Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 14 K 4079/04 F
Rechtsgebiete: AO 1977, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 90
AO 1977 § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 4 Abs. 4 Buchst. a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

14 K 4079/04 F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine Spedition in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Bestandsvergleich. Komplementärin der Klägerin ist die N- Verwaltungs GmbH, Kommanditisten sind Herr N. sowie Frau N., die Beigeladenen zu 1. und 2.

Die Gewerbesteuererklärungen sowie die Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung der Klägerin für die Streitjahre 1999 bis 2001 gingen am 7. September 2000 (für 1999) bzw. 26. Juli 2001 (für 2000) bzw. 2. August 2002 (für 2001) beim Beklagten ein. In den hierzu eingereichten Gewinnermittlungen, in denen die Klägerin die als Betriebsausgaben abgezogenen Zinsaufwendungen in solche für kurz- bzw. langfristige Verbindlichkeiten aufgeteilt hatte, gab die Klägerin dem jeweiligen Bilanzgewinn bzw. -verlust nach § 4 Abs. 4a Einkommensteuergesetz -EStG- hinzuzurechnende Schuldzinsen wie folgt an:

in 1999: 6.000,-- DM

in 2000: 6.000,-- DM

in 2001: 0,-- DM.

Die Steuererklärungen und Gewinnermittlungen sind von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellt worden.

Der Beklagte folgte den Angaben der Klägerin und erließ am 14. Februar 2001 (für 1999) bzw. 11. Januar 2002 (für 2000) bzw. 25. September 2002 (für 2001) entsprechende Feststellungsbescheide. Die abschließende Zeichnung durch den zuständigen Beamten erfolgte jeweils am selben Tag.

Die Gewerbesteuermessbescheide 1999 und 2001 fertigte der Beklagte unter dem 14. Februar 2001 (für 1999) bzw. 23. September 2002 (für 2001), sie tragen die Daten vom 14. Februar 2001 und 25. September 2002.

In der am 27. Februar 2004 beim Beklagten eingegangenen Bilanz zum 31.12.2002 gab die Klägerin die dem Bilanzverlust nach § 4 Abs. 4 a EStG hinzuzurechnenden Schuldzinsen mit 21.946 Euro an.

Mit Schreiben vom 3. März 2004 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Betriebsausgaben durch § 4 Abs. 4a EStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 neu geregelt worden sei. Diese Vorschrift gelte auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Gemäß § 4 Abs. 4 a Satz 6 EStG (i.d.F. 2001) seien ab dem Jahr 2000 Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen. Soweit betrieblicher Kreditmittelbedarf durch Entnahmen entstanden sei, sehe die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG eine pauschale Hinzurechnung i.H.v. 6 % der Überentnahme vor. Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Investitionszinsen) blieben von der Beschränkung des Schuldzinsenabzuges nach § 4 Abs. 4a EStG unberührt.

Sodann bat der Beklagte die Klägerin, die entsprechenden Angaben auf der beigefügten Anlage zu machen bzw. die Berechnungen zu § 4 Abs. 4a EStG für die Veranlagungszeiträume ab 1999 vorzulegen, soweit dies bisher noch nicht geschehen sei. Dies gelte auch dann, wenn die Jahre 1999 ff. bereits veranlagt seien, da die Über- bzw. Unterentnahmewerte fortgeschrieben werden müssten.

Mit Schreiben vom 11. März 2004 überreichte die Klägerin eine Aufstellung zur Kapitalkontenentwicklung ab dem 1. Januar 1999 und führte aus, die Zinsen für die Inanspruchnahme des laufenden Bankkontos seien in allen Jahren ausschließlich auf den Konten 2110 und 2118 erfasst. Die auf Konto 2120 gebuchten Zinsen beträfen ausschließlich Zinsen für Investitionsdarlehen.

Bezüglich der einzelnen Angaben bat die Klägerin um Lektüre der Bilanzberichte, insbesondere der Erläuterungen zu "Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten" und der Kontennachweise zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Letztere seien seit dem Berichtsjahr 2001 Bestandteil der "ANLAGEN" und hinter dem "Jahresabschluss zum 31. Dezember JJJJ" zu finden. Angaben zu den genauen Seitenzahlen könnten den Inhaltsverzeichnissen der jeweiligen Jahre entnommen werden. Für die Vorjahre seien diese Angaben ebenfalls in den Berichten nach altem Format enthalten.

