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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: 2 K 1344/05 E
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 163
EStG § 33a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

2 K 1344/05 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob Zahlungen des Klägers auf Unterhaltsrückstände an seine nichteheliche Tochter im Streitjahr 2000 im Rahmen einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 der Abgabenordnung (AO) zu berücksichtigen sind.

Das Amtsgericht C stellte mit Urteil vom 08.04.1987 ( Az ) fest, dass der Kläger der Vater der am 04.03.1979 nichtehelich geborenen "O" ist. Gleichzeitig wurde er verurteilt, an seine Tochter "O" vom Tage der Geburt an bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu Händen des gesetzlichen Vertreters den Regelunterhalt monatlich im Voraus zu zahlen. Außerdem setzte das Amtsgericht C mit Beschluss vom 16.03.1989 ( Az ) den vom Kläger an seine Tochter zu zahlenden Regelunterhalt nach der Regelunterhaltsverordnung neu fest. Wegen der Höhe der Festsetzungsbeträge wird auf den Inhalt dieses Beschlusses hingewiesen.

In der Vergangenheit war der Kläger seiner Unterhaltspflicht gegenüber "O" nur teilweise nachgekommen. Nach deren Volljährigkeit wandten sich die Rechtsanwälte "J" im Jahre 1999 an den Kläger und machten ihm gegenüber einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 31.323,75 DM abzüglich eines vorrangigen Anspruchs des Sozialamtes in Höhe von 2.221,58 DM, insgesamt also 29.102,17 DM, geltend. Nach Verhandlungen einigten sich der Kläger und seine Tochter am 17.02.2000 außergerichtlich vergleichsweise dahingehend, dass der Kläger einen Betrag in Höhe von 9.000,-- DM bis zum 15.03.2000 zahlen sollte. Seiner Zahlungsverpflichtung aus dem Vergleich kam der Kläger fristgerecht nach.

"O" hatte vom 01.08.1997 bis 31.01.2000 eine Ausbildung zur Bürokauffrau bei den Krankenhäusern "T" in "C-Stadt" absolviert. Am 31.01.2000 hatte sie vor dem Prüfungsausschuss der Industrie- und Handelskammer zu "C-Stadt" die Abschlussprüfung bestanden. Für den Monat Januar 2000 hatte sie eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 1.300,42 DM brutto (1.030,02 DM netto) erhalten. Anschließend wurde sie dort in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 machte der Kläger insbesondere die Zahlung aus dem Unterhaltsvergleich in Höhe von 9.000,-- DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ließ der Beklagte diese Zahlung unberücksichtigt. Dies begründete er damit, dass diese Aufwendungen des Klägers für dessen Tochter durch den Kinderfreibetrag oder das Kindergeld abgegolten seien, auch wenn der Kinderfreibetrag oder das Kindergeld einer anderen Person zustünde. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Die hiergegen erhobene Klage hatte in Höhe von 92,-- DM Erfolg. Im Übrigen wurde sie abgewiesen (Urteil vom 05.05.2004 2 K 5772/01 E). Das Gericht führte hierzu aus, dass nur für den Monat Januar die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG gegeben seien, weil der Kläger an seine nichteheliche Tochter, die sich im Januar 2000 noch in einer Ausbildung befunden habe, Unterhalt gezahlt habe. Darüber hinaus komme ein Abzug der Unterhaltszahlung nach § 33 a Abs. 1 EStG für die Monate ab Februar 2000 wegen der Höhe der anrechenbaren Einkünfte der Tochter nicht in Betracht. Ferner scheide ein Abzug der im Streitjahr geleisteten Unterhaltsnachzahlung auch nach § 33 Abs. 1 und 2 EStG als außergewöhnliche Belastung aus, da sie nicht zwangsläufig erfolgt sei. Eine Zwangsläufigkeit von Aufwendungen sei nur dann gegeben, wenn rechtliche, sittliche oder tatsächliche Gründe von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirkten, dass er ihnen nicht auszuweichen vermöge. Solche besonderen Umstände hätten im Streitfall bei der Unterhaltsnachzahlung nicht vorgelegen. Ob der Kläger schließlich einen Anspruch auf eine steuermindernde Berücksichtigung der nachgezahlten Unterhaltsaufwendungen unter Billigkeitsgesichtspunkten habe, sei im vorliegenden Klageverfahren nicht zu prüfen. In diesem Zusammenhang wies das Gericht auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 07.11.2000 III R 23/98 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2001, 338, 342), vom 29.11.1991 III R 191/90 (BStBl II 1992, 293, 295) und vom 28.11.1980 VI R 226/77 (BStBl II 1981, 319, 321) hin.

