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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.03.2008
Aktenzeichen: 2 K 2106/06 E
Rechtsgebiete: AO, EStG, UmwStG


Vorschriften:

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 16 Abs. 2
UmwStG § 24 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

2 K 2106/06 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte den Einkommensteuerbescheid der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes für 1998 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) ändern durfte, weil die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in die der Ehemann der Klägerin seine Arztpraxis eingebracht hatte, in ihrer Eröffnungsbilanz das eingebrachte Betriebsvermögen mit einem höheren als dem von der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann erklärten Einbringungswert angesetzt hat.

Der Ehemann der Klägerin war Röntgenarzt. Er wurde bis zu seinem Tod zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Mannes.

Mit Vertrag vom 22.10.1998 vereinbarte der Ehemann der Klägerin mit den Gesellschaftern der A-GbR (im Weiteren GbR), dass er unter Einbringung seiner bisherigen radiologischen und nuklearmedizinischen Einzelpraxis "mit Wirkung zum 15.12.1998" in die GbR eintrete. Die Vertragspartner "bewerteten die Einzelpraxis" des Ehemannes der Klägerin mit 25.000 DM für ihren immateriellen Wert und 100.000 DM für ihren materiellen Wert, insgesamt 125.000 DM. Dem Ehemann der Klägerin wurde als Gegenleistung eine Beteiligung i.H.v. 50/10.000stel eingeräumt. Der Ehemann der Klägerin "verzichtete zu Gunsten" der GbR auf die ab dem 15.12.1998 eingehenden und vor dem Einbringungszeitpunkt erwirtschafