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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: 10 K 5596/97 Kg
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 3
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 62 Abs. 2 Satz 1
EStG § 63 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin besitzt die ( ehemals ) jugoslawische Staatsbürgerschaft. Seit 1991 lebte sie mit ihrer Tochter und ihrem Ehemann in einem eigenen Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hatte keine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis, sondern nur eine befristete Aufenthaltsbefugnis. Da die Aussetzung der Abschiebung ( Duldung vom Ausländeramt nicht verlängert wurde, hat die Klägerin mit ihrer Familie die Bundesrepublik mittlerweile verlassen. Der Ehemann der Klägerin war bei einem Autohaus, die Klägerin bis 30.11.1997 beim Stadtfriseur F in A - Stadt beschäftigt.

Das ursprünglich ihrem Ehemann für die Tochter T 1 (geb. . . . 1989) bewilligte Kindergeld wurde mit Wirkung ab Januar 1994 aufgrund der Änderung des § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) aufgehoben, da er weder eine gültige Aufenthaltsberechtigung noch eine gültige Aufenthaltserlaubnis besitze. Der Widerspruchsbescheid vom 12.04.1994 ist bestandskräftig.

Am 31.01.1997 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Zahlung von Kindergeld. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22.05.1997 ab. Im dagegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, ihre Familie habe, solange sie in Deutschland gelebt habe, den Status, der Aufenthaltsbefugnis erhalten, ab 02.05.1997 nur noch die Duldung. Es sei nicht verständlich, warum die Kindergeldzahlung eingestellt worden sei. Die Klägerin hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben und macht geltend: Sie und ihr Ehemann hätten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Sie seien unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sowie sozialversicherungspflichtig gewesen. Da normalerweise lediglich mit einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne, enthalte § 62 EStG eine Regelungslücke, die die Klägerin vom Bezug von Kindergeld ausschließe. Dagegen sei die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG nicht an eine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gebunden, sondern lediglich an die Erzielung von Einkommen. Durch ihre unselbständige Tätigkeit trage sie zur Solidargemeinschaft bei, sei jedoch aufgrund ihres niedrigen Einkommens von der Freistellung des Existenzminimums für ihre Tochter ausgeschlossen. Dies sei mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Sie und ihre Tochter hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a) des Sozialabkommens mit Jugoslawien vom 12.10.1968 müsse sie bei Anwendung der Rechtsvorschriften über das Kindergeld den Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland gleichgestellt werden.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vorn 22.05.1997 und der Einspruchsentscheidung vom 26.06.1997 den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für die Zeit von Juli 1996 bis einschließlich November 1997 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung, hilfsweise Revisionszulassung.

Er trägt vor: Die Klägerin habe als Ausländerin nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG nur dann einen Kindergeldanspruch, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei- das sei nicht der Fall. Den von ihr geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ausschlußnorm des § 62 Abs. 2 S. 1 EStG werde unter Hinweis auf den Beschluß des BFH vom 14.08.1997 VI B 43/97 NV nicht gefolgt. Die gleichen Grundsätze hätten in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur vergleichbaren Vorgängernorm des § 1 Abs. 3 BKGG bestanden. Das Sozialabkommen mit Jugoslawien könne auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden, da nach Art. 28 dieses Abkommens Anspruch auf Kindergeld nur bestehe, wenn sich das Kind Im Heimatstaat aufhalte. Die Tochter lebe jedoch im Haushalt der Klägerin in B - Stadt. Nur wenn die Tochter in Jugoslawien ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, sei Art. 28 anwendbar. Diese Norm bestimme "etwas anderes" im Sinne des Art. 3 Abs. 1a des Abkommens. Nach dem Abkommen würden nur getrennte Familien, bei denen sich die Kinder nicht im Gebiet der Bundesrepublik aufhalten, Kindergeld erhalten.

Gründe

Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, für die Klägerin für deren Tochter T 1 Kindergeld für die beantragte Zeit festzusetzen.

Die Klägerin hat gem. §§ 32 Abs. 3, 63 Abs. 1, 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 a) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien über die soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (Bundesgesetzblatt - BGBl - II 1969, 1438) Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter T 1. Die Einschränkung des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach Ausländer nur dann Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sind, gilt für sie nicht.

Der grundsätzliche Ausschluß des Kindergeldanspruchs für aufenthaltsrechtlich nur geduldete Ausländer durch § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG wird eingeschränkt durch über- oder zwischenstaatliches Recht. Das ist vor allem das Recht der Europäischen Gemeinschaften (siehe dazu Seewald/Felix, Kindergeldrecht, § 62 EStG Rdnr. 141, 142). Der Ausschluß gilt weiter nicht für nach der Genfer Konvention vom 1. September 1953 (BGBl II 1953, 560 ff.) anerkannte Flüchtlinge und sonstige politisch Verfolgte im Sinne des § 3 Asylverfahrensgesetz (siehe dazu BFH Urteil vom 14.08.1997 VI B 43/97, DStZ 1998, 171 f).

Kindergeldberechtigt sind unter den jeweiligen Voraussetzungen auch Arbeitnehmer, die aus Staaten kommen, mit denen Abkommen über soziale Sicherheit bestehen (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 62 Rz. 11; Wickenhagen/Krebs, Kommentar BKGG, § 1 Rdnr. 92 mit einem Verzeichnis der Sozialabkommen in Rdnr. 95). Ein solches Sozialabkommen besteht auch mit dem ehemaligen Jugoslawien. Es gilt völkerrechtlich und durch das Zustimmungsgesetz vom 29. Juli 1969 (BGBl II 1969, 1437) innerstaatlich weiter, bis es für die Nachfolgestaaten durch neue Abkommen abgelöst wird (siehe dazu Frank/Schulte/Steinmeyer, Internationales und Europäisches Sozialrecht, S. 80 Rz. 9). Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d) bezieht sich dieses Abkommen "auf die deutschen Rechtsvorschriften über (u.a.) das Kindergeld" für Arbeitnehmer. Der Regelungsinhalt "Kindergeld" ist bestehen geblieben, unabhängig davon, daß durch eine Änderung des innerstaatlichen Systems das Kindergeld nicht mehr nur eine soziale Leistung darstellt, sondern durch das Jahressteuergesetz 96 vom 11.10.1995 (BStBl I 1995, 438) auch den Charakter einer Steuervergütung erhalten hat (zur Doppelnatur vgl. Schmidt/Glanegger, EStG, § 31 Rz. 8 ff.). Die in Art. 2 des Sozialabkommens angesprochenen Rechtsvorschriften sind nicht im Sinne einzelner Gesetze zu verstehen (also z.B. Kindergeld = Bundeskindergeldgesetz), sondern entscheidend ist das Wesen der jeweiligen Regelung (vgl. Frank/Schulte/Steinmeyer, a.a.O., S. 87 Rz. 32). Wie weit der sachliche Geltungsbereich geht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Internationaler Übung entspricht eine Auslegung dahin, daß völkerrechtlichen Verträgen Wirksamkeit zukommt (vgl. Menzel/Ipsen, Völkerrecht, 2. Aufl., S. 320 f)- eine Auslegung, die den Vertrag oder einen Teil des Vertrages seiner vollen Wirksamkeit berauben würde, ist abzulehnen (vgl. Verdross, Völkerrecht, 3. Aufl., S.149). Andernfalls hätte es der nationale Gesetzgeber in der Hand, durch eine veränderte gesetzliche Zuständigkeit oder organisatorische Änderungen zwischenstaatlich garantierten Rechten und Verpflichtungen zu entgehen.

Der Senat folgt aus diesen Gründen nicht der von den Finanzgerichten Rheinland-Pfalz (Urteil vom 8. September 1998 2 K 2268/97, EFG 1998, 1598 ) und Münster (Urteil vom 28. April 1998 6 K 4223/97 Kg, EFG 1998, 1208) vertretenen Auffassung. Beide Entscheidungen befassen sich mit Kindergeldansprüchen türkischer Staatsangehöriger, für die ein gleiches Sozialabkommen gilt ( Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.04.1964, BGBl II 1965, 1169).

Das FG Rheinland-Pfalz vertritt die Auffassung, daß zwischenstaatliche Vereinbarungen über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit nicht für darüber hinausgehende Familienleistungen, die bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen jedem Bürger unabhängig vom Arbeitnehmerstatus gewährt werden, gelten. Das Kindergeld sei keine staatliche Förderung innerhalb eines Systems sozialer Sicherheit. Ähnlich argumentiert das FG Münster. Für türkische Kinder, die in Deutschland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatten, wurde ein Anspruch auf Kindergeld aufgrund von Art. 33 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei über soziale Sicherheit versagt, weil seit dem 1. Januar 1996 Kindergeld als Steuervergütung nach § 31 Satz 3 EStG gezahlt werde.

Das Hessische Finanzgericht (Urteil des Einzelrichters vom 11. August 1998 2 K 1399/98, EFG 1999, 78) verneint eine Anwendung des türkischen Sozialabkommens, da dieses für Arbeitnehmer keine Ausnahme von den in § 62 Abs. 2 EStG genannten Tatbestandsvoraussetzungen vorsehe (a.a.O. S. 79).

Eine solche Verweisung in § 62 Abs. 2 EStG ist jedoch nicht erforderlich, da für jugoslawische Arbeitnehmer aufgrund des Sozialabkommens diese Einschränkung nicht gilt. Als Völkervertragsrecht gehört das Abkommen zwar nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts und geht daher nicht dem Bundesrecht vor (Art. 25 Satz 2 GG). Aufgrund des Zustimmungsgesetzes (Art. 1 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Oktober 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom 29. Juli 1969, BGBl II 1969, 1437) hat es jedoch den Rang einfachen Bundesrechts erhalten (Art. 59 Abs. 2 GG). Während sich völkerrechtliche Verträge an die Staaten wenden und Verpflichtungen für diese nach dem Grundsatz "pacta sunt servanda" begründen, führt das Zustimmungsgesetz dazu, daß dem Inhalt des jeweiligen völkerrechtlichen Vertrages und den einzelnen Vertragsbestimmungen mit gleichsam rechtssetzender Wirkung innerstaatliche Geltung verschafft wird (siehe BVerfG Urteil vom 30. Juli 1952 1 BvL 1/52, BVerfGE 1, 396, 411; Beschluß vom 9. Dezember 1970 1 BvL 7/66, BVerfGE 29, 348, 358 f). Die Transformation erstreckt sich somit auf die Vertragsbestimmungen, die unmittelbar anwendbar (self-executing) sind, d.h. aus denen sich konkrete Rechte und Pflichten für die staatlichen Behörden ergeben. Die Normen der Abkommen über soziale Sicherheit sind grundsätzlich alle selfexecuting (vgl. Frank/ Schulte/Steinmeyer, a.a.O., S. 83 Rz 16; Schuler, Das Internationale Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, S.382 ). Das gilt auch für den Grundsatz der Inländerbehandlung in Art. 3 des Sozialabkommens, wonach in den Bereichen, auf die sich das Sozialabkommen erstreckt, jugoslawische Arbeitnehmer die gleichen Rechte und Pflichten wie deutsche Arbeitnehmer haben. D.h. sie haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Kindergeld wie Deutsche. Die Einschränkung der Kindergeldberechtigung für Ausländer nach § 62 Abs. 2 EStG gilt daher nicht für Arbeitnehmer, für die das Sozialabkommen mit Jugoslawien gilt. Denn diese Arbeitnehmer stehen deutschen Staatsangehörigen gleich, wenn sie sich im Gebiet der Bundesrepublik aufhalten, so daß auf sie § 62 Abs. 1 EStG anzuwenden ist. Die sonst bestehende grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, im Falle fehlender Gegenseitigkeitsverbürgung die Ausländereigenschaft als sachliches Kriterium der Ungleichbehandlung einzusetzen ohne daß es einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 23. März 1971 2 BvR 59/71, BVerfGE 30, 409, 413 f; vom 5. Oktober 1982 2 BvR 459/82, NVwZ 1983, 89) ist insoweit eingeschränkt. Aufgrund der zwischenstaatlichen Regelung wird das nationale Recht hinsichtlich einzelner Anspruchsvoraussetzungen zum Zweck der Koordinierung ergänzt oder modifiziert (vgl. Frank/Schulte/Steinmeyer, a.a.O., S. 83 Rz.17; Heuermann bei Blümich, EStG , § 62 Rz. 38). Das führt im Streitfall rechtstechnisch dazu, daß der Kreis der kindergeldberechtigten Personen erweitert wird (vgl. Wickenhagen/Krebs, a.a.O., § 1 Rdnr. 92).

