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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 22.07.2003
Aktenzeichen: 3 K 2317/01
Rechtsgebiete: AO, GrEStG


Vorschriften:

AO § 157 Abs. 1 S. 2
AO § 119
AO § 129
AO § 128 Abs. 3
AO § 125
AO § 5
GrEStG § 8
GrEStG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Senat des Finanzgerichts des Landes Brandenburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht den Richter am Finanzgericht die Richterin am Finanzgericht sowie den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

I.

Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag vom 28.12.1994 (UR.Nr. 3129/1994) für ihre Fonds Nr. 1 und Nr. 3 unvermessene Teilflächen von 33.961 m² und 7.179 m² sowie jeweils Miteigentumsanteile an einer weiteren Teilfläche von 22.267 m² aus einem geplanten Büro- und Gewerbepark. Das 159.518 m² große Gesamtgelände dieses Parks liegt in L... im Winkel zwischen M...-straße und N... Straße und schließt einzelne eingelagerte Flurstücke (Flur 8, Flst. 17/3 u.a.) ein, welche im Kaufvertrag besonders genannt wurden. Hinsichtlich der Lage des erworbenen Grundbesitzes wurde auf die Kennzeichnung in verschiedenen Anlagen des Vertrages verwiesen. Als Kaufpreis wurden 21.584.200 DM sowie 4.562.800 DM zuzüglich 15% Mehrwertsteuer in Höhe von 3.237.630 DM und 684.420 DM vereinbart. Für den Fall, dass sich nach Vermessung kleinere Flächeninhalte ergäben, wurden konkrete Kaufpreisanpassungen vereinbart. In demselben Vertragswerk schlossen die Vertragsparteien einen Bauvertrag, in dem die Veräußerin zur Bebauung der Grundstücke mit insgesamt fünf Bauteilen (C1, C2, C3 und D1 für den Fonds Nr. 1 sowie D2 für den Fonds Nr. 3) verpflichtet wurde. Dafür wurde eine vorläufige Gesamtvergütung in Höhe von 70.719.800 DM und 18.879.200 DM vereinbart. Darüber hinaus wurden in dem Vertragswerk Generalmietverträge für die zu errichtenden Bauteile sowie ein Verwaltervertrag abgeschlossen.

Der beurkundende Notar zeigte dem Beklagten die Veräußerung unter Angabe eines Kaufpreises von 24.854.206,30 DM an und erklärte mit Schreiben vom 14.11.1995, dass der Kaufvertrag nach Vorlage der erforderlichen Genehmigungen nunmehr rechtswirksam sei. Der Beklagte richtete daraufhin ein Auskunftsersuchen an die Klägerin, mit der Bitte mitzuteilen, ob zusätzliche Verträge vom Veräußerer übernommen worden seien.

Mit Bescheid vom 14.02.1996 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Grunderwerbsteuer (2%) auf 496.445 DM fest. Dabei verwies er unter Nennung des Notars, der Veräußerin sowie der UR.Nr. "312994" auf den Kaufvertrag vom 28.12.1994 und bezeichnete den erworbenen Grundbesitz mit "Gemeinde: L..., M...-str./N... Straße, FlstNr.: 17/3 u.a.". Als Bemessungsgrundlage wurden ein Kaufpreis von 21.584.630 DM sowie 15% Mehrwertsteuer in Höhe von 3.237.630 DM angegeben. Der Bescheid wurde für teilweise vorläufig erklärt. Dazu heißt es in den Erläuterungen:

"Wegen der Übernahme weiterer Kosten durch übernommene und abgeschlossene Verträge vom Veräußerer ist der Bescheid vorläufig.

Die vorliegenden Verträge bilden ein einheitliches Vertragswerk. Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach dem Gesamtaufwand. Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gehört zur Gegenleistung. Der Bescheid ist insoweit vorläufig, als wegen der ausstehenden Vermessung die genaue Höhe der Gegenleistung noch nicht feststeht."

