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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 10 K 4008/04 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

10 K 4008/04 E

Tenor:

Unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2003 vom 6.5.2004 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18.6.2004 wird die Einkommensteuer auf EUR festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten wie folgt:

Die bis zur mündlichen Verhandlung am 28.11.2006 entstandenen Kosten tragen der Beklagte zu 65 v.H. und der Kläger zu 35 v.H.

Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstandenen Kosten trägt der Beklagte in vollem Umfang.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob und ggf. in welchem Umfang Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden können, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Fluglizenz entstanden sind.

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2003 als Zeitsoldat Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Im August 2003 stellte er beim Kreiswehrersatzamt in "A" den Antrag, eine Fachausbildung (§§ 5 und 5a des Soldatenversorgungsgesetzes <SVG>) zum Verkehrsflugzeugführer (Erwerb einer A irline T ransport Pilot L icence = ATPL) auch finanziell zu fördern. Daraufhin wurde der Kläger vom militärischen Dienst freigestellt (Bescheid vom 3.9.2003). Ferner wurde seinem Förderungsantrag mit einem Fachausbildungsbescheid vom 15.9.2003 entsprochen und es wurden die ggf. erstattungsfähigen Kosten mitgeteilt. Als Ausbildungsstelle war die Firma "B" mit Sitz in "C" vorgesehen. Wegen der Einzelheiten des Fachausbildungsbescheides wird auf die in den Gerichtsakten (Bl. 46) enthaltene Ablichtung Bezug genommen.

Unter dem 30.9.2003 schloss der Kläger mit der "B" einen Ausbildungsvertrag.

Danach sollte die "B" die Ausbildung zum Erwerb einer Privatpilotenlizenz (PPL =P rivate P ilot L icence) und der ATPL übernehmen. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf die in den Steuerakten enthaltene Ablichtung Bezug genommen. Nach einem Umzug von "A" nach "C" begann der Kläger mit der Ausbildung. Im Dezember 2003 bestand er die theoretische Prüfung zum Erwerb der PPL und im September 2005 die theoretische Prüfung zum Erwerb der ATPL.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2003 hatte der Kläger die Aufwendungen, die im Vorfeld der Ausbildung zum Flugzeugführer angefallen waren (Untersuchungs- und Verwaltungsgebühren sowie Aufwendungen für Schulungsmaterial und vorbereitende Kurse), und die ersten von der "B" in Rechnung gestellten Beträge als Fortbildungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend gemacht. Wegen der Zusammensetzung des von ihm ermittelten Betrages in Höhe von 6.807,00 EUR wird auf die zu den Gerichtsakten (Bl. 42) gereichte Aufstellung und auf die in den Steuerakten abgehefteten Einzelnachweise Bezug genommen.

Der Beklagte berücksichtigte bei der Veranlagung lediglich andere, hier nicht streitige Werbungskosten und ließ die vom Kläger geltend gemachten Fortbildungskosten im Hinblick auf eine nach seiner Ansicht ungeklärte Rechtslage außer Ansatz (Bescheid vom 6.5.2004). Die Steuer setzte er auf EUR fest. Den Einspruch des Klägers wies er unter dem 18.6.2004 als unbegründet zurück. Dazu führte er aus, dass der Kläger für das Streitjahr lediglich Aufwendungen zum Erwerb der PPL geltend gemacht habe. Diese wiederum könnten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) regelmäßig nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil sie der privaten Lebensführung zuzuordnen seien. Insbesondere seien sie nicht als notwendige Vorstufe zum Erwerb der ATPL anzusehen.

Im Klageverfahren hat der Kläger zunächst vorgetragen:

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid sei rechtswidrig, denn der Beklagte habe die in der Steuererklärung geltend gemachten Aufwendungen zu Unrecht außer Ansatz gelassen. Er (der Kläger) habe nämlich die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer ohne Vorkenntnisse absolvieren müssen. Daher seien die zum Erwerb der PPL notwendigen Schulungsteile zwingend auch Teil der ATPL-Ausbildung gewesen. Insoweit habe er eine durchgehende Ausbildung (sogenannter Ausbildungsplan ab initio) durchlaufen.

