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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.02.2005
Aktenzeichen: 1 K 897/00 E
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
EStG § 32c Abs. 1
EStG § 32c Abs. 2 Satz 1
GewStG § 7
GewStG § 8 Nr. 1
GewStG § 8 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob sich die Tarifbegrenzung nach § 32 c des Einkommensteuergesetzes - EStG- auch auf Zinseinnahmen erstreckt, die der Kläger als Gesellschafter einer KG a. A. aus einer Darlehensgewährung gegenüber der Gesellschaft erzielt hat.

Der Kläger war bis zum 30. 09. 1997 Komplementär (und Kommanditaktionär) der X und Y KGaA. In dieser Eigenschaft bezog er Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die sich zusammen setzten aus Festbezügen (1994 bis 1996 je 192.000 DM, 1997 192.000 DM), einer Gewinnbeteiligung (1996 240.000 DM, 1997 200.000 DM) und Zinseinnahmen aus einem der KG a. A. gewährten Darlehen von 887.981 DM (1994), 784.956 DM (1995), 651.577 DM (1996) und 407.723 DM (1997).

Im Rahmen einer vom Finanzamt Z bei dem Kläger durchgeführten Betriebsprüfung - Bp - gelangte der Prüfer zu der Auffassung, die Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG erstrecke sich hinsichtlich der Beträge, die bei der Gewerbesteuer nach § 8 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - hinzuzurechnen seien, nur auf solche, die im Tatbestand des § 32 c Abs. 2 EStG ausdrücklich genannt seien. Das seien im Fall des Klägers die der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 4 GewStG unterfallenden Festbezüge und die Gewinnbeteiligung, nicht aber die Darlehenszinsen, die zwar - zu 50 % - ebenfalls dem Gewerbeertrag hinzugerechnet würden, allerdings nicht nach § 8 Nr. 4 GewStG, sondern nach der Vorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG, die in § 32 c EStG nicht aufgeführt sei (Bp-Bericht vom 01. 02. 1999, Tz. 16).

Hiergegen richtet sich nach erfolglosen Einspruchsverfahren die Klage. Die Kläger machen geltend, die Tarifbegrenzung erstrecke sich auch auf 50 % der Darlehenszinsen. Das ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, die in § 32 c Abs. 2 Satz 1 EStG alle Gewinne einbeziehe, die nach § 7 GewStG der Gewerbesteuer unterlägen - das sei im Hinblick auf die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG für die Hälfte der Darlehenszinsen der Fall. Das Gesetz habe lediglich gewerbesteuerfreie Einkünfte ausnehmen wollen. Eine Tarifbegünstigung für Darlehenszinsen werde außerdem dem Zweck der Vorschrift gerecht, die eine Doppelbelastung gewerblicher Einkünfte mit Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer verhindern wolle. Dass eine Doppelbelastung bei demselben Steuersubjekt eingetreten sei, erfordere die Tarifvorschrift nicht.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. 01. 2000 bei der Berechnung der Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG 50 % der Darlehenszinsen zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, nach § 32 c Abs. 2 Satz 1 EStG sei nicht der Gewerbeertrag nach § 7 GewStG die Ausgangsgröße für die Steuerentlastung, sondern der nach dem Einkommensteuergesetz ermittelte Gewinn, soweit nicht die in Abs. 2 erwähnten Einschränkungen eingriffen. Eine zusätzliche Berücksichtigung der Zinsentgelte scheide damit aus.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig; der Beklagte hat für die Darlehenszinsen eine Tarifbegrenzung zutreffend abgelehnt.

Gemäß § 32 c Abs. 1 EStG setzt der Abzug eines Entlastungsbetrages nach Absatz 4 von der tariflichen Einkommensteuer voraus, dass in dem zu versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte im Sinne des Absatz 2 enthalten sind. Nach § 32 c Abs. 2 Satz 1 EStG sind gewerbliche Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift vorbehaltlich des Satzes 2 Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 GewStG der Gewerbesteuer unterliegen. Ausgenommen sind nach § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG Gewinne und Gewinnanteile, die nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3, Nr. 2 a, 3, 5, 7 und 8 GewStG zu kürzen sind.

