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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 14 K 2129/06 Kg
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 2
EStG § 70 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

14 K 2129/06 Kg

Tenor:

Unter Änderung des Bescheides vom 14.02.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2006 wird die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Tochter Lena für die Monate August bis Oktober 2005 sowie für den Monat März 2006 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.

Tatbestand:

Streitig ist das Kindergeld für die Tochter Lena der Klägerin für den Zeitraum August 2005 bis März 2006.

Die Tochter der Klägerin, geboren 14.07.1983, hat im Juni 2005 ihre Schulausbildung beendet. Sie verließ die Schule, nachdem sie die zweite Abiturprüfung nicht bestanden hatte.

Die Klägerin gab in ihrem Antrag auf Kindergeld vom 22.09.2005 an, die Tochter sei bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit gemeldet.

Mit Bescheid vom 14.02.2006 hob der Beklagte die bisherige Kindergeldfestsetzung für die Tochter Lena ab August 2005 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte das zuviel gezahlte Kindergeld in Höhe von 308 Euro gemäß § 37 Abs. 2 AO zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, von der Tochter werde keine Ausbildung angestrebt. Nach Mitteilung der Berufsberatung werde die Tochter dort nicht bzw. nicht mehr als Bewerberin um eine berufliche Ausbildungsstelle geführt. Der Klägerin wurde im Bescheid anheim gestellt, etwaige Nachweise für eigene Bemühungen der Tochter um einen Ausbildungsplatz vorzulegen.

Mit Schreiben vom 01.03.2006, eingegangen beim Beklagten am 14.03.2006, legte die Klägerin Einspruch ein. Sie machte geltend, ihre Tochter habe nach dem Schulabschluss Ende Juni 2005 mehrere Beratungsgespräche im BIZ-Zentrum - genauer gesagt am 01.07.2005 und am 11.07.2005 - geführt. Nachfolgend habe sie die Suche nach einem Praktikumsplatz begonnen. Der erste Schritt der Kontaktaufnahme sei jedes Mal telefonischer Art gewesen. Sie habe aber ausschließlich telefonische Absagen erhalten. Zum Nachweis legte die Klägerin eine Liste der Firmen bei, von denen eine telefonische Absage erfolgt sei. Auf den Inhalt der Liste wird Bezug genommen.

Neben ihren Bemühungen um einen Ausbildungsplatz habe die Tochter, um die Zeit sinnvoll zu nutzen, vorübergehend Minijobs angenommen, und zwar im September und Oktober 2005 und ab Dezember 2005.

Der Beklagte wies den Einspruch mit der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2006 als unbegründet zurück. Er führte aus: Das Kind habe zwar zunächst nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG berücksichtigt werden können, weil es sich als Bewerber um einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit habe registrieren lassen. Seit 11.07.2005 werde es dort jedoch nicht mehr als Bewerber geführt. Anderweitige Nachweise darüber, dass das Kind seitdem ernsthaft eine Berufsausbildung gesucht habe, seien ebenfalls nicht bzw. nicht in ausreichender Form vorgelegt worden. Eine Auflistung von Firmen, mit denen das Kind telefonisch Kontakt zur Ausbildungssuche aufgenommen habe, worauf hin sodann fernmündliche Absagen erfolgt seien, genüge regelmäßig nicht den Anforderungen an den Nachweis einer ernsthaften Ausbildungssuche.

Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, das Kindergeld für die Tochter Lena ab August 2005 zu gewähren. Auf Grund eines im Klageverfahren von der Klägerin vorgelegten Praktikumsnachweises für die Tochter setzte der Beklagte mit Bescheid vom 24.11.2006 Kindergeld für die Zeit ab April 2006 fest. Danach verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum August 2005 bis März 2006 weiter. Sie trägt vor: Die Tochter habe unmittelbar nach dem Schulabschluss mehrere Beratungsgespräche im BIZ-Zentrum in Anspruch genommen und sich im Anschluss daran entschlossen, einen Praktikumsplatz zu suchen, um auf diesem Wege das Fachabitur zu erlangen. Die Behauptung des Beklagten, die Tochter sei seit dem 11.07.2005 nicht mehr als Bewerber um einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung geführt worden, sei nachweisbar unzutreffend. Tatsache sei vielmehr, dass sich die Tochter nach dem Abitur, welches sie leider nicht bestanden habe, sofort, d. h. bereits Anfang Juli 2005, nach ihrer Erinnerung am 05.07.2005 bei der Beklagten gemeldet habe zum Zwecke der Vermittlung einer Ausbildungsstelle. In diesem Zusammenhang habe sie auch eine Besucherkarte mit Kundennummer erhalten. Daneben habe sich die Tochter nicht nur auf die Aktivitäten des Beklagten verlassen, sondern auch selber sich um eine Ausbildungsstelle bemüht, indem sie in den Zeitungen sich nach Ausbildungsstellen umgesehen und mit Ausbildungsbetrieben telefoniert habe, um sich danach zu erkundigen, ob dort noch Auszubildende benötigt würden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 14.02.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 27.04.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Seit dem 11.07.2005 sei die Tochter der Klägerin nicht mehr als Bewerberin um einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit geführt. Die Registrierung als Bewerber um einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung erfolge automatisch beim ersten Kontakt, den der Bewerber mit einem Mitarbeiter der Berufsberatung aufnehme. Der Bewerber werde sodann schriftlich zu einem Beratungsgespräch eingeladen. Nehme der Bewerber das Beratungsgespräch nicht wahr, werde die Registrierung als Bewerber gelöscht, bis sich der Bewerber von sich aus wieder melde. Vorliegend habe das Kind am 01.07.2005 Kontakt zur Berufsberatung aufgenommen. Einer Einladung zu einem Beratungsgespräch am 11.07.2005 sei es nicht nachgekommen, sodass es zum 11.07.2005 abgemeldet worden sei. Hierzu legte der Beklagte einen so genannten Compas-Ausdruck vor.

Die Klägerin hat hierauf entgegnet: Die Tochter habe im Juni 2005 eine Einladung erhalten und sei am 01.07.2005 bei dem Beklagten vorstellig geworden. Eine Einladung zu einem weiteren Beratungsgespräch am 11.07.2005 habe die Tochter nicht erhalten.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten den vorliegenden Compas-Ausdruck näher erläutert. Dem Ausdruck sei zu entnehmen, dass am 23.06.2005 eine Registrierung der Tochter Lena bei der Arbeitsvermittlung und am 01.07.2005 bei der Berufsberatung erfolgt sei. Entgegen dem bisherigen Vorbringen gehe er nunmehr davon aus, dass auch am 11.07.2007 eine Vorsprache der Tochter bei der Berufsberatung stattgefunden habe. Dies schließe er aus dem Vermerk "Erledigung 11.07.2005, Info". Gleichzeitig sei die Registrierung an diesem Tag gelöscht worden. Die Gründe hierfür seien aus dem Vermerk nicht erkennbar.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage der Bemühungen der Tochter um einen Ausbildungsplatz im Zeitraum Juli 2005 bis März 2006 durch Vernehmung der Tochter Lena als Zeugin. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 05.06.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Klägerin ist für die Monate August bis Oktober 2005 und Januar bis März 2006 Kindergeld für ihre Tochter Lena zu gewähren, weil das Kind in diesem Zeitraum eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen konnte (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Einkommensteuergesetz - EStG -). Für die Monate November und Dezember 2005 liegen die Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung dagegen nicht vor.

Nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Nach der Rechtsprechung muss sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen (vgl. BFH-Beschluss vom 15.07.2003 VIII R 71/99, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2004, 473). Die Ausbildungsbereitschaft des Kindes muss sich durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (vgl. BFH-Beschluss vom 21.07.2005 III S 19/04, BFH/NV 2005, 2207). Anderenfalls hätte es der Kindergeldberechtigte in der Hand, durch die bloße Geltendmachung der Ausbildungswilligkeit des Kindes den Anspruch auf Kindergeld bis zum 27. Lebensjahr zu verlängern. Es soll jedoch eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Kindes verhindert werden (vgl. BFH-Beschluss III S 19/04, a. a. O.).

Der Nachweis der ernsthaften Bemühungen kann z. B. durch eine Bescheinigung des Arbeitsamtes über die Meldung des Kindes als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle, durch Suchanzeigen in der Zeitung, durch direkte Bewerbungen an Ausbildungsstätten und ggf. daraufhin erfolgten Zwischennachrichten oder auch Absagen erbracht werden. Regelmäßig müssen übliche und zumutbare Bemühungen nachgewiesen werden. Da es sich um eine für den Kindergeldberechtigten günstige Anspruchsvoraussetzung handelt, trägt dieser die Feststellungslast für die entsprechenden Bemühungen des Kindes (vgl. BFH-Beschluss III S 19/04, a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich zunächst ein Kindergeldanspruch der Klägerin für die Monate August bis Oktober 2005. Nach den Erläuterungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass sich die Tochter am 01.07.2005 bei der Berufsberatung des Beklagten als Bewerberin um einen Ausbildungs- bzw. Praktikumsplatz gemeldet und auch noch am 11.07.2005 ein Beratungsgespräch dort geführt hat. Weshalb sie dennoch am gleichen Tage bereits als Bewerberin um einen Ausbildungsplatz gelöscht worden ist, lässt sich nicht mehr eindeutig feststellen. Auch der Vertreter des Beklagten konnte in der mündlichen Verhandlung hierzu nur Mutmaßungen äußern. Möglicherweise ist die Löschung darauf zurückzuführen, dass der Tochter kein Angebot über den gewünschten Praktikumsplatz vorgelegt werden konnte und sie - wie sie als Zeugin glaubhaft bekundet hat - auf eigene Bemühungen verwiesen worden ist.

Unter diesen Umständen kann die Löschung der Registrierung der Tochter nicht sofort dazu führen, dass die mit der Registrierung dokumentierte Ausbildungsbemühung des Kindes als nicht mehr gegeben anzusehen ist. Vielmehr ist von einer Fortwirkung der Indizwirkung der Registrierung auszugehen (vgl. zur Wirkung der Löschung der Registrierung als Arbeitssuchender: Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 16.06.2006 1 K 303/05, EFG 2006, 1595). Dies gilt jedenfalls, wenn - wie hier - keine eindeutigen Anhaltspunkte gegen das Bestehen der Ausbildungswilligkeit des Kindes vorliegen und weder die Klägerin noch das Kind über die Streichung informiert worden sind.

Andererseits kann die Registrierung im Hinblick auf die Monat für Monat zu prüfende Notwendigkeit der Ausbildungsbereitschaft nicht auf unbeschränkte Dauer fortwirken. Vielmehr geht das Gericht in Anlehnung an die Frist des § 38 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch III betreffend Arbeitssuchende davon aus, dass sich die Fortwirkung auf drei Monate beschränkt. Nach diesem Zeitraum hätte von der Tochter der Klägerin erwartet werden können und müssen, dass sie angesichts der Erfolglosigkeit etwaiger eigener Bemühungen wieder bei der Berufsberatung vorstellig wurde.

Insofern kann Kindergeld für die Monate ab November 2005 nur auf Grund nachgewiesener eigener ernsthafter Ausbildungsbemühungen der Tochter gewährt werden. Derartige Bemühungen sieht das Gericht lediglich für den Monat März 2006 als glaubhaft gemacht an. Im Hinblick auf das am 03.04.2006 bei der Werbeagentur B begonnene Praktikum ist davon auszugehen, dass eine dahingehende Bewerbung der Tochter jedenfalls schon im März 2006 stattgefunden hat. Dass ernsthafte Bemühungen um einen Praktikumsplatz bei der B schon vorher vorgelegen haben, vermag das Gericht dagegen trotz der Aussage der Tochter, der erste Kontakt mit der B sei bereits im Januar 2006 erfolgt, nicht als erwiesen anzusehen. Dagegen spricht nämlich, dass in der Auflistung der Klägerin im Schreiben vom 01.03.2006, mit der die Ausbildungsbemühungen der Tochter belegt werden sollten, die B (noch) nicht aufgeführt ist. Eine Nennung dieser Firma hätte aber erwartet werden können, wenn eine Bewerbung bereits früher - etwa im Januar 2006 - erfolgt wäre.

Für die Monate November 2005 bis Februar 2006 fehlt es auch im übrigen am Nachweis entsprechender ernsthafter Bemühungen des Kindes. Soweit die Tochter ausgesagt hat, sie habe sich in dem gesamten Zeitraum Juli 2005 bis April 2006 bei zahlreichen Firmen, überwiegend telefonisch, teilweise aber auch schriftlich um einen Ausbildungs- bzw. Praktikumsplatz beworben, liegen hierzu weder schriftliche Belege noch konkrete Angaben der Zeugin zu Einzelheiten, wie vor allem Name und Sitz der betreffenden Firmen und Zeitpunkte der Bewerbungen und Absagen, vor. Die pauschale Aussage, sie habe sich - sinngemäß - ständig bemüht, reicht in dieser Allgemeinheit nicht aus. Dies geht zu Lasten der Klägerin, da sie die Feststellungslast hinsichtlich der Ausbildungsbemühungen der Tochter trägt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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