Dem Schreiben beigefügt war eine Tabelle Kapitalkontenentwicklung gemäß § 4 Abs. 4 a EStG, auf die Bezug genommen wird.

Unter Berücksichtigung dieser Angaben ermittelte der Beklagte folgende den Bilanzgewinnen bzw. -verlusten nach § 4 Abs. 4 a EStG hinzuzurechnende Beträge:

für 1999:16.711,75 DM

für 2000:34.142,19 DM

für 2001:30.128,44 DM.

Der Beklagte erließ daraufhin am 13. April 2004 entsprechende auf die Vorschrift des § 35b Abs. 1 Gewerbesteuergesetz -GewStG- gestützte Änderungsbescheide für 1999 bis 2001 über den Gewerbesteuermessbetrag sowie am 16. April bzw. 19. April 2004 entsprechende auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung -AO- gestützte Änderungsbescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1999 bis 2001.

Gegen die geänderten Feststellungsbescheide sowie die geänderten Gewerbesteuermessbescheide 1999 und 2001 legte die Klägerin mit Schreiben vom 21. April 2004 Einspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend:

Die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG sei keine nachträglich bekannt gewordene Gesetzesvorschrift.

Die Zinsen würden sich aus den dem Beklagten eingereichten Bilanzberichten zu den jeweiligen Abschlussstichtagen ergeben. Dass dabei nach den Angaben des Beklagten angeblich die Investitionszinsen nicht eindeutig von den übrigen Schuldzinsen abgegrenzt worden seien, zeige, dass dem Beklagten der angeblich unbekannte Sachverhalt wohl doch offensichtlich gewesen sei.

Die nachträgliche Sachverhaltsermittlung nach Bestandskraft der ursprünglichen Feststellungsbescheide begründe keine neue Tatsache i.S.d. § 173 AO.

Im Rahmen der Amtsermittlungspflicht hätte der Beklagte bereits bei den Veranlagungsarbeiten für die Streitjahre weitere Erläuterungen zum § 4 Abs. 4 a EStG anfordern können.

Mit Schreiben vom 10. Mai 2004 führte der Beklagte aus:

Richtig sei, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG nicht nachträglich bekannt geworden sei, dass das Finanzamt bei Durchführung der Veranlagungsarbeiten 1999 bis 2001 weitere Erläuterungen zu § 4 Abs. 4 a EStG hätte anfordern können und dass eine Sachverhaltsermittlung nach Bestandskraft eines Bescheides für sich genommen keine neue Tatsache im Sinne von § 173 AO begründe. Das alles hindere aber die durchgeführte Änderung der Bescheide nicht.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Finanzamt Tatsachen nachträglich bekannt würden, die zu einer höheren Steuer führten. Eine nach dieser Vorschrift vorzunehmende Änderung komme jedoch nach dem Grundsatz von Treu und GIauben nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt habe und die spätere Kenntnis der Tatsache auf einer Verletzung der dem Finanzamt obliegenden Ermittlungspflicht beruhe (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 13.11.1985, Bundessteuerblatt -BStBI- ll 1986, 241).

Tatsache im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien vorliegend alle für die Anwendung des § 4 Abs. 4 a EStG maßgeblichen Umstände, also die Höhe des Gewinns oder Verlustes, die Höhe der Entnahmen und Einlagen, die Höhe der Schuldzinsen und der Anteil der Investitionszinsen an den Schuldzinsen. Diese letzte Tatsache, nämlich der Anteil der (für die Kürzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4 a EStG unschädlichen) Investitionszinsen an den insgesamt angefallenen Schuldzinsen, sei dem Finanzamt bei abschließender Zeichnung der Feststellungsbescheide und der Gewerbesteuermessbescheide 1999 bis 2001 nicht bekannt gewesen; sie sei ihm vielmehr erst durch das Schreiben vom 11. März 2004 und damit nachträglich im Sinne von § 173 Abs. 1 AO bekannt geworden.

Die somit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zwingend vorzunehmende Änderung der Feststellungsbescheide und der Gewerbesteuermessbescheide 1999 bis 2001 hätte nur unterbleiben dürfen, wenn die Klägerin die ihr obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt und das Finanzamt die ihm obliegenden Ermittlungspflichten verletzt hätte.

Vorliegend fehle es bereits an einer Erfüllung der der Klägerin obliegenden Mitwirkungspflicht in zumutbarer Weise. Die Mitwirkungspflicht besage, dass der Steuerpflichtige den steuerlich relevanten Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich darstellen müsse (BFH vom 13.11.1985, a.a.O.). Mache der Steuerpflichtige falsche oder unvollständige Angaben, verstoße die Änderung des Bescheides nicht gegen Treu und Glauben (BFH vom 11.11.1987, BStBl lI 1988, 115). Falsch gewesen sei in allen betroffenen Jahren die Höhe der als Betriebsausgaben abgezogenen Schuldzinsen.

Dagegen habe das Finanzamt die ihm obliegenden Ermittlungspflichten nicht verletzt. Die Angaben in den Steuererklärungen und den diesen beigefügten Jahresabschlüssen seien in sich schlüssig und widerspruchsfrei gewesen und ließen - ihre Richtigkeit unterstellt - die begehrte Rechtsfolge (keine Kürzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4 a EStG) eintreten, ohne dass weitere Ermittlungen erforderlich gewesen wären. Es wäre nämlich möglich gewesen, dass Investitionszinsen in einer Höhe vorgelegen hätten, dass keine Kürzung des Schuldzinsenabzugs vorzunehmen gewesen wäre.

Von einem solchen Sachverhalt habe das Finanzamt auf Grund der Steuererklärungen ausgehen dürfen. Die Finanzbehörden bräuchten eindeutigen Steuerklärungen und vorgelegten Jahresabschlüssen nämlich nicht mit Misstrauen zu begegnen; sie könnten vielmehr regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen, ohne besondere Ermittlungen anstellen zu müssen (BFH vom 11.11.1987, a. a. O.). Demzufolge verletze das Finanzamt seine Ermittlungspflicht grundsätzlich nur dann, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie den eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgehe (BFH vom 20.12.1988, BStBl lI 1989, 585). Das gelte insbesondere bei einer unter Mitwirkung eines Steuerberaters angefertigten Steuererklärung (BFH vom 28.04.1987, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes -BFH/NV- 1988, 151).

Aber selbst wenn man die Auffassung vertrete, dass das Finanzamt von sich aus weitere Ermittlungen hätte anstellen müssen, führe dies zu keiner anderen Beurteilung: Hätten nämlich sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den für den Erlass eines Steuerbescheids maßgebenden Sachverhalt aufzuklären, stünden die Grundsätze von Treu und Glauben nur dann dem Erlass eines Änderungsbescheids entgegen, wenn der Pflichtverstoß des Finanzamts deutlich überwiege (BFH vom 20.12.1988, a. a. O.).

Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2004 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

Mit der am 13. Juli 2004 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren bezüglich der einheitlich und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen weiter.

Zur Begründung macht sie ergänzend geltend, sämtliche für die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG erforderlichen Angaben hätten sich lückenlos aus den eingereichten Erklärungen und den vollständig vorgelegten Abschlüssen für die Streitjahre ergeben.

Sie habe auf die Bitte des Beklagten im Schreiben vom 3. März 2004 nochmals die für § 4 Abs. 4a EStG erforderlichen Kapitalkontenentwicklungen vorgelegt, obwohl sich diese Angaben bereits aus den ursprünglich eingereichten Erklärungen und Abschlüssen vollständig ergeben hätten.

Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hätten nicht vorgelegen. Tatsache sei hier das Vorliegen von Überentnahmen, die zur Kürzung des Schuldzinsenabzuges im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG geführt hätten. Diese Tatsache sei dem Beklagten bereits durch die eingereichten Erklärungen und beigefügten Jahresabschlüsse vollständig bekannt geworden. Der Beklagte sei aufgrund der vorgelegten Unterlagen in der Lage gewesen, die richtigen steuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen und die Hinzurechnungsbeträge nach § 4 Abs. 4a EStG - abweichend von den Erklärungen - zutreffend zu berechnen. Die erneute rechtliche Würdigung des bekannten Sachverhalts sei keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache und schließe mithin eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aus. Insbesondere sei dem Beklagten die Tatsache nicht erst mit ihrem Schriftsatz vom 11. März 2004 bekannt geworden. Die Aussage in der Einspruchsentscheidung, dass sie "erstmals" die erforderlichen Angaben gemacht haben solle, sei nicht zutreffend. Vielmehr seien sämtliche für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG erforderlichen Angaben in den Erklärungen bzw. Jahresabschlüssen gemacht worden. Wären diese Angaben unvollständig gewesen, hätte der Beklagte sicherlich keine endgültigen Bescheide erlassen oder hätte zuvor noch erforderliche Ermittlungen angestellt. Der Beklagte habe in den ursprünglichen Feststellungsbescheiden für die Streitjahre die falschen rechtlichen Schlüsse gezogen und die erklärten Hinzurechnungsbeträge übernommen. Erst die im Jahre 2004 vorgenommene (erneute) Prüfung des § 4 Abs. 4a EStG durch den Beklagten habe die Rechtsfehlerhaftigkeit der ursprünglichen Bescheide aufgedeckt. Dabei könne jedoch nicht von neuen Tatsachen die Rede sein.

Auch die anfängliche Rechtsunsicherheit in der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG könne es nicht rechtfertigen, nunmehr die Bestandskraft der ursprünglichen Feststellungsbescheide nach § 173 Abs.1 Nr. 1 AO zu ihren Ungunsten zu durchbrechen.

Die Klägerin beantragt,

die Feststellungsbescheide 1999 und 2000 vom 16. April 2004 und den Feststellungsbescheid 2001 vom 19. April 2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2004 aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend macht er geltend, entgegen den Ausführungen in der Klagebegründung seien in den für die Streitjahre eingereichten Gewinnermittlungen und den dazugehörigen weiteren Erläuterungen Berechnungen der Hinzurechnungsbeträge gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht dargelegt gewesen.

Die im Streitfall entscheidungserhebliche neue Tatsache sei die Höhe der bei der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigenden Investitionszinsen bzw. deren Anteil an den insgesamt angefallenen Schuldzinsen. Die Höhe der Investitionszinsen sei dem Finanzamt erstmals mit Schriftsatz vom 11. März 2004 mitgeteilt worden.

Mit Beschlüssen vom 15. Februar 2007 hat das Gericht die Kommanditisten der Klägerin, Lucie und Franz N., zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Feststellungsbescheide 1999 bis 2001 vom 16. April 2004 bzw. 19. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2004 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte konnte die ursprünglichen Feststellungsbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ändern und so den korrekt berechneten Gewinn aus Gewerbebetrieb berücksichtigen. Einer Änderung der Feststellungsbescheide nach dieser Vorschrift steht insbesondere nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.

Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

Tatsache ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann; es kann sich handeln um Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Gegenbegriff zur Tatsache ist die Schlussfolgerung. Eine irrtümlich falsche rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts ist keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911 m.w.N.).

Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist, bekannt werden. Hierbei kommt es nicht auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen, sondern allein auf die der Finanzbehörde an. Jeder Stelle innerhalb der Finanzverwaltung ist grundsätzlich das bekannt, was sich aus dem Inhalt der von ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Sachbearbeiters ankommt (BFH-Beschluss vom 28. April 2006 VI B 131/05, BFH/NV 2006, 1445 m.w.N.).

Eine verbösernde Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheidet nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus, wenn der Finanzbehörde die ihr tatsächlich erst später bekannt gewordenen Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung ihrer Amtsermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre.

Welche Anforderungen an die Ermittlungen der Finanzbehörden zu stellen sind, ergibt sich aus § 88 AO, lässt sich also nicht ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls allgemein festlegen. Die Finanzbehörde verletzt ihre Amtsermittlungspflicht nur, wenn sie offenkundigen Zweifelsfragen, Unklarheiten oder Zweifeln, die sich nach der Sachlage ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht und Ermittlungsmöglichkeiten nicht nutzt, deren Ergiebigkeit sich ihr hätten aufdrängen müssen (BFH-Urteil vom 12. Juli 2001 VII R 68/00, BFHE 196, 317, BStBl II 2002, 44). Ob derartige Zweifel anzunehmen sind, muss das Gericht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls entscheiden (BFH-Beschluss vom 28. April 2006 VI B 131/05, BFH/NV 2006, 1445). Ist eine Steuererklärung abgegeben worden, kann die Finanzbehörde grundsätzlich davon ausgehen, dass der steuerlich relevante Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich angegeben ist. Die Finanzbehörde braucht den Angaben des Steuerpflichtigen nicht mit Misstrauen zu begegnen. Die Erklärung muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen geben, etwa weil sie erkennbar unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder sich der Finanzbehörde aus anderweitig bekannten Umständen Zweifel an ihrer Richtigkeit hätten aufdrängen müssen.

Diese Einschränkung der Änderungsbefugnis greift aber andererseits nur ein, wenn der Steuerpflichtige seinerseits die ihm obliegende Mitwirkungspflicht (§ 90 AO) in zumutbarer Weise erfüllt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschluss vom 28. April 2006 VI B 131/05, BFH/NV 2006, 1445 m.w.N.).

Liegen sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das Finanzamt als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, sind die beiderseitigen Pflichtverstöße grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In einem solchen Fall trifft nach ständiger Rechtsprechung des BFH in der Regel die Verantwortung den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteile vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502 m.w.N. und vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911 m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verstoß des Finanzamtes gegen seine Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339 , BStBl II 1989, 585, unter II. 6., m.w.N.).

Gemessen an diesen Maßstäben ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend der Anteil der (für die Kürzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4 a EStG unschädlichen) Investitionszinsen an den insgesamt angefallenen Schuldzinsen die neue Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist. Denn bei dem Anteil der Investitionszinsen an den Schuldzinsen handelt es sich um ein Teilstück des Tatbestandes des § 4 Abs.4 a EStG:

Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG (i.d.F. ab 2000, die gemäß § 52 Abs. 11 EStG auch für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden ist) sind bei der Gewinnermittlung Schuldzinsen im Betriebsvermögen nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 des § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden dabei typisiert mit sechs vom Hundert der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (= Unterentnahmen), ermittelt (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 4.000,- DM / 2050,- Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen. Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG bleibt der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens allerdings unberührt. Hier geht die betriebliche Veranlassung vor.

Die Höhe der Investitionszinsen stellte dementsprechend eine "Tatsache" dar, die i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu einer "höheren Steuer führt".

Von der Höhe des Anteils der Investitionszinsen an den Schuldzinsen in den Streitjahren hat der Beklagten nachträglich, d.h. nach der Bestandskraft der Feststellungsbescheide vom 14. Februar 2001 (für 1999), bzw. 11. Januar 2002 (für 2000) bzw. 25. September 2002 (für 2001), nämlich erst am 11. März 2004 - dem Tag, an dem das Schreiben des Steuerberaters der Klägerin mit den Erläuterungen zur Höhe der jeweiligen Investitionszinsen beim Beklagten einging - Kenntnis erlangt.

Zwar ging aus den jeweils eingereichten Bilanzen der Klägerin für die Streitjahre 1999 bis 2001 die Tatsache von Überentnahmen und das Vorhandensein von Schuldzinsen insgesamt hervor. In welcher Höhe jedoch in den "Zinsen für langfristige Verbindlichkeiten" Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten von Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens enthalten waren, ergab sich weder aus der Bilanz noch aus einem anderen Umstand aus den Akten. Entgegen der Ansicht der Klägerin konnte der Beklagte nicht ohne weiteres von Vornherein davon ausgehen, dass die in der Bilanz ausgewiesenen "Zinsen für langfristige Verbindlichkeiten" ausschließlich Investitionszinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG darstellten. Denn in dieser Zinsposition hätten ebenso Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Erhaltungskosten aufgeführt und es hätten beispielsweise auch Zinsen für Kontokorrentkredite darin enthalten sein können.

Allerdings geht das Gericht auch davon aus, dass der Beklagte seine Ermittlungspflicht verletzt hat und ihm aufgrund dessen die Höhe der Investitionszinsen zunächst unbekannt geblieben ist.

Wie bereits ausgeführt, richtet sich der Umfang der beiderseitigen Pflichten nach den Umständen des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911 m.w.N.). Die Erklärung eines Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a EStG löste nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen die Verpflichtung des Beklagten aus, die diesem Betrag zugrunde liegenden Berechnungen weiter zu ergründen:

Die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG war im Jahr 2000, in dem die Klägerin die Feststellungserklärung für 1999 eingereicht hatte, gerade erst (rückwirkend) für das erste Streitjahr, das Veranlagungsjahr 1999, in der geänderten Fassung eingeführt worden. Die neuen Begriffsbestimmungen des § 4 Abs. 4a EStG sowie eine Vielzahl von Einzelfragen, die grundlegend für die Berechnung des Schuldzinsenabzuges sind, waren weitestgehend ungeklärt. Das Bundesministerium der Finanzen hatte erstmals mit einem mehrseitigen Erlass vom 22. Mai 2000 (IV C 2-S 2144-60/00) zu der Neuregelung Stellung genommen, erst zu Beginn des Jahres 2003 wurden in der Finanzverwaltung Rechnungsbögen zur Erfassung der für § 4 Abs. 4a EStG relevanten Zahlen erstellt. Vor diesem Hintergrund durfte sich der Beklagte nicht darauf verlassen, dass die Angabe eines "glatten" Betrages von 6.000,- DM in der Bilanz seitens der Klägerin die Rechtsfrage nach der gemäß § 4 Abs. 4a EStG dem Gewinn hinzuzurechnenden Summe rechtlich zutreffend beantwortete. Der Sachverhalt machte weitere Ermittlungsmaßnahmen des Beklagten unverzichtbar, sollte nur mit einer einigermaßen hinreichenden Verlässlichkeit beurteilt werden können, ob und inwieweit die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Hinzurechnung "lediglich" in der durch die Klägerin benannten Größenordnung vorlagen.

Dies gilt erst recht für die weiteren Streitjahre 2000 und 2001, in denen einmal ebenfalls "glatt" 6.000,- DM und dann sogar 0,- DM als nach § 4 Abs. 4a EStG hinzuzurechnender Betrag in der jeweiligen Bilanz ausgewiesen waren.

Obwohl danach dem Beklagten die Höhe der Investitionszinsen infolge Verletzung der ihm obliegenden Ermittlungspflicht (zunächst) verborgen geblieben ist, ist dem Beklagten die Änderung der Feststellungsbescheide nicht versagt, denn auch die Klägerin hat ihrerseits die ihr obliegenden Mitwirkungspflichten nicht in zumutbarer Weise erfüllt; eine Abwägung der beiderseitigen Pflichtverstöße ergibt kein deutliches Überwiegen des Pflichtverstoßes des Beklagten.

Die Klägerin hat gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen, indem sie - nach der ausdrücklichen Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten und Steuerberaters in der mündlichen Verhandlung - absichtlich einen "geschätzten" Betrag als den nach § 4 Abs. 4a EStG dem Gewinn hinzuzurechnenden angegeben hat, ohne diese "Schätzung" offenzulegen bzw. wenigstens sämtliche in diesem Zusammenhang erforderlichen Einzelfakten wie z.B. die Höhe der Investitionszinsen etc. zu benennen. Die Tatsache, dass womöglich zum damaligen Zeitpunkt sowohl Steuerberater als auch die Finanzverwaltung in der Handhabung des § 4 Abs. 4 a EStG unerfahren und unsicher waren, rechtfertigt es nicht, in der Bilanz einen willkürlichen Betrag anzugeben und ihn damit konkludent als das Ergebnis einer umfangreichen "Rechenoperation" darzustellen.

Da sich die Klägerin darauf beschränkt hat, den Posten "Hinzurechnung nach Par. 4 Abs. 4a EStG" ohne weitere Erklärung in die Bilanz der Streitjahre aufzunehmen und die weiteren, dazugehörigen Rechengrößen nicht offenzulegen, kann auch nicht von einer deutlich überwiegenden Verletzung der Ermittlungspflicht durch den Beklagten gesprochen werden, zumal das Vorhandensein von Investitionszinsen in der Größenordnung, wie sie sich im Umkehrschluss aufgrund des seitens der Klägerin erklärten Hinzurechnungsbetrages ergeben hätten, angesichts der Zugänge im Anlagevermögen der Klägerin durchaus denkmöglich erschien.

Die Kostenentscheidung der nach alledem abzuweisenden Klage beruht auf §§ 135 Abs. 1, Abs. 3 FGO. Die Beigeladenen haben ihre außergerichtlichen Kosten nach § 139 Abs. 4 FGO selbst zu tragen. Es besteht kein Anlass, diese aus Gründen der Billigkeit der Klägerin aufzuerlegen, weil die Beigeladenen das Verfahren nicht durch eigene Anträge oder in anderer selbständiger Weise gefördert haben (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 1999 VII R 66/98, BStBl II 1999, 623, 630).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordern (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

Zurück