Unter Bezugnahme auf das Urteil des Finanzgerichts beantragte der Kläger mit Schreiben vom 23.08.2004, die von ihm im Streitjahr geleisteten Zahlungen auf Unterhaltsrückstände in Höhe von 9.000,-- DM unter Billigkeitsgesichtspunkten in vollem Umfang zu berücksichtigen. Tatsächlich sei es so, dass erstmals mit dem Beschluss des Amtsgerichts C im Jahr 1989 der zu zahlende Unterhalt ab Geburt des Kindes festgesetzt worden sei. Aus den Jahresausgleichsbescheiden und Arbeitslosengeldbescheinigungen folge, dass er - der Kläger - in der Zeit von 1989 bis 1994 gerade so viel verdient habe, dass er den jeweils geltenden Selbstbehalt nach der sog. Düsseldorfer Tabelle habe erwirtschaften können. Daneben habe er allerdings auch zum größten Teil den laufenden Mindestunterhalt gezahlt. Bis einschließlich 1998 hätten sich seine Einkommensverhältnisse nicht verbessert. Erst ausweislich der Steuerbescheide für 1999 und 2000 habe er deutlich höhere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, um einerseits den laufenden Unterhalt zu befriedigen, andererseits den ab Geburt des Kindes nachzuzahlenden Unterhalt durch einen Betrag von 9.000,-- DM abzufinden. Er sei in der Vergangenheit nicht in den Genuss steuerlicher Vorteile im Hinblick auf Unterhaltszahlungen an seine Tochter gelangt. Er habe weder einen Kinderfreibetrag erhalten noch seien Unterhaltsleistungen bei der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigt worden. Daher entspreche es der Billigkeit, die einmalige Zahlung in Höhe von 9.000,-- DM bei der Veranlagung für das Streitjahr mindernd in Ansatz zu bringen.

Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 09.09.2004 ab. Der hiergegen erhobene Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 10.03.2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, Steuern könnten nach § 163 AO niedriger festgesetzt werden, wenn deren Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Unabhängig von der Frage der fristgemäßen Stellung des Antrags, sei dieser weder aus persönlichen noch aus sachlichen Gesichtspunkten begründet. Zum einen seien die Voraussetzungen einer Erlassbedürftigkeit und -würdigkeit nicht gegeben. Zum anderen sei vorliegend weder vorgetragen oder zu erkennen, dass und in welcher Weise die vorgenommene Besteuerung des Einkommens des Klägers dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers widerspreche. Die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr habe vielmehr den Wertentscheidungen des Gesetzgebers entsprochen, wie sich aus dem Urteil des Finanzgerichts ergebe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Entscheidung Bezug genommen.

Mit der Klage macht der Kläger weiter geltend, die Unterhaltsnachzahlung sei aus Billigkeitsgründen im Streitjahr steuermindernd anzusetzen. Auf eine solche Billigkeitsregelung habe auch der Richter sowohl in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht als auch im Urteil vom 05.05.2004 ausdrücklich hingewiesen. Ferner sei in der Einspruchsentscheidung nicht feststellbar, ob sich der Beklagte tatsächlich mit dem konkreten Sachverhalt auseinandergesetzt hat.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.03.2005 zu verpflichten, für 2000 die Zahlung des Klägers in Höhe von 9.000,-- DM zur Abgeltung von rückständigem Unterhalt an seine volljährige Tochter im Wege der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Mit Beschluss vom 04.01.2006 ist das Verfahren der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen wurden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Ablehnung einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO lässt keinen Ermessensverstoß erkennen. Insbesondere war das Ermessen des Beklagten nicht auf Null reduziert.

