Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: 13 K 3600/01 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17 Abs. 2
EStG § 17 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

13 K 3600/01 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1992 zur Einkommensteuer veranlagt werden. Strittig ist, ob für das Streitjahr bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbetrieb ein Verlust im Sinne des § 17 Einkommensteuergesetz - EStG - auf Grund seiner Beteiligung in Höhe von 50 v. H. an der "A" GmbH (nachfolgend GmbH) zu berücksichtigen ist.

Die GmbH wurde am 07.01.1991 (mit Wirkung auf den 01.01.1991) durch die drei Gesellschafter Firma "B" GmbH, die 50 v. H. der Gesellschaftsanteile hielt, sowie die Herren "C und "D", die je 25 v. H. der Gesellschaftsanteile hielten, gegründet. Die "B" GmbH hielt ihre Anteile treuhänderisch für den Kläger.

Die GmbH erwarb zum 01.01.1991 ein vegetarisches Vollwertrestaurant sowie ein weiteres Ladenlokal zu einem Anschaffungspreis von rund 1 Million DM. Unmittelbar danach wurden die beiden Lokale mit einem Kostenaufwand von ebenfalls rund 1 Million DM umgebaut. Hierfür wurde eine Vielzahl von Finanzierungen aufgenommen, für die der Kläger im erheblichem Umfang Bürgschaften übernahm. Bereits im April 1991 befand sich die GmbH in einer Liquiditätskrise. Am 31.08.1991 stellte sie den Geschäftsbetrieb ein und beantragte im September Konkurseröffnung. Das Amtsgericht lehnte durch Beschluss vom 06.11.1991 die Eröffnung des Konkursverfahrens ab, "da eine den Kosten des Verfahrens entsprechende greifbare Masse nach den angestellten Ermittlungen nicht vorhanden ist". Am 09.09.1993 wurde die GmbH von Amts wegen gemäß § 2 des Löschungsgesetzes - LöschG - wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

In den Jahren bis 1995 wurde der Kläger unter anderem aus den Bürgschaften für die Schulden der GmbH in Anspruch genommen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1991 machten die Kläger einen Verlust gemäß § 17 EStG geltend. Auf Anfrage des seinerzeit für die Besteuerung der Kläger örtlich zuständigen Finanzamtes (im folgenden Finanzamt), wie dieser Verlust sich zusammensetze, antwortete der Kläger mit Schreiben vom 03.01.1994, dass in der Steuererklärung zwei Verluste gemäß § 17 EStG angeführt seien. Ein Verlust resultiere aus der Insolvenz der Firma "A" GmbH. Hier seien über den Verlust der Beteiligung hinaus weitere Aufwendungen angefallen, die er - der Kläger - mit der Steuererklärung 1992 spezifizieren werde. Weiter heißt es in diesem Schreiben:

"Ich bitte, diesen Betrag zunächst bei der Steuererklärung 1991 nicht zu berücksichtigen und den Steuerbescheid in diesem Punkt für vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen zu lassen". Bei der Einkommensteuerveranlagung 1991 berücksichtigte das Finanzamt keinen Verlust aus der Auflösung der GmbH. Die Einkommensteuerfestsetzung für diesen Veranlagungszeitraum erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In ihrer im Jahr 1994 beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1992 erklärten die Kläger einen Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 589.500,- DM. Mit Schreiben vom 17.07.1995 teilten die Kläger dem Finanzamt Einzelheiten zu der Entstehung der Verluste der GmbH mit. Auf Seite 3 dieses Schreibens, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, ist dargestellt, wie sich der geltend gemachte Verlust zusammensetzt und auf welche Jahre er sich nach dem Vortrag der Kläger auf die Jahre bis 1993 verteilt hat (1991: 171.069,89 DM; 1992: 589.592,21 DM; 1993: 197.764,35 DM).

Das Finanzamt erkannte den für das Streitjahr geltend gemachten Verlust im Einkommensteuerbescheid der Kläger vom 23.08.1995 an. Dieser Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Auch in den weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden geänderten Einkommensteuerbescheiden für das Streitjahr vom 15.04. und 28.04.1996 berücksichtigte das Finanzamt den Verlust gemäß § 17 EStG.