Die in § 32 c Abs. 2 Satz 1 EStG in Bezug genommene Vorschrift des § 7 GewStG regelt den Umfang des Gewerbeertrages und definiert ihn als den einkommen- bzw. körperschaftsteuerlichen Gewinn zuzüglich der Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und abzüglich der Kürzungen nach § 9 GewStG. Der Verweis auf § 7 GewStG mit der Gesetzesformulierung "unterliegen" ist vom Gesetzgeber gewählt worden, um die Tarifbegrenzung auf solche Gewinne zu beschränken, die auch tatsächlich der Gewerbesteuer unterliegen; es sollen solche Gewinne ausgeschlossen werden, die zwar einkommensteuerlich unter § 15 EStG fallen, aber gleichwohl der Gewerbesteuer sachlich nicht unterliegen, etwa weil eine Gewerbesteuerbefreiung eingreift (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 04. 11. 1999 IV R 40/99, BFH E 190, 408, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2000, 186; vom 01. 03. 2001 IV R 24/00, BFH E 195, 196, BStBl II 2001, 486; Herrmann/Heuer, EStG, § 32 c Rdn. 31).

Die Verweisung auf § 7 GewStG bedeutet nicht, dass in die Ermittlung der tarifbegünstigten gewerblichen Einkünfte alle dort genannten Hinzurechnungen und Kürzungen einbezogen werden. Diese haben für die Tarifbegrenzung nur insoweit Bedeutung, als sie in der Vorschrift ausdrücklich genannt werden, wie etwa die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 4 GewStG (ebenso Herrmann/Heuer a.a.O.). Mit der ausdrücklichen Benennung der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 4 GewStG, nicht aber der anderen Hinzurechnungstatbestände des § 8 GewStG, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass nur solche dem Gewerbeertrag hinzuzurechnenden gewerblichen Einkünfte bei der Einkommensteuerveranlagung tarifbegünstigt sind, die dem Anwendungsbereich des § 8 Nr. 4 GewStG unterfallen, somit an persönlich haftende Gesellschafter einer KG a. A. verteilte Gewinnanteile auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen oder Vergütungen für die Geschäftsführung. Nach seinem klaren Wortlaut knüpft § 32 c Abs. 2 Satz 1 EStG an die Regelung in § 8 Nr. 4 GewStG und nicht an § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG an (vgl. auch Herrmann/Heuer a.a.O. Rdn. 37). Der Hinweis der Kläger, dass die Gewinnanteile und Festvergütungen des persönlich haftenden Gesellschafters einer KG a. A. bei der Gesellschaft abziehbare Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - sind, die von der KG a. A. an den Gesellschafter gezahlten Darlehenszinsen von dieser Vorschrift dagegen nicht erfasst werden, stellt demgegenüber für den Senat keinen überzeugenden Grund dar, warum es der ausdrücklichen Benennung der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr.4 GewStG bedurft hätte; die Darlehenszinsen mindern den Gewinn der Gesellschaft ebenso, und zwar bereits bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung als Betriebsausgaben (so auch Fischer in Deutsches Steuerrecht - DStR - 1997, 1519; Herrmann/Heuer a.a.O. Rdn. 37).

