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Gericht: Finanzgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 01.12.2005
Aktenzeichen: 5 K 1232/04
Rechtsgebiete: AO, InvZulG 1999


Vorschriften:

InvZulG 1999 § 3 Abs. 1 Nr. 4
InvZulG 1999 § 1 Abs. 1 S. 2
InvZulG 1999 § 4
AO § 39 Abs. 2 S. 2
AO § 42 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg - 5. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ..., die Richterin am Finanzgericht ..., sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Investitionszulagenbescheid für 2000 vom 2.9.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 3.5.2004 werden mit der Maßgabe geändert, dass die Investitionszulage unter Berücksichtigung begünstigter Aufwendungen in Höhe von 251.426 DM festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin und dem Beklagten je zur Hälfte auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Herr Henryk A. und Frau Rebecca B., geborene C. (vormals Rebecca A.) waren als Gesellschafter mit jeweils 50 v.H. an der Klägerin beteiligt. Die Klägerin erwarb im Jahre 1995 das bebaute Grundstück L.-str 35/36 in M. und begann im Jahre 1999 mit Um- und Ausbauarbeiten, die im Oktober 2000 abgeschlossen wurden.

Die Klägerin stellte für das Kalenderjahr 2000 einen Antrag auf Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 für den Neubau eines Hauses, in dem sich nunmehr neben gewerblich genutzten Räumen eine Dachgeschosswohnung mit einer Nutzfläche von 177,22 qm befindet.

Im Rahmen einer Investitionszulagensonderprüfung wurde festgestellt, dass die Wohnung seit dem 1.1.2001 für 10 Jahre an Frau Roswitha C. vermietet worden war, die jedoch polizeilich unter einer Berliner Anschrift gemeldet war. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes gegenüber der Prüferin war Frau B. unter der Anschrift L.-str. 35/36 gemeldet.

Der Beklagte setzte darauf hin die Investitionszulage auf 0,- DM fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Beklagte führte in der Einspruchsentscheidung zur Begründung aus, die Nutzung der Wohnung lasse auf einen Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO schließen. Die Gestaltung habe nur den Sinn, Investitionszulage für fremd vermieteten Wohnraum zu erlangen. Hätte die Klägerin direkt mit Frau B. einen Mietvertrag abgeschlossen, sei die Voraussetzung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken nur für den Teil erfüllt, der auf den anderen Gesellschafter entfalle. Einen Antrag auf die halbe Zulage nach § 4 InvZulG 1999 oder nach § 3 InvZulG 1999 sei jedoch nicht gestellt worden.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die Mutter von Frau B. habe sich erst einige Zeit nach Abschluss des Mietvertrags entschlossen, die Wohnung an die Tochter weiterzuvermieten. Beim Abschluss des Hauptmietvertrags sei dementsprechend überhaupt keine Rede von einer späteren Untervermietung gewesen, weshalb von einer Umgehung nicht gesprochen werden könne. Erst im Juli 2001 sei der Untermietvertrag geschlossen worden. Das Untermietverhältnis werde wie unter fremden Dritten üblich durchgeführt. Der Umstand, dass das Mietverhältnis unverändert weiter bestehe, obwohl Frau B. bereits zum 25.7.2003 aus der Gesellschaft ausgetreten sei, beweise, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Vermietung und dem Gesellschafterverhältnis gebe. Zudem handle es sich bei der Klägerin und Frau B. um zwei selbständige Rechtssubjekte, so dass durch die ehemalige Gesellschafterin keine Selbstnutzung erfolgt sei. Sie, die Klägerin, sei zivilrechtliche Eigentümerin der Wohnung und dementsprechend allein anspruchsberechtigt. Sie sei auch wirtschaftliche Eigentümerin, da § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO keine Anwendung finde. Für die Abweichung von der Regelzurechnung nach § 39 Abs. 1 AO bestehe kein Anlass, da sie, die Klägerin, anspruchsberechtigt sei. Eine Umgehung mit dem Ziel, einen Vorteil zu erlangen, liege dementsprechend nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

den Investitionszulagenbescheid für 2000 vom 2.9.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 3.5.2004 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Investitionszulage auf 25.019,05 EUR festgesetzt wird, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt in Ergänzung seiner Ausführungen in der Einspruchsentscheidung die Auffassung, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO sei anwendbar, da die Gesellschafter der Klägerin nicht gleichzeitig das Tatbestandsmerkmal der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken erfüllten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 1999 ist die Herstellung neuer Gebäude neben anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen begünstigt, wenn das Gebäude mindestens fünf Jahre nach seiner Herstellung der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dient. Anspruchsberechtigter ist nach § 1 Absatz 1 Satz 1 InvZulG 1999 grundsätzlich der Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz. Nehmen Personengesellschaften begünstigte Investitionen nach §§ 2 bis 3a InvZulG 1999 vor, tritt an die Stelle des Steuerpflichtigen die Personengesellschaft. Die Klägerin ist hiernach anspruchsberechtigt, soweit das von ihr errichtete Gebäude der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dient.

Die von der ehemaligen Gesellschafterin B. bewohnte Wohnung diente in Höhe des Eigentumsanteils des Gesellschafters Henryk A. fünf Jahre lang der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken. Die Nutzung der Dachgeschosswohnung in Höhe des Eigentumsanteils der ehemaligen Gesellschafterin Rebecca Mondat stellt hingegen keine entgeltliche Nutzung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 1999 dar.