Nach Abgabe von notariellen Identitätserklärungen vom 31.03.1999 (UR.Nr. 890/1999) zur Feststellung des Vermessungsergebnisses erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 09.12.1999, hinsichtlich des Kaufpreises bezogen auf Fonds Nr. 1 gelte der vereinbarte Kaufpreis als abschließend verbindlich. Hinsichtlich des Fonds Nr. 3 wurde um Erteilung eines endgültigen Grunderwerbsteuerbescheides gebeten, weil bislang noch keine Festsetzung erfolgt sei.

Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 29.12.1999 setzte der Beklagte die Grunderwerbsteuer (2%) für den Erwerb des nach Flurstücken genau bezeichneten Grundstücks verbunden mit dem Sondereigentum an den Bauteilen C1, C2, C3 und D1 - Fonds Nr. 1 - auf 2.123.920 DM fest. Dabei legte er Grundstückskosten in Höhe von 24.821.830 DM und Baukosten in Höhe von 81.327.770 DM jeweils inklusive Mehrwertsteuer zugrunde, mithin einen Kaufpreis von 106.149.600,- DM. In den Erläuterungen wird ausgeführt, der Bescheid vom 14.02.1996 sei inhaltlich unbestimmt und daher nichtig. Aus ihm sei nicht erkennbar, welche Grundstücke den Gegenstand der Besteuerung bilden würden.

Hinsichtlich der für den Fonds Nr. 3 erworbenen Grundstücke einschließlich der miterworbenen Bauteile erließ der Beklagte einen weiteren Grunderwerbsteuerbescheid, der bestandskräftig wurde.

Gegen den Bescheid vom 29.12.1999 erhob die Klägerin Einspruch, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 24.08.2001 zurückwies. Zur Begründung führte er aus, in dem Bescheid vom 14.02.1996 seien weder die Grundstücksteile zutreffend bezeichnet worden noch habe sich durch Bezugnahme auf den Gesamtkaufpreis ergeben, welcher Sachverhalt besteuert worden sei. Es sei unklar geblieben, ob nur der Grunderwerb für den Fonds Nr. 1 oder der gesamte beurkundete Grunderwerb besteuert worden sei. Darüber hinaus wäre das Finanzamt auch gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) berechtigt gewesen, nachträglich das einheitliche Vertragswerk der Besteuerung zugrunde zu legen. Die Nichtberücksichtigung habe nicht auf mangelnder Sachaufklärung oder einem Tatsachen- oder Rechtsirrtum beruht, sondern auf einem Versehen der Sachbearbeiterin.

Mit der am 25.09.2001 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält den Bescheid vom 14.02.1996 für bestimmt genug und wirksam. Dessen Bestandskraft stehe daher dem neuen Bescheid entgegen. Er beschränke sich ausdrücklich nicht auf Teile des Kaufvertrages, denn in den Erläuterungen sei von einem "einheitlichen Vertragswerk" die Rede. Weder lägen neue Tatsachen im Sinne von § 173 AO vor noch mechanische Fehler im Sinne von § 129 AO. Die Vorläufigkeitserklärung beziehe sich allein auf die ausstehende Vermessung. Soweit vom Beklagten Nichtigkeitsgründe vorgetragen würden, träfen diese für den neuen Bescheid erst recht zu, denn es werde hinsichtlich der erworbenen Grundstücksfläche zu Unrecht von 159.518 m² ausgegangen.

Die Klägerin beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 29.12.1999 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24.08.2001 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, erst der neue Bescheid bezeichne hinreichend klar den besteuerten Lebenssachverhalt, indem nach Grundstücksteilen, zu errichtenden Bauteilen, Grundstückskosten und Baukosten differenziert werde. Die Angabe der Grundstücksgröße mit 159.518 m² sei unerheblich, da der Besteuerungsgegenstand auf Grund der Gesamtkaufpreise gekennzeichnet sei. Im übrigen beruhe die nur teilweise Erfassung der Besteuerungsgrundlagen im Bescheid vom 14.02.1996 auf einem mechanischen Fehler.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung mit Einverständnis der Klägerin den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Höhe der Baukosten für vorläufig erklärt.

Gründe

II.