Erstmals in dem erneut nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 1992 vom 30.12.1998 wurde dieser Verlust nicht mehr berücksichtigt. Dieser Änderungsbescheid wurde den Klägern jeweils in gesonderter Ausfertigung mittels Postzustellungsurkunde am 31.12.1998 zugestellt.

Gegen die Nichtberücksichtigung des Verlustes aus § 17 EStG legten die Kläger Einsprüche ein. Während des Einspruchsverfahrens führte das Finanzamt eine Betriebsprüfung beim Kläger durch, die unter anderem die Einkommensteuer 1992 bis 1995 betraf. Zum geltend gemachten Verlust aus wesentlicher Beteiligung des Klägers an der GmbH führte der Betriebsprüfer in Ziffer 7 seines Berichts vom 07.03.2000, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, unter anderem aus:

Der Kläger habe in seinen Steuererklärungen 1992 bis 1995 Verluste aus der wesentlichen Beteiligung an der GmbH in Höhe von insgesamt 1.178.151,- DM geltend gemacht. Verluste aus wesentlicher Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft seien stichtagsbezogen im Jahr des Untergangs der Anteile zu berücksichtigen. Für die GmbH sei die Einleitung eines Konkursverfahrens nach § 107 Konkursordnung - KO - mangels Masse abgelehnt worden. Die GmbH sei somit mit Rechtskraft des Beschlusses über die Abweisung des Eröffnungsantrages aufgelöst gewesen. Der Verlust sei nach Auffassung des Finanzamtes in voller Höhe in 1991 zu berücksichtigen, da bereits in diesem Jahr mit einer Zuteilung und Rückzahlung aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen gewesen sei und die nachträglichen Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Aufwendungen im wesentlichen festgestanden hätten. Soweit in den Folgejahren Verluste aus der Beteiligung an der GmbH angesetzt worden seien, seien diese zu stornieren. Eine nachträgliche Berücksichtigung des Verlustes im Einkommensteuerbescheid 1991 sei verfahrensrechtlich nicht mehr möglich, da für das Jahr 1991 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Der für die Einkommensbesteuerung der Kläger örtlich zuständig gewordene Beklagte schloss sich der Auffassung des Prüfers an und wies die Einsprüche gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1992 durch Einspruchsentscheidung vom 23.05.2001, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung beim Kläger erließ das Finanzamt auch für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1995 geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die zuvor erklärungsgemäß anerkannten Verluste aus der Auflösung der GmbH nicht mehr berücksichtigte. Die hiergegen nach Zurückweisung der entsprechenden Einsprüche durch den Beklagten erhobenen Klagen sind beim erkennenden Senat noch unter den Aktenzeichen 13 K 1319/02 E (Einkommensteuer 1993 und 1994) und 13 K 1663/02 E (Einkommensteuer 1995) anhängig.

Zur Begründung der vorliegenden Klage wegen Einkommensteuer 1992 tragen die Kläger vor:

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - setze die Entstehung eines nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen zum Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen sei und feststehe, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen würden. Im Ausnahmefall könne der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsverlust realisiert sei, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen sei.

Im Streitfall sei der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht wegen Überschuldung, sondern wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt worden. Zahlungsunfähigkeit bedeute aber nicht auch gleichzeitig, dass im Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht noch erhebliches verteilbares Vermögen vorhanden sein könne, welches nach Einschätzung des Amtsgerichts gleichwohl die zu erwartenden Verfahrenskosten nicht mehr decken würde.

Nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die Ablehnung der Konkurseröffnung hätten tatsächlich noch in erheblichem Umfang Abwicklungshandlungen stattgefunden, wie dem Schreiben des Klägers an das Finanzamt vom 17.07.1995 aus den Ausführungen unter Punkt c) zu entnehmen sei. In diesem Zusammenhang hätten die Gesellschafter unter anderem Mittel zum Liquidationsvermögen der GmbH zugeführt. Darüber hinaus ergäben sich aus den als Anlage zum vorzitierten Schreiben übersandten Kontenblättern weitere umfangreiche Abwicklungstätigkeiten in der Zeit vom 03.01.1992 bis zum 28.12.1992. Diese ließen sich aus den Buchungen und der Entwicklung des Kontos "Forderungen" der GmbH erkennen, gemäß denen Sollbuchungen in Höhe von insgesamt 215.382,53 DM und Habenbuchungen von insgesamt 8.290,32 DM ausgewiesen seien. Die vorgenannten beispielhaften Aktivitäten wiesen nach, dass in der GmbH auch nach Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens im Jahr 1992 erhebliche Liquidations- und Abwicklungstätigkeiten stattgefunden hätten. Auf Grund dieser Abwicklungshandlungen, deren Auswirkungen nicht als "unwesentlich" angesehen werden können, sei im Sinne der BFH- Rechtsprechung der Auflösungsverlust frühestens im Jahr 1992 entstanden. Erst zu diesem Zeitpunkt habe festgestanden, ob und in welcher Höhe nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen würden. Die im Anschluss an die Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens durch die Gesellschafter über ungefähr zwei Jahre durchgeführte Liquidation mit den komplexen und vielseitigen Handlungen belege die Tatsache, dass im Veranlagungszeitraum 1991 weder der den Gesellschaftern zuzurechnende Verlust festgestanden habe noch die nachträglichen Aufwendungen ersichtlich oder bekannt gewesen seien. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf die Veräußerung des gesamten Anlagevermögens und des Inventars des Ladenlokals, auf Grund dessen ein nicht unwesentlicher Erlös habe erzielt werden können, sowie die Einziehung der Forderungen aus dem fortbestehenden Mietvertrag zu verweisen. Mögliche nachträgliche Änderungen hätten sich z. B. auch auf Grund der mit dem Vermieter vertraglich vereinbarten gesamtschuldnerischen Haftung des Klägers zusammen mit den Mitgesellschaftern der GmbH i. K. bis zum 31.04.1997 für die rechtzeitige und vollständige Erfüllung der Verpflichtungen der Nachmieterin aus dem mit dem Vermieter ab 01.05.1993 geschlossenen Mietvertrag ergeben.

Mit Datum vom 11.08.1992 habe die Deutsche Bank an den Kläger in der Angelegenheit "Kreditengagement... GmbH i. L." geschrieben. Das Konto bei dieser Bank sei noch am 12.07.1993 unter der Firma "" A"... GmbH i. L." geführt worden. Hieraus sei eindeutig ersichtlich, dass eine Liquidation stattgefunden habe und der Liquidationsvorgang aus Sicht der Bank zu diesem Zeitpunkt noch angedauert habe.