Der Begriff der entgeltlichen Überlassung schließt nicht nur die unentgeltliche Wohnungsüberlassung, sondern gleichzeitig auch die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken aus (Stuhrmann in Blümich, § 3 InvZulG 1999, Rz 27). Nutzt nämlich der Eigentümer die Wohnung selbst, läge begrifflich auch dann keine entgeltliche Nutzungsüberlassung vor, wenn er an sich selbst Mietzahlungen entrichten würde. Die Unterscheidung, ob eine Wohnung zu eigenen oder zu fremden Wohnzwecken genutzt wird, ist auch dann erforderlich, wenn ein Gesellschafter eine im Gesamthandseigentum stehende Wohnung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nutzt. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in §§ 1, 3, 4 InvZulG 1999. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 ist im Investitionszulagenrecht grundsätzlich der Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes bzw. Körperschaftsteuergesetzes anspruchsberechtigt. Nutzt also ein Gesellschafter eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken, kann er unter den Voraussetzungen des § 4 InvZulG 1999 Investitionszulage beantragen, während aus Sicht der übrigen Gesellschafter eine Fremdnutzung vorliegt, die, soweit die Voraussetzungen des § 3 InvZulG 1999 erfüllt sind, einen Anspruch der Gesellschaft auf Investitionszulage vermittelt. Dies unterscheidet die Gesellschaft bürgerlichen Rechts von der Kapitalgesellschaft, bei der eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und dementsprechend eine Förderung nach § 4 InvZulG 1999 nicht in Betracht kommt. Zur Feststellung der Frage, ob eine Nutzung zu fremden oder zu eigenen Wohnzwecken vorliegt, muss wie im Ertragsteuerrecht (vgl. insoweit BFH, Urteil vom 18. Mai 2004 IX R 83/00, BFHE 206, 162, BStBl. II 2004, 898) das im Gesamthandseigentum stehende Gebäude anteilig den Beteiligten zugerechnet werden, § 39 Abs. 2 Satz 2 AO. Insoweit unterscheit sich die investitionszulagenrechtliche Beurteilung von der zivilrechtlichen, nach der die GbR einer juristischen Person nahezu gleichgestellt ist.

Hiernach liegt in Höhe des dem Eigentumsanteil der Gesellschafterin B. entsprechenden Anteile an der Wohnung eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und damit keine entgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken im Sinne des § 3 InvZulG 1999 vor. Der Umstand, dass die Gesellschafterin die Wohnung als Untermieterin nutzte, ist für die Beurteilung unerheblich. Eine die Zulage nach § 3 InvZulG 1999 ausschließende Eigennutzung liegt nämlich immer dann vor, wenn der nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zu ermittelnde wirtschaftliche oder zivilrechtliche Miteigentümer die Wohnung tatsächlich selbst nutzt.

Selbst wenn man Auffassung folgen wollte, mit einem Untermietverhältnis zwischen einem fremden Dritten und einem Gesellschafter könnten grundsätzlich die Voraussetzungen des § 3 InvZulG 1999 erfüllt werden, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Die gewählte Vertragskonstruktion stellt ein Umgehungsgeschäft dar, welches nach § 42 AO für die Investitionszulagenfestsetzung unbeachtlich ist.

Nach § 42 Satz 1 AO kann das Steuergesetz nicht durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Eine Gestaltung ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie, gemessen am erstrebten Ziel, unangemessen und ungewöhnlich ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine unangemessene Gestaltung für die Verwirklichung des Tatbestands einer begünstigenden Gesetzesvorschrift gewählt wird und sind dementsprechend im Investitionszulagenrecht entsprechend anwendbar (BFH-Urteil vom 27. Februar 1997 III R 119/90, BFH/NV 1997, 619). Eine Vertragsgestaltung ist allerdings nicht schon allein deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil die Vertragsbeteiligten mit ihr den Zweck verfolgen, eine Begünstigung zu erreichen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Anspruchsberechtigte die vom Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verkehrsauffassung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Zwecke für typisch gehaltene Gestaltung nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 1987 V R 43/78, BFH/NV 1987, 754).

Die Untervermietung an die Gesellschafterin stellte in Anbetracht der Interessenlage eine untypische vertragliche Gestaltung dar. Die Mieterin hatte nach den Darstellungen der Klägerin bereits kurze Zeit nach der Anmietung kein Interesse mehr an der Wohnung, während Frau B. an der Nutzung der Wohnung interessiert war. Bei einer solchen Konstellation ist es üblich, dass Mieter und Vermieter den Mietvertrag einvernehmlich aufheben. Die Klägerin hat keine außersteuerlichen Gründe für ihre Entscheidung dargelegt, statt der Aufhebung des Mietverhältnisses ein Untermietverhältnis zu begründen. Solche sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr zeigt der Umstand, dass der aufgrund des Unterverhältnisses zu zahlenden Mietzins direkt an die Klägerin entrichtet wurde, wirtschaftliche Gründe für die Aufrechterhaltung des Mietvertrages mit Frau C. nicht bestanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Ende der Entscheidung

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