2 - S-1909 - 33/98, BStBl I 1998, 268 sei § 8 Abs. 4 KStG auch in diesen Fällen anzuwenden. Dem Vorbringen der Klägerin, dass Ende 1997 wieder 25 v. H. der nämlichen Anteile auf die M Gesellschaft ...mbH, ehemals G GmbH, zurückübertragen worden seien, komme keine Bedeutung zu, da hierdurch kein neuer Sachverhalt im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG begründet werde. Entscheidend bleibe die zuvor abgeschlossene Übertragung von 75 v. H. der Anteile.

Unter Betriebsvermögen im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG sei nach dem BFH-Urteil in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829 allein das Aktivvermögen zu Teilwerten zu verstehen. Gemäß Tz. 09 des BMF-Erlasses in BStBl I 1999, 455 überwiege neues Betriebsvermögen, wenn das über Einlagen und Fremdmittel zugeführte bzw. finanzierte Aktivvermögen das im Zeitpunkt der Anteilsübertragung vorhandene Aktivvermögen übersteige. Gehörten zum Betriebsvermögen Beteiligungen an Personengesellschaften, sei deren Betriebsvermögen zu dem Anteil der Beteiligung in den Vergleich einzubeziehen. Es werde insoweit auf das Betriebsvermögen (Aktivvermögen) der Personengesellschaft durchgegriffen.

Die Ermittlung des Aktivvermögens zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung vom 27. Dezember 1995 durch den Betriebsprüfer sei nicht zu beanstanden. Sie sei zu Teilwerten erfolgt. Ein Firmenwert sei beim ursprünglichen Aktivvermögen wegen des stark eingeschränkten Geschäftsbetriebs der Klägerin nicht zu berücksichtigen gewesen. Konkrete Einwendungen gegen die Wertermittlungen seien auch nicht vorgebracht worden.

Auch die Berechnung der Zuführungen von Betriebsvermögen durch den Betriebsprüfer sei ohne Fehler und gemäß den Vorgaben des § 8 Abs. 4 KStG erfolgt. Hierzu nahm der Beklagte in die Einspruchsentscheidung eine Übersicht auf, in der ausgehend von Anlage 10 zum Betriebsprüfungsbericht bei den Positionen 3) und 5) geringe Betragsänderungen enthalten waren:

Zugänge von Aktivvermögen nach dem 27. Dezember 1995:

 1) Anteile an G GmbH per 28. Dezember 199550.000,00 DM
2) Pkw Ferrari, Einbuchung per 31. Dezember 1996239.000,00 DM
3) Beteiligung an GbR N per 10. Januar 1997 zu 91 v. H.364.139,00 DM
4) Darlehen an L GmbH per 10. Februar 1997250.000,00 DM
5) Darlehen an H per 20. März 1997200.000,00 DM
Zugeführtes Aktivvermögen insgesamt:1.103.139,00 DM

Der Beklagte führte aus, die Zugänge zu 1) (Anteile an G GmbH per 28. Dezember 1995) und 2) (Pkw Ferrari, Einbuchung per 31. Dezember 1996) seien über Erhöhungen des Gesellschafterdarlehens des Herrn G finanziert worden. Die GbR N (vgl. die Aufstellung des Prüfers zu 3)) habe mit Beschluss des Amtsgerichts C vom 10. Januar 1997 im Zwangsversteigerungsverfahren ein Grundstück in N erworben. In diesem Verfahren habe die GbR N, an der die Klägerin zu 91 v. H. beteiligt gewesen sei, Verbindlichkeiten von 369.016,40 DM übernommen. Zusätzliche Anschaffungskosten (Versteigerungs-Meistgebot, Grunderwerbsteuer und Gerichtskosten) seien über eine weitere Überziehung des laufenden Kontos der Klägerin finanziert worden. Von den vollfinanzierten Anschaffungskosten der GbR N in Höhe von 400.152,76 DM entfielen somit 91 v. H. = 364.139,00 DM auf die Klägerin. Die Mittel für die zu 4) und 5) gewährten Darlehen entstammten ebenfalls einer weiteren Überziehung des laufenden Kontos bei der ... Bank B.

