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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 18 V 4332/06 A(U)
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 6 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

18 V 4332/06 A(U)

Tenor:

Der Beschluss vom 27.10.2006 in dem Verfahren 18 V 3174/06 A(U) wird dahin abgeändert, dass die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2004 vom 29.6.2006, der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für das erste und zwei Quartal 2005 vom 23.6.2006 sowie des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides für das dritte Quartal 2005 vom 30.6.2005 bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt wird.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I. Die Antragstellerin ist eine GmbH, die mehrere Sonnenstudios betreibt. Bei einer Umsatzsteuersonderprüfung für das Kalenderjahr 2004 und die Voranmeldungszeiträume Januar bis September 2005 im Jahr 2006 stellte die Prüferin u.a. Buchführungsmängel fest: Ein betriebliches Bankkonto sei nicht Bestandteil der Buchführung gewesen. Einnahmen seien nicht täglich ermittelt worden, es fehlten tageweise Einnahmen, aus der Kasse ergäben sich Kassenfehlbeträge. Weiterhin seien für einzelne Sonnenstudios keine Preislisten etc. vorgelegt worden, aus denen sich Preise, Durchschnittsbesonnungszeiten oder Sonderangebote ergäben; z.T. fehlten Tagesendsummenbons der elektronischen Registrierkasse. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 13 ff. des Umsatzsteuersonderprüfungsberichts vom 2.5.2006 Bezug genommen.

Die Prüferin schätzte deshalb die Tageseinnahmen der Sonnenstudios im Jahr 2004 aufgrund einer Kalkulation auf der Grundlage des Stromverbrauchs der Sonnenbänke. Dabei ging sie zunächst von einem Erlös je kWh von 1,85 EUR aus. Für das Jahr 2005 ging sie demgegenüber hinsichtlich der Studios "A" und "B" von einem Monatsumsatz von 15.000 EUR je Sonnenstudio aus, da keine Unterlagen über den Stromverbrauch vorgelegt worden seien.

Gegen die nach der Umsatzsteuersonderprüfung ergangenen Änderungsbescheide (Umsatzsteuer 2004 sowie Vorauszahlungen erstes bis drittes Quartal 2005) legte die Antragstellerin Einspruch ein. Der Antragsgegner setzte die Vollziehung der Bescheide insoweit aus, als er bei der Kalkulation für Zwecke der Aussetzung von einem Bruttoerlös von 1,44 EUR je kWh ausging und im Jahr 2005 bei den geschätzten Erlösen einen Abschlag von 15% berücksichtigte.

Aufgrund des bei Gericht gestellten Aussetzungsantrages setzte der Senat mit Beschluss vom 27.10.2006 (18 V 3174/06 A(U)) die Vollziehung der Bescheide darüber hinaus im Hinblick auf andere streitige Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung aus. Der Senat verneinte allerdings ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zuschätzungen wegen der Buchführungsmängel.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr die Abänderung dieses Beschlusses im Hinblick auf die Zuschätzungen nach der Umsatzsteuersonderprüfung. Sie trägt vor: Die Einzahlungen zur Deckung von Fehlbeträgen seien aus Privatgeldern aus einem Nachlass und aus den Erlösen für den Verkauf eines Sonnenstudios getätigt worden. Die Geschäftsführerin habe von Rücklagen gelebt. Ab dem 31.1.2005 seien keine Chipkarten ausgegeben worden, vielmehr hätte die Antragstellerin einen Einheitspreis von 4,99 EUR pro Besonnung bis zu einer halben Stunde berechnet. Demgegenüber habe die Prüferin und ihr folgend der Senat in dem Aussetzungsbeschluss unzutreffend angenommen, dass die Sonnenstudios die Besonnung ab einem Preis von 4,99 EUR angeboten hätten. Dieser Umstand zeige, dass der vom Antragsgegner ermittelte Bruttoerlös pro Stunde Betriebszeit, der 20,16 EUR betrage, unrealistisch sei. Der Stromverbrauch hätte sich unter "Zuhilfenahme der RWE" für jede einzelne Bank ermitteln lassen. Schließlich rügt die Antragstellerin, dass dem Gericht nicht sämtliche, insb. nicht die von der Steuerfahndung beschlagnahmten Unterlagen, vorgelegt worden seien. Die Antragstellerin ist zudem der Auffassung, die Änderungsbescheide seien nichtig.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss vom 27.10.2006 abzuändern und die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auch im Hinblick auf die Hinzuschätzungen auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner hält den Antrag für unzulässig, weil die Antragstellerin nur die bereits bekannten Argumente wiederhole.

Die Antragstellerin hat zur Glaubhaftmachung ihres Vortrages zur Preisgestaltung mehrere Anzeigen eingereicht, auf die Bezug genommen wird (Bl. 39 bis 43 d.A.). Der Senat hat von dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung eine Aufstellung der beschlagnahmten Unterlagen angefordert. Auf die Aufstellung (Bl. 46 d.A.) wird Bezug genommen.

II. Der Antrag ist zulässig und begründet. Gem. § 69 Abs. 6 S. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann jeder Beteiligte die Änderung eines Aussetzungsbeschlusses wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

1. Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin hat zumindest im Hinblick auf die Preisgestaltung Unterlagen (Kopien von Anzeigen) vorgelegt, die dem Senat bei der Vorentscheidung nicht bekannt waren. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin diese Unterlagen schuldhaft im ursprünglichen Verfahren nicht beigebracht hätte.

2. Es bestehen unter Berücksichtigung dieser Unterlagen nunmehr ernstliche Zweifel an der Höhe der Zuschätzungen.

a) Der Senat ist in seinem Aussetzungsbeschluss vom 27.10.2006 davon ausgegangen, dass es sich bei dem Preis von 4,99 EUR um das günstigste Angebot der Sonnenstudios handelte. Die jetzt vorliegenden Kopien von Anzeigen sprechen jedoch für den Vortrag der Antragstellerin, dass der Preis von 4,99 EUR für jede Bank und eine Besonnungszeit von bis zu 30 Minuten berechnet wurde. Aus den vorliegenden Unterlagen lässt sich bei summarischer Prüfung demgegenüber nicht erkennen, wie die Prüferin zu der davon abweichenden Feststellung gekommen ist, dass es sich bei dem Preis von 4,99 EUR um das günstigste Angebote handelte (Tz. 14 a des Berichts). Auf dieser Basis ist die Argumentation der Antragstellerin, dass sich bei dieser Preisgestaltung und bei einem Verbrauch von 14 kWh ein Erlös von 20,16 EUR je Betriebsstunde nicht erzielen lasse, zumindest nachvollziehbar. Der Antragsgegner wird die nunmehr vorgelegten Unterlagen zu berücksichtigen haben und genauere Feststellungen zu den Preisgestaltungen, dem Stromverbrauch der Bänke und der durchschnittlichen Nutzungsdauer treffen müssen.

b) Die Ergebnisse, die sich unter Berücksichtigung dieses offenbar ab 2005 praktizierten Preismodells ergeben, dürften auch zur Überprüfung der Kalkulation für das Jahr 2004 geeignet sein, in dem die Antragstellerin noch Chipkarten eingesetzt hat, bei deren Einsatz zu prüfen ist, ob ein hinreichend aussagekräftiger Zusammenhang zwischen den Erlösen und dem Stromverbrauch besteht.

c) Angesichts dieses Umstandes bestehen ebenfalls ernstliche Zweifel an der pauschalen Schätzung des Monats-Umsatzes mit 15.000 EUR im Jahr 2005 (Studios "A" und "B"). Der Senat geht dabei davon aus, dass der Stromverbrauch auch für diese Sonnenstudios im Einspruchsverfahren noch ermittelt werden kann und eine genauere Kalkulation ermöglichen wird. Selbstverständlich ist die Antragstellerin dabei zur Mitwirkung verpflichtet.

3. Im Ergebnis ist somit die Vollziehung der angefochtenen Änderungsbescheide vollumfänglich auszusetzen. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass dem Grunde nach weiterhin keine ernstliche Zweifel an der Schätzungsbefugnis des Antragsgegners bestehen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO; die Beschwerde war nicht zuzulassen (§§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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