Das Gericht durfte in der Sache entscheiden, ohne den Prozessbevollmächtigten der Klägerin - wie in der mündlichen Verhandlung beantragt - durch Gewährung einer Schriftsatzfrist nochmals Gelegenheit zu geben, hinsichtlich der Frage der offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO Stellung zu nehmen. Das Recht auf rechtliches Gehör wird dadurch nicht verletzt, denn die Frage des Vorliegens einer offenbaren Unrichtigkeit ist bereits in der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 24.08.2001 aufgeworfen worden und Gegenstand sowohl der Klageerwiderung des Beklagten als auch des Klagevortrags der Klägerin gewesen. Es handelt sich also nicht um einen für die Klägerin überraschenden Aspekt. Auch hinsichtlich der Umdeutung des angegriffenen Steuerbescheides in einen Berichtigungsbescheid nach § 129 AO musste keine Schriftsatzfrist gewährt werden, denn die von den Parteien erörterte Problematik des § 129 AO konnte erkennbar nur im Falle einer Umdeutung des angegriffenen Steuerbescheides rechtliche Relevanz entfalten und stellt daher ebenfalls keinen überraschenden Aspekt dar. Darüber hinaus sind die Prozessbevollmächtigen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit der Umdeutung ausdrücklich hingewiesen worden und haben diesbezüglich nicht ausdrücklich Schriftsatzfrist beantragt.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 29.12.1999 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 24.08.2001 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zwar stellt sich der Grunderwerbsteuerbescheid vom 14.02.1996 als inhaltlich bestimmt genug und damit als wirksam dar, so dass ein weiterer Erstbescheid nicht ergehen durfte. Der Bescheid vom 29.12.1999 lässt sich jedoch in einen Berichtigungsbescheid nach § 129 AO umdeuten und begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken.

Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 14.02.1996 ist vom Beklagten in dem angegriffenen Bescheid vom 29.12.1999 zu Unrecht als wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig angesehen worden.

Schriftliche Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet, § 157 Abs. 1 Satz 2 AO. Danach muss der Regelungsinhalt dem Verwaltungsakt eindeutig entnommen werden können. Hierzu gehört auch, dass angeführt wird, welcher Sachverhalt besteuert wird. Dabei kann der gesamte Inhalt des Verwaltungsaktes, einschließlich seiner Begründung, zur Auslegung herangezogen werden (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 21.05.2001 - II R 54/99 - Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2001, 1606).

Aus dem Bescheid vom 14.02.1996 lässt sich zunächst erkennen, dass mit ihm Grunderwerbsteuer in genau bestimmter Höhe von der Klägerin als Steuerschuldnerin verlangt werden soll. Auch der vom Finanzamt zur Besteuerung herangezogene Lebenssachverhalt lässt sich dem Bescheid bei Berücksichtigung seines gesamten Inhalts eindeutig entnehmen. In dem Bescheid wird unter der Überschrift "Sachverhalt" auf den nach Datum, Notar, Urkundenrolle-Nummer und Veräußerin bestimmten Kaufvertrag Bezug genommen. Der Inhalt des Kaufvertrages wird durch die Benennung des Gesamtgeländes des Büro- und Gewerbeparks, aus dem die - zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unvermessenen - Teilflächen erworben wurden, weiter konkretisiert, indem die im Winkel anliegenden Straßen M...-straße und N... Straße sowie die eingelagerten Flurstücke (Flur 8, Flst. 17/3 u.a.) ausdrücklich angegeben werden. Durch die genannten Angaben wird deutlich, dass der gesamte, von diesem Kaufvertrag umfasste Grunderwerb Gegenstand der Besteuerung ist. Weder der Abschnitt "Sachverhalt" noch der übrige Inhalt des Steuerbescheides enthalten demgegenüber Anhaltspunkte für eine - eventuelle - Einschränkung lediglich auf Teile des Grunderwerbs. Aufgrund des Umstandes, dass hier noch unvermessene Teilflächen eines größeren Geländes erworben wurden, hätte eine solche Einschränkung nur durch Bezugnahme auf die im Kaufvertrag getroffene Zuordnung nach Fonds Nr. 1 und Fonds Nr. 3 oder die - noch zu errichtenden - Bauteile C 1 - C 3 sowie D1 und D 2 erfolgen können, weil eine andere Kennzeichnungsmöglichkeit nicht gegeben war. Eine entsprechende Bezugnahme ist jedoch gerade nicht erfolgt. Allein der Umstand, dass lediglich der Kaufpreis für den Erwerb von Grund und Boden für Fonds Nr. 1 als Bemessungsgrundlage angegeben ist, macht die Regelung nicht unbestimmt. Dem Kaufpreis kommt hier schon deshalb keine entsprechende Aussagekraft zu, weil nicht nur der Kaufpreis für den Fonds Nr. 3 zugeordneten Grund und Boden, sondern auch die Baupreise für die zu errichtenden Bauteile beider Fonds trotz Erläuterung, es handele sich um ein "einheitliches Vertragswerk", nicht berücksichtigt worden sind. Die demzufolge offensichtlich unvollständige Bemessungsgrundlage kann Zweifel an dem ansonsten eindeutig bestimmten Sachverhalt nicht begründen.

