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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 16 Ko 441/07 KF
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 62a Abs. 1
FGO § 139 Abs. 1
FGO § 155
FGO § 91 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

16 Ko 441/07 KF

Tenor:

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die gerichtlichen Auslagen und außergerichtlichen Kosten tragen die Erinnerungsführer.

Gründe:

I.

Die Erinnerungsführer (Ef.) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. In dem finanzgerichtlichen Klageverfahren unter dem Aktenzeichen 16 K 2522/01 E wendeten sie sich gegen die Einkommensteuerfestsetzungen für 1996 und 1997. Die Klage wurde durch Urteil vom 3.11.2003 abgewiesen. Auf die darauf folgende Beschwerde der Ef. wegen Nichtzulassung der Revision durch das Finanzgericht wurde die Revision mit Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.6.2005 (Az. VI B 198/03) zugelassen. Das anschließende Revisionsverfahren wurde, nachdem zunächst am 22.5.2006 ein Gerichtsbescheid ergangen war, durch Urteil vom 21.9.2006 (Az. VI R 47/05) beendet. Dem Begehren der Ef., das Finanzamt zu verpflichten, auch bei negativen Einkünften, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, von mehr als 800 DM, eine Einkommensteuerveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durchzuführen, war (wie schon im Gerichtsbescheid) entsprochen und die Kostenlast dem Erinnerungsgegner (Eg.) auferlegt worden.

Die Ef. stellten daraufhin einen Kostenfestsetzungsantrag, der durch den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.1.2007 beschieden wurde. Darin waren erstattungsfähige Kosten in Höhe von 5.852,72 EUR festgestellt worden. Lediglich der hier streitige Betrag von 577,77 EUR führte zu einer teilweisen Ablehnung des Antrages.

Letztgenannter Betrag umfasst die Kosten (Flugkosten, zwei Übernachtungen vom 20.9. bis zum 22.9. und Bewirtung etc.), die dadurch entstanden waren, dass der Ef., obwohl nicht gesondert geladen, persönlich zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem BFH am 21.9.2006 angereist war und an der Verhandlung teilnahm (vgl. Sitzungsprotokoll des BFH vom 21.9.2006). In dem Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hierzu ausgeführt, eine Kostenerstattung komme grundsätzlich gemäß § 91 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht, soweit die Kosten für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Im Hinblick auf die fehlende Terminsladung des Ef. einerseits und den Vertretungszwang vor dem BFH andererseits sei diese Notwendigkeit im Falle der Ef. zu verneinen.

Hiergegen wenden sich die Ef. mit ihrer fristgerecht eingelegten Erinnerung vom 5.2.2007. Unter Hinweis auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Celle Beschluss vom 8.8.2003 8 W 271/03, Juristisches Büro (JurBüro) 2003, 594, des OLG Köln Beschluss vom 19.4.2006 17 W 63/06, JurBüro 2006, 599, des Landgerichts (LG) Coburg Beschluss vom 20.7.2004 41 T 75/04, JurBüro 2005, 40, des OLG Brandenburg Beschluss vom 25.5.2000 12 W 17/00, JurBüro 2000, 588, und des OLG Stuttgart in NJW-RR 1996, 1342, vertreten sie den Standpunkt, dass Reisekosten eines Beteiligten auch dann erstattungsfähig seien, wenn er anwaltlich vertreten sei und das Gericht das persönliche Erscheinen nicht angeordnet habe. Dies müsse auch dann gelten, wenn, wie vor dem BFH, Vertretungszwang bestehe. Der Sinn des Vertretungszwangs ziele nicht darauf ab, das Erscheinen der Parteien zu den Terminen zu erübrigen. Es sei überdies durchaus prozessökonomisch, wenn durch die Anwesenheit einer Partei gezielte Fragen an sie in der Verhandlung möglich seien und auch eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits unmittelbar herbeigeführt werden könne.

Die Ef. beantragen sinngemäß,

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.1.2007 dahingehend zu ändern, das weitere Kosten in Höhe von 577,77 EUR als zu erstatten festgesetzt werden.

Der Eg. beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Erinnerung (§ 149 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) ist unbegründet. Die Aufwendungen des Ef. für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem BFH am 21.9.2006 sind nicht erstattungsfähig, da sie für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht notwendig waren.

Nach 155 FGO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) und § 139 Abs. 1 FGO sind (erstattungsfähige) Kosten im Sinne der §§ 135 ff. FGO Gerichtskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Zweckentsprechend ist die Rechtsverfolgung dann, wenn ein verständiger Beteiligter die die Aufwendungen hervorrufende Maßnahme in der jeweiligen Prozesssituation als sachdienlich ansehen durfte (vgl. Loose in Tipke/ Kruse, Kommentar zur FGO § 139 Rz. 8). Notwendig sind die Aufwendungen für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung dann, wenn die sachdienliche Maßnahme ohne die Aufwendungen nicht hätte vollzogen werden können (vgl. Loose aaO. § 139 Rz. 8).

Die zivilrechtliche Rechtsprechung verfährt bezüglich der Erfordernisse der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und der Notwendigkeit der Aufwendungen nicht zuletzt im Hinblick auf die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsschutzgarantie zu Recht großzügig. Dies lässt sich auch den von den Ef. zitierten Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte entnehmen und gilt auch für die finanzgerichtliche Rechtsprechung.

Zwar beziehen sich sämtliche der vorerwähnten Entscheidungen nicht auf Verfahren vor einem höchsten Gerichtshof, bei dem, wie hier vor dem BFH (vgl. § 62 a Abs. 1 FGO), Vertretungszwang besteht. Der Vertretungszwang bewirkt, dass die Anrufung des Gerichts und weitere Prozesshandlungen von der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten abhängig sind (zur Verfassungsmäßigkeit: z.B. Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 10.9.1991 1 BvR 1076/91, JURIS und Dumke in Schwarz, Kommentar zur FGO, § 62 a Rz. 3) und hat den Zweck, eine sachgerechte Prozessführung sicherzustellen und damit zugleich eine Überlastung des BFH zu verhindern (vgl. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur FGO, § 62 a Rz. 4 und Dumke aaO. § 62 a Rz. 2). Von dem Vertretungszwang kann auch nicht im Einzelfall entbunden werden (so BFH Beschluss vom 13.6.2003 VIII B 132/03, JURIS, m.w.N.). Jedoch schließt darüber hinaus, worauf die Ef. zutreffend hinweisen, der Vertretungszwang die aktive Teilnahme des Beteiligten persönlich am Verfahren und auch an einer mündlichen Verhandlung nicht grundsätzlich aus (vgl. Dumke aaO. § 62 a Rz. 7; Vollkommer in Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 85 Rz. 7 ff.). Daher kann allein aus der Tatsache des Vertretungszwanges, ohne Berücksichtigung der weiteren Gegebenheiten des Einzelfalles, noch nicht hergeleitet werden, dass es an einem Beitrag zur zweckensprechenden Rechtsverfolgung fehlt (vgl. auch Brandis in Tipke/Kruse, Kommentar zur FGO § 139 Rz. 28: Reise zum BFH "kann" nicht notwendig sein).

Deshalb war wie in jedem Fall so auch hier das Vorliegen der an eine Kostenerstattung zu stellenden, eingangs genannten Erfordernisse einzelfallbezogen zu prüfen, wie insbesondere auch das OLG Köln in seinem Beschluss vom 19.4.2006 17 W 63/06, JurBüro 2006, 599, zum Ausdruck gebracht hat (vgl. auch Bundesverwaltungsgericht -BverwG- Beschluss vom 3.7.2000 11 A 1/99, 11 KSt 2/99, JurBüro 2000, 651, zu § 162 der Verwaltungsgerichtsordnung). Danach dürfen als äußere Grenzziehung die verursachten Kosten nicht außer Verhältnis zu den mit der Klage oder der Rechtsverteidigung verfolgten wirtschaftlichen Interessen stehen und die Anwesenheit der Partei nicht ausnahmsweise wegen ganz besonderer Umstände von vornherein als greifbar überflüssig und nutzlos angesehen werden können.

So verhält es sich aber im Falle der Ef. Es kann dabei dahinstehen, ob allgemein für Verfahren vor dem BFH die Vermutung gilt, dass die Anwesenheit der Partei als überflüssig anzusehen ist, da der BFH nicht Tatsacheninstanz, sondern ausschließlich Revisionsinstanz ist und daher keine Tatsachenfeststellungen treffen kann, zu denen naturgemäß der betroffene Beteiligte beitragen könnte. Denn jedenfalls im Revisionsverfahren der Ef. ging es für alle Beteiligten, spätestens nach dem vom BFH erlassenen Gerichtsbescheid klar erkennbar, allein um die Beantwortung einer einzelnen Rechtsfrage, nämlich um die Frage der Reichweite des § 46 EStG, von deren Beantwortung unmittelbar die Entscheidung des Rechtsstreits abhing, weshalb der BFH dann auch keine Zurückverweisung an das Finanzgericht vorgenommen, sondern selbst entschieden hat. Es ist nicht vorstellbar, welchen Nutzen in dieser Situation die Anwesenheit des Ef. für den weiteren Verlauf und den Fortgang des Verfahrens hätte haben können. Es wird auch von den Ef. nicht behauptet, dass sie in der Verhandlung vor dem BFH in irgendeiner Weise die Gelegenheit hatten, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Stattdessen haben die Ef. nur abstrakt auf denkbare prozessökonomische Vorteile einer Teilnahme nicht postulationsfähiger Kläger hingewiesen.

Die von den Ef. angeführten Gesichtspunkte der Prozessökonomie mögen im Einzelfall nicht völlig auszuschließen sein. Vorliegend ist der Hinweis der Ef. hingegen rein theoretischer Natur. Denn weder war zu erwarten, dass entscheidungserhebliche Aspekte -gemeint sein können nur Erläuterungen zum Tatbestand- durch gezielte Nachfrage bei der anwesenden Partei sofort geklärt werden können, noch dass es zu einer gütlichen Einigung oder einer Revisionsrücknahme, die wieder nur von dem Prozessvertreter hätte erklärt werden können, kommt. Die zu klärende Rechtsfrage ließ keinen Spielraum für eine gütliche Einigung, der Tatbestand war geklärt und nach Ergehen des Gerichtsbescheides des BFH war eine Revisionsrücknahme nahezu ausgeschlossen.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Ef. als Verfahrensbeteiligter und als der von dem Verfahren vor allem wirtschaftlich Betroffene ein unbestreitbares Interesse daran hatte, auch der entscheidenden Verhandlung vor dem BFH beizuwohnen. An dieses Interesse knüpft jedoch nicht notwendig ein Anspruch auf Kostenerstattung. Letzteres würde nur gelten, wenn sich aus dem Interesse, die Verhandlung persönlich zu verfolgen, auch ein Interesse an der weiteren Förderung des Verfahrens und der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ableiten ließe.

Inwieweit die geltend gemachten Aufwendungen der Höhe nach erstattungsfähig wären, kann infolgedessen dahingestellt bleiben.

Die Gerichtsgebührenfreiheit beruht auf § 66 Abs. 8 des Gerichtskostengesetzes. Die Entscheidung über die gerichtlichen Auslagen und die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Kommentar zur FGO § 149 Rz. 23).

Ende der Entscheidung

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