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des Einzelfalls aus sachlichen oder persönlichen Gründen unbillig wäre. Die Entscheidung über einen Billigkeitsantrag ist eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO), die im finanzgerichtlichen Verfahren nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 15.05.1990 VII R 7/88, BStBl II 1990, 1007).

Eine sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Festsetzung der Steuern an sich zwar dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint, wenn also nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führt, und der Gesetzgeber die im Billigkeitsweg zu entscheidende Frage, hätte er sie entschieden, im Sinne der Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Billigkeitsmaßnahmen sollen ein vom Gesetz gedecktes, aber vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ergebnis vermeiden (BFH-Urteil vom 13.05.1998 II R 98/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen -BFH/NV- 1998, 1376; Rüsken in Klein, Kommentar zur AO, 8. Aufl., § 163 Rz. 32 mit weiteren Nachweisen).

Im Streitfall hat der Beklagte ermessensfehlerfrei und in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine abweichende Steuerfestsetzung für das Streitjahr aus sachlichen Billigkeitsgründen abgelehnt. Denn die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr entspricht den Wertentscheidungen des Gesetzgebers. Nach § 33a Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung können Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung eines Kindes des Steuerpflichtigen lediglich bis zu einem bestimmten Jahreshöchstbetrag und nur unter Berücksichtigung der Einkünfte und Bezüge des Kindes zum Abzug zugelassen werden. Dies gilt auch nur zeitanteilig und setzt unter anderem voraus, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat. Liegen Aufwendungen im Sinne dieser Vorschrift vor, kann zusätzlich eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG nicht in Anspruch genommen werden (§ 33a Abs. 5 EStG). Hiervon abgesehen kann eine außergewöhnliche Belastung - und auch nur bei Überschreiten der zumutbaren Eigenbelastung (§ 33 Abs. 3 EStG) - dann steuermindernd berücksichtigt werden, wenn die dem Steuerpflichtigen erwachsenen Aufwendungen zwangsläufig waren. Diese Voraussetzungen hat das Finanzgericht in seinem Urteil vom 05.05.2004 (2 K 5772/01 E) eingehend geprüft und schließlich im Einklang mit dem Gesetz und der dazu ergangenen BFH-Rechtsprechung für den Streitfall abgelehnt.

Dass der Kläger Unterhaltszahlungen in den Vorjahren nicht in vollem Umfang erbracht hatte, (ggf.) auch nicht erbringen konnte und ihm demgemäß keine steuerliche Vergünstigung bzw. Kindergeld gewährt worden war, hat hierauf keinen Einfluss. Eine außergewöhnliche Belastung setzt eine tatsächliche und endgültige "Belastung" des Steuerpflichtigen voraus, welche grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Belastung unter den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 33, 33a EStG berücksichtigt werden kann.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist über eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 163 AO eine Korrektur des Gesetzes in seinen allgemeinen Regelungen unzulässig (vgl. BFH-Urteil vom 09.09.1994 III R 17/93, BStBl II 1995, 8).

Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass das Finanzgericht in seinem Urteil vom 05.05.2004 auf die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO hinweist, ist dieses Vorbringen rechtlich unerheblich. Denn es handelt sich lediglich um einen - unverbindlichen - Hinweis darauf, dass in dem abgeschlossenen Klageverfahren, welches die Steuerfestsetzung zum Inhalt hatte, nicht auch über einen möglichen Anspruch auf Berücksichtigung der Unterhaltsnachzahlung aus Billigkeitsgründen entschieden wurde.

Darüber hinaus hat der Beklagte eine abweichende Steuerfestsetzung ohne Ermessensfehler auch aus persönlichen Billigkeitsgründen abgelehnt. Dies erfordert unter anderem die Erlassbedürftigkeit des Steuerpflichtigen. Anhaltspunkte dafür, dass eine unveränderte Steuerfestsetzung für das Streitjahr (2000) zu einem Verlust der Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen führen könnte, sind weder dargetan noch aus den Akten ersichtlich.

Angesichts dieser Sach- und Rechtslage hat der Beklagte seine Ermessensentscheidung auch ausreichend begründet, zumal er sich bewusst war, Ermessen auszuüben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.



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