In der mündlichen Verhandlung am 28.11.2006 hat der Kläger zur Höhe der zu berücksichtigenden Aufwendungen ergänzend Stellung genommen. Den im Besteuerungsverfahren geltend gemachten Aufwand wolle er nunmehr für das Streitjahr nicht mehr in vollem Umfang berücksichtigt wissen. Zum einen sei es richtig, dass die Aufwendungen für die PPL-Prüfung für den Erwerb der ATPL nicht erforderlich gewesen seien. Außerdem seien in seiner Aufstellung wohl auch Rechnungsbeträge enthalten, die er erst im Kalenderjahr 2004 beglichen habe.

Folgende Rechnungsbeträge mache er daher nicht mehr als Werbungskosten geltend:

1. PPL

Rechnung der Bezirksregierung D'dorf vom 11.9.2003 100,00 EUR

weitere Rechnung der Bezirksregierung vom 2.12.2003 100,00 EUR

Rechnung der LK D'dorf vom 16.1.2004

106,00 EUR

a) 306,00 EUR

2. Zahlungen in 2004

Rechnung der "B" vom 12.1.2004 206,60 EUR

Rechnung der "B" vom 13.1.2004 208,20 EUR

Rechnung der "B" vom 26.1.2004 192,40 EUR

Rechnung der "B" vom 13.2.2004 334,30 EUR

Rechnung der "B" vom 24.2.2004 881,80 EUR

a) 1.823,30 EUR

Eine weitergehende Kürzung, insbesondere im Hinblick auf die bereits im Streitjahr zugesagte Erstattung von Lehrgangsgebühren, sei nicht gerechtfertigt. Diesen Zuschuss in Höhe von 8.003,33 EUR habe er nämlich erst im Kalenderjahr 2005 erhalten und ihn im Rahmen der Steuererklärung mit den seinerzeit angefallenen Werbungskosten verrechnet.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 vom 6.5.2004 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18.6.2004 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 4.768,00 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Der angefochtene Steuerbescheid sei rechtmäßig.

Dabei bestreite er nicht, dass die Aufwendungen zum Erwerb der ATPL nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Im Streitfall stehe der steuerlichen Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen jedoch die Regelung des § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen, denn nach Aktenlage seien zu Beginn des Lehrgangs wohl nur Aufwendungen zum Erwerb der PPL angefallen. Diese wiederum seien in nicht unerheblichem Umfang der private Lebensführung eines Steuerpflichtigen zuzuordnen (Entscheidung des BFH vom 27. Mai 2003 - VI R 85/02, Bundessteuerblatt <BStBl> II 2005, 202). Das gelte auch für die im Vorfeld der Ausbildung angefallenen Aufwendungen (Gesundheitsprüfung, Mathematiklehrgang u.a.), denn insoweit sei eine Aufteilung nicht möglich.

Der Einwand des Klägers, dass er eine einheitliche Ausbildung absolviert habe, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen, denn der Erwerb der PPL sei nicht als notwendige Vorstufe des Erwerbs der ATPL anzusehen. Zwar habe der BFH dies für einen Fall entschieden, in dem die PPL unabhängig von Schulungsmaßnahmen zum Erwerb der ATPL erworben worden sei, dieser Unterschied rechtfertige aber keine andere Beurteilung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag begründet.

Der Kläger wird durch den angefochtenen Steuerbescheid vom 6.5.2004 in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), denn dieser Bescheid ist rechtswidrig. Der Beklagte hat nämlich bei der Veranlagung des Streitjahres die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zu Unrecht in vollem Umfang unberücksichtigt gelassen.

1. Im Streitfall bestehen keine Bedenken, die aus Anlass der Fachausbildung zum Verkehrsflugzeugführer angefallenen Aufwendungen dem Grunde nach als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit steuerlich zu berücksichtigen (vergl. in diesem Zusammenhang auch die beiden Urteile des BFH vom 27. Mai 2003 - VI R 33/01, BStBl II 2004, 884 und VI R 85/02, a.a.O.), denn sie haben der Eingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt nach Ablauf der Wehrdienstzeit gedient. Da der Beklagte insoweit keine andere Rechtsauffassung vertritt, sind weitere Ausführungen dazu entbehrlich.

