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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 11 K 3260/05 BG
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 22 Abs. 1
BewG § 22 Abs. 4 S. 3 Nr. 1
BewG § 27
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 K 3260/05 BG

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine Wertfortschreibung für das Grundstück A-Straße 1 in C-Stadt durchzuführen ist.

Das Grundstück A-Straße 1 in C-Altstadt ist im Jahre 1982 für ein Möbelhaus und eine Versicherungsgesellschaft errichtet worden. Das Keller-, Erd- sowie das erste bis dritten Obergeschoss dienten dem Möbelverkauf, während sich im vierten Obergeschoss die Büros für die Versicherungsgesellschaft befanden.

Im Rahmen einer Ortsbesichtigung stellte der Bausachverständige am 1. Oktober 1984 fest, dass die Ausstattung aller Geschosse, einschließlich Büroetage gleich sei. Die Aufteilung der Räume im vierten Obergeschoss (Büroetage) bestehe zum Teil aus mobilen Zwischenwänden, die der Mieter auf eigene Kosten erstellt habe.

Auf den 1. Januar 1983 stellte der Beklagte für das Geschäftsgrundstück einen Einheitswert von 927.900 DM fest. Die Ermittlung des Einheitswertes erfolgte im Sachwertverfahren. Dabei setzte der Beklagte für das 462 qm große Grundstück einen Bodenwert vom 550 DM pro qm an und bewertete das Gebäude nach der Gebäudeklasse 1.223 mit 138 DM pro cbm.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2004 beantragte der Kläger die Wertfortschreibung für das o. g. Grundstück auf den frühestmöglichen Zeitpunkt. Er beantragte den Ansatz eines niedrigeren Bodenwertes, da die wirtschaftlichen und strukturellen Veränderungen im Umfeld des Grundstücks den Bodenwert von 550 DM pro qm nicht mehr realistisch erscheinen ließen. Des Weiteren könne das Gebäude allenfalls noch zu Lagerzwecken genutzt werden, sodass für die Bewertung des Gebäudes die Gebäudeklasse 2.56 bzw. 2.58 zutreffend sei.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Wertforschreibung am 18. Januar 2005 ab. Dies begründete der Beklagte wie folgt: Bei Fortschreibungen seien die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zu Grunde zu legen. Da der Bodenwert zum 1. Januar 1964 auf 550 DM pro qm ermittelt worden sei, sei dieser auch weiterhin anzusetzen. Es sei ebenfalls keine Einteilung in eine andere Gebäudeklasse vorzunehmen. Auch wenn die Büros zur Zeit aus wirtschaftlichen Gründen nicht vermietbar seien, bleibe die bauliche Substanz weiterhin bestehen und rechtfertige eine Bewertung nach der Gebäudeklasse 1.223.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Im vierten Obergeschoss seien keine Büros mehr vorhanden. Das Mietverhältnis mit der Versicherungsgesellschaft sei im Kalenderjahr 1993 ausgelaufen. Die Räumlichkeiten seien dann so gestaltet worden, dass Lagerflächen für den Möbelverkauf entstanden seien. Diese baulichen Veränderungen erforderten zwingend eine Einteilung in eine andere Gebäudeklasse.

Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte er aus, eine Umgestaltung der Bürofläche in Lagerfläche durch Entfernen von Zwischenwänden ändere nicht die Struktur des Gesamtgebäudes. Die vom Kläger gewünschte Gebäudeklasse 2.56 bzw. 2.58 bleibe reinen Hallengebäuden vorbehalten, die eine Geschosshöhe von 4 bis 8 Metern hätten. Es sei vom Kläger nicht vorgetragen worden, dass auch Geschossdecken entfernt worden seien. Allein durch die Tatsache, dass Teile des Hauses zu Lagerzwecken genutzt würden, entstehe noch kein Lagergebäude im Sinne des Bewertungsgesetzes. Eine Einteilung in die Rubrik "Warenhäuser" (zu Anlage 15 Bewertungsrichtlinien) könne nicht vorgenommen werden. Eine solche Einteilung würde aber auch nicht zu einem niedrigeren Einheitswert führen, da der angesetzte Raummeterpreis in Höhe von 138 DM bei gleicher, mittlerer Ausstattung zu rechtfertigen sei.