Mit der Zuführung des Darlehens an H sei der Klägerin nach der Übertragung von mehr als 50 v. H. der Anteile von der G GmbH auf Herrn G überwiegend neues Betriebsvermögen (Aktivvermögen) zugeführt worden. Mit diesem Tag habe sie ihre wirtschaftliche Identität im Sinne von § 8 Abs. 4 KStG verloren.

Eine im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG unschädliche Zuführung zu Sanierungszwecken sei nach den Feststellungen der Betriebsprüfung nicht gegeben, da unter anderem der Geschäftsbetrieb nicht mindestens fünf Jahre nach dem Verlust der wirtschaftlichen Identität in vergleichbarem Umfang fortgeführt worden sei (Hinweis auf Tz. 13 ff. des BMF-Erlasses in BStBl I 1999, 455).

Auf die Einspruchsentscheidung hin hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend verweist sie darauf, dass dem Standpunkt der Finanzverwaltung, dass eine schädliche Anteilsübertragung auch bei Wechsel von mittelbarer in unmittelbare Beteiligung gegeben sein könne, in vielen Äußerungen des Schrifttums, so etwa in einem Aufsatz von Moog, Der Betrieb - DB - 2000, 1638 entgegengetreten werde.

Im Streitfall erweise sich die Anwendung des § 8 Abs. 4 als besonders widersinnig. Herr G sei nicht nur als unmittelbarer oder mittelbarer Gesellschafter kontinuierlich zu mindestens 50 v. H. an der Klägerin von deren Gründung an bis Ende 1998 beteiligt gewesen. Vielmehr habe er auch insbesondere die Verluste der Jahre 1992 und 1993, also während seiner mittelbaren Beteiligungszeit, durch Einräumung von Verbindlichkeiten wirtschaftlich getragen. Da diese Verbindlichkeiten bis zum Verzicht in Höhe der 450.000,00 DM bei der Anteilsveräußerung auf Herrn H Ende 1998 weiter höher valutiert hätten als das für 1998 festgestellte Einkommen der Klägerin, könne es Sinn und Zweck des § 8 Abs. 4 KStG niemals entsprechen, der Klägerin den Verlustabzug für 1998 zu versagen, obwohl bis Ende 1998 immer dieselben letztendliche Beteiligten, vor allem Herr G, durch die Verluste wirtschaftlich belastet worden seien und obwohl das positive Jahreseinkommen für 1998 auf die aus Autoverkäufen erzielten Gewinne zurückgehe, die insoweit eindeutig auch ihre Ursache in der Zeit gehabt hätten, in der Herr G jeweils zu mindestens 50 v. H. mittelbar oder unmittelbar an der Klägerin beteiligt gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheids vom 16. Januar 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2001 das zu versteuernde Einkommen und die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung der auf den 31. Dezember 1997 festgestellten vortragsfähigen Verluste jeweils mit 0,00 DM festzustellen bzw. festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens nimmt das Gericht auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der beigezogenen Akten Bezug. Dem Gericht haben zwölf Bände der vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuernummer .../... geführten Steuerakten vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die vollständige Nichtberücksichtigung des auf den 31. Dezember 1997 festgestellten Verlustvortrags bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für 1998 und die daraus folgende Feststellung eines über 0,00 DM hinausgehenden positiven Einkommens sowie die Festsetzung von Körperschaftsteuer für 1998 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten hält das Gericht die wirtschaftliche Identität der Klägerin nach der Veräußerung der Anteile an der Klägerin von der G GmbH an Herrn G mit Vertrag vom 27. Dezember 1995 sowie auch nach der teilweisen Rückveräußerung der Anteile an die M Gesellschaft ...mbH (vormals G GmbH) vom 25. Dezember 1997 unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 4 KStG für gewahrt. Eine Ausnahme von der in den §§ 8 Abs. 1 KStG, 10d EStG vorgesehenen Möglichkeit des Verlustabzugs ist daher im Streitfall bezogen auf das Jahr 1998 nicht gegeben.

