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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.05.2009
Aktenzeichen: 1 K 4494/08 U
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 10 Abs. 1
UStG § 17 Abs. 1
UStG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist, ob die Gewährung so genannter indirekter Herstellerrabatte zu einer Minderung des Vorsteueranspruchs der Klägerin führt.

Der Gesellschaftszweck der Klägerin ist die Herstellung von Transportbeton sowie der Handel mit dieser Ware und der Handel mit anderen Baustoffen.

Die Klägerin bezieht Zement von einer Firma Franz A. GmbH, die ihrerseits den Zement von einer Firma Zement Werke AG (im Folgenden: Z-AG), einem Zementhersteller, bezieht. Die Z-AG gewährte der Klägerin unter anderem im Streitjahr Rabatte in Form von nachträglich ausgezahlten Gutschriften, die von der Z-AG unmittelbar - d.h ohne Einbeziehung der Firma Franz A. GmbH - an die Klägerin ausgezahlt wurden. Konsequenzen für den Vorsteuerabzug hat die Klägerin aus diesem Vorgang nicht gezogen.

Die Firma Z-AG machte im Folgenden unter Berufung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs -EuGH- vom 15.10.2002, C - 427/98, Slg. 2002, I-8315-8373, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2002, 523, in Höhe der gewährten Rabatte Entgeltsminderungen geltend. Dies führte letztlich zu einer entsprechenden Minderung der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze und der Umsatzsteuer auf der Ebene der Z-AG. Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der Klägerin durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass korrespondierend zu der Entgeltminderung auf der Ebene der Firma Z-AG auch der Vorsteuerabzug bei der Klägerin, als Empfängern der Rabatte, zu mindern sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 19.09.2006, Tz. 2.1, Bezug genommen.

Entsprechend der Auffassung des Prüfers erließ der Beklagte unter dem 24.10.2006 einen geänderten Bescheid zur Umsatzsteuer 2004, mit dem der Vorsteuerabzug in Höhe der auf die Rabatte entfallenden Umsatzsteuer gemindert wurde.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte unter dem 19.02.2008 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid, mit dem er die Vorsteuerkürzung, so weit sie den Zeitraum bis zum 30.04.2004 betraf, wieder zurücknahm. Nachdem der Beklagte den Einspruch im Übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 04.11.2006 zurückgewiesen hatte, hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Klägerin ist der Auffassung, der angegriffene Bescheid sei insoweit rechtswidrig, als die vorgenommene Vorsteuerkorrektur für die Zeit vom 01.05. bis zum 31.12.2004 ohne gesetzliche Grundlage ergangen sei. Erst mit dem EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (EURLUmsG), Bundesgesetzblatt I 2004, 3310 (3318, 3320) habe der Gesetzgeber die Vorgaben der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht umgesetzt und § 17 UStG entsprechend geändert; hiermit sei auch erstmals eine Vorsteuerkorrektur beim rabattbegünstigten Unternehmer gesetzlich möglich gemacht worden. Mit der Neureglung in § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG habe der Gesetzgeber auf das Urteil des EuGH vom 15.10. 2002, C-427/98, a. a. O., reagiert.

Die Neureglung des § 17 UStG könne nur auf Sachverhalte Anwendung finden, die nach dem 16.12.2004 verwirklicht worden seien. Denn ausweislich von Artikel 22 EURLUmsG sei die Neuregelung von § 17 UStG an diesem Tag in Kraft getreten. Eine (unzulässige) Rückwirkung sei nicht geregelt worden.

Da es sich bei dem angegriffen Bescheid um einen belastenden Verwaltungsakt handele, bedürfe er einer gesetzlichen Grundlage, die es aber für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht gebe.

Der Ansicht des Beklagten, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. entgegen seines Wortlauts bei richtlinienkonformer Auslegung als Rechtsgrundlage für eine Vorsteuerkorrektur herangezogen werden könne, sei nicht zu folgen. Die entsprechende Anordnung im BMF-Schreiben vom 19.12.2003, IV B 7-S 7200-101/03, Bundessteuerblatt -BStBl.- I 2004, 443 (Tz. 14), sei keine Rechtsgrundlage, weil es sich lediglich um eine Verwaltungsauffassung handele.

Eine richtlinienkonforme Auslegung im Sinne der Finanzverwaltung sei nicht möglich, denn ein eindeutiger Gesetzeswortlaut sei nicht auslegungsfähig. § 17 Abs. 1 UStG a. F. behandle eindeutig alleine die Beziehung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Eine Ausdehnung auf einen Dritten, den Rabattempfänger, sei nicht möglich. Das Schreiben des BMF vom 19.12.2003, wonach eine Vorsteuerkorrektur möglich sei, verstoße somit gegen die vom Bundesverfassungsgericht und vom Bundesfinanzhof -BFH- entwickelte objektive Auslegungstheorie (Hinweis auf BFH, Urteil vom 20.04.2004, VII R 54/03, Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2004, 1607). Die Grenze der Auslegung sei der eindeutige Wortlaut und der erkennbare Wille des Gesetzgebers.

Hätte die Bundesrepublik Deutschland eine Rechtsgrundlage für die Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage bei indirekter Rabattgewährung vor dem EuGH nachweisen können, wäre sie nicht verpflichtet worden, Vorschriften zu erlassen, die im Falle von Preisnachlass- oder Preiserstattungs-Gutscheinen (indirekte Rabatte) eine Berichtigung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage zuließen. Wäre eine Vorsteuerkorrektur nach der Altfassung von § 17 möglich gewesen, hätte es keiner Neuregelung bedurft. § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG a. F. sei damit keine Berichtigungsvorschrift für Vorgänge vor dem 16.12.2004.

Die Vornahme einer Vorsteuerkorrektur verstoße schließlich gegen den Grundsatz, dass Regelungen der Richtlinie 77/388/EWG nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gegen das nationale Gesetz angewendet werden dürften.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2004 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 04.11.2008 und Abänderung des Bescheids vom 19.02.2008 auf ./. 43.644,33 EUR festzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Nach Auffassung des Beklagten ergebe sich bereits aus § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. bei richtlinienkonformer Auslegung die Notwendigkeit einer Vorsteuerkorrektur beim Endverbraucher, sofern es sich bei diesem um einen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer handele. Die Neuregelung von § 17 UStG habe lediglich klarstellende Funktion. Ein Vorsteuerabzug über den 30.04.2004 hinaus unter Vertrauensschutzgesichtspunkten sei nicht möglich.

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht eine Korrektur des Vorsteuerabzugs der Klägerin vorgenommen.

Zwar ist die Neuregelung des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG, wonach auch ein durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigter Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen hat, wenn er nicht Leistungsempfänger z. B. hinsichtlich der Ausgangsumsätze des rabattgewährenden Unternehmers ist, auf den Streitfall nicht anzuwenden. Diese Neuregelung gilt erst ab dem 16.12.2004; unstreitig liegen alle relevanten Vorgänge vor diesem Zeitpunkt, so dass im Streitfall die Altfassung von § 17 Abs. 1 UStG zum Tragen kommt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bietet § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. aber eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Vorsteuerkorrektur.

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, so hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) zu berichtigen.

Zunächst führt die Rabattgewährung durch die Z-AG unmittelbar an die Klägerin zu einer Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage für die durch die Z-AG ausgeführten Umsätze; bei der Z-AG ist damit zu Recht eine Umsatzsteuerkorrektur i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. vorgenommen worden.

Maßgeblich hierfür ist, dass zur Auslegung von § 17 Abs. 1 UStG Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH heranzuziehen ist (BFH, Urteil vom 12.01.2006, V R 3/04, BStBl II 2006, 479). Besteuerungsgrundlage ist nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG "bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen ... alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger ... erhält"; nach Teil C Abs. 1 dieser Bestimmung wird "im Falle ... des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die Besteuerungsgrundlage unter von den Mitgliedsstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert".

Nach den EuGH-Urteilen vom 15.10.2002 Rs. C-427/98, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland (a. a. O.) und vom 24.10.1996 Rs. C-317/94, Elida Gibbs (Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324, UR 1997, 265) ist das System der Umsatzsteuer darauf angelegt, dass nur der Endverbraucher wirtschaftlich mit der Umsatzsteuer belastet wird (Elida Gibbs Rdnrn. 19, 22, 23; Rs. C-427/98 Rdnr. 53). Für Unternehmer, die auf den Produktions- und Vertriebsstufen vor der Endverbrauchsstufe tätig sind, hat die Umsatzbesteuerung neutral zu sein (Elida Gibbs Rdnrn. 26-28). Damit darf dem Fiskus aus allen Umsatzgeschäften von der Herstellung bis zum Endverbrauch nur der Umsatzsteuerbetrag zufließen, den der Endverbraucher letztlich wirtschaftlich aufwendet (Elida Gibbs Rdnr. 24; Rs. C-427/98 Rdnr. 53). Nach Auffassung des EuGH ist es deshalb nicht erforderlich, dass ein Preisnachlass oder eine Preiserstattung in der unmittelbaren Leistungsbeziehung gewährt werden muss, um sich entgeltmindernd auszuwirken; auch der vom Hersteller direkt an den Endverbraucher gewährte Preisnachlass mindert die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer des Herstellers für seinen Umsatz an seinen unmittelbaren Abnehmer (Zwischenhändler), ohne dass sich dadurch der Vorsteuerabzug des Abnehmers ändert oder die vom Hersteller an seinen Abnehmer erteilte Rechnung unrichtig wird (Elida Gibbs Rdnr. 33; Rs. C-427/98 Rdnr. 41). Der EuGH hat für derartige Fälle klargestellt, dass es kein allgemeines Korrespondenzprinzip zwischen der Bemessungsgrundlage des Lieferanten und dem Vorsteuerabzug seines Abnehmers gibt, diese vielmehr unabhängig voneinander zu beurteilen sind.

Bei der Auslegung und Anwendung der §§ 10 Abs. 1 und 17 Abs. 1 UStG ist hiernach von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Das "Entgelt" i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG vermindert sich auch um solche Preisnachlässe, die ein in der Leistungskette beteiligter Unternehmer direkt dem Endverbraucher gewährt. Diese Interpretation des Begriffes "Entgelt" folgt aus dem materiellen Charakter der Umsatzsteuer als Endverbrauchssteuer; sie darf daher nicht höher sein als der in dem Gesamtbetrag enthaltene Umsatzsteuerbetrag, den der Endverbraucher letztlich aufwendet (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 12.01.2006, V R 3/04, a. a. O.).

Korrespondierend zu der nach den vorstehenden Grundsätzen vorzunehmenden Entgeltminderung beim leistenden Unternehmer - Z-AG - hat auf der Grundlage von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a. F. eine Vorsteuerkorrektur auf der Ebene der Klägerin zu erfolgen. Die Vorschrift umfasst auch den im Streitfall vorliegenden Fall, dass eine Entgeltminderung in Form eines Rabattes nicht dem Empfänger der Leistung des Rabattgewährenden, sondern einem in einer Lieferkette später folgenden Unternehmer zugute kommt, bzw. einem Endverbraucher im o. g. Sinne, wenn dieser - wie im Streitfall - ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist.

Der Bedeutungsgehalt von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG ist durch Auslegung zu ermitteln.

Der Auffassung der Klägerin, der Wortlaut des § 17 Abs. 1 UStG a.F. betreffe ausschließlich das Verhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger und schließe eine Einbeziehung eines Rabattempfängers auf einer späteren Stufe einer Lieferkette aus, folgt der Senat nicht. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. spricht nicht von "Leistungsempfänger". Der Wortlaut der Vorschrift lässt sich auch so interpretieren, dass "der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist" der Unternehmer ist, an den dieser Umsatz auf der nächsten Stufe oder einer späteren Stufe innerhalb einer Lieferkette ausgeführt wurde. Der Wortlaut der Regelung ist nicht so eindeutig, dass eine derartige Interpretation ausgeschlossen wäre.

Vom Sinn und Zweck des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. ist eine Interpretation, wonach eine Vorsteuerkorrektur z. B. auch bei einem rabattempfangenden Endabnehmer vorzunehmen ist, wenn dieser vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist, sogar zwingend. Der Bedeutungsgehalt, den der Gesetzgeber der Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG beimessen wollte, liegt klar auf der Hand: Letztlich geht es darum, systemwidrige Vorsteuerüberhänge zu vermeiden. Dies ist nur dadurch zu erreichen, dass jede Änderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage und die damit einhergehende Minderung der Umsatzsteuer korrespondierend eine Minderung der Vorsteuer (d. h. in gleicher Höhe und mit umgekehrter Auswirkung auf die Zahllast) des Unternehmers nach sich ziehen muss, bei dem die Minderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich eine Minderung der Aufwendungen für seine Eingangsleistungen bewirkt. Denn der Vorsteuerabzug setzt voraus, dass überhaupt wirtschaftlich eine Belastung mit Umsatzsteuer vorliegt (vgl. hierzu Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 Rz. 138 f); dies ist bezogen auf den gewährten Preisnachlass nicht der Fall, so dass insoweit eine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nicht mehr gegeben und eine Korrektur erforderlich ist.