Der Kläger hat am 3. August 2005 Klage erhoben.

Zur Begründung führte der Kläger aus, es sei eine Ermäßigung des Gebäudewertes wegen schlechter Lage, wirtschaftlicher Überalterung und unorganischem Aufbau des Gebäudes nach § 88 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) zu gewähren.

Die Berichterstatterin forderte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 30. September 2005 auf, die in diesem Schreiben im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen für eine Ermäßigung nach § 88 Abs. 2 BewG substantiiert darzulegen und nachzuweisen.

Der Kläger teilte mit, dass die vom Finanzgericht dargelegten Grundsätze für eine Ermäßigung des Gebäudesachwertes insgesamt nicht zuträfen und danach die Voraussetzungen für eine Ermäßigung des Einheitswertes nach § 88 Abs. 2 BewG nicht gegeben seien. In dem Klageverfahren stelle sich allein die Frage, ob die schlechte Vermietbarkeit des Grundstückes für die Ermittlung des gemeinen Wertes nach § 9 Abs. 2 BewG beachtlich sei. Auf Grund einer Vielzahl von Betriebsaufgaben - darunter auch der eigenen Mieter - stünden in der unmittelbaren Nachbarschaft viele gewerbliche Immobilien leer. Neue Mieter hätten sich trotz des günstigen Angebotes von 2,50 EUR pro qm für das Objekt nicht finden lassen. Auf Grund der innerstädtischen Entwicklung im Bereich A-Straße in C-Stadt habe sich trotz Einschaltung von mehreren Maklern eine Veräußerung ebenfalls als nicht möglich erwiesen. Zum Nachweis der schlechten wirtschaftlichen Lage legte der Kläger ein Schreiben vom 1. August 2003 der M-GmbH (M- GmbH) vor. Darin führt die M-GmbH aus, dass der überwiegende Leerstand in der A-Straße zu einem drastischen Wertverfall der einzelnen Liegenschaft geführt habe. Die Liegenschaften in der unmittelbaren Nachbarschaft seien weit unter ihrem Wert vermarktet. So betrage der Mietpreis für Ladenflächen zwischen 3 EUR und 5 EUR/m². Büroflächen würden zur Zeit in diesem Karree kaum oder gar nicht nachgefragt. Die M-GmbH schlug dem Kläger vor, das Gebäude umzubauen und zu restrukturieren. Die anfallenden Umbaukosten schätzte die M-GmbH auf 257.850 EUR. Danach könne das Objekt zu einer Jahresmiete in Höhe von ca. 62.000 EUR am Markt angeboten werden. Als zweite Möglichkeit führte die M-GmbH einen Verkauf im unrenovierten Zustand zu einem an die Marktgegebenheiten angepassten Wert in Höhe von 470.000 EUR auf. Im Schreiben vom 13. April 2004 teilte die M-GmbH dem Kläger mit, sie habe das Objekt seit der Beauftragung im Februar 2003 117 potenziellen Mietern vorgestellt. Auch in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung NRW und der Stadt C sei die Vermietung in Folge der allgemeinen Wirtschaftslage und der speziellen Lage in C-Stadt nicht gelungen. Immer wieder gebe es verschiedene, kleinere Interessenten, die sich für die Ladenflächen interessierten. Es gäbe im Moment jedoch keine nennenswerten Ergebnisse. Ein Grund dafür sei zum einen der Niedergang des Einzelhandels im C-Stadter Norden, forciert durch die Diskussion um das geplante große Einkaufszentrum. Nachbarflächen seien selbst für 1 EUR/m² nicht zu vermieten. Die vom Kläger vorgegebenen Mietansätze seien noch zu hoch. Die M-GmbH empfahl jedoch keine grundsätzliche Reduzierung, da sich durch die Gesamtentwicklung der A-Straße das Mietflächenangebot in den nächsten Monaten (Flächen zum Nulltarif) reduzieren könne und die vom Kläger angesetzte Miete realisierbar werde. Auf den weiteren Inhalt der Schreiben wird verwiesen (Seite 38 ff der Finanzgerichtsakte).

Nach § 9 Abs. 2 BewG werde der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen sei. Danach könne nur der Wert des Grund und Bodens abzüglich der Abbruchkosten zu Grunde gelegt werden. Die sonst üblichen und anerkannten Grundsätze für die Ermittlung des gemeinen Wertes gäben keinen Aufschluss über den wirklichen Wert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen sei. Das Amtsgericht C-Stadt habe am 18. September 2005 auf Antrag der M-Bank die Zwangsversteigerung des Grundstückes beschlossen. Der Zwangsversteigerungserlös werde einen wichtigen Hinweis für die Höhe des gemeinen Wertes geben.

Im weiteren Verfahren legte der Kläger ein Gutachten über den Verkehrswert für das zu bewertende Grundstück vor. Das Gutachten ist von dem Diplom-Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, für Mieten und Pachten Herrn V. zum Stichtag 28. März 2006 erstellt worden. Das Gutachten wurde zur Verkehrswertermittlung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens erstellt. Der Gutachter ermittelte im Ertragswertverfahren einen Verkehrswert in Höhe von 215.000 EUR. Dabei setzte er als nachhaltig erzielbare Miete für das Kellergeschoss 1,50 EUR/m² und für das Erdgeschoss 5,50 EUR/m² an. Für die Obergeschosse bestehe keine nachhaltige Vermietungsmöglichkeit mehr. Diese Annahme werde durch den seit 2 Jahren bestehenden Leerstand unterstützt. Solange es nicht durch städtebauliche Maßnahmen zu einer deutlichen Aufwertung des Umfeldes komme, sei davon auszugehen, dass nur noch die Erdgeschosslage und die Kellerflächen zu einem geringen Mietsatz vermarktet werden könnten (s. Seite 23 und 17 des Gutachtens in der Beiakte zur FG-Akte). Der Gutachter maß dem Gebäude außerdem nur eine Restnutzungsdauer von 10 Jahren zu, da es sich um ein reines Zweckgebäude handele und eine Drittverwendungsmöglichkeit kaum bestehe. Investoren würden die strukturelle Entwicklung der Lage abwarten, um dann das Grundstück einer höherwertigeren Nutzung zuzuführen (s. Seite 25 und 17 des Gutachtens in der Beiakte zur FG-Akte). Vor dem Hintergrund der ausschließlich gewerblichen Nutzung des Objekts, des hohen Leerstandes, der problembehafteten Lage und dem insgesamt überdurchschnittlichen Investitionsrisiko hielt der Sachverständige einen Liegenschaftszinssatz von 8,5 % für marktgerecht (s. Seite 24 des Gutachtens in der Beiakte zur FG-Akte).

Die Geschäftslage des Grundstückes beurteilt der Gutachter als eine einfache Nebenanlage im Bereich der Innenstadt. Die Geschäftslage rund um die A-Straße gelte in der Innenstadt als problembehaftet. Die Lage sei in den letzten Jahren durch zahlreiche Geschäftsaufgaben und den damit verbundenen Leerständen geprägt, dies gelte sowohl für Einzelhandelsflächen in den Erdgeschosslagen als für Büroflächen in den Obergeschossen. Durch mittlerweile im Bau befindliche Großprojekte wie u.a. Veranstaltungszentrum, Einkaufszentrum und Büroprojekt unter Einbeziehung eines Kaufhauses) entstünden derzeit Konzentrationen im Bereich der L-Straße bzw. östlichen Teil der Innenstadt. Aus sachverständiger Sicht sei davon auszugehen, dass dies zunächst für den westlichen Bereich der Innenstadt, insbesondere im Bereich N-Straße/A-Straße zu weiteren Problemen führen werde. Das Areal werde mittelfristig städteplanerisch neu überdacht werden müssen (s. Seite 9 des Gutachtens in der Beiakte zur FG-Akte).

Ein Zwangsversteigerungstermin wurde bisher nicht anberaumt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, den Ablehnungsbescheid vom 18. Januar 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2005 aufzuheben sowie auf den 1. Januar 2004 eine Wertfortschreibung für das Grundstück A-Straße 1 in C-Stadt durchzuführen und den Einheitswert für das Grundstück auf 215.000 EUR festzusetzen,

hilfsweise,

in Bezug auf die Entscheidung BFH/NV 2006, 253 die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die rechtlichen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2005 und führt ergänzend aus, die fehlende nachhaltige Vermietungsmöglichkeit sei in C-Stadt kein Einzelfall. Dem Beklagten seien mehrere Fälle von Nichtvermietung in C-Altstadt bekannt, die aber auf die derzeit schlechte wirtschaftliche Situation in C-Stadt zurückzuführen sei.

Der Beklagte teilte im Schreiben vom 9. März 2006 mit, dass bei der Berechnung des Einheitswertes im Sachwertverfahren der ortsübliche Abschlag in Höhe von 3 % für Lärm, Rauch und Gerüche versehentlich nicht berücksichtigt worden sei. Bei Anwendung des Sachwertverfahrens vermindere sich der Einheitswert deshalb auf 906.600,00 DM.

Der Gutachter, Herr V., wurde in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2006 als Sachverständiger vernommen. Seine Aussage ist dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung zu entnehmen, auf das vollinhaltlich verwiesen wird.

Die Berichterstatterin holte außerdem eine schriftliche Zeugenaussage des Geschäftsführers der M-GmbH, Herrn M., ein. Herr M. führte in seinem Schreiben vom 19. Oktober 2006 aus, das Objekt, A-Straße 1, sei seit Beginn der Auftragsübernahme bis Februar 2004 117 potentiellen Mietinteressenten vorgestellt worden. Bis zum 15. Oktober 2006 habe die Anzahl der Aquisenachfragen insgesamt ca. 2.400 betragen. Die Leerstände seien durch die katastrophale Wirtschaftslage und Darstellung der A-Straße zu begründen. Durch die großen Leerstände entstehe der Eindruck einer Geisterstadt, so dass kein etablierter Einzelhändler das Risiko eingehe und den dringend notwendigen "ersten Schritt" mache. Die Ortssatzung mache außerdem eine Vermietung im Bereich Spielhalle unmöglich. Die eingeschränkten Befahrbarkeitsmöglichkeiten (eingeschränkte Lieferzeit sowie Maximalbelastung der Fahrbahndecke der A-Straße mit 5 t) führe außerdem dazu, dass Vermietungen an Unternehmen wie Drogeriemärkte (Belieferung mit 30 Tonnern) unmöglich seien. Die A-Straße sei auf Grund städteplanerischer Unsicherheiten im gesamten Innenstadtbereich sowie der über Jahre "andauernden Traumplanung" für das geplante große Einkaufszentrum städtebaulich benachteiligt. Ähnliche Leerstände habe er im Bereich T-Straße oder L-Straße beobachtet. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird vollinhaltlich Bezug genommen (s. S. 115 f. der FG-Akte).

Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, zu dem BFH-Beschluss vom 13. September 2006 II R 5/05 (Juris-Nr.: STRE200610290, ZSteu 2006; R 886 - R 889) Stellung zu nehmen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat die vom Kläger beantragte Wertfortschreibung auf den 01.01.2004 zu Recht abgelehnt.

Eine Wertfortschreibung kann zur Anpassung des Einheitswertes an geänderte, tatsächliche Verhältnisse (§ 22 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Bewertungsgesetz - BewG) und zur Beseitigung eines Fehlers, der dem Finanzamt bei der letzten Einheitswertfeststellung unterlaufen ist (§ 22 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG), durchgeführt werden. Dabei ist die Wertfortschreibung zur Anpassung an geänderte, tatsächliche Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres durchzuführen, das auf die tatsächliche Änderung folgt. Eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung zugunsten des Steuerpflichtigen kann dagegen erst zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, vorgenommen werden.

Im vorliegenden Fall sind vor dem 1. Januar 2004 keine Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2004 rechtfertigen würden, eingetreten (§ 22 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG). Die Vermietbarkeit des Erd- und Kellergeschosses zu einer geringen nachhaltigen Miete und die fehlende Vermietungsmöglichkeit für das 1. bis 4. Obergeschoss des zu bewertenden Gebäudes stellen keine Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse dar. Sie basieren vielmehr auf Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse in C-Stadt und dürfen nach § 27 BewG nicht bei der Wertfortschreibung berücksichtigt werden.

Bei Wertfortschreibung der Einheitswerte sind nach § 27 BewG die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) zu Grunde zu legen. § 27 BewG will die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sichern. Veränderungen des Wertniveaus innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums dürfen sich nicht auswirken. Andernfalls würden die innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums zu verschiedenen Zeitpunkten bewerteten Objekte unterschiedlich besteuert. Dies soll durch die Beibehaltung der Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitraum vermieden werden. Alle auf das Wertniveau abgestellten Bewertungsfaktoren müssen deshalb auf den letzten Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) bezogen werden. Dagegen sind Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.

Die Abgrenzung zwischen dem, was bei einer Fortschreibung als Änderung der tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigt werden darf, und dem, was als Änderung im Wertniveau unberücksichtigt bleiben muss, kann im Einzelfall schwierig sein (vgl. Rössler/Troll, BewG, Kommentar, § 27 Rdnr. 7). Wertminderungen, die auf den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen beruhen, eine Mehrzahl von Grundstücken betreffen und damit typisch sind, stellen Wertänderungen dar (vgl. BFH-Beschluss vom 13. September 2006 II R 5/05 Juris-Nr.: STRE200610290, ZSteu 2006; R 886 - R 889). Dazu gehören auch die sog. strukturell bedingten Wertminderungen, also beispielsweise eine schlechte Vermietbarkeit einer Immobilie, die auf ein Überangebot an Büro- und Gewerbeflächen, einer Verschlechterung der Konjunktur, einem verfehlten Planungskonzept der Stadt oder Verödung einer Handelsbranche zurückzuführen sind. Dagegen liegt bei einer wesentliche Änderung der Geschäftslage eines Grundstücks eine Änderung im tatsächlichen Zustand vor (vgl. Rössler/Troll, Bewertungsgesetz Kommentar, § 27 RdNr. 22 f.).

Im vorliegenden Fall ist die Ertragsminderung nach Ansicht des Gerichts strukturell bedingt. Zu dieser Überzeugung ist das Gericht auf Grund der Aussage des Sachverständigen V. in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2006 und der schriftlichen Aussage des Herrn M. gelangt. Nach diesen Aussagen sind die Leerstände in der A-Straße wesentlich auf die städtebaulichen Unsicherheiten zurückzuführen, die durch die jahrelangen Planungen der Stadt C in Bezug auf drei Großprojekte und deren Umsetzung entstanden sind. Die lange Planungsphase hat nach Aussage des Sachverständigen V. zu einer Zurückhaltung auf dem Immobilienmarkt und Leerständen von Geschäftslokalen in der ganzen Innenstadt geführt, wobei Immobilien in 1b- oder 2a-Lagen stärker betroffen waren als Immobilien in 1a-Lagen. Die A-Straße ist nach der Aussage des Sachverständigen V. in eine 1b- / 2a-Lage einzugruppieren. Auch nach dem Kenntnisstand von Herrn M. sind die Leerstände nicht auf die A-Straße begrenzt sondern erfassen noch andere Bereiche der Innenstadt, nämlich die T-Straße und die L-Straße.

Bei dieser Beurteilung hat das Gericht nicht außer Acht gelassen, dass die Ertragsminderungen auch durch die Ortsatzung, die eine Nutzung des Gebäudes als Spielhalle ausschließt, die eingeschränkte Befahrbarkeit der A-Straße und die fehlende Umnutzungsmöglichkeit des zu bewertenden Gebäudes entstanden sind. Diese Faktoren lagen aber bereits in der Vergangenheit vor und haben das eingetretene strukturelle Problem lediglich verschärft. Es hat sich das in diesen Faktoren liegende Risiko verwirklicht.

Eine Änderung im tatsächlichen Zustand des zu bewertenden Grundstücks ist nicht durch eine Änderung der Geschäftslage eingetreten. Die Geschäftslage der A-Straße war zum 1. Januar 1964 keine 1a-Lage - wie vom Kläger angeführt - sondern nach der Karte des Vermessungs- und Katasteramtes der Stadt C, Ausgabe 1964, eine 1b-Lage. Die Karte weist die Grundstückswerte aus, die der Beklagte im Rahmen der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 zur Ermittlung des Bodenwertes verwendet hat. Daraus lässt sich entnehmen, dass die J-Straße, die K-Straße und die L-Straße (auf der Geschäftsseite) 1a-Lagen waren. Sie hatten einen Bodenwert in Höhe von 1.300 DM/m² bis 1.600 DM/m², während die Karte für die A-Straße lediglich einen Bodenwert von 450 DM/m² bis 700 DM/m² ausweist. Der Sachverständige V. hat die Lage der A-Straße zum 1. Januar 2004 als 1b- / 2a- Lage bezeichnet. Es liegt somit keine wesentliche Änderung der Geschäftslage vor. Eine wesentliche, grundlegende Änderung ist aber zur Annahme einer tatsächlichen Zustandsänderung erforderlich. Denn die schwierige Abgrenzung zwischen einer Zustandsänderung und einer rein strukturellen Wertverschiebung ist im typisierenden Bewertungsverfahren nur dann möglich, wenn eine grundlegende, nach außen eindeutig erkennbare Veränderung der Geschäftslage eintritt (vgl. Rössler/Troll, Bewertungsgesetz Kommentar, § 27 RdNr. 23).

Auch die vom Kläger vorgetragene alleinige Vermietungsmöglichkeit des Gebäudes als Lagerfläche führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das Gebäude kann nicht als Lagerfläche mit dem Kubikmeterpreis der Gebäudeklasse 2.56 bzw. 2.58 bewertet werden, da es mit den Gebäuden der Gebäudeklasse 2.56 und 2.58 nicht vergleichbar ist. Das zu bewertende Gebäude ist ein Möbelhaus mit vier Etagen, während es sich bei Gebäuden der Gebäudeklasse 2.56 und 2.58 um Hallengebäude handelt, die eine Geschosshöhe von 4 - 8 m haben. Der Kläger hat außerdem nicht vorgetragen, dass die Gebäudesubstanz in dieser Art und Weise verändert worden ist.

Eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung scheidet im vorliegenden Fall ebenfalls aus.

Der Beklagte hat das Grundstück in zutreffender Weise im Sachwertverfahren bewertet (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG). Nach Abschn. 16 Abs. 7 Bewertungsrichtlinien Grundvermögen (BewRGr), den die Gerichte ihren Entscheidungen nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich ohne weitere Sachverhaltserforschung zugrunde legen können (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1993 II R 30/92, BFH/NV 1994, 362, m.w.N.), sind Warenhausgrundstücke im Sachwertverfahren zu bewerten. Als Warenhäuser werden nach Abschnitt 16 Abs. 7 Satz 6 BewRGr Geschäftsgrundstücke bewertet, die im ganzen oder weit überwiegend dem Betrieb eines Einzelhandelsunternehmens dienen und die üblichen Ladengrundstücke an Umfang übertreffen. Als Warenhäuser sind auch die - hinsichtlich der Art der angebotenen Waren beschränkten - Kaufhäuser und Spezialkaufhäuser größeren Umfangs anzusehen (Abschn. 16 Abs. 7 Satz 8 BewRGr). Von dem zu bewertenden Grundstück dienten 833 qm als Ladenfläche und 300 qm Kellerfläche als Lagerfläche für den Laden. Lediglich 175 qm waren durch mobile Zwischenwände zu Büroräumen eingeteilt worden. Die zum 1. Januar 1964 üblichen Ladengrundstücke, die bei der Erstellung des Mietspiegels des Beklagten zum 1. Januar 1964 zugrunde gelegt wurden, werden auf Grund der großen Fläche erheblich an Umfang übertroffen.