Darüber hinaus bedurfte es im Bescheid vom 14.02.1996 zur Bestimmung des vom Finanzamt zur Besteuerung herangezogenen Lebenssachverhaltes nicht der genauen Bezeichnung der erworbenen Grundstücksteile. In dem Bescheid ist die Gesamtfläche, aus der die Klägerin Teilflächen erworben hat, durch die Namen der im Winkel anliegenden Straßen sowie die Flurstücksnummern darin eingeschlossener Flurstücke ("17/3 u.a.") dargestellt worden. Die erworbenen, noch unvermessenen Teilflächen konnten demgegenüber in Ermangelung kennzeichnender Merkmale nur durch die Verweisung auf den Kaufvertrag bestimmt werden, der entsprechende Lageskizzen enthält, die eine eindeutige Festlegung beinhalten. Diese Verweisung ist hier durch die Angabe aller wesentlichen Vertragsdaten erfolgt.

Ist danach der Grunderwerbsteuerbescheid vom 14.02.1996 inhaltlich bestimmt und wirksam, durfte der streitgegenständliche Bescheid vom 29.12.1999 wegen der entgegenstehenden Bestandskraft der Festsetzung nicht als Erstbescheid ergehen. Er lässt sich jedoch in einen Berichtigungsbescheid gemäß § 129 AO umdeuten und ist als solcher aufrecht zu erhalten. Eine Umdeutung ist durch das Finanzgericht möglich (Brockmeyer, in Klein, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, § 128 AO Rdn. 6; s.a. BFH, Beschluss vom 24.04.1985 - II B 53/84 -, BFH/NV 1986, 11).

Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind Fehler, die in einem sonstigen mechanischen - zumal unbewusstem, gedankenlosgewohnheitsmäßigem, unwillkürlichem - Vertun bestehen wie Übersehen, Vergreifen, falsches Ablesen, falsches Übertragen, Verwechseln, Vertauschen, Vergessen o.ä. (Tipke, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 129 Rdn. 12). Ein Rechtsirrtum schließt die Anwendung dieser Vorschrift aus. Ebenso darf die Unrichtigkeit nicht im Bereich des Überlegens, Denkens, Schlussfolgerns oder Urteilens liegen. Die Anwendung des § 129 AO ist auch ausgeschlossen bei unrichtiger Tatsachenwürdigung, der unzutreffenden Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder bei Fehlern, die auf mangelnder Sachaufklärung beruhen (BFH, Beschluss vom 27.05.1998 - IV B 151/97 -, BFH/NV 1998, 1452). Bereits die Möglichkeit eines Sach- oder Rechtsirrtums verbietet die Anwendung des § 129 AO.

Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen. Wenn der Veranlagungsbeamte feststehende Tatsachen - hier den im Vertragswerk enthaltenen Bauvertrag der Klägerin mit der Veräußerin - nicht berücksichtigt hat, kann zwar die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO ausgeschlossen sein, wenn es sich um Unrichtigkeiten handelt, die über mechanische Versehen deshalb hinausgehen, weil sie nicht "mechanisch", also ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können, und die deshalb letztlich auf unzureichender Sachaufklärung beruhen. Hat die Nichtberücksichtigung einer Tatsache dagegen ihren Grund in einer bloßen Unachtsamkeit und liegt sie offen zutage, so kann von einem auf mangelnder Sachaufklärung beruhenden Nichterkennen der Tatsache nicht gesprochen werden. Vielmehr ist dann der Fehler des Veranlagungsbeamten, einen bestimmten Sachverhalt oder eine bestimmte Tatsache nicht berücksichtigt zu haben, auf ein auf Flüchtigkeit beruhendes Versehen zurückzuführen, das wie ein Verschreiben, Verrechnen oder Vergreifen als offenbare Unrichtigkeit zu werten ist (BFH, Urteil vom 29.03.1985 - VI R 140/81 -, BStBl II 1985, 569). So liegt der Fall hier. Die Erläuterungen des Bescheides vom 14.02.1996 enthalten Aussagen zum Vorliegen von (mehreren) Verträgen, die ein "einheitliches Vertragswerk" bilden, sowie zum "Gesamtaufwand", nach dem sich die Grunderwerbsteuer bemisst. Die gebrauchten Begriffe lassen deutlich erkennen, dass der Veranlagungsbeamte die im Vertragswerk vom 28.12.1994 enthaltenen Einzelverträge, insbesondere das Nebeneinander von Kaufvertrag und Bauverträgen, erkannt hat. Weder wird das Vorliegen verschiedener Grundstückskaufverträge, als die ein Kaufvertrag bezogen auf eine Mehrzahl von Grundstücksflächen angesehen werden könnte, als "einheitliches Vertragswerk" bezeichnet noch der Gesamtkaufpreis für den Erwerb mehrerer Grundstücke als "Gesamtaufwand". Diese feststehenden Begriffe machen in dem Zusammenhang, in den sie gestellt sind, vielmehr nur vor dem Hintergrund der Verbindung von Kauf- und Bauvertrag einen Sinn. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus der davor stehenden Erläuterung, welche die Übernahme weiterer Kosten durch übernommene und abgeschlossene Verträge betrifft. Zwar bezieht sich diese Erläuterung ihrem Gegenstand nach auf (weitere) Inhalte eines einheitlichen Vertragswerks, indem die eventuell übernommenen Kosten noch als Gegenleistung im Sinne von § 9 GrEStG Berücksichtigung finden sollen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, der Veranlagungsbeamte könne seine Angabe eines einheitlichen Vertragswerks in Abhängigkeit (nur) von diesen übernommenen und abgeschlossenen Verträgen getroffen haben. Im Gegenteil ist durch die Bezugnahme auf die "vorliegenden" Verträge und die Aussage, diese bildeten ein "einheitliches Vertragswerk", offensichtlich, dass insoweit das ihm vorliegende Vertragswerk vom 28.12.1994 gemeint war.

Es liegt im Streitfall auch kein durch Rechtsüberlegungen beeinflusster Fehler vor, denn es kann nach dem Inhalt des Bescheides nicht davon ausgegangen werden, dass der mit dem Vertragswerk vom 28.12.1994 befasste Veranlagungsbeamte die Gegenleistung der darin enthaltenen Bauverträge bewusst außer Betracht hätte lassen oder die Annahme eines einheitlichen Leistungsgegenstand hätte verneinen wollen. Dem steht die Aussage entgegen, die vorliegenden Verträge bildeten ein einheitliches Vertragswerk, bei dem sich die Grunderwerbsteuer nach dem Gesamtaufwand bemesse. Damit hat der Veranlagungsbeamte zum einen die rechtliche Schlussfolgerung aus den ihm vorliegenden Tatsachen bereits gezogen, so dass ein Irrtum über das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerks ausgeschlossen erscheint. Zum anderen hat er mit seiner Erläuterung, die Steuer bemesse sich nach dem Gesamtaufwand, zutreffend die Rechtsfolge bezeichnet, ohne dass diese bei der Angabe der Bemessungsgrundlage und der Festsetzung umgesetzt worden wäre. Gerade in einem solchen Vergessen der vollständigen Umsetzung liegt jedoch eine offenbare Unrichtigkeit, die der Berichtigung nach § 129 AO zugänglich ist.

Grundsätzlich kann allerdings nach § 128 Abs. 3 AO eine Entscheidung, die - wie ein Grunderwerbsteuerbescheid - nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung - wie eine Berichtigung nach § 129 AO - umgedeutet werden. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Behörde, die den gebundenen Verwaltungsakt erlassen hat, keine für die Ausübung des Ermessens unerlässlichen Erwägungen nachträglich untergeschoben werden können. Eine Ausnahme gilt nach Sinn und Zweck des Gesetzes jedoch dann, wenn das behördliche Ermessen so eingeengt ist, dass nur eine einzige Entscheidung rechtlich möglich ist - sog. Ermessensreduzierung auf Null - (Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.04.1983 - VII 411/81 -, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 1984, 86; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 01.07.1999 - 4 C 23/97 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht [NVwZ] 2000, 195 zu § 47 Abs. 3 VwVfG; Frotscher, in Schwarz, AO, § 128 Rdn. 3).

Eine solche Ermessensreduzierung auf Null liegt hier vor. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass den Finanzbehörden bei einer Berichtigung kein größerer Spielraum gewährt werden kann, als dies bei der ordnungsgemäßen Durchführung des Besteuerungsverfahrens der Fall ist. Die Finanzbehörden sind grundsätzlich verpflichtet, Steueransprüche, die sich aus den eine Steuerschuld begründenden Tatbeständen ergeben, gegenüber dem Steuerpflichtigen geltend zu machen, um dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu genügen. Mit der Berichtigungsvorschrift des § 129 AO hat der Gesetzgeber daher unter ganz bestimmten Voraussetzungen der materiellen Gerechtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) den Vorrang vor der Rechtssicherheit (Vertrauensschutz) eingeräumt. Da im Streitfall der Gesamtaufwand des als einheitliches Vertragswerk zu qualifizierenden Kauf- und Bauvertrages in Gestalt der Kosten für den Grunderwerb sowie der Baukosten der Besteuerung hätte unterworfen werden müssen, hat sich hier das Ermessen des Finanzamtes in einer Weise verengt, die den Erlass des Berichtigungsbescheides geradezu erforderte (vgl. BFH, Urteil vom 28.10.1992 - II R 111/89 -, BFH/NV 1993, 637; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.05.2002 - 3 K 2467/99 -, zitiert nach JURIS; Finanzgericht München, Urteil vom 19.12.2001 - 1 K 2241/01 -, zitiert nach JURIS; Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 23.05.1996 - 2 K 272/95 -, EFG 1996, 961; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.1995 - 6 K 35/94 -, EFG 1996, 460; Finanzgericht Köln, Urteil vom 05.09.1991 - 7 K 5921/90 -, EFG 1992, 107).

Umstände, die dem Finanzamt demgegenüber im Streitfall eine andere Entscheidung, mithin einen echten, wenn auch geringen Ermessenspielraum einräumen würden, liegen hier nicht vor. Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer bemisst sich allein nach dem Gesamtaufwand, ohne dass im Gegenzug steuermindernde Tatsachen in der Person oder in Umständen des Steuerpflichtigen in Betracht kommen. Es stellt sich nicht die Frage einer lediglich teilweisen Festsetzung oder Berichtigung. Für eine Ermessensentscheidung können daher nur Vertrauensschutzgesichtspunkte Berücksichtigung finden. Erhebliche Umstände, etwa dass in besonderem Maße der Anschein hervorgerufen worden wäre, dass das so nicht gewollt Bekanntgegebene dem tatsächlichen Willen der Behörde entspricht, liegen hier nicht vor (vgl. dazu BFH, Urteil vom 24.10.1984 - II R 30/81 -, BStBl II 1985, 218). Allenfalls der lange Zeitraum zwischen Grunderwerbsteuer- und Berichtigungsbescheid könnte daher einen Ermessenspielraum eröffnen. Die Klägerin musste jedoch bereits aufgrund der Erläuterung im Bescheid vom 14.02.1996 und der darin getroffenen Aussage, es handele sich um ein einheitliches Vertragswerk, bei dem es auf den Gesamtaufwand ankomme, davon ausgehen, dass allein die Heranziehung des Grundstückskaufpreises und der darauf entfallenden Mehrwertsteuer nicht gewollt war. Vor diesem Hintergrund konnte sie gerade nicht darauf vertrauen, dass eine Berichtigung nicht stattfinden würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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