Vorstehende Betrachtung gilt auch dann, wenn der Gesetzgeber ursprünglich - entsprechend der früheren, überholten Auffassung der Finanzverwaltung - die Vorstellung hatte, dass eine Änderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage mit den entsprechenden Folgen für die Höhe der Umsatz- und Vorsteuer nur innerhalb einer konkreten Leistungsbeziehung in Betracht kommen könne. Denn nicht nur die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F., sondern auch die hier relevante Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. ist im Lichte der Richtlinie 77/388/EWG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH auszulegen.

So verweist bereits der EuGH in seinem Urteil vom 15.02.2002, Rs. C-427/98, a. a. O., darauf, dass ein Vorsteuerüberhang bei einem Endabnehmer, der ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist, dadurch verhindert werden kann, dass bei dem Endabnehmer eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Art. 20 Abs. 1 Buchtst. b der Richtlinie 77/388/EWG vorgenommen wird (EuGH a. a. O., Rdnr. 66).

Nach Art. 20 Abs. 1 Buchtst. b der Richtlinie 77/388/EWG wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug (nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten) berichtigt, "wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei ... gewährten Rabatten...".

Nach dieser Vorschrift ist die Vorsteuer des Rabattempfängers zu korrigieren, ohne dass es darauf ankommt, dass der Rabattempfänger Empfänger der Ausgangsleistung des Rabattgewährenden ist. Zwar kann Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG im Streitfall nicht unmittelbar angewendet werden. Aus der Vorschrift lässt sich aber schließen, dass es auch bei der Auslegung von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht auf die Leistungsempfängerqualität des Empfängers eines Rabatts/Preisnachlasses ankommt.

Vor dem Hintergrund der Systematik des Umsatzsteuerrechts ist dies zwingend. So wie dem Fiskus letztlich nur der Umsatzsteuerbetrag zufließen darf, den der Endabnehmer wirtschaftlich aufwendet, darf auch der Endverbraucher umgekehrt keinen Vorsteuerabzug erlangen, der wirtschaftlich nicht seinen Aufwendungen entspricht. Die vom Rabattgewährenden zu zahlende und vom Rabattempfänger als Vorsteuer abziehbare Umsatzsteuer muss letztlich identisch bleiben; alles andere würde zu systemwidrigen Vorsteuerüberhängen führen, die dem Neutralitätsgebot (zu Lasten des Fiskus) widersprechen würden.

§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG n.F. hat nach den vorstehenden Ausführungen nur klarstellende Bedeutung, denn bei richtlinienkonformer Auslegung war eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs - entsprechend der (rechtmäßigen) Vorgehensweise des Beklagten - bereits auf der Grundlage von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. vorzunehmen (im Ergebnis ebenso: Finanzgericht Köln, Urteil vom 16.07.2003, 3 K 52/98, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2003, 1503; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 Rz, 138,139; Nieskens, UR 2004, 640, 642; ders. UR 2005, 57, 67; Anhörung zum Entwurf EURLUmsG - BT - DrS 15/3777, Stellungnahme Reiß vom 21.09.2004, S. 20).

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung einer Vertragsverletzung Deutschlands durch den EuGH in seinem Urteil vom 15.10.2002, Rs. C-427/98, a. a. O. nicht besagt, § 17 UStG a. F. sei nicht auslegungsfähig im Sinne der EuGH-Rechtsprechung. So wurde z. B. im Ergebnis auf eine Neuregelung von § 17 UStG für den leistenden Unternehmer (Rabattgewährenden) verzichtet (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG n.F. entspricht § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a. F.); der Rechtsprechung des EuGH konnte hier in ausreichendem Maße durch die Abänderung der zu § 17 UStG ergangenen Verwaltungsvorschriften Rechnung getragen werden. Diese Möglichkeit hätte auch bei § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. bestanden; zur Klarstellung hat der Gesetzgeber hier aber die Sätze 3 und 4 eingefügt.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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