Um das Ladenlokal im Ganzen an einen Nachfolger weitergeben zu können, hätten die Gesellschafter der GmbH nach Ablehnung des Konkursverfahrens das Mietverhältnis mit Frau "E" unter Aufrechterhaltung aller wechselseitigen Rechten und Pflichten selbst übernommen und fortgeführt und die Miete weiter bezahlt. Im Hinblick darauf, dass das Haus, in dem sich das Ladenlokal befunden habe, beliehen gewesen sei, habe der Mietvertrag mit Rücksicht auf die Kreditgeber der Vermieterin nicht mit der insolventen GmbH fortgeführt werden können. Die Gesellschafter der GmbH hätten als Voraussetzung für dieses Mietverhältnis eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Im diesem zeitlichen Zusammenhang habe der Kläger der Vermieterin zudem noch eine Bürgschaft der Genossenschaftsbank in Höhe von 18.000,- DM im Austausch mit der Deutschen Bank gestellt. Die Gesellschafter der GmbH hätten sich während der Zeit ihrer persönlichen Anmietung bemüht, einen Nachfolgemieter für das Ladenlokal zu finden, um auch die Einrichtung im Ganzen verkaufen zu können. Es habe schließlich mit Wirkung ab 01.05.1993 der Abschluss eines Mietvertrages zwischen den Betreibern eines koreanischen Restaurants als Mietern und Frau "E" als Vermieterin erreicht werden können unter der Voraussetzung einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Vermieterin Frau "A" und den Herren "D" und "C" und dem Kläger als Verpflichteten zur Übernahme der gesamtschuldnerischen Haftung für die rechtzeitige und vollständige Erfüllung der Verpflichtungen der Mieter. Im Gegenzug dazu hätten die Gesellschafter der GmbH die Einrichtung im Ganzen an die Mieter des Ladenlokals veräußern können. Ob der Liquidator insoweit unbelastetes Vermögen oder Vermögen, das mit Rechten Dritter belastet gewesen sei, veräußert habe, sei bezüglich der Art seiner Tätigkeit ohne Bedeutung. Der vorstehend dargestellte Ablauf betreffend das Mietobjekt verdeutliche die Unmöglichkeit, dass die Verpflichtungen schon bei Ablehnung des Konkursantrages am 06.11.1991 hätten beziffert werden können. Die im weiteren Verlauf der Liquidation entstandenen und getätigten Aufwendungen resultierten aus tatsächlichen Handlungsabläufen, die den Beteiligten und damit auch dem Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht hätten bekannt sein können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger wird auf ihre Schriftsätze vom 21.06. und 23.10.2001, 21.02.2002 nebst Anlagen, 12.06.2002, 03.12.2002 nebst Anlagen, 21.02., 22.04. und 24.06.2003 Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 30.12.1998 aufzuheben und den Bescheid dahingehend zu ändern, dass die Verluste aus der Beteiligung an der "A" GmbH aus den Jahren 1991 in Höhe von 171.070,- DM, 1992 in Höhe von 589.500,- DM und die bisher, vor der Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1995, erklärten und veranlagten Verluste aus den Jahren 1993 in Höhe von 197.230,- DM, 1994 in Höhe von 91.421,- DM und 1995 in Höhe von 300.000,- DM bei der Einkommensteuerveranlagung 1992 berücksichtigt werden und daraus folgend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Einkommensteuerbescheid für 1992 in Höhe von ./. 1.329.556,- DM berücksichtigt werden,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Der Verlust sei im Jahr 1991 entstanden und hätte auch nur im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für dieses Jahr berücksichtigt werden dürfen. Ob der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens wegen Überschuldung oder wegen Zahlungsunfähigkeit abgelehnt worden sei, sei unter Berücksichtigung der in 1991 vorhandenen wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH nicht maßgebend. Die auf den Seiten 7 und 8 der Einspruchsentscheidung aufgeführten Ansprüche der Gläubiger, die unabwendbar auf den Kläger als Bürgen hätten zukommen müssen, seien bereits 1991 - und zwar nur 10 Monate nach ihrer Gründung - nicht mehr durch die GmbH beglichen worden. Im übrigen sei die Vermögenssituation der GmbH für das Jahr 1991 nicht mehr rekonstruierbar, da laut den vorliegenden Steuerakten der GmbH für 1991 lediglich eine Eröffnungsbilanz gefertigt worden sei, die ausschließlich die Einlageforderung bzw. auf der Passivseite das Kapital (50.000,- DM) der Gesellschaft aufweise. Wie bereits in der Einspruchsentscheidung erwähnt, hätten die Gesellschafter der GmbH eine Liquidation nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung mangels Masse offensichtlich nicht für erforderlich gehalten. Dass, - wie von den Klägern dargestellt werde, weitere Zahlungen, die auf Grund von Bürgschaftsinanspruchnahme etc. auf entsprechenden Konten verbucht worden seien, stelle sich nach seiner - des Beklagten - Auffassung nicht als Liquidation dar. In einem an das Betriebsstättenfinanzamt der GmbH gerichteten Schreiben vom 29.09.1992 habe der Kläger darauf hingewiesen, dass Herr "C" als Liquidator bemüht sei, das mit Eigentumsrechten Dritter belastete Inventar der Firma Naturelle zu verpachten oder zu veräußern. Wegen der Sicherungsübereignung hätten sich aus einer Verpachtung oder Veräußerung des Inventars niemals Vermögenswerte für die ehemaligen Gesellschafter der GmbH ergeben können.