Die allgemeine Regelung, daß späteres Bundesrecht (§ 62 Abs. 2 EStG) früheres Bundesrecht abändert oder ersetzt, gilt im Falle des transformierten Vertragsrechts nur eingeschränkt. Auch wenn es nur dem einfachen Bundesgesetz gleichstellt, ist es in Zweifelsfällen völkerrechtsfreundlich auszulegen. Normwidersprüche sind nach der Regel, daß späteres allgemeineres Recht nicht früheres spezielles Recht ändern kann (lex posterior generalis non derogat legi priori speciali), auszulegen. Das Recht der Sozialabkommen enthält Spezialregelungen, die auch gegenüber späterem abweichenden innerstaatlichen Recht als solche Vorrang genießen (siehe dazu Schuler, a.a.O. S. 387; Frank/Schulte/Steinmeyer, a.a.O. S. 84 Rz. 21 m.w.N.). Die in § 62 Abs. 2 EStG (und vorangehend § 1 Abs. 3 BKGG) getroffene Einschränkung, daß Ausländer nur dann einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sind, gilt daher bei (ehemals) jugoslawischen Staatsangehörigen nur für diejenigen, die keine Arbeitnehmer, also z.B. arbeitslos oder Sozialhilfeempfänger sind.

Aus den vom Beklagten zur Stützung seiner Auffassung genannten Entscheidungen zu § 62 Abs. 2 EStG bzw. § 1 Abs. 3 BKGG läßt sich für den Streitfall nichts herleiten. Sie befassen sich nicht mit Sozialabkommen, da solche in den Streitfällen keine Rolle spielten. Das BSG Urteil vom 31. Oktober 1995 10 RKg 23/94 (Sozialrecht - SozR 3 - 5870 § 1 Nr. 6) betraf einen Libanesen, der Sozialhilfe bezog. Auch in den weiteren Entscheidungen des BSG (Urteile vom 31.Oktober 1995 10 RKg 22/94, 10 RKg 25/94 und vom 13. August 1996 10 RKg 2/96) klagten Libanesen. Zwei weitere Urteile des BSG (vom 31. Oktober 1995 10 RKg 24/94 und 10 RKg 26/94) betreffen Türken, die Hilfe zum Lebensunterhalt erhielten. Der Beschluß des BFH vom 14.08.1997 (VI B 43/97 DStZ 1998, 171), wonach gegen § 62 Abs. 2 EStG keine ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel bestehen, betrifft eine iranische Staatsangehörige.

