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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 15 K 2811/05 E
Rechtsgebiete: BewG, ErbStG, EStG


Vorschriften:

BewG § 13 Abs. 1 S. 1
ErbStG § 12 Abs. 1
ErbStG § 23 Abs. 1 S. 1
EStG § 12 Nr. 1
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 22 Nr. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

15 K 2811/05 E

Tenor:

Unter Änderung des Steuerbescheids vom 20.12.2004 und der Einspruchsentscheidung vom 16.6.2005 wird die Einkommensteuer 2003 auf 30.172 EUR herabgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 53 v.H. und der Beklagte zu 47 v.H.

Tatbestand:

Die Kläger sind zusammenveranlagte Ehegatten.

Die Klägerin ist Tochter des am 18.11.1999 verstorbenen "T" gen. "C", dessen Alleinerbin aufgrund eines notariell beurkundeten Testaments vom 4.1.1989 seine Ehefrau "W", die Mutter der Klägerin ist. Der Vater der Klägerin war Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs, der bis heute verpachtet ist.

Mit notarieller Urkunde vom 4.1.1989 hatte die Klägerin, wie auch ihre Schwester und ihr Bruder gegenüber ihren Eltern sowohl auf ihren gesetzlichen Erbteil wie auch auf den Pflichtteilsanspruch verzichtet. In § 2 der Verzichtserklärung wurde klar gestellt, dass das Recht ihrer Eltern, die Klägerin und ihre Geschwister zu begünstigen, durch den Verzicht nicht berührt wird. In einem ebenfalls notariell beurkundeten gemeinsamen Testament vom selben Tage setzten sich die Eltern der Klägerin gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten ihre drei Kinder zu gleichen Anteilen als Schlusserben nach dem Letztversterbenden.

Am 11.11.1999 änderten die Eltern der Klägerin vor dem Notar ihr gemeinsames Testament vom 4.1.1989 dergestalt, dass sie lediglich ihren Sohn als alleinigen Schlusserben einsetzten. Die geänderte letztwillige Verfügung enthielt für den überlebenden Ehegatten erstmals die Verpflichtung, 12 Monate nach dem Ableben des Erstversterbenden den drei Kindern als Einmalbetrag jeweils 400.000 DM vermächtnisweise zuzuwenden. Der überlebende Ehegatte war außerdem mit der Verpflichtung belastet, an die drei Kinder für einen Zeitraum von 40 Jahren eine monatliche Geldrente in Höhe von 8.000 DM, jeweils auf Lebenszeit des Berechtigten, beginnend mit dem 1. Januar des übernächsten Jahres nach dem Todeszeitpunkt des Erstversterbenden zu leisten. Die mit einer Wertsicherungsklausel versehenen Renten sollen bei vorzeitigem Ableben der Kinder an deren leibliche Abkömmlingen zu gleichen Teil gezahlt werden.

Nach dem geänderten Testament vom 11.11.1999 gehen die Rentenverpflichtungen des überlebenden Ehegatten nach Eintritt des Ersatzschlusserbenfalls auf den zum Alleinerben eingesetzte Schlusserben über. Er hat die Geldrenten in unveränderter Höhe und Laufzeit an die Klägerin und ihre Schwester weiter zu entrichten. Das geänderte Testament sieht ferner die Möglichkeit der Kapitalisierung der Renten vor und räumt dem überlebenden Ehegatten wie auch dem Schlusserben das jederzeitige Recht ein, die Zahlungsverpflichtung durch Entrichtung eines Einmalbetrags abzulösen, wobei die Kapitalisierung der Renten in Anlehnung an Anlage 9 a zu § 13 Abs. 1 Satz 1 Bewertungsgesetz (BewG) zu erfolgen hat.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie aufgrund des Vermächtnisses ihres Vaters im Streitjahr insgesamt 27.732,52 EUR erhalten habe und sie davon ausgehe, dass diese Zahlungen einkommensteuerrechtlich irrelevant seien.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass es sich um zeitlich gestreckte erbrechtliche Ansprüche handelt, die zwar nicht gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar seien; es sei jedoch der in den einzelnen Zahlungen enthaltene Zinsanteil gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen. Diesen Zinsanteil ermittelte der Beklagte dergestalt, dass es von der jährlichen Gesamtleistung die jährliche Barwertminderung (d.h. den Tilgungsanteil) abzog. Bei einem Jahreswert der nach dem Testament geschuldeten Leistung von 49.084 EUR ergab sich für das Streitjahr (unter Anwendung des Vervielfältigers nach Anlage 9 zu § 13 BewG von 16,239) eine Barwertminderung von 6.578 EUR. Den hiernach verbleibenden Zinsanteil von 42.506 EUR erfasste der Beklagte als Einnahmen der Klägerin aus Kapitalvermögen.

