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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.12.1999
Aktenzeichen: 18 K 816/96 AO
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 233a Abs. 1 S. 2
AO § 233a Abs. 5 S. 2
AO § 236 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

18 K 816/96 AO

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Kläger wurden in den Streitjahren 1989 bis 1991 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

In den Einkommensteuererklärungen 1989 und 1990 gab der Kläger Einnahmen aus einem Dienstverhältnis bei dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland in Höhe von 162.221 DM (1989) und 152.424 DM (1990) und hierauf anzurechnende Lohnsteuern von 66.984,10 DM (1989) und 69.987 DM (1990) an. Der Beklagte folgte den Angaben und setzte die Einkommensteuer für 1989 auf 123.584 DM und für 1990 auf 108.450 DM fest (Bescheide vom 26.03.1990 bzw. 19.11.1992).

Von 1989 bis November 1993 führten der Kläger und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche einen Rechtsstreit darüber, ob dem Kläger in den Jahren 1989 und 1990 ein Anspruch auf den o. g. Arbeitslohn zugestanden habe. Dieser Prozess endete zu Lasten des Klägers, der daraufhin den für 1989 und 1990 gezahlten Nettoarbeitslohn größtenteils an das Diakonische Werk zurückzahlte. Die Lohnsteuerabzugsbeträge erhielt das Diakonische Werk vom Betriebsstättenfinanzamt - wie in der an den Kläger gerichteten Anrufungsauskunft vom 28.09.1989 bestätigt - zurück.

Im Hinblick auf den anhängigen Zivilrechtsstreit des Klägers mit dem Diakonischen Werk über das Vorliegen von Arbeitslohn waren die Steuerfestsetzungen 1989 und 1990 antragsgemäß nach § 165 Abgabenordnung -AO- vorläufig durchgeführt worden und standen darüber hinaus unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit Schreiben vom 26.12.1993 (1989) bzw. 26.08.1994 (1990) beantragten die Kläger angesichts der zu erwartenden Erstattungsansprüche die Umbuchung dieser Beträge auf das Grunderwerbsteuerkonto der Klägerin beim Finanzamt "A". Außerdem beantragten sie mit Schreiben vom 26.08.1994 (1990) und 03.09.1994 (1989), die Steuerfestsetzungen 1989 und 1990 zu ändern, weil der Arbeitslohn und die hierauf entfallende Lohnsteuer erheblich reduziert bzw. auf Null gestellt worden seien. Zum Nachweis reichten sie geänderte Lohnsteuerbescheinigungen für 1989 und 1990 ein, deren Angaben vom Betriebsstättenfinanzamt bestätigt wurden. Hiernach führten berichtigte Lohnsteueranmeldungen des Diakonischen Werkes zu Arbeitslohn für 1989 von 21.511,89 DM und für 1990 von 0 DM sowie zu anzurechnender Lohnsteuer für 1989 von 8.729,70 DM. Daraufhin setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 1989 auf 51.628 DM und für 1990 auf 35.364 DM herab (Bescheide vom 24.11.1994). Diese geänderten Steuerfestsetzungen führten zu Einkommensteuererstattungsansprüchen für 1989 von 11.474,16 DM und für 1990 von 267,21 DM. Außerdem setzte der Beklagte Erstattungszinsen für 1989 von 2.881 DM sowie für 1990 von 241 DM (Zinserstattungsanspruch von 469 DM) fest.

Aufgrund weiterer Änderungen der Steuerfestsetzung für 1989 erhöhte der Beklagte die Erstattungszinsen zunächst auf 3.534 DM (Bescheid vom 12.01.1995); nach Abschluss einer Betriebsprüfung reduzierte er mit Bescheiden vom 14.07.1995 die Erstattungszinsen um 792 DM auf 2.742 DM, für 1990 setzte er nunmehr Nachzahlungszinsen von 168 DM fest (Zinsnachzahlungsanspruch von 409 DM). Der bislang für 1989 und 1990 bestehende Vorbehalt der Nachprüfung wurde nunmehr aufgehoben.

Mit Bescheid vom 26.09.1994 hatte der Beklagte die Einkommensteuer 1991 auf 72.714 DM und Nachzahlungszinsen von 2.771 DM festgesetzt, die mit Einspruchsentscheidung vom 19.10.1995 auf 2.745 DM vermindert wurden.

Gegen die Zinsfestsetzungen für 1989 bis 1991 vom 26.09.1994 (1991) bzw. 14.07.1995 (1989 und 1990) erhoben die Kläger Einspruch (Schreiben vom 10.10.1994 bzw. 24.07.1995). Sie waren der Ansicht, die Zinsfestsetzung für 1991 sei nicht gerechtfertigt und aufzuheben, weil der Steuerforderung des Finanzamtes für 1991 die Erstattungsansprüche aus 1989 und 1990 gegenüberstünden, die sich wegen der Rückzahlung der Arbeitslöhne und Steuerabzugsbeträge im Jahr 1993 ergäben. Das Finanzamt habe im Wege des Lohnsteuerabzugs einen Betrag von ca. 128.000 DM für den Zeitraum von 1989 bis 1993 zu Unrecht einbehalten, so dass bei dem Finanzamt kein Zinsnachteil, sondern vielmehr ein Zinsvorteil entstanden sei. Die Zinsfestsetzung für 1991 sowie Zinsreduzierung für 1989 (um 792 DM) und 1990 (um 409 DM) seien unverhältnismäßig und stellten eine Abgabenübererhebung dar.

Der Beklagte wies mit Einspruchsentscheidung vom 08.01.1996 den Einspruch als unbegründet zurück. Nach seiner Ansicht wurden die Zinsen zur Einkommensteuer 1989 bis 1991 dem Grunde und der Höhe nach zutreffend festgesetzt. Maßgebend für die Zinsberechnung seien nicht die Lohnsteuerabzugsbeträge; hierbei sei ausschließlich auf die festgesetzte Einkommensteuer abzustellen, vermindert um diese Steuerabzugsbeträge. Die dem Arbeitgeber obliegende Anmeldung, Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuern gehörten zu einem separaten, von der Einkommensteuerfestsetzung unabhängigen Verfahren. Eine Verzinsung der zurückgezahlten Lohnsteuer müsse daher in diesem Verfahren erfolgen, sei aber ausdrücklich durch § 233a Abs. 1 Satz 2 AO ausgeschlossen. Die von den Klägern begehrten Zinsfestsetzungen seien gesetzlich nicht vorgesehen. Anhaltspunkte für eine doppelte Abgabenerhebung bzw. Abgabenüberhebung seien nicht ersichtlich. Die Rückzahlung des Arbeitslohnes habe 1989 und 1990 die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und damit die Einkommmensteuer vermindert; Zinsen zu Gunsten des Finanzamtes seien insoweit nicht festgesetzt worden.

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger sind der Ansicht, der Beklagte habe die Einkommensteuerherabsetzung für 1989 und 1990 unzutreffend dargestellt und dementsprechend die Zinsen falsch berechnet. Angesichts des Liqiditätsvorteils des Finanzamts seien die zu viel gezahlten Lohnsteuerbeträge für 1989 von ca. 58.200 DM und für 1990 von ca. 70.000 DM zu verzinsen. Hierzu haben die Kläger Übersichten über die Kapitalbeträge und deren Entwicklung eingereicht. Bei der Festsetzung von Zinsen seien insbesondere der Gleichheitsgrundsatz, das Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip, die wirtschaftliche Betrachtungsweise sowie Treu und Glauben zu beachten. Ein Anspruch auf Verzinsung in der begehrten Höhe ergebe sich nicht nur aus § 233a AO, sondern auch aus § 236 AO, weil aufgrund eines von 1989 bis 1993 rechtshängigen Zivilverfahrens die vorläufig festgesetzten Einkommensteuern 1989 und 1990 reduziert worden seien. Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen für 1991 sei aufzuheben, weil diese Zinsen mit den auf die Lohnsteuerbeträge von ca. 128.000 DM entfallenden Zinsen zu verrechnen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervorbringens wird auf die Schriftsätze vom 25.10.1999 und 09.10.1999 verwiesen.