Eine Ausdehnung der Tarifbegrenzung auf andere hinzuzurechnende gewerbliche Einkünfte, die nicht von der in § 32 c Abs. 2 EStG ausdrücklich bezeichneten Vorschrift des § 8 Nr. 4 GewSt erfasst werden, scheidet darüber hinaus auch deshalb aus, weil die Erstreckung der Tarifbegünstigung auf Gewinne i.S. von § 8 Nr. 4 GewStG eine Ausnahme darstellt. Die Tarifbegünstigung erstreckt sich grundsätzlich nur auf solche gewerblichen Einkünfte, die beim Steuerpflichtigen selbst zugleich der Gewerbesteuer unterfallen (ebenfalls Blümich, EStG, § 32 c Rdn. 42). Damit könnte einem persönlich haftenden Gesellschafter einer KG a. A. eine Tarifbegrenzung an sich überhaupt nicht gewährt werden, weil allein die Gesellschaft selbst Gewerbesteuersubjekt ist, der Gesellschafter dagegen mit den von der Gesellschaft bezogenen Einkünften i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Indem das Gesetz in § 32 c Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem Verweis auf § 8 Nr. 4 GewStG allein bei der KG a.A. gewerbesteuerlich belastete Einkünfte einkommensteuerlich tarifbegünstigt, hat es zugunsten des - selbst nicht gewerbesteuerlich belasteten - Gesellschafters eine Ausnahme ausdrücklich geregelt; dieser wird für die von den Tatbeständen der §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, 8 Nr. 4 GewStG erfassten Einkünfte bei der Einkommensteuer tariflich entlastet, obwohl er in seiner Person nicht doppelt mit Einkommen- und Gewerbesteuer belastet ist (Herrmann/Heuer a.a.O. Rdn. 31). Über diesen gesetzlich geregelten Ausnahmefall hinaus ist eine Anwendung der Tarifbegrenzung außerhalb des Gesetzeszwecks nicht möglich. Da § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG und § 8 Nr. 4 GewStG im Tatbestand nicht deckungsgleich sind, findet die Tarifbegrenzung auf Sondervergütungen - etwa Vergütungen, die ein persönlich haftender Gesellschafter einer KG a. A. von der Gesellschaft für die Hingabe von Darlehen erhalten hat - keine Anwendung (so auch Fischer in DStR 1997, 1519, 1522).

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte es zu Recht abgelehnt, die Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG auch auf die vom Kläger bezogenen Darlehenszinsen zu erstrecken, die zwar zu den gewerblichen Einkünften i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG gehören, jedoch weder bei ihm selbst der Gewerbesteuer unterlegen haben noch - im Gegensatz zu den Festbezügen und den Gewinnanteilen - in den Anwendungsbereich des § 8 Nr. 4 GewStG fallen.

Trotz der in Literatur und Rechtsprechung geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG, die den BFH zu einem Normenkontrollverfahren veranlasst hat (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - 2 BvL 2/99), scheidet hier eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 des Grundgesetzes - GG - aus. Bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit des § 32 c EStG nicht an. Eine rückwirkende Einbeziehung des Klägers in eine im Fall der Verfassungswidrigkeit erforderliche Neuregelung des § 32c EStG erscheint ausgeschlossen. Denn die Besteuerung des Klägers ist von dem vorrangigen Ziel des Gesetzgebers, einer kumulativen Belastung der Erträge durch Einkommensteuer und Gewerbeertragsteuer beim Steuerpflichtigen Rechnung zu tragen, nicht berührt, weil der Kläger mit den Zinseinnahmen aus dem der KG a. A. gewährten Darlehen lediglich der Einkommensteuer, nicht aber zugleich der Gewerbesteuer unterliegt (vgl. die Urteile des BFH IV R 40/99 und IV R 24/00 a.a.O., mit denen das Gericht eine Vorlage an das BVerfG für die Bezieher von Einkünften aus selbstständiger Arbeit und für die Bezieher gewerblicher Einkünfte, die von der Gewerbesteuer befreit sind, verneint hat).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen; die Frage, ob einem persönlich haftenden Gesellschafter einer KG a. A. die Tarifbegünstigung nach § 32 c EStG auch für Vergütungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG gewährt werden kann, die nicht vom Anwendungsbereich der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 4 GewStG erfasst sind, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.

Ende der Entscheidung

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