Hiergegen haben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben, mit der sie geltend machen, dass die Rentenzahlungen in voller Höhe nicht steuerbar seien:

Der Beklagte gehe in fehlerhafter Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG davon aus, dass in den Zahlungen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen steckten. Die Vorschrift komme jedoch nur zur Anwendung, wenn entweder die Rückzahlung von Kapitalvermögen oder ein Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung zugesagt worden sei. Beide Tatbestandsvarianten seien im Streitfall nicht erfüllt. Weder habe die Klägerin ihrer Mutter Kapital hingegeben, noch sei ein Entgelt für die Kapitalnutzung vereinbart worden. Letzteres setze voraus, dass die Klägerin auf die Dauer der Kapitalnutzung durch ihre Mutter Einfluss nehmen könne. Diese Möglichkeit habe sie jedoch gerade nicht, weil sie nach dem Testament keine vorzeitige Ablösung der Zahlungsansprüche durch Einmalzahlung verlangen könne. Könne sie die Zeitspanne, innerhalb derer das Kapital überlassen bleiben solle, nicht beeinflussen, so könne schon begrifflich nicht von einer Kapitalüberlassung ausgegangen werden. Es entstehe jeden Monat erneut ein originärer Zahlungsanspruch, der nicht zu einem Stammrecht zusammengefasst werden könne, so dass auch die einzelnen monatlichen Zahlungen als gestückelte Zahlungen eines einheitlichen Betrags betrachtet werden müssten.

Schließlich seien die Wertansätze des Beklagten auch sachlich nicht tragfähig. Es könne nicht sein, dass in dem im Streitjahr tatsächlich erhaltenen Betrag von 27.732,52 EUR ein Zinsanteil von 42.506 EUR enthalten sei.

In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ergänzend vorgetragen, dass sie für die Vermächtnisrente jährliche Raten auf die Erbschaftsteuer in Höhe von 18.000 EUR zu entrichten hätten. Unter Berücksichtigung der erbschaftsteuerlichen Belastung der Vermächtnisrente komme es im Streitfall zu einer offensichtlichen Übermaßbesteuerung.

Die Kläger beantragen,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Klägerin um 42.506 EUR reduziert werden.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Er hält unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung daran fest, dass in den wiederkehrenden Leistungen (Rentenzahlungen) ein steuerpflichtiger Zinsanteil enthalten sei, der dem Grunde und der Höhe nach zutreffend ermittelt worden sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

Der Beklagte hat den in den laufenden Rentenzahlungen enthaltenen Zinsanteil zutreffend als Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst. Anzusetzen sind allerdings lediglich die anteiligen Zinsen der im Streitjahr tatsächlich zugeflossenen Rentenbezüge.

1. Der erkennende Senat geht zunächst im Übereinstimmung mit den Verfahrensbeteiligten davon aus, dass die Vermächtnisrente nicht nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar ist.

a) Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung früher die Auffassung vertreten hatte, die als Abfindung für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht geleisteten Rentenzahlungen seien als wiederkehrende Bezüge i.S. von § 22 EStG zu behandeln (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7.4.1992 VIII R 59/89, BStBl II 1992, 809), ist diese Ansicht spätestens seit dem Urteil des X. Senats des BFH vom 20. 10.1999 X R 132/95, BStBl II 2000, 82, dem der VIII. Senat zugestimmt hat, überholt. Hiernach kann allein die Tatsache, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in Form wiederkehrender Zahlungen zu erbringen ist, deren Steuerbarkeit nicht begründen. Eine Leistung, die bei Einmalzahlung nicht der Einkommensteuer unterliegt, kann nicht allein deshalb (in voller Höhe) steuerbar werden, weil sie in Form wiederkehrender (zeitlich begrenzter oder auf Lebenszeit einer Person bezogener) Zahlungen zu erbringen ist (so schon BFH-UrteilUrteil vom 25.10. 1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121).

b) Im Streitfall liegt auch keine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen vor, die ebenfalls eine Steuerpflicht der wiederkehrenden Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG begründen würde.

aa) Die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den wiederkehrenden Bezügen (und Sonderausgaben) wird darauf gestützt, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (vgl. hierzu Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 5.7.1990 GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847 und vom 12.5.2003 GrS 1/00, BStBl II 2004, 95 ). Durch diese Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge unterscheiden sich Versorgungsleistungen nach Auffassung des BFH von Unterhaltsleistungen i.S. von § 12 Nr. 1 EStG. Sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG. Der Vermögensübergeber behält sich typischerweise Erträge seines Vermögens vor, die allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (so schon Beschluss des Großen Senats des BFH in BStBl II 1990, 847).

Das Institut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen setzt zum einen die Vermögensübergabe innerhalb des Generationsnachfolge-Verbundes voraus und zum anderen die Übertragung einer zumindest teilweise existenzsichernden Wirtschaftseinheit, mit der die Nettoerträge erzielbar sind, die zur Deckung der zugesagten Leistungen erforderlich sind (BFH-Urteil vom 16.06.2004 X R 50/01, BStBl II 2005, 130).

Allerdings müssen die Versorgungsleistungen nicht unmittelbar an den Vermögensübergeber selbst geleistet werden. So hat der BFH einer (privilegierten) Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den Fall gleichgestellt, dass Versorgungsleistungen ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung des Vermögensübergebers haben, sofern eine zum Generationennachfolge-Verbund gehörende Person statt ihres gesetzlichen Erbteils lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihr an sich zustehenden Vermögen erhält und es sich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung des Erbteils handelt. Der Vermögensübergeber kann sich somit auch im Fall einer Vermögensübergabe von Todes wegen Versorgungsleistungen für eine solche dritte Person vorbehalten. Diese Erweiterung des Rechtsinstituts beruht auf der Erwägung, dass der Vermögensübergeber in diesem Fall zwar keine eigene Versorgung benötigt, aber für das Versorgungsbedürfnis anderer von ihm abhängiger Familienmitglieder bedenken muss. Der Erblasser kann eine solche letztwillige Verfügung auch schon zu Lebzeiten im Rahmen eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrags treffen, in dem er die Erbfolge regelt und der an sich erbberechtigten Person nur einen Anspruch auf Versorgungsleistungen einräumt (so schon BFH-Urteile vom 26.11.2003 X R 11/01, BStBl II 2004, 820 undvom 26.01.1994 X R 54/92, BStBl II 1994, 633).

bb) Die Vermächtnisrente im gemeinsamen Testament vom 11.11.1999 steht in keinem sachlichen Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen; eine Qualifizierung der wiederkehrenden Bezüge als nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerpflichtige Versorgungsrente kommt damit nicht in Betracht.

Dies ergibt sich im Streitfall schon daraus, dass die Klägerin bereits am 4.1.1989 auf ihr Erb-/Pflichtteil verzichtet hat. Wiederkehrende Leistungen, die der Erbe aufgrund eines Vermächtnisses an einen Dritten zu zahlen hat, sind jedoch nur dann beim Empfänger der Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG steuerpflichtig, wenn dieser zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehört. Hierzu rechnen nach dem BFH-Urteil vom 7.3.2006 X R 12/05, BFH/NV 2006, 139 solche Personen jedoch nicht, die zu einem früheren Zeitpunkt auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet haben.