Bei der Ermittlung des Grundstückswertes im Sachwertverfahren ist vom Bodenwert, vom Gebäudewert und vom Wert der Außenanlagen auszugehen. Der sich hiernach ergebende Wert ist an den gemeinen Wert anzugleichen (§ 83 BewG). Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagte bei dieser Bewertung zum 1. Januar 1983 Fehler unterlaufen sind, sind weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen worden. Zwar hat der Beklagten bei der Berechnung des Einheitswertes den ortsüblichen Abschlag in Höhe von 3 % für Lärm, Rauch und Gerüche nicht berücksichtigt. Dieser Fehler ist aber vom Kläger nicht gerügt worden und dem Beklagten erst im Jahre 2006 bekannt geworden (s. Schreiben des Beklagten vom 9. März 2006). Der Fehler ist deshalb gem. § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG erst zum 1. Januar 2006 zu berichtigen.

Der Verkehrswert in Höhe von 215.000,00 EUR kann überdies keinen Hinweis auf die Höhe des Einheitswertes geben. Der Einheitswert auf den 1. Januar 2004 entspricht nicht dem gemeinen Wert des Grundbesitzes zum 1. Januar 2004. Der Einheitswert stellt vielmehr einen typisierten gemeinen Wert des Grundbesitzes zum Stichtag 1. Januar 1964 dar (vgl. Rössler/Troll, Kommentar zum Bewertungsgesetz, § 83 Rn. 3). Dies bedeutet, dass Rückschlüsse von dem heutigen Verkehrswert auf den Einheitswert auch nicht durch eine Wertrückrechnung des Verkehrswertes auf den Stichtag 01.01.1964 möglich sind. Darüber hinaus wäre eine Wertrückrechnung mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren belastet. So sind die verschiedenen wirtschaftlichen Verhältnisse zum heutigen Zeitpunkt und zum Stichtag 01.01.1964 nicht vergleichbar. Der Verkehrswert wird beispielsweise in erheblichem Umfang durch den Leerstand beeinflusst. Der Leerstand und die damit einhergehende Wertminderung des Grundstücks kann aber nicht zu einer Minderung des Einheitswertes führen, da die schlechte Vermietbarkeit erst nach dem 01.01.1964 eingetreten ist. Infolge dessen ergäbe sich bei einer Rückrechnung des Verkehrswertes auf den 01.01.1964 kein verwertbares Ergebnis.

Trotzdem weist der Verkehrswert in Höhe von 215.000 EUR, der erheblich geringer als der festgestellte Einheitswert in Höhe von 927.900 DM (474.427,74 EUR) ist, auf eine zu hohe Bewertung hin, die im Ergebnis zu einer zu hohen Grundsteuerfestsetzung führt. Diese Unbilligkeit ist aber nicht im Rahmen der Einheitsbewertung zu berücksichtigen sondern bei der Grundsteuerfestsetzung. Eine Berücksichtigung ist nach der Auffassung des BFH durch einen Erlass der Grundsteuer wegen Ertragsminderung gem. § 33 Grundsteuergesetz (GrStG) möglich. Nach der Ansicht des BFH erfasst § 33 Abs. 1 GrStG nicht nur - wie vom BVerwG angenommen - atypische und vorübergehende Ertragsminderungen sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur, wie sie im zu entscheidenden Fall vorliegen (vgl. BFH-Beschluss vom 13. September 2006 II R 5/05 Juris-Nr.: STRE200610290, ZSteu 2006; R 886 - R 889).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision ist im Hinblick auf den Beschluss des BFH vom 13. September 2006 II R 5/05 gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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