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, bei der Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres 1992 einen Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG zu berücksichtigen. Ein nach dieser Vorschrift möglicherweise zu berücksichtigender Auflösungsverlust der GmbH ist im Streitfall nicht erst im Veranlagungszeitraum 1992, sondern bereits im Veranlagungszeitraum 1991 entstanden.

Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter - wie hier der Kläger - innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich - d. h. zu mehr als einem Viertel - am Stammkapital einer GmbH beteiligt war und er die Beteiligung in sein Privatvermögen hält. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (BFH- Urteile vom 27.11.2001 VIII R 36/00, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2002, 731 m. w. N. und vom 25.01.2000 VIII R 63/98, BStBl. II 2000, 343). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Auflösung der GmbH nach am 06.11.1991 erfolgter rechtskräftiger Ablehnung der Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse - was nach der im Streitjahr geltenden Vorschrift des § 1 Abs. 1 LöschG i. V. m. § 107 Abs. 1 KO zur (zivilrechtlichen) Auflösung der GmbH führte - erfüllt.

Nach Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (BFH- Urteile vom 03.06.1993 VIII R 91/91, BStBl. II 1994, 162 und in BStBl. II 2000, 343). Dieser Zeitpunkt ist bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation normalerweise der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation; erst dann steht fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann, und ferner, welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungskosten/Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich zu tragen hat (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteile in BStBl. II 1994, 162 und in BStBl. II 2000, 343).

Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist (BFH- Urteile vom 02.10.1984 VIII R 20/84, BStBl. II 1985, 428, in BStBl. II 1994, 162 und in BStBl. II 2000, 343). Das ist nach ständiger und vom erkennenden Senat für zutreffend gehaltener Rechtsprechung des BFH z. B. dann der Fall, wenn die Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde (BFH- Beschluss vom 27.11.1995 VIII B 16/95, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1996, 406 m. w. N.; BFH- Urteile in BStBl. II 2000, 343, in BStBl. II 2002, 731 und vom 12.12.2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761) oder die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war (BFH- Urteil vom 04.11.1997 VIII R 18/94, BStBl. II 1999, 344 und in BStBl. II 2000, 343). Hier kann die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden (BFH- Urteil in BStBl. II 2000, 343). Diese Rechtsprechung verfolgt den Zweck, den Zeitpunkt des Entstehens eines Auflösungsverlustes aus Gründen der Rechtssicherheit an objektivierbare Kriterien zu knüpfen, wie sie der Abschluss der Liquidation oder die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse darstellen (BFH- Beschluss vom 22.11.2005 VIII B 308/04, BFH/NV 2006, 539). Unter Berücksichtigung der besonderen Zwecksetzung des § 17 EStG kann eine Kapitalgesellschaft trotz vorhandener Aktivwerte auch dann als vermögenslos behandelt werden, wenn der wesentlich beteiligte Gesellschafter mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Vermögensteilung nach § 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - nicht mehr rechnen konnte (BFH- Urteile in BStBl. II 2002, 731 und vom 12.10.1999 VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561).

Da im Streitfall bereits durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts vom 06.11.1991 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt worden war, ist nach den Grundsätzen der BFH- Rechtssprechung davon auszugehen, dass bereits im Jahr 1991 die Möglichkeit der Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter der GmbH auszuschließen war. Die Kläger haben im übrigen auch nicht vorgetragen, dass tatsächlich noch Vermögen an die Gesellschafter ausgekehrt worden sei. Auch sonst ist nicht erkennbar, dass die GmbH noch werthaltiges Vermögen, insbesondere mit stillen Reserven besessen hätte, das zu einer Zuteilung oder Rückzahlung von vermögen an die Gesellschafter hätte ausgekehrt werden können.

Zum Auflösungszeitpunkt der GmbH im November 1991 stand für den Kläger auch fest bzw. war für ihn feststellbar, für welche Schulden der GmbH er tatsächlich in Anspruch genommen werden konnte und in Anspruch genommen würde, ihm also noch nachträgliche Anschaffungskosten entstehen würden. Insoweit wird auch auf die Aufstellungen der entsprechenden Unterlagen und die Auflistung der entsprechenden Verbindlichkeiten des Klägers auf Seite 5, 7 und 8 der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2001 Bezug genommen.

Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger noch bis ins Jahr 1995 nach seinem Vorbringen Zahlungen auf Grund seiner Beteiligung an der GmbH erbracht hat. Denn das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG gilt für die Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG nicht (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteil vom 08.04.1998 VIII R 21/94, BStBl. II 1998, 660 m. w. N.). Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 EStG sind in der Regel auch künftige Einnahmen und Ausgaben in Gestalt von Forderungen und Verbindlichkeiten zu Grunde zu legen, soweit sie den Veräußerungsgewinn beeinflussen (BFH- Urteil in BStBl. II 1998, 660). Grundsätzlich ist deshalb unter anderem auch die Verpflichtung des Gesellschafters aus einer Bürgschaft bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG - unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung des Bürgen - bereits dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger seinen Anspruch aus der Bürgschaft geltend gemacht hat oder wenn mit einer Inanspruchnahme des Bürgen ernstlich zu rechnen ist (BFH- Urteil in BStBl. II 1998, 660 m. w. N.). Denn im Regelfall kann angenommen werden, dass der Steuerpflichtige seine Verpflichtungen aus der Bürgschaft erfüllen wird (BFH- Urteil in BStBl. II 1998, 660). Diese Vermutung greift erst dann nicht, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung - anders als im Streitfall - feststeht, dass der Steuerpflichtige zahlungsunfähig ist (BFH- Urteil in BStBl. II 1998, 660).

Auch die von den Klägern im Klageverfahren als Anlagen zu ihren Schriftsätzen vom 21.02. und 31.12.2002 eingereichten Unterlagen führen zu keinem anderen Ergebnis, wobei dahinstehen kann, ob diesen Unterlagen im Hinblick darauf, dass bei der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse typisierend davon auszugehen ist, dass in diesem Zeitpunkt der Aufgabeverlust entstanden ist, überhaupt noch eine rechtliche Bedeutung beizumessen ist.

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die - im übrigen in der eingereichten Fotokopie nicht mit Datum versehene und nicht komplett unterschriebene - Vereinbarung aus dem Jahr 1992 zwischen Frau "E" als Vermieterin und dem Kläger und den Herren "C" und "D" im eigenen Namen als Mieter abgeschlossene Vereinbarung über die Fortsetzung des ehemals mit der GmbH geschlossene Mietverhältnisses zu durch das Gesellschaftsverhältnis zur GmbH veranlasste (BFH- Urteil vom 08.12.1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654) Aufwendungen und damit zu (weiteren) nachträglichen Anschaffungskosten geführt hat. Entsprechendes gilt für eine von den Gesellschaftern in diesem Zusammenhang übernommene Bürgschaft. Erst recht ist keine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zur GmbH erkennbar, soweit die Gesellschafter der GmbH im Frühjahr 1992 gegenüber Frau "E" die Haftung übernommen haben für die Erfüllung aller Pflichten, die den Mietern "F" und "G" aus dem von diesen mit Frau "E" geschlossenen Mietvertrag über die ehemals von der GmbH angemieteten Räumlichkeiten oblagen. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Verkauf des Inventars durch Herrn "D" im eigenen Namen an die o. g. Mieter zu einem Betrag in Höhe von 80.500,- DM, unbeschadet dessen, ob daran insoweit Eigentumsrechte Dritter bestanden, zu einer Auskehrung von Vermögenswerten an die Gesellschafter der GmbH hätte führen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück