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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 1 K 356/06 U
Rechtsgebiete: UStG, EG-RL, MwStSystRL


Vorschriften:

UStG 1999 § 4 Nr. 25 S. 1 Buchst. a
UStG 1999 § 4 Nr. 25 S. 2
UStG 1999 § 4 Nr. 25 S. 3
EG-RL Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h 6.
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. h
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

1 K 356/06 U

Tenor:

Die Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 16.01. und 12.06.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 27.12.2005 werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 7.608,46 EUR (1999), 16.649,05 EUR (2000) und 14.894,88 EUR (2001) herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 16 % und der Beklagte zu 84 %

Tatbestand:

Der Kläger ist ein als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein. Er bezweckt gemäß seiner Satzung, "ein Kultur- und Kommunikationszentrum einzurichten und zu betreiben, mit dem Ziel, die Begegnung von Menschen aller Berufsgruppen, aller Altersgruppen und sozialen Schichten zu ermöglichen, Kritikfähigkeit, Initiative und kreative Betätigung anzuregen und soziales Verhalten zu fördern. Gemäß § 2 Nr. 2 der Satzung soll dieses Ziel erreicht werden durch:

a) Musik-, Film- und Theaterveranstaltungen, Vorträge, Diskussionen und Ausstellungen

b) das Angebot von anderen Kommunikationsmöglichkeiten, Informationen sowie Unterrichtsprogrammen

c) die Einrichtung von Werkstätten für kreative Betätigung

d) die Vermittlung von politischen Informationen

e) die Beratung in pädagogischen und sozialen Fragen.

Durch Beschluss des Jugendwohlfahrtsausschusses der Stadt D. vom 18.12.1984 wurde der Kläger als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt.

Anlässlich einer die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 betreffenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom 17.12.2002) traf die Prüferin folgende Feststellungen:

Der Kläger hatte in den Streitjahren im Rahmen sog. Disco- und Partyabende verschiedene Tanzveranstaltungen durchgeführt, darunter regelmäßige - in den Streitjahren wöchentlich stattfindende - Jugendtanzveranstaltungen ("Jugendtanzabend"), Tanzveranstaltungen für Homosexuelle und Frauen sowie Tanzveranstaltungen zu bestimmten Anlässen (z. B. Karneval, Tanz in den Mai, 1-Live-Party, CSD-Party, Halloweenparty, Christmas-, Silvesterparty). Die Umsätze aus diesen Tanzveranstaltungen (Eintrittsgelder und Garderobe) in Höhe von 190.000.- DM (1999) und 384.016.- DM (2000) - jeweils brutto - behandelte der Kläger im Streitjahr 1999 in vollen Umfang und im Streitjahr 2000 i. H. v. 66.121.- DM als nach § 4 Nr. 25 UStG steuerfreie Umsätze. Im Hinblick auf die Neuregelung in Abschn. 119 Abs. 8 UStR 2000 unterwarf der Kläger im Veranlagungszeitraum 2000 die übrigen Umsätze aus Tanzveranstaltungen i. H. v. 317.895.- DM unter Hinweis auf § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG dem ermäßigten Steuersatz.

Die Prüferin vertrat die Auffassung, die o. g. Umsätze seien insgesamt dem Regelsteuersatz zu unterwerfen. Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 25 UStG finde keine Anwendung. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die genannten Veranstaltungen nur Jugendlichen zugute kämen; außerdem sei eine Steuerbefreiung ausgeschlossen, weil derartige Leistungen auch von anderen Unternehmern erbracht werden könnten. Auch die Steuerermäßigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG sei nicht einschlägig. Es handele sich um Umsätze im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes. Die Annahme eines Zweckbetriebes scheide aus Wettbewerbsgründen aus. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung erhöhte die Prüferin die auf die genannten Umsätze entfallende Umsatzsteuer um 26.207.- DM (1999) und 32.170,86 DM (2000) und ließ weitere auf die bisher als steuerfrei behandelten Umsätze entfallende Vorsteuerbeträge von 8.700.- DM (1999) und 4.400.- DM (2000) zum Abzug zu.

Dem folgte der Beklagte mit geänderten Umsatzsteuerbescheiden 1999 und 2000 vom 16.01.2003. Außerdem erließ er am 12.06.2003 einen von der Umsatzsteuererklärung abweichenden Umsatzsteuerbescheid 2001, mit dem er - im Schätzungswege - die erklärten Umsätze zum ermäßigten Steuersatz um 284.761.- DM (netto) kürzte, die Umsätze zum Regelsteuersatz um 323.011.- DM (netto) erhöhte und weitere Vorsteuer i. H. v. 6.700.- DM zum Abzug zuließ. Auf die Anlage zum Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 12.06.2003 wird Bezug genommen.

Mit den gegen die Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 16.01. und 12.06.2003 eingelegten Einsprüchen machte der Kläger geltend, die durchgeführten Tanzveranstaltungen seien ganz überwiegend von Jugendlichen und jungen Erwachsenen besucht worden, so dass die insoweit erzielten Umsätze gem. § 4 Nr. 25 UStG steuerfrei seien. Der erstmals in den UStR 2000 enthaltene Abschn. 119 Abs. 8 sei nicht einschlägig, da der Kläger kein soziokulturelles Zentrum sei. Zumindest seien die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG erfüllt, so dass die streitigen Umsätze ermäßigt zu besteuern seien.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 27.12.2005 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Er hielt an seiner Auffassung fest, die streitigen Umsätze seien insbesondere im Hinblick auf den unmittelbaren Wettbewerb zu Party- und Discoveranstaltungen anderer Unternehmer weder steuerbefreit noch ermäßigt zu besteuern.

Mit der hiergegen gerichteten Klage macht der Kläger geltend:

1. Die streitigen Leistungen seien nach § 4 Nr. 25 UStG steuerfrei. Nach Abschn. 119 Abs. 2 Satz 4 UStR 1996 und 2000 seien die begünstigten Träger der freien Jugendhilfe auch mit Umsätzen steuerfrei, die sei bei den im Rahmen ihres Aufgabenkreises durchgeführten Jugendtanzveranstaltungen erzielten. Um derartige Tanzveranstaltungen handele es sich im Streitfall; diese könnten nicht mit dem Betrieb einer Diskothek gleichgesetzt werden. Bei den Rock-, Pop-, Disco- und Eventveranstaltungen des Jahres 2001 habe der Anteil der jugendlichen Besucher unter 27 Jahren bei 85 % gelegen (S. 6 des Jahresberichtes 2001 des Klägers, Bl. 72 d. A.). Diese ohne Gewinnerzielungsabsicht durchgeführten Veranstaltungen seien notwendig, um sich bei jungen Menschen als Veranstaltungsort bekannt zu machen. Sie dienten als Treffpunkt und als jugendadäquat gestaltete Erlebniswelt und stellten eine Alternative zu rein kommerziell gestalteten Angeboten dar. Die Tanzveranstaltungen seien in ein Gesamtkonzept des Klägers eingebunden. Sie dienten als niederschwellige Angebote insbesondere dazu, die jungen Menschen mit den übrigen höherschwelligen Kulturangeboten des Klägers bekannt zu machen und sie dafür zu interessieren. Ohne die Tanzveranstaltungen als "Türöffner" könne der Kläger seine satzungsmäßigen Zwecke nicht erfüllen. Die Tanzveranstaltungen seien Teil des kulturellen Auftrags und der Erfüllung der Aufgaben als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Anders als bei kommerziell betriebenen Diskotheken gebe es keine "Türpolitik" in Gestalt einer Aussortierung des Publikums nach Kleidung, ethnischer Herkunft und anderen äußerlichen Merkmalen. Es gebe keinen Mindestverzehr und die Eintrittsgelder seien vergleichsweise niedrig. Die Veranstaltungen fänden unter den Prämissen "Drogen- und Gewaltprävention" sowie "Schutzraum für junge Frauen und Migranten" statt. Zudem gebe es spezielle Tanzveranstaltungen etwa für Homosexuelle oder türkische Mitbürger sowie für Oberstufenschüler in Zusammenarbeit mit den Schulen.

2. Soweit Abschn. 119 UStR seit den UStR 2000 durch ein Sonderregelung für soziokulturelle Zentren in Abs. 8 ergänzt worden sei, stehe dies der Steuerbefreiung nicht entgegen, da der Kläger kein soziokulturelles Zentrum sei. Für soziokulturelle Zentren sei die Autonomie gegenüber staatlichen Behörden und Einrichtungen kennzeichnend; demgegenüber sei der Kläger in Abstimmung und mit Unterstützung der Stadt D. gegründet worden, seien Personen aus Rat und Verwaltung der Stadt in Gremien des Klägers tätig und erhalte der Kläger städtische Zuschüsse.

3. Jedenfalls seien die streitigen Umsätze gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG ermäßigt zu besteuern. Die Tanzveranstaltungen seien wichtiger inhaltlicher und integrierter Bestandteil der Gesamtkonzeption des Klägers. Ohne sie sei der Kläger nicht in der Lage, seinen kulturellen Auftrag und seine Aufgaben als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe zu erfüllen. Der Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes stehe entgegen, dass der Kläger ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 16.01. und 12.06.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 27.12.2005 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 16.990,15 DM (1999), 39.110,32 DM (2000) und 35.342,19 DM (2001) herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er nimmt Bezug auf die Einspruchsentscheidungen vom 27.12.2005 und trägt ergänzend vor, Tanzveranstaltungen von Trägern der Jugendhilfe seien nur dann gem. § 4 Nr. 25 UStG steuerfrei, wenn sie den Zweck hätten, Jugendliche unter Betreuung zu unterhalten, und wenn keine hohen Eintrittsgelder verlangt würden. Dass eine derartige Betreuung anlässlich der regelmäßig stattfindenden "Jugendtanzabends" erfolgt sei, sei nicht erkennbar. Ebenso wenig sei nachgewiesen, dass die Discoabende themenbezogen gewesen seien und aus diesem Grund eine Betreuung erforderlich gewesen sei. Die bloße Anwesenheit von Mitarbeitern des Klägers stelle keine Betreuung in diesem Sinne dar. Auch die fehlende "Türpolitik" sei kein Kriterium für eine steuerbefreite Jugendveranstaltung. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Tanzveranstaltungen in ein pädagogisches Gesamtkonzept eingebunden seien. Die anlässlich der Tanzveranstaltungen erfolgte Werbung für andere kulturelle Veranstaltungen des Klägers reiche nicht aus. Zwar seien die Tanzveranstaltungen geeignet, den begünstigten Bereich des Klägers zu fördern; dies gelte aber für jeden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eines gemeinnützigen Vereins. Entscheidend sei im Streitfall, dass durch die Nachhaltigkeit der Durchführung der Tanzveranstaltungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gegeben sei, so dass eine Besteuerung mit dem Regelsteuersatz zu erfolgen habe. Eine Gewinnerzielungsabsicht sei nicht erforderlich.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 16.01. und 12.06.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 27.12.2005 sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat die Umsätze des Klägers aus den streitigen Tanzveranstaltungen zu Unrecht in vollem Umfang der Umsatzbesteuerung unterworfen. Soweit diese Veranstaltungen von Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres besucht worden sind, sind die Umsätze gem. § 4 Nr. 25 Satz 1 Buchst. a UStG 1999 steuerfrei.

Nach § 4 Nr. 25 Satz 1 Buchst. a UStG 1999 ist u. a. die Durchführung von Veranstaltungen, die dem Sport oder der Erholung dienen, durch förderungswürdige Träger der freien Jugendhilfe steuerfrei, soweit diese Leistungen Jugendlichen unmittelbar zugute kommen. Förderungswürdig im Sinne dieser Vorschrift sind Träger der freien Jugendhilfe, die kraft Gesetzes oder von der zuständigen Jugendbehörde anerkannt sind oder die die Voraussetzungen für eine Förderung durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe erfüllen. Jugendliche im Sinne dieser Vorschrift sind alle Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres (§ 4 Nr. 25 Satz 2 und 3 UStG 1999).

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt, soweit die streitigen Tanzveranstaltungen von Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres besucht worden sind.

1. Der Kläger erfüllt die subjektiven Voraussetzungen des § 4 Nr. 25 UStG 1999. Seine Eigenschaft als "förderungswürdiger Träger der freien Jugendhilfe" i. S. v. § 4 Nr. 25 UStG 1999 ergibt sich aus der Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe durch den Beschluss des Jugendwohlfahrtsausschusses der Stadt D. vom 18.12.1984.

2. Bei den vom Kläger durchgeführten Tanzveranstaltungen handelt es sich um "Veranstaltungen, die der Erholung dienen" i. S. v. § 4 Nr. 25 Satz 1 Buchst. a UStG 1999. Zu den der "Erholung" dienenden Veranstaltungen zählen nach Auffassung des Senats solche Veranstaltungen, die der Freizeitgestaltung, Entspannung und Geselligkeit dienen. Hierunter fallen auch Tanzveranstaltungen. Dementsprechend zählt auch Abschn. 119 Abs. 2 Satz 4 UStR "Jugendtanzveranstaltungen" zu den begünstigten Veranstaltungen. Dies steht in Übereinstimmung mit § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII, wonach zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit auch die Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit gehört, wobei "Geselligkeit" als zwanglose und zweckfreie Form des Zusammenseins zur Unterhaltung und zur Entspannung verstanden werden kann (vgl. Wiesner/Struck, SGB VIII § 11 Rn. 21). Offen bleiben kann, ob die vom Kläger durchgeführten Tanzveranstaltungen auch "Treffen" i. S. v. § 4 Nr. 25 Satz 1 Buchst. a UStG 1999 sind. Die Steuerbegünstigung nach § 4 Nr. 25 Satz 1 Buchst. a UStG 1999 setzt nicht voraus, dass die dort genannten Veranstaltungen ausschließlich von Jugendlichen, d. h. Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres, besucht werden. Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, wonach die Steuerbefreiung gewährt wird, "soweit" die begünstigten Leistungen Jugendlichen oder Mitarbeitern in der Jugendhilfe unmittelbar zugute kommen. Daraus folgt, dass eine teilweise Steuerbefreiung auch dann in Betracht kommt, wenn an den nach § 4 Nr. 25 Satz 1 Buchst. a UStG 1999 begünstigten Veranstaltungen außer Jugendlichen i. S. v. § 4 Nr. 25 UStG 1999 und Mitarbeitern in der Jugendhilfe auch andere Personen, die das 27. Lebensjahr bereits vollendet haben, teilgenommen haben. In diesen Fällen ist die Steuerbefreiung jedoch nur anteilig in dem Umfang zu gewähren, in dem die Leistungen dem begünstigten Personenkreis unmittelbar zugute kommen (vgl. auch Abschn. 119 Abs. 5 Satz 5 und 6 UStR). Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der Besucher unter 27 Jahren bei den hier streitigen Veranstaltungen ausweislich des Jahresberichtes 2001 des Klägers bei etwa 85 % gelegen hat, handelt es sich jedenfalls um Tanzveranstaltungen, die sich in erster Linie an Jugendliche i. S. v. § 4 Nr. 25 UStG 1999 richteten, so dass der Kläger mit diesen Veranstaltungen in seinem Aufgabenbereich "Jugendhilfe" tätig geworden ist. Soweit der Beklagte meint, die Steuerbefreiung von Jugendtanzveranstaltungen setze voraus, dass anlässlich dieser Veranstaltungen eine "Betreuung" der Jugendlichen erfolge, findet dies im Gesetz keine Stütze.

3. Auf die Frage, ob das vom Kläger betriebene Kultur- und Kommunikationszentrum ein "soziokulturelles Zentrum" ist, kommt es nicht an. § 4 Nr. 25 UStG unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Arten von Jugendhilfeträgern. Soweit die in Abschn. 119 Abs. 8 UStR 2000 enthaltene - wohl auf die Verfügung der OFD Erfurt vom 24.07.1996 S 7183 A - 01 -St 343 (StEK § 4 Nr. 25 UStG Nr. 2) zurückgehende - Regelung dahingehend zu verstehen sein sollte, dass an die Steuerbefreiung bestimmter Leistungen soziokultureller Zentren im Rahmen der Jugendhilfe strengere Anforderungen zu stellen sein sollen als an gleichartige Leistungen anderer Jugendhilfeträger, könnte der Senat dem nicht folgen.

4. Die Steuerbefreiung des Klägers für die hier streitigen Leistungen wird durch das Gemeinschaftsrecht nicht ausgeschlossen. Gemeinschaftsrechtliche Grundlage der hier in Rede stehenden Steuerbefreiung ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der 6. EG-Richtlinie (heute: Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL), wonach die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen von der Steuer zu befreien sind. Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie (heute: Art. 134 MwStSystRL) sind von dieser Steuerbefreiung allerdings ausgeschlossen Dienstleistungen und Lieferungen, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind oder wenn sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.

Der Senat lässt dahin gestellt, ob die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie vorliegend erfüllt sind, insbesondere ob die - i. d. R. wöchentlichen - Tanzveranstaltungen des Klägers im Wesentlichen der Verschaffung zusätzlicher Einnahmen dienen und in unmittelbaren Wettbewerb zu gewerblich betriebenen Diskotheken treten. Ebenfalls offen bleiben kann, ob ein etwaiger Wettbewerb hier deshalb unschädlich ist, weil - unter Berücksichtigung von § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII - der Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der 6. EG-Richtlinie betroffen ist (vgl. BFH, Urteil vom 03.04.2008 V R 74/07, BFH/NV 2008, 1631). Denn selbst wenn die Befreiung der vom Kläger durchgeführten Tanzveranstaltungen gemeinschaftsrechtlich nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie ausgeschlossen sein sollte, könnte der Kläger sich auf das für ihn günstigere nationale Recht berufen. Auch unter Berücksichtigung des Gebotes der engen Auslegung von Steuerbefreiungsvorschriften sieht der Senat keine Möglichkeit, den Anwendungsbereich von § 4 Nr. 25 UStG 1999 im Wege gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung dahingehend einzuschränken, dass die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie zusätzlich erfüllt sein müssen. Der Wortlaut des § 4 Nr. 25 UStG 1999 bietet hierfür keinerlei Ansatzpunkt. Anders als in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG (vgl. dazu BFH, Urteil vom 18.08.2005 V R 20/03, BStBl II 2005, 910) sind die von der Steuerbefreiung umfassten Umsätze in § 4 Nr. 25 Satz 1 UStG 1999 genau bezeichnet und abschließend aufgeführt. Erfüllt ein Steuerpflichtiger - wie hier - die persönlichen Voraussetzungen des § 4 Nr. 25 Satz 1 i. V. m. Satz 2 UStG und erbringt er Leistungen, die in Satz 1 Buchst. a, b und c der Vorschrift bezeichnet sind, so steht ihm die Steuerbefreiung nach nationalem Recht zu.

5. Nach dem vorstehend Gesagten sind die streitigen Umsätze des Klägers insoweit steuerfrei, als sie Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres unmittelbar zugute kommen. Ausgehend von den Angaben im Jahresbericht 2001 des Klägers, wonach der Anteil der jugendlichen Besucher unter 27 Jahren bei ca. 85 % gelegen hat, schätzt der Senat diesen Anteil - mangels entgegenstehender Anhaltspunkte - auch für die übrigen Streitjahre auf 85 % der Bruttoentgelte. Die verbleibenden Entgelte unterfallen dem Regelsteuersatz. Soweit die Tanzveranstaltungen von Personen, die das 27. Lebensjahr bereis vollendet hatten, besucht worden sind, handelt es sich um Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes i. S. v. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist hierzu nicht erforderlich (§ 14 Satz 2 AO). Es ist auch nicht erkennbar, dass die Durchführung von Tanzveranstaltungen (auch) für Besucher nach Vollendung des 27. Lebensjahres die Voraussetzungen eines Zweckbetriebes i. S. v. § 65 AO erfüllt.

6. Danach berechnet sich die Umsatzsteuer 1999 bis 2001 wie folgt:

 1999  
Umsätze aus Tanzveranstaltungen (brutto)190.000.- DM 
davon steuerfrei (85 %)161.500.- DM 
davon steuerpflichtig (netto):24.569.- DM 
Minderung Umsatzsteuer:22.275,86 DM 
Vorsteuererhöhung lt. BP:8.700.- DM 
davon nicht abziehbar lt. Urteil (85 %):7.395.- DM 
Steuerminderung gesamt: 14.880,86 DM= 7.608,46 EUR

 2000  
Umsätze aus Tanzveranstaltungen (brutto)384.016.- DM 
davon steuerfrei (85 %)326.413,60 DM 
davon steuerpflichtig (netto):49.657,24 DM 
Minderung Umsatzsteuer:45.022,56 DM 
Vorsteuer lt. BP:19.683,80 DM 
Vorsteuer lt. Urteil:7.223,95 DM 
stpfl. Umsätze:189.231.- DM (36,7 %)
steuerfreie Umsätze:326.413.- DM (63,3 %)
Summe:515.644.- DM (100 %)
Steuerminderung gesamt: 32.562,71 DM = 16.649,05 EUR

 2001  
Umsätze aus Tanzveranstaltungen (brutto) 374.693.- DM 
davon steuerfrei (85 %) 318.489.- DM 
davon steuerpflichtig (netto): 48.451,72 DM 
Minderung Umsatzsteuer: 43.929,48 DM 
Vorsteuer lt BP: 24.869,97 DM 
Vorsteuer lt. Urteil: 10.072,34 DM 
stpfl. Umsätze:217.173.- DM (40,5 %)
steuerfreie Umsätze: 318.489.- DM(59,5 %)
Summe: 535.662.- DM(100 %)
Steuerminderung gesamt: 29.131,85 DM= 14.894,88 EUR

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52, 63 GKG.

Die Revision war nicht zuzulassen. Da der Gesetzgeber § 4 Nr. 25 UStG durch das JStG 2008 grundlegend neu gefasst hat, betrifft die Entscheidung ausgelaufenes Recht, so dass den entschiedenen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt.

Ende der Entscheidung

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