Die Kläger beantragen,

die Zinsfestsetzungsbescheide 1989 und 1990 jeweils vom 14.07.1995 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.01.1996 in der Weise zu ändern, dass die festzusetzenden Zinsen unter Erhöhung der Bemessungsgrundlage um alle in den ursprünglichen Bescheiden berücksichtigten Lohnsteuern des Ehemannes, die an das Diakonische Werk erstattet worden sind, erhöht werden,

den Zinsbescheid für die Einkommensteuer 1991 vom 26.09.1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.1995 in der Weise zu ändern, dass die aus dem Klageantrag zu 1). hervorgehenden Zinsen angerechnet werden,

hilfsweise

die Revision zuzulassen,

weiter hilfsweise

Schriftsatznachlass zur Darlegung der Hintergründe der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit dem Diakonischen Werk .

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im Klageverfahren und die vom Gericht beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Verzinsung der in 1989 und 1990 angerechneten Lohnsteuerabzugsbeträge von ca. 128.000 DM. Die Abgabenordnung sieht hierfür keine Anspruchsgrundlage vor. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen deswegen nicht.

Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO sind Erstattungs- und Vergütungsansprüche zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zum einen wurde die festgesetzte Steuer nicht durch eine gerichtliche Entscheidung herabgesetzt. Zum anderen scheidet eine Verzinsung nach § 236 Abs.1 Satz 1, 2. Alternative AO aus. Dieser Zinstatbestand setzt Erstattungsansprüche voraus, die als solche rechtshängig waren. Eine Steuer wird nur dann "auf Grund" einer gerichtlichen Entscheidung herabgesetzt, wenn die Finanzbehörde die Steuer nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das Gericht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO weisungsgemäß festsetzt. Der Gesetzgeber wollte nicht die Fälle erfassen, in denen die Erstattung lediglich mittelbare Folge einer gerichtlichen Entscheidung ist (Urteile des Bundesfinanzhofsvom 2. März 1988 I R 72/84, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen -BFH/NV- 1988, 619;vom 16. Dezember 1987 I R 350/83, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1988, 600; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 5. November 1999 18 K 4154/96 AO). Hiernach sind im Streitfall keine Prozesszinsen festzusetzen. Die Entscheidung des Zivilgerichts wirkte sich auf die Steuerfestsetzung nur mittelbar aus. Steuerbescheide (Steueranmeldungen) für 1989 und 1990 wurden weder von den Klägern noch vom Diakonischen Werk angefochten.

Eine Verzinsung der Lohnsteuerbeträge lässt sich auch nicht aus § 233a AO herleiten. Maßgebend für die Zinsberechnung ist - wie im Streitfall - bei einer Änderung der Steuerfestsetzung lediglich der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten (Einkommen-) Steuer und der vorher festgesetzten (Einkommen-) Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden (Lohn-) Steuerabzugsbeträge (§ 233a Abs. 5 Satz 2 AO). Hiernach ist eine gesonderte Verzinsung von Lohnsteuerabzugsbeträgen nicht vorgesehen. Eine solche Verzinsung wird zudem durch § 233a Abs. 1 Satz 2 AO ausdrücklich ausgeschlossen. Demgemäß kann offen bleiben, ob ein solcher Zinsanspruch dem Diakonischen Werk, das die Lohnsteuerabzugsbeträge angemeldet und abgeführt hat, zugestanden hätte.

Angesichts der klaren Rechtslage kommt es im Streitfall nicht auf die Darlegung der Hintergründe der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit dem Diakonischen Werk an.

Auch hinsichtlich der Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1991 ist die Klage unbegründet. Da die Kläger für 1989 und 1990 keinen Anspruch auf Verzinsung der Lohnsteuerabzugsbeträge haben und damit keine weiteren Erstattungszinsen festzusetzen sind, scheidet eine Anrechnung auf die Nachzahlungszinsen aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs abweicht.

Für eine förmliche Verbindung der Verfahren 18 K 816/96 AO, 18 K 3941/95 AO, 18 K 2941/96 AO und 18 K 4228/99 AO nach § 73 FGO sieht der Senat keinen Anlass. Die Verfahren betreffen unterschiedliche Rechtsfragen; die Beteiligten sind nicht identisch. Durch die Verhandlung vor demselben Senat am selben Tag wurde indessen der von den Klägern begehrten Zusammenschau aller Verfahren Rechnung getragen.



Ende der Entscheidung

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