Zwar misst der Senat dem Pflichtteilsverzicht im Streitfall, wie noch darzulegen ist, eine eher formelle Bedeutung bei. Es ist jedoch auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass der Erblasser sein Vermögen der überlebenden Ehefrau mit der Auflage vermacht hat, aus den vorbehaltenen Erträgen Versorgungsleistungen an die Klägerin zu erbringen. Ob eine andere Beurteilung ab dem Zeitpunkt geboten sein könnte, ab dem der Bruder der Klägerin mit Eintritt des Schlusserbfalls diese Verpflichtungen übernehmen muss, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

2. Ist die Vermächtnisrente als solche damit nicht steuerbar, so ist jedoch der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltener Zinsanteil gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als einkommensteuerrechtlich relevanter Zuwachs von Leistungsfähigkeit zu erfassen.

a) Schuldzinsen setzen begrifflich die Überlassung von Kapital voraus, wobei der Rechtsgrund für die Überlassung des Kapitals unerheblich ist. Es kann ein Darlehensvertrag, ein Kaufvertrag aber auch ein anderer Rechtsgrund zugrunde liegen (vgl. grundlegend BFH-Urteil vom 31.10.1989 VIII R 210/83, BStBl II 1990, 532). Es muss sich lediglich um Vermögensmehrungen handeln, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung sind.

Nach ständiger Rechtsprechung, auf die auch der Beklagte seine Entscheidung stützt, enthalten wiederkehrende Leistungen, mit denen ein Vermögensanspruch erfüllt wird, regelmäßig einen Zinsanteil. Bei einer (verlängerten) Zeitrente, die die Klägerin im Streitfall bezieht, besitzt die Forderung (das Stammrecht) einen bestimmten Kapitalwert, der sich durch Abzinsung der Summe aller noch ausstehenden Teilbeträge ergibt. Jeder einzelne Teilbetrag besteht aus einem Tilgungsteil und einem Zinsanteil. Der Zinsanteil bemisst sich nach der Höhe des jeweiligen, allmählich geringer werdenden Barwerts der Rentenforderung. Daraus folgt, dass wirtschaftlich gesehen in jedem Teilbetrag, unbeschadet der steuerlichen Behandlung seines Tilgungsanteils stets auch ein Zinsanteil enthalten ist (vgl. hierzu schon BFH-Urteil vom 20.8.1970 IV 143/64, BStBl II 1970, 807 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs). Aus diesem Grund sind bei langfristiger Stundung einer privaten Forderung die geleisteten Zahlungen auch dann in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil zu zerlegen, wenn Zinsen nicht vereinbart oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen worden sind. Einer besonderen Vereinbarung über das Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG bedarf es deshalb entgegen der Auffassung der Kläger in diesen Fällen gerade nicht.

Auch das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zitierte BFH-Urteil vom 30.11.2005 I R 10/04, BFH/NV 2006, 866 stellt die vorstehenden Grundsätze nicht in Frage. Diese Entscheidung betont vielmehr ausdrücklich, dass langfristige Verbindlichkeiten grundsätzlich abzuzinsen sind; etwas anderes gilt nur, wenn sich Auszahlungs- und Rückzahlungsbetrag decken und eine Abzinsung damit ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Im Testament vom 11.11.1999 ist jedoch eine Abzinsung für den Fall der Kapitalisierung des Rentenanspruchs unter Anwendung eines Zinssatzes von 5,5 v.H. ausdrücklich vorgesehen. Diesen Rechnungszinsfuß von 5,5 v.H. wendet auch die Rechtsprechung bei Bestimmung des Zinsanteils regelmäßig an (seit BFH-UrteilUrteil vom 21.10. 1980 VIII R 190/78, BStBl II 1981, 160), sofern die Vertragspartner nicht einen höheren Rechnungszinsfuß vereinbart haben.