2. Der Höhe nach beansprucht der Kläger zu Recht die steuerliche Berücksichtigung der im Klageantrag geltend gemachten Aufwendungen.

a) Das gilt zunächst insoweit, als die Kosten auch einen Bezug zum Erwerb der PPL haben. Das Gericht folgt nämlich nicht der Argumentation des Beklagten, dass alle zu Beginn der Ausbildung entstandenen Kosten auf den Erwerb der PPL zurückzuführen seien und daher steuerlich unberücksichtigt bleiben müssten.

aa) Richtig ist allerdings, dass dem Kläger im Vorfeld der Ausbildung (Gesundheitsprüfung) und zu Beginn der Schulungen bei der "B" (Rechnung vom 4.11.2003 betreffend die PPL Theoriegebühren) Kosten entstanden sind, die auch angefallen wären, wenn er lediglich eine PPL hätte erwerben wollen (vergl. dazu die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen vom 15. April 2003 betreffend die Bestimmungen zur Lizenzierung von Piloten, Bundesanzeiger vom 29. April 2003, Nummer 80a <JAR-FCL 1 deutsch> Abschnitt C Nummern 1.105 und 1.125). Diese Kosten entstehen jedoch nicht speziell im Zusammenhang mit dem Erwerb der PPL, sondern stets, wenn es um eine Fluglizenz geht (Abschnitt A Nr. 1.035, Abschnitt D Nr. 1.160 und Abschnitt G Nr. 1.285 JAR-FCL 1 deutsch). Das heißt, dass die Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten, die (kostenpflichtig) vermittelt werden, um auf die Prüfung zum Erwerb der PPL vorzubereiten, auch erforderlich sind, um die Prüfung zum Erwerb der ATPL abzulegen. Das zeigt der Vergleich der Bestimmungen über den Inhalt der jeweiligen Ausbildung. So muss der Lehrplan für die theoretische Ausbildung des PPL-Lehrganges Folgendes umfassen:

Luftrecht, allgemeine Luftfahrzeugkenntnisse (A), Flugleistung und Flugplanung, menschliches Leistungsvermögen, Meteorologie, Navigation, betriebliche Verfahren, Aerodynamik und Sprechfunkverkehr (vergl. dazu Anhang 1 zu JAR-FCL Nr. 1.125). Eben diese Kenntnisse hat auch der Bewerber um eine ATPL im Rahmen einer Prüfung nachzuweisen (Abschnitt J Nr. 1.470 JAR-FCL 1 deutsch). Das wiederum ergibt sich auch aus der vom Beklagten offenbar in einem anderen Besteuerungsverfahren eingeholten Auskunft des Luftfahrt-Bundesamtes vom 2.6.2004 (Bl. 23 der Gerichtsakte), denn dort heißt es, dass zu Beginn der durchgehenden ATPL-Ausbildung im Rahmen einer Grundausbildung zunächst PPL-Schulungsteile "zwingend" vermittelt werden müssten.

bb) Soweit sich der Beklagte zur Stützung seiner Rechtsauffassung auf das Urteil des BFH vom 27. Mai 2003 (VI R 85/02, a.a.O.) beruft, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung, denn der dort entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Der BFH hatte nämlich einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem die Klägerin nicht eine durchgehende Ausbildung zum Erwerb der ATPL, sondern zunächst nur die Ausbildung zum Erwerb der PPL absolviert hatte. Insoweit ist also die vorgenannte Entscheidung des BFH lediglich ein Teil seiner ständigen Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen zum isolierten Erwerb einer PPL (zuletzt Beschluss des BFH vom 3. Dezember 2003 - VI B 17/01, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH <BFH/NV> 2004, 338 mit Hinweis auf vorangegangenen Entscheidungen). Der Streitfall bezieht sich hingegen auf eine Ausbildung "in durchgehender Schulung" (vergl. insoweit den Sachverhalt der weiteren Entscheidung des BFH vom 27. Mai 2003 (VI R 33/01, a.a.O.; vergl. ferner das Urteil des BFH vom 20. Februar 1969 - IV R 119/66, BStBl II 1969, 433).

b) Auch andere Gründe erfordern keine Kürzung der vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten.

