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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 17 K 4552/06 E
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 122 Abs. 2
FGO § 47 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

17 K 4552/06 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über den Zugang einer Einspruchsentscheidung sowie über die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden.

Im Anschluss an eine Fahndungsprüfung des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A erließ der Beklagte (das Finanzamt FA ) gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann u.a. geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1987 - 1995 und 1998.

Die Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung war an den damaligen und jetzigen Bevollmächtigten der Klägerin adressiert. Laut "Verfügung zur Einspruchsentscheidung" ist die Einspruchsentscheidung dem Vertreter am 12.05.2005 mit einfachem Brief übersandt worden.

Ebenfalls am 12.05.2005 wurde der Klägerin und ihrem Ehemann unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom gleichen Tage die Beendigung der Aussetzung der Vollziehung mitgeteilt. Am 21.07.2005 erließ das FA - wiederum unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 - einen Bescheid über Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer für die Streitjahre. Ferner ergingen am 02.09.2005 insgesamt drei Bescheide über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer betreffend die Eheleute und zur Umsatzsteuer betreffend die Klägerin bzw. den Kläger. Laut Postaufgabevermerken sind die Schreiben am gleichen Tag zur Post gegeben worden. Sämtliche Schreiben waren an den jetzigen Bevollmächtigten der Klägerin adressiert.

Anlässlich von Vollstreckungsmaßnahmen suchte die Klägerin am 10.11.2006 das FA auf. Dort wurde ihr am 16.11.2006 eine Kopie der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 ausgehändigt.

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Klage geltend, im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen habe sie sich am 10.11.2006 zum FA begeben und dort erstmals erfahren, dass eine Einspruchsentscheidung ergangen sei. Da ihr erst zu diesem Zeitpunkt eine Kopie der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 ausgehändigt worden sei, sei die Klagefrist eingehalten. Der Bevollmächtigte habe die Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 nicht erhalten. Dieser habe im Übrigen im Rahmen einer Vollstreckungsmaßnahme dem FA schon einmal mit Schreiben vom 04.10.2005 mitgeteilt, dass eine Einspruchsentscheidung nicht vorliege und um Überprüfung gebeten. Auch danach sei eine Einspruchsentscheidung nicht zugegangen. Der Steuerfestsetzung lägen geschätzte Einkünfte aus einem gewerblichen Gebrauchtwarenhandel zugrunde. Diesen Handel habe allein ihr Ehemann geführt. Ihr seien die geschätzten Gewinne zu Unrecht hälftig zugerechnet worden. Die Schätzung sei zudem überhöht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 20.11.2006 und 05.01.2007 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die geänderten Einkommensteuerbescheide 1987 - 1995 und 1998 vom 01.10. und 02.10.2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt das FA aus, es sei zweifelhaft, ob die Klägerin tatsächlich erst am 10.11.2006 von der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 erfahren habe. Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung seien dem Bevollmächtigten noch der Bescheid betreffend Aussetzungszinsen sowie drei Bescheide über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen für die Streitjahre zugegangen. Sofern dem Bevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt die Einspruchsentscheidung tatsächlich noch nicht bekannt gewesen sei, hätte dieser allen Anlass gehabt, auf die nicht vorliegende Einspruchsentscheidung hinzuweisen. Dass dies nicht geschehen sei, lasse den Schluss zu, dass der Bevollmächtigte die Einspruchsentscheidung tatsächlich erhalten habe. Ein Schreiben vom 04.10.2005, in dem auf die fehlende Einspruchsentscheidung hingewiesen worden sein solle, liege nicht vor. Unabhängig davon sei es im Rahmen der durchgeführten Zusammenveranlagung der Klägerin mit ihrem Ehemann unbeachtlich, wem die strittigen Einkünfte zugerechnet worden seien.

Das Gericht hat die Steuerakten des FA zum Verfahren beigezogen.

Die Klage ist unzulässig.

Die Klage ist nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist von einem Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-) eingelegt worden. Die Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 ist dem Bevollmächtigten im Mai 2005 zugegangen. Der Einwand des Bevollmächtigten, die Einspruchentscheidung nicht erhalten zu haben, ist unglaubhaft.

Zur Überzeugung des Gerichts (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) steht fest, dass dem Bevollmächtigten der Klägerin die Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 noch im selben Monat zugegangen ist. Die am 22.11.2006 erhobene Klage ist somit verspätet.

Nach § 122 Abs. 2 Abgabenordnung AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, als am 3. Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes nachzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- kann der Beweis über den Zugang des Verwaltungsaktes auf Indizien gestützt werden (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2003 X R 17/99, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 2003, 4031). Danach können bestimmte Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen bzw. seines Bevollmächtigten innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung eines Bescheides im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung vom Gericht im Wege der freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO dahingehend gewürdigt werden, dass ein Bescheid tatsächlich zugegangen ist. Auf den sogenannten Anscheinsbeweis kann der Zugangsnachweis nach § 122 Abs. 2 AO hingegen nicht gestützt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 14.03.1989 VII R 75/85, Bundessteuerblatt II 1989, 534).

Im Streitfall sprechen mehrere Indizien dafür, dass dem Bevollmächtigten die Einspruchsentscheidung vom 12.05.2005 tatsächlich zugegangen ist.

Der Bevollmächtigte hat nicht bestritten, dass ihm das Schreiben des Finanzamts vom 12.05.2005 betreffend die Beendigung der Aussetzung der Vollziehung, der Bescheid vom 21.07.2005 über Aussetzungszinsen mit Hinweis auf die ergangene Einspruchsentscheidung und drei Bescheide vom 02.09.2005 über Festsetzung von Hinterziehungszinsen zugegangen sind. Er hat insoweit lediglich auf eine angeblich "äußerst umfangreiche und dubiose Aktenlage" hingewiesen.

Bei dieser Sachlage geht das Gericht davon aus, dass dem Bevollmächtigten die vorbezeichneten Schreiben des FA zugegangen sind. Der Bevollmächtigte der Klägerin hätte deshalb bei tatsächlichem Nichtzugang der Einspruchsentscheidung allen Anlass gehabt, gegen die Bescheide über die Festsetzung von Aussetzungs- und Hinterziehungszinsen vorzugehen und auf die Nichtbekanntgabe der Einspruchsentscheidung hinzuweisen. Dass dies nicht geschehen ist, lässt nach Auffassung des Senats nur den Schluss zu, dass auch die Einspruchsentscheidung dem Bevollmächtigten zugegangen ist. Diese wirksame Bekanntgabe an den Bevollmächtigten muss sich die Klägerin zurechnen lassen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Bevollmächtigte vorgetragen hat, er habe dem FA schon einmal in einem Schreiben vom 04.10.2005 mitgeteilt, dass eine Einspruchsentscheidung nicht vorliege. Dieses Vorbringen hat der Bevollmächtigte nicht glaubhaft gemacht bzw. nachgewiesen. Er hat weder eine Kopie dieses Schreibens vorgelegt noch ist er auf den Einwand des FA, ein solches Schreiben liege der Finanzbehörde nicht vor, eingegangen. In Anbetracht aller Umstände des Einzelfalles kann der diesbezügliche Sachvortrag daher nur als Schutzbehauptung gewertet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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