Der BFH hat mit Urteil vom 26.11.1992 X R 187/87, BStBl II 1993, 298 diese, vorrangig für Kaufpreisraten aufgestellten Grundsätze generell auf alle als Renten bezeichneten wiederkehrenden Leistungen erstreckt und zwar unabhängig davon, ob es sich um gleichbleibende oder schwankende Bezüge handelt. Nach Auffassung des BFH schuldet der Verpflichtete den durch Abzinsung zu ermittelnden Barwert der Forderung auf wiederkehrende Leistungen, der zugleich für die Bemessung eines etwaigen Pflichtteilsergänzungsanspruchs maßgebend ist. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung, zumal sie dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerecht wird. Denn die Klägerin erhält über die Laufzeit der Rente einen deutlich höheren Betrag als bei einer einmaligen Abfindung in Höhe des Barwerts. Deshalb überzeugt auch die in der Literatur geäußerte Kritik nicht (vgl. hierzu Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, § 20 EStG Anm. 835 mit weiteren Nachweisen).

b) Unter Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze durfte der Beklagte auch im Streitfall die in den wiederkehrenden Bezügen enthaltenen Zinsanteile als steuerpflichtige Kapitaleinnahmen erfassen. Bei verständiger Würdigung der getroffenen Vereinbarungen sind auch hier mit der Vermächtnisrente erbrechtliche Ansprüche durch wiederkehrende Leistungen erfüllt worden.

aa) Der Qualifizierung der wiederkehrenden Leistung als Erfüllung erbrechtlicher Ansprüche steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin bereits am 4.1.1989 vorbehaltlos und ohne ausdrückliche Gegenleistung auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat.

Zwar ist sie damit nach § 2346 BGB dauerhaft von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden; der Erb- und Pflichtteilsverzicht ist jedoch im Zusammenhang mit dem am selben Tag von den Eltern der Kläger errichteten gemeinsamen Testament zu bewerten, in dem die Kinder, wie bereits in § 2 der Verzichtserklärung angedeutet, zu gleichen Teilen zu testamentarischen Erben eingesetzt worden sind. Bei verständiger Würdigung der getroffenen Vereinbarungen sollte mit dem Erb- und Pflichtteilsverzicht der Abkömmlinge deshalb vorrangig bezweckt werden, dem überlebenden Ehegatten das Vermögen ungeschmälert und frei verfügbar zu belassen. Der Erb- und Pflichtteilsverzicht machte (lediglich) die in gemeinsamen Testamenten übliche sog. Verwirkungsklausel, wonach ein beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil einforderndes Kind auch beim Tod des Letztversterbenden nur auf den Pflichtteil gesetzt wird (vgl. hierzu Palandt/Edenhofer, § 2269 BGB Rdnr. 13), entbehrlich. Zugleich war mit dem Ausschluss der auf eine Geldleistung gerichteten Pflichtteilsansprüche sicher gestellt, dass der im wesentlichen aus einem landwirtschaftlichen Betrieb bestehende Nachlass nicht Liquiditätsproblemen ausgesetzt werden konnte.

Vor diesem Hintergrund erweisen sich auch die im geänderten Testament vom 11.11.1999 getroffenen Verfügungen als Regelungen zur Erfüllung erbrechtlicher Ansprüche der Klägerin und ihrer Geschwister. Diese vermögensrechtlichen Ansprüche, die nunmehr bereits mit dem Tod des Erstversterbenden entstanden, waren der Höhe nach eindeutig festgelegt. Der überlebende Ehegatte schuldete der Klägerin und ihren Geschwistern neben dem Einmalbetrag den sich durch Abzinsung zu ermittelnden Barwert der Forderung der Klägerin auf wiederkehrende Leistungen. Er war jederzeit berechtigt, die laufenden Rentenzahlungen durch Entrichtung dieses Barwerts abzulösen.

Der ausdrückliche Hinweis auf die Möglichkeit der Kapitalisierung macht zugleich deutlich, dass es sich um einen auf einen bestimmten Stichtag ermittelten einheitlichen Anspruch handelt, der nach Wahl des Verpflichteten auch verrentet werden konnte.

bb) Eine abweichende Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht deshalb geboten, weil zwar die Mutter der Klägerin den Rentenanspruch ablösen, die Klägerin selbst dagegen dessen Kapitalisierung nicht verlangen kann.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass es nach Auffassung des BFH rechtlich unerheblich ist, ob das Kapital dem Schuldner freiwillig überlassen wird oder ob dieser die Kapitalüberlassung erzwungen hat (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1993, 298). Die Steuerpflicht der Kapitalerträge steht ferner auch für den Fall außer Zweifel, dass eine langfristige verzinsliche Forderung auf den Erben übergeht, die nach den zugrunde liegenden Bedingungen nicht vorzeitig getilgt werden kann.

Der Klägerin bleibt es im übrigen unbenommen, sich mit ihrer Mutter einvernehmlich auf eine Ablösung des Rentenanspruchs zu verständigen. Es liegt nahe, dass die Beschränkung des Ablösungsrechts auf den Rentenverpflichteten ebenso wie der Pflichtteilsverzicht vorrangig dazu dienen sollten, Liquiditätsschwierigkeiten der mit den Vermächtnissen belasteten Mutter der Klägerin zu vermeiden und Notverkäufe zu verhindern.

cc) Der Senat stellt vorsorglich klar, dass es sich bei der streitigen Vermächtnisrente um keine Mehrbedarfsrente im Sinne des § 843 Abs. 1 BGB handelt, deren einzelne Zahlungen nach Ansicht der Rechtsprechung ausnahmsweise keinen Zinsanteil enthalten sollen (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 25.10.1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121 undvom 14.12.1994 X R 106/92 X R 106/92, BStBl II 1995, 410), weil die Rentenleistung hier ohne Festlegung eines einheitlichen und nachfolgend verrenteten Anspruchs nach dem unfallbedingt vermehrten Bedarf des Berechtigten ermittelt wird und jeweils den veränderten Bedürfnissen anzupassen ist. Dass die Rentenzahlungen im Streitfall nach vergleichbaren Kriterien bemessen worden sind, wird weder von den Klägern geltend gemacht, noch liegen nach Aktenlage hierfür Anhaltspunkte vor.

dd) Schließlich führt die ertragsteuerliche Erfassung des Zinsanteils der wiederkehrenden Bezüge auch unter Berücksichtigung der erbschaftsteuerlichen Belastung der Rente zu keiner Übermaßbesteuerung.

Die Vermächtnisrente ist für Zwecke der Erbschaftsteuer gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit § 13 BewG mit dem Kapitalwert anzusetzen. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG können Steuern, die vom Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen zu entrichten sind, nach Wahl des Erwerbers statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus nach dem Jahreswert entrichtet werden. Der Erwerber eines Rentenrechts oder eines Rechts auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen kann danach wählen, ob er die Steuer sofort vom Kapitalwert der Renten, Nutzungen und Leistungen oder jährlich von dem Jahreswert dieser Rechte entrichtet. Hintergrund der Regelung ist, dass der Erwerber z.B. eines Rentenrechts im Gegensatz zum Erwerber von Barvermögen den Kapitalwert des Rechts nicht sofort zur freien Verfügung hat; ein Eingriff in die Vermögenssubstanz soll ihm durch die laufende Besteuerung vom Jahreswert erspart werden.

Die Klägerin hat sich für die Besteuerung des Jahreswerts entschieden. Auch bei dieser Methode kommt es zu keiner Doppelbesteuerung, da erbschaftsteuerlich lediglich der der zeitanteilige jährliche Kapitalwert erfasst wird, der ertragsteuerlich irrelevant ist. Aber auch die gleichzeitige Belastung der Vermächtnisrente mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer führt zu keiner Übermaßbesteuerung. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Belastung der Klägerin mit Einkommen- und Erbschaftsteuer im Streitjahr die erhaltenen Rentenzahlungen übersteigt. In Hinblick auf den während der Laufzeit ständig sinkenden Zinsanteil lässt sich die tatsächliche Gesamtbelastung der Klägerin nur unter Ansatz der jeweiligen Steuerbelastung für die gesamte Laufzeit der Rente ermitteln. Bei dieser Gesamtbetrachtung zeigt sich, dass keine verfassungsrechtlich bedenkliche Übermaßbesteuerung eintritt, der gegebenenfalls durch eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO begegnet werden müsste.