In Betracht zu ziehen ist allerdings die Anwendung des § 3c EStG, nach dessen Inhalt Aufwendungen dann nicht als Werbungskosten abgezogen werden dürfen, wenn sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Von diesem Abzugsverbot wiederum können Beträge (4.177,00 EUR) betroffen sein, welche die "B" in Rechnung gestellt hat und die deshalb als "Lehrgangsgebühren" im Sinne des Bescheides vom 15.9.2003 einzustufen sind. Die Erstattung derartiger Aufwendungen kann nämlich als steuerfreier Zufluss im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG angesehen werden (vergl. dazu auch das Amtliche Lohnsteuer-Handbuch 2006 Abschnitt H 12).

aa) Eine Anwendung des § 3c EStG in der Weise, dass die im Streitjahr entstandenen Aufwendungen mit der Erstattung unmittelbar "verrechnet" werden, ist jedoch nicht möglich, denn der Kläger hat den im Fachausbildungsbescheid vom 15.9.2003 als "erstattungsfähig" bezeichneten Betrag in Höhe von 8.003,33 EUR im Streitjahr nicht erhalten.

bb) Vielmehr ist dem Kläger die teilweise Erstattung lediglich in Aussicht gestellt worden und allein daraus lässt sich eine Kürzung seiner Werbungskosten im Rahmen der Veranlagung des Streitjahres (noch) nicht ableiten.

Dabei geht auch das Gericht davon aus, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Ausgaben und steuerfreien Einnahmen nach dem Wortlaut des Gesetzes grundsätzlich nicht erforderlich ist (vergl. dazu auch Birk/Jahndorf in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 3c Tz 66 und die Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 17. Januar 2006 - S 2338 - 139 - StO 217, Der Betrieb 2006, 252). Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass das zeitliche Auseinanderfallen von Aufwand und Einnahme ohne jede Auswirkung bleibt. So wird etwa in der vorgenannten Kommentierung (Birk/Jahndorf in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 3c Tz 82) die Rechtsauffassung vertreten, dass in einem solchen Fall zwar die Voraussetzungen des § 3c EStG gegeben, dass aber Auswirkungen auf der "Rechtsfolgenseite" zu beachten seien.

Richtig ist allerdings, dass der BFH dieser Rechtsmeinung nicht gefolgt ist. Vielmehr hat er dem Abzugsverbot des § 3c EStG zunächst allgemein Geltung verschafft bei Einnahmen, die "erst zukünftig erwartet werden" (Urteile vom 28. April 1983 - IV R 122/79, BStBl II 1983, 566 und vom 24. April 1992 - VI R 141/89, BStBl II 1992, 666). Hierbei hat es sich aber um Fallgestaltungen gehandelt, in denen die Aufwendungen ausschließlich dazu gedient haben, steuerfreie Einkünfte im Ausland zu erzielen. In anderen Fallgestaltungen hat der BFH diese Rechtsauffassung dagegen nicht vertreten. So hat er zum Beispiel für Schachteldividenden Ausnahmen zugelassen (Urteil vom 29. Mai 1996 - I R 167/94, BStBl II 1997, 60). Ferner hat er in einem Fall zu § 3 Nr. 26 EStG (in der für das Jahr 1996 geltenden Fassung), in dem die erwartete steuerfreie Einnahme ausgeblieben war, eine Kürzung der Werbungskosten als unzulässig angesehen (Urteil vom 6. Juli 2005 - XI R 61/04, BStBl II 2006, 163). Dazu hat er ausgeführt, dass das Ansinnen des Finanzamts, die "realen Aufwendungen mit potentiellen Einnahmen zu verrechnen" gegen das objektive Nettoprinzip verstoße (vergl. dazu den Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 4. Dezember 2002 - 2 BvR 400/98, BStBl II 2003, 534). Daraus wiederum schließt das erkennende Gericht, dass eine Kürzung von Werbungskosten jedenfalls dann (noch) nicht gerechtfertigt ist, wenn zwar eine konkrete Aussicht auf steuerfreie Einnahmen besteht, der Steuerpflichtige aber vorrangig steuerpflichtige Einnahmen anstrebt. In derartigen Fällen werden nämlich die Aufwendungen auch dann getätigt, wenn die steuerfreien Einnahmen nicht zu erwarten sind (vergl. dazu die Urteile des BFH vom 29. Januar 1986 - I R 22/85, BStBl II 1986, 479 und vom 11. Februar 1993 - VI R 66/91, BStBl II 1993, 450; vergl. dazu ferner das Urteil des BFH vom 20. Oktober 2004 - I R 11/03, BStBl II 2005, 581).

Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung betreffend das Veranlagungsjahr, in dem die Werbungskosten zu berücksichtigen sind, bereits feststeht, dass die zu treffende Entscheidung nachfolgend wieder geändert werden müsste (vergl. dazu ebenfalls Birk/Jahndorf in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 3c Tz 82). Das wiederum wäre der Fall, wenn in einem nachfolgenden Veranlagungszeitraum Einnahmen zugeflossen sind, die (ggf. auch unter Berücksichtigung veränderter gesetzlicher Bestimmungen) steuerfrei bleiben und die ausschließlich in unmittelbarem Zusammenhang mit den Werbungskosten des vorangegangenen Veranlagungszeitraumes stehen und daher im Jahr der Auszahlung nicht mit gleichartigen Werbungskosten saldiert werden können (vergl. dazu auch die zum Bereich der Sonderausgaben ergangenen Urteile des BFH vom 26. Juni 1996 - X R 73/94, BStBl II 1996, 646 und vom 23. Februar 2005 - XI R 68/03, BFH/NV 2005, 1304).

Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall jedoch nicht vor.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit dem Bescheid vom 15.9.2003 Lehrgangsgebühren in Höhe von 8.003,33 EUR lediglich als "erstattungsfähig" anerkannt worden sind (Abschnitt 2 des Bescheides), und zwar vorbehaltlich weiterer erforderlicher Erstattungsanträge und der Vorlage von Belegen bzw. Nachweisen. Allerdings deutet die Auszahlung darauf hin, dass der Kläger alle dafür noch erforderlichen Voraussetzungen erfüllt hat, und der Zahlungsbetrag lässt vermuten, dass mit der Überweisung die als erstattungsfähig anerkannten Lehrgangsgebühren nach Abschnitt 2 des Bescheides ersetzt werden sollten. Die Mitteilung des (steuerlich beratenen) Klägers, dass er den Betrag im Rahmen seiner Steuererklärung für das Kalenderjahr 2005 mit den dort geltend gemachten Werbungskosten verrechnet habe, deutet schließlich darauf hin, dass die Auszahlung steuerfrei belassen worden ist, denn ansonsten wäre eine Verrechnung kaum nachvollziehbar. Positiv feststellbar waren diese Umstände jedoch nicht, denn dem Gericht haben zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder weitere Erstattungsbescheide des Kreiswehrersatzamtes, noch die Steuererklärung des Kalenderjahres 2005 (mit der Steuerkarte des Klägers), noch die Steuerakten des Kalenderjahres 2005 vorgelegen.

Aus diesen Gründen hat das Gericht ferner nicht feststellen können, ob die möglicherweise steuerfrei erfolgte Erstattung (auch) als Ersatz für die im Streitjahr angefallenen Werbungskosten vorgesehen oder ob sie in einem weiteren Erstattungsantrag des Klägers bzw. in einem Auszahlungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes nicht auf konkrete Aufwendungen aus den Kalenderjahren 2004 und/oder 2005 bezogen war.

Selbst wenn der Erstattungsbetrag im Hinblick auf alle während der Ausbildung angefallenen Lehrgangsgebühren festgesetzt worden sein sollte, könnte eine Steuererklärung für das Kalenderjahr 2005, in der die seinerzeit von der "B" berechneten Gebühren in Höhe des Erstattungsbetrages gekürzt worden sind, oder ein entsprechender Steuerbescheid für das Kalenderjahr 2005, nicht als fehlerhaft angesehen werden. Das aber wäre notwendig, um eine vorrangige Kürzung der Werbungskosten des Streitjahres als geboten anzusehen.