Die Auffassung des Beklagten, aus Art. 28 des Abkommens ergebe sich, daß nur dann ein Kindergeldanspruch bestehe, wenn die Tochter T 1 im (ehemaligen) Jugoslawien ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, geht fehl. Nationale Rechte über Familienleistungen - wie das Kindergeld - sehen regelmäßig vor, daß derartige Leistungen an den berechtigten Elternteil nur erbracht werden, wenn das den Anspruch begründende Kind im Gebiet des zuständigen Staates wohnt. Art. 28 des Abkommens erweitert den Anwendungsbereich, um zu verhindern, daß die Kinder ausländischer Arbeitnehmer nur deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie im Heimatstaat des Arbeitnehmers wohnen geblieben sind. Diese erweiternde Regelung ist aus der Situation in den 60-iger Jahren verständlich, als die Sozialabkommen abgeschlossen wurden. Damals wurden von der Bundesrepublik ausländische Gastarbeiter angeworben, die vielfach - jedenfalls zunächst - ihre Familien im Heimatland zurückgelassen hatten. Gegenüber dem Grundsatz, daß das Kind - von Ausnahmen abgesehen - nur bei einem Aufenthalt im Inland berücksichtigt wird (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG) handelt es sich um eine Erweiterung, nicht um eine Einschränkung der Anspruchsvoraussetzungen. Entsprechendes gilt für die Art. 73 ff VO (EWG) 1408/71, wonach die Beschränkung auf den Aufenthalt des Kindes im Inland auf den Kindesaufenthalt in einem anderen EU - Staat erweitert wird (vgl. Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, S. 258 Rz. 566 f). Sozialabkommen sollen sicherstellen, daß Vertragsstaatsangehörige beim Aufenthalt im Inland den inländischen Staatsangehörigen gleichgestellt werden. Auch bei Aufenthalt im Ausland soll der Zugang zu inländischen Sicherungssystemen ermöglicht werden (vgl. dazu Frank/Schulte/Steinmeyer, a.a.O., S. 90 Rz. 42 ff).

Die Dienstanweisung des Beklagten sieht vor, daß Staatsangehörige der Schweiz aufgrund des deutsch-schweizerischen Abkommens über soziale Sicherheit, wenn sie im Inland wohnen, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Kindergeld haben, wie Deutsche (FamDA 62.3.3 BStBl I 1998, S. 400). Mit der Schweiz besteht ebenfalls ein Sozialabkommen mit vergleichbaren Regelungen (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25.02.1964 - BGBl II 1965, 1294 - i.d.F. des Ersten Zusatzabkommens vom 09.09.1975 - BGBl II 1976, 1372 - und des Zweiten Zusatzabkommens vom 02.03.1989 - BGBl II 1989, 892). Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen sich die Dienstanweisung darauf beschränkt, nur für dieses Sozialabkommen eine Gleichbehandlung vorzusehen.

Da die Klägerin im streitigen Zeitraum Arbeitnehmerin gewesen ist, gilt für sie das Sozialabkommen. Ihre Arbeitnehmereigenschaft wurde in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage der Lohnbescheinigung für die Zeit 01.01. 1997 bis 30.11.1997 nachgewiesen. Für das Jahr 1996 ist der Senat davon überzeugt, daß ebenfalls eine Arbeitnehmertätigkeit beim Stadtfriseur F in A - Stadt vorgelegen hat. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat dazu glaubhaft vorgetragen, daß die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten EDV-erstellten Kontoblätter zu Unrecht die Bezeichnung "Herr" Kl. enthalten. Er wisse aus eigener Kenntnis, daß die Klägerin seit 1994 beim Stadtfriseur F, seinem Schwiegervater, beschäftigt gewesen ist. Angesichts dessen, was für den Bevollmächtigten der Klägerin im Fall einer Falschaussage auf dem Spiele steht, hat der Senat keine Veranlassung, am Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu zweifeln. Außerdem ergeben die Daten schlüssig, daß das unter "Herr" Kl. geführte Konto der Klägerin zuzuordnen ist. Denn auf den Kontoblättern sind pauschalversteuerte Einkünfte von 560,00 DM/Monat aufgeführt, während sich aus den vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Einkommensteuerbescheiden 1995 und 1996 ergibt, daß der Ehemann der Klägerin Einkünfte nach § 19 EStG in Höhe von 34.880,00 DM (1995) und 35.430,00 DM (1996) gehabt hat. Ausweislich der Lohnsteuerkarten war er beim Autohaus X tätig. Zur Überzeugung des Gerichts steht daher fest, daß die Klägerin auch schon ab Juli 1996 als Arbeitnehmerin beim Stadtfriseur F beschäftigt gewesen ist.

Da die Klägerin den Kindergeldantrag erstmals am 31. Januar 1997 gestellt hatte, ist ihr dieses gemäß § 66 Abs. 3 EStG rückwirkend für die letzten 6 Monate, d.h. ab Juli 1996 zu gewähren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

von Saldern|Dr. Kaiser-Plessow|Meyer

Ende der Entscheidung

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