3. Zu Recht machen die Kläger allerdings geltend, dass ein Rentenzufluss von insgesamt 27.732 EUR im Streitjahr nicht zu einem Kapitalertrag (Zinszufluss) in Höhe von 42.506 EUR führen kann.

a) Der Entscheidung sind die Angaben der Kläger zur Höhe der Rentenzahlungen zugrunde zu legen.

Soweit der Beklagtenvertreter erstmals in der mündlichen Verhandlung die Frage der Höhe der geleisteten Rentenzahlungen für aufklärungsbedürftig gehalten hat, sieht der Senat keine Veranlassung für weiteren Ermittlungen. Die Klägerin hat bereits bei Einreichung der Steuererklärung die Höhe des Rentenzuflusses genau beziffert, ohne dass der Beklagte diese entscheidungserheblichen Angaben bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens zu irgend einem Zeitpunkt auch nur ansatzweise in Zweifel gezogen hätte. Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben der Kläger unzutreffend sind, sind vom Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es kommt hinzu, dass die steuerliche Erfassung einer Rentennachzahlung in einem späteren Jahr sichergestellt ist.

b) Als Einnahmen aus Kapitalvermögen ist lediglich der in den Rentenzahlungen von insgesamt 27.732 EUR enthaltene Zinsanteil anzusetzen.

Im Rahmen des § 20 EStG gilt uneingeschränkt das Zuflussprinzip. Als Kapitaleinkünfte können auch bei (fiktiver) Ermittlung des in den Rentenzahlungen enthaltenen Zinsanteils nur die tatsächlich zugeflossenen Zahlungen angesetzt werden. Nach Angaben der Kläger war die Rentenkürzung durch einen Liquiditätsengpass der Mutter bedingt. Eine den Zufluss begründende Verfügung über die Forderung durch die Klägerin kann damit hinreichend sicher ausgeschlossen werden, da dies eine Stundung (Novation) im vorrangigen Interesse des Schuldners voraussetzen würde (vgl. Blümich/Glenk § 11 EStG Rdnr. 56 mit weiteren Nachweisen).

c) Der Senat hält es für sachgerecht, den Zinsanteil in Anlehnung an den sich bei Zahlung der geschuldeten Jahresleistung ergebenden Prozentsatz zu ermitteln, obwohl Anlage 9a zu § 13 BewG gleichbleibende jährliche Zahlungen unterstellt. Abgesehen davon, dass sich die durch die zeitliche Verschiebungen der Zahlungen ergebende Änderung des Vervielfältigers in Anlage 9a nur marginal ist, könnte eine exakte Ermittlung des Zinsanteils im Streitjahr allenfalls durch ein aufwendiges finanzmathematisches Gutachten erfolgen.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist auch in den verminderten Rentenzahlungen ein Tilgungsanteil enthalten. Die Regelung des § 367 Abs. 1 BGB, wonach Teilleistungen vorrangig auf Kosten und Zinsen anzurechnen sind, ist hier ohne Bedeutung.

Der Zinsanteil bei Zahlung der geschuldeten Jahresleistung beläuft sich auf 86,6 v.H. Bei Anwendung dieses relativen Anteil auch auf die tatsächlich geleisteten Zahlungen von 27.732 EUR ergibt sich im Streitjahr ein Zinsanteil von 24.016 EUR.

4. Die Einkommensteuer ist hiernach wie folgt herabzusetzen:

 Zinsanteil der Rente laut Steuerbescheid42.506 EUR
Korrigierter Zinsanteil24.016 EUR
Verminderung Einkünfte aus § 20 EStG 18.490 EUR
zu versteuerndes Einkommen laut angefochtenem Bescheid117.249 EUR
zu versteuerndes Einkommen laut Urteil98.759 EUR
Einkommensteuer laut Splittingtabelle28.324 EUR
zuzüglich Kindergeld1.848 EUR
festzusetzende Einkommensteuer30.172 EUR

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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