Nach § 8 Abs. 4 KStG in Verbindung mit § 10d EStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I 1997, 2590; BStBl I 1997, 928) und der Übergangsvorschrift in § 54 Abs. 6 KStG (in der Fassung des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 3121; BStBl I 1998, 7) - nunmehr: § 34 Abs. 6 Satz 2 KStG 1999 i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes 2001/2002 - setzt ein Verlustabzug bei einer Körperschaft voraus, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Nach dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG in der vorerwähnten Fassung des Gesetzes liegt wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Dagegen sollte nach dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG in der vorangegangenen Fassung des Steuerreformgesetzes - StRefG - 1990 wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vorliegen, wenn mehr als drei Viertel der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt.

Das Gericht kann dahinstehen lassen, ob die Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG wegen etwaiger Mängel des Gesetzgebungsverfahrens verfassungswidrig ist oder nicht (zur Möglichkeit eines Verfassungsverstoßes vgl. BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2001 I R 58/01, BFHE 197, 248, BStBl II 2002, 395 dort vorletzter Absatz; Vorlagebeschluss des BFH zum Bundesverfassungsgericht - BVerfG - vom 18. Juli 2001 I R 38/99, BFHE 196, 232, BStBl II 2002, 27; auch Anmerkung des Richters am Finanzgericht - FG - Köln Neu zum Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26. Juli 2001 6 K 358/00 in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 865; gegen die Annahme der Verfassungswidrigkeit FG Baden-Württemberg Urteile vom 26. Juli 2001 6 K 358/00, EFG 2002, 863 - dagegen allerdings Revision eingelegt zum Az. des BFH I 78/01 - sowie vom 31. März 1999 6 K 282/98, EFG 1999, 864 - auch dagegen Revision eingelegt zum Az. des BFH I R 38/99). Es kann zudem unentschieden lassen, ob die Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG gemäß § 54 Abs. 6 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Zuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 im Streitfall mit der Wirkung anzuwenden ist, dass hierdurch eine Versagung der Berücksichtigung des zum 31. Dezember 1997 festgestellten Verlustvortrags für das Jahr 1998 begründet werden kann, oder ob einer derartigen Anwendungsregelung verfassungsrechtliche Bedenken aus Gründen des Rückwirkungsverbots oder grundrechtlich geschützter Vertrauensschutzpositionen entgegenstünden (zu Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit auf Sachverhalte mit Verlust der wirtschaftlichen Identität vor Jahresbeginn 1997 vgl. BFH-Beschluss in BFHE 197, 248, BStBl II 2002, 395; Verneinung einer echten Rückwirkung durch FG München, Urteil vom 27. April 2001 6 K 5198/99, EFG 2001, 1237 sowie FG Köln, Urteil vom 8. Februar 2001 13 K 6016/00, EFG 2001, 991; letzteres Urteil auch verneinend im Hinblick auf einen möglichen Vertrauensschutz im Rahmen sogenannter unechter Rückwirkung; zur grundsätzlichen Verfassungsgemäßheit der Einschränkung von Abzugsmöglichkeiten im Hinblick auf für die Vergangenheit festgestellte Verlustvortragsvolumen: BFH-Urteil in BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485). Denn das Gericht ist bei der nach seiner Auffassung gebotenen, an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten wirtschaftlichen Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 KStG der Überzeugung, dass die Anteilsübertragung von 75 v. H. der an der Klägerin bestehenden Anteile und Stimmrechte von der G GmbH auf Herrn G durch Vertrag vom 27. Dezember 1995 auch unter Zugrundelegung des in Satz 2 des § 8 Abs. 4 KStG genannten Regelbeispiels - sowohl in dessen Alt- wie auch in dessen Neufassung keine Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft darstellte, die nach dem in der Vorschrift zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft hätte führen können.

Zwar unterliegt es keinem Zweifel, dass aufgrund des Vertrags vom 27. Dezember 1995 zivilrechtlich 75 v. H. und damit im Sinne der Neufassung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG mehr als die Hälfte der Anteile und Stimmrechte an der Klägerin übertragen wurden. Bei einer allein an dem zivilrechtlichen Merkmal einer Anteilsübertragung orientierten Auslegung wäre daher die erste Voraussetzung des Regelbeispiels des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG neuer Fassung als erfüllt zu erachten. Der Senat meint jedoch, dass sowohl das Merkmal der Anteilsübertragung wie auch die Voraussetzung der wirtschaftlichen Identität einer Körperschaft bezogen auf die in § 8 Abs. 4 KStG zum Ausdruck kommende Zwecksetzung mit der Maßgabe auszulegen sind, dass Fälle, in denen sich lediglich die Beteiligungsform von einer zunächst durch eine dazwischengeschaltete Kapitalgesellschaft gemittelten, mittelbaren Beteiligung zu einer unmittelbaren Beteiligung wandelt, nicht zur Versagung der Verlustabzugsmöglichkeiten gemäß §§ 8 Abs. 1 KStG, 10d EStG führen können.

§ 8 Abs. 4 KStG wurde durch das StRefG 1990 als gesetzgeberische Reaktion auf die Urteile des BFH vom 29. Oktober 1986 I R 202/82, BFHE 148, 153, BStBl II 1987, 308 sowie I R 318-319/83, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310, in denen der BFH seine Rechtsprechung zum so genannten Mantelkauf hinsichtlich des Erfordernisses der wirtschaftlichen Identität aufgegeben und die Voraussetzungen der steuerlichen Verlust-Inanspruchnahme auf die zivilrechtliche Personenidentität der betroffenen Körperschaften eingeschränkt hatte, eingeführt. Die Vorschrift stellte und stellt dabei einen Ausnahmefall zu dem Grundsatz dar, dass die für die Besteuerung von Körperschaften bedeutsamen Verhältnisse allein aufgrund von Umständen auf der Ebene der Gesellschaft selbst, nicht jedoch von solchen aus der Sphäre der Gesellschafter zu bestimmen sind. Dementsprechend hält das Gericht für die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG, insbesondere auch für die Bestimmung des Merkmals der wirtschaftlichen Identität, eine sich eng am in der Vorschrift selbst zum Ausdruck kommenden Zweck orientierende Auslegung für geboten.

Zugrunde liegt der Vorschrift, dass sie jedenfalls hinsichtlich des Merkmals der Anteilsübertragung im Sinne des in Satz 2 enthaltenen Regelbeispiels auf die Vorstellung abstellt, dass mit dem Verlust von mehr als drei Vierteln (alte Fassung) bzw. mehr als der Hälfte (neue Fassung) der stimmrechtsmittelnden Beteiligungsanteile ein Verlust der wirtschaftlichen Identität einhergehen könne. Für diese Vorstellung wird als entscheidend anzusehen sein, dass in Höhe der vorbezeichneten Anteile Stimmrechte für die Beschlussfassung bei der innergesellschaftlichen Willensbildung auf andere Personen übergehen (in diesem Sinne auch BMF-Erlass in BStBl I 1999, 445 dort Tz. 29, 30). Kern dieser Sichtweise ist es, die Identität einer Körperschaft danach zu bestimmen, dass Einflussmöglichkeiten bei der Willensbildung sowie die daraus folgende Verantwortlichkeit für die wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft, also auch für den Eintritt von Verlusten und ggf. späteren Gewinnen überwiegend bei denselben Beteiligten gelegen haben und verbleiben sollen, wenn eine Verlustabzugsmöglichkeit im Hinblick auf spätere Gewinne für zulässig erachtet wird. Von dieser gesetzgeberischen Ratio her wird man es daher für die Auslegung der Norm als entscheidend ansehen können, die wirtschaftliche Identität der Körperschaft in Zweifelsfällen gerade auch nach dem Fortbestand des Gesellschaftereinflusses zu definieren (in diesem Sinne Moog, DB 2000, 1638, 1640). Demzufolge ist entscheidend, ob bei einer wirtschaftlichen Gesamtschau der Gesellschaftereinfluss nach einer zivilrechtlichen Anteilsübertragung entsprechend den in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG aufgeführten Schädlichkeitsgrenzen ein anderer ist als zuvor. Eine derartige Veränderung findet aber wirtschaftlich gesehen bei der Umgestaltung einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung, durch die die über Stimmrechte gemittelten Einflussmöglichkeiten nicht verändert werden, nicht statt. Dem zuvor mittelbar Beteiligten verbleiben auch nach der Anteilsübertragung Einflussmöglichkeiten in derselben Höhe.

Gleiches galt im Streitfall auch für die aus Verlusten der Klägerin erwachsenen wirtschaftlichen Risiken, etwa in Form der Verlustabdeckung durch Übernahme von Gesellschafterdarlehen oder Darlehen, wie sie im Streitfall für den Ausgleich der Verluste der Jahre 1992, 1993 Herr G übernahm und durch teilweisen wirtschaftlichen Verlust der Darlehensvaluta im Wege des Ende 1998 ausgesprochenen Verzichts in Höhe von 450.000,00 DM auch tatsächlich wirtschaftlich trug.

Angesichts der insoweit zwischen 1992 und 1998 kontinuierlich fortbestehenden wirtschaftlichen Beteiligungs- und Einflussmöglichkeiten des Herrn G sowie der diesem zuzurechnenden Risiken aus den entstandenen Verlusten hält es das Gericht für mit Sinn und Zweck des § 8 Abs. 4 KStG unvereinbar, allein aus Anlass der Ende 1995 erfolgten zivilrechtlichen Umformung der mittelbaren Beteiligung des Herrn G zu einer unmittelbaren an der Klägerin den Verlustabzug für 1998 zu versagen. Dies gilt zumal deshalb, weil das durch den Verlustabzug auszugleichende Einkommen der Klägerin 1998 schon deutlich geringer lag als allein der von Herrn G durch den Darlehensverzicht von 450.000,00 DM wirtschaftlich übernommene Verlust.

Eine andere Beurteilung geht allerdings aus dem BFM-Erlass in BStBl I 1999, 455 Tz. 28 hervor. Danach könne der Verlustabzug auch verloren gehen, wenn mittelbar gehaltene Beteiligungen an der Verlustgesellschaft übertragen werden, was auch gelte, wenn aus der mittelbaren Beteiligung eine unmittelbare Beteiligung werde. Begründet wird diese Aussage im BFM-Erlass allerdings nicht. Sie steht zudem in ebenso unbegründetem Widerspruch zu der unter Tz. 28 des Erlasses folgenden Aussage, dass erfolgsneutrale Umstrukturierungen in mittelbare Beteiligungen nach Maßgabe der §§ 11 ff. und 20 ff. Umwandlungssteuergesetz - UmwStG - innerhalb verbundener Unternehmen im Sinne von § 271 Abs. 2 Handelsgesetzbuch - HGB - keine Anteilsübertragungen im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG darstellen sollen. Ferner widerspricht sie dem dem § 8 Abs. 4 KStG unmittelbar zu entnehmenden Postulat einer wirtschaftlichen Auslegung. Für Fälle der Umformung einer mittelbaren in eine unmittelbare Beteiligung an der Verlustgesellschaft wird daher im Schrifttum verbreitet die Auffassung vertreten, dass eine Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG ausscheide (vgl. Moog, DB 2000, 1638 unter I. 2., III. und 2.; Hörger, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1990, 539 unter 6.2., Müller-Gatermann, DStR 1991, 597 unter 3.2.4.; Wrede in Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, Lieferung 18. Oktober 1995, § 8 KStG Rnr. 63: Lang in Arthur Andersen, KStG, 20. Lieferung Oktober 2000, § 8 Rnr. 1291. 3). Gemein ist all diesen Literaturmeinungen, dass sie entgegen der formellen Betrachtungsweise im BMF-Erlass in BStBl I 1999, 445 Tz. 28 bei der - auch nach Auffassung des entscheidenden Senats - gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise keine für einen Gesellschafterwechsel typische Veränderung der Beteiligungsstruktur beim Übergang von einer mittelbaren zur unmittelbaren Beteiligung ersehen können. Als problematisch werden dabei vor allem ausdrücklich die Fälle beim so genannten down-stream-merger hervorgehoben. Nach Auffassung des Gerichts macht es jedoch keinen Unterschied, ob eine Umstrukturierung von mittelbarer zu unmittelbarer Beteiligung im Wege eines Umwandlungs- oder Einbringungstatbestands oder durch Einzelveräußerung von Anteilen wie im Streitfall erfolgt. Im Ergebnis ist all diesen Tatbeständen gleichartig, dass vor und nach der Umstrukturierung die Konzernspitze und dadurch Einflüsse und wirtschaftliche Risikozurechnungen unverändert erhalten bleiben. Das Gericht sieht sich deshalb gehalten, den Streitfall in Abweichung zu der ihn ohnehin nicht bindenden Verwaltungsauffassung des BFM-Erlasses in BStBl I 1999, 455 Tz. 28 zu entscheiden.

Es bedarf auch keiner Klärung der Frage, in welchem Verhältnis das Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG zum Satz 1 der Vorschrift steht. Denn, egal ob es sich beim Regelbeispiel um einen Spezialfall oder aber um die generelle Konkretisierung des Merkmals der in Satz 1 vorausgesetzten wirtschaftlichen Identität handelt, sind jedenfalls für die Auslegung des im Regelbeispiel aufgeführten Merkmals der Anteilsübertragung dieselben Grundsätze heranzuziehen wie für den Begriff der wirtschaftlichen Identität im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift.

Keiner Entscheidung bedarf es außerdem hinsichtlich der Frage, ob der Geschäftsbetrieb der Klägerin nach der am 27. Dezember 1995 erfolgten zivilrechtlichen Anteilsveräußerung im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG n. F. in der folgezeit mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt wurde. Das Gericht würde insoweit zwar der Darstellung im Betriebsprüfungsbericht sowie in der Einspruchsentscheidung zuneigen. Allerdings unterliegt die Frage, worauf beim Begriff des Betriebsvermögens im Rahmen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG abzustellen ist, insbesondere ob gleichermaßen das Anlage- wie auch das Umlaufvermögen zu betrachten, ferner ob allein das Aktivermögen in die Betrachtung einzubeziehen sind und ob auch Vorgänge, bei denen Aktive unter Fremdfinanzierung angeschafft worden sind, dem Begriff der Zuführung neuen Betriebsvermögens unterliegen, durchaus Zweifeln (vgl. insbesondere BFH-Beschluss in BFHE 197, 248, BStBl II 2002, 395). Hierauf kommt es jedoch bei der vom Gericht zugrunde gelegten Beurteilung, dass keine im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG relevante Anteilsübertragung erfolgt ist, nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis des Beklagten folgen aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -. Die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ergeht gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Das Gericht hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen, weil die Frage, ob die Umstrukturierung einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft dem Tatbestand des § 8 Abs. 4 KStG unterfällt, von grundsätzlicher Bedeutung ist und eine Entscheidung des BFH erfordert. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die Entscheidung des Senats vom BFM-Erlass in BStBl I 1999, 455, Tz. 28 abweicht und höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage nicht existiert.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß den §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz - GKG - festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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