Aus diesem Grunde hält das Gericht auch eine Vertagung des Rechtsstreits nicht für erforderlich, denn die Beteiligten haben dies weder beantragt noch angeregt. Zwar hat das Gericht den Sachverhalt auch von Amts wegen zu ermitteln (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), das darf aber nicht dazu führen, dass es in die Verwaltungskompetenz der Finanzbehörden (§ 17 Abs. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes) eingreift. Wenn nämlich ein Steuerpflichtiger in einem Veranlagungszeitraum den Zufluss einer Einnahme deklariert, die möglicherweise als steuerfrei zu behandeln ist, ist es zunächst Aufgabe der Finanzbehörde, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln und die Steuerfreiheit der Einnahme und deren Auswirkung auf die durchzuführende Veranlagung zu überprüfen. Soweit sich daraus wiederum Folgerungen für einen vorangegangenen Veranlagungszeitraum ergeben können, gehört es ferner zu den Aufgaben der Finanzbehörde, den Umfang notwendiger Korrekturen festzustellen und alsdann ggf. die Änderung bereits durchgeführter Veranlagungen zu betreiben oder dies zu unterlassen. Diese Tätigkeiten und Entscheidungen können nicht ohne Anregung und Mitwirkung der Finanzbehörde in ein noch nicht abgeschlossenen Klageverfahren betreffend einen vorangegangen Veranlagungszeitraum vorverlagert und vom Gericht übernommen werden (vergl. dazu auch die Beschlüsse des BFH vom 27. Januar 1982 - VII B 141/81, BStBl II 1982, 239 und vom 30. Januar 1996 - VIII B 20/95, BFH/NV 1996, 524).

Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Erwägungen sind im Streitjahr folgende weitere Werbungskosten anzusetzen:

Summe der vom Kläger ursprünglich geltend gemachten Aufwendungen 6.807,00 EUR

abzüglich

Rechnung der Bezirksregierung D'dorf vom 11.9.2003 100,00 EUR

nachrichtlich:

die Rechnung der Bezirksregierung vom 2.12.2003 ist in der Aufstellung des Klägers nicht enthalten

Rechnung der LK D'dorf vom 16.1.2004 106,00 EUR

(beglichen in 2004)

weitere erst in 2004 beglichene Aufwendungen

1.823,00 EUR

verbleiben 4.778,00 EUR

Daraus ergibt sich wiederum folgende Steuerberechnung:

zu versteuerndes Einkommen lt. Bescheid vom 6.5.2004 EUR

abzüglich weitere Werbungskosten 4.778,00 EUR

korrigiertes zu versteuerndes Einkommen EUR

Einkommensteuer EUR

Dieser Steuerberechnung steht nicht entgegen, dass der Kläger lediglich beantragt hat, weitere Werbungskosten in Höhe von 4.768,00 EUR zu berücksichtigen. Zwar darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), dieses ist im Streitfall aber darauf gerichtet, eine Steuerfestsetzung zu erreichen, die sich bei Ansatz aller nach der Rechtsauffassung des Klägers berücksichtigungsfähigen Werbungskosten (4.778,00 EUR) ergibt. In der mündlichen Verhandlung sind nämlich die ggf. abzugsfähigen Werbungskosten zunächst nur sachlich erörtert worden. Erst im Anschluss daran hat das Gericht auf einen konkreten Antrag hingewirkt (§ 76 Abs. 2 FGO) und hierbei unter Berücksichtigung der in den Akten enthaltenen Unterlagen die nach der Rechtsauffassung des Klägers zu berücksichtigenden Werbungskosten errechnet. Hierbei ist ihm ein Rechenfehler unterlaufen und aus diesem Grund hat es angeregt, einen um 10,00 EUR zu niedrigen Abzug von Werbungskosten zu beantragen. Der Kläger hat diesen aus seiner Sicht fehlerhaften Antrag lediglich übernommen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, soweit es um Verfahrenskosten geht, die in der Zeit bis zur mündlichen Verhandlung entstanden sind, und aus § 135 Abs. 1 FGO für die danach entstandenen Kosten.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

Soweit ersichtlich, hat der BFH noch nicht entschieden, welche Erkenntnisse hinsichtlich einer steuerfreien Einnahmen zweifelsfrei vorliegen müssen, um bereits in einem vorangegangenen streitigen Veranlagungszeitraum nach Maßgabe des § 3c EStG den Abzug von Werbungskosten versagen zu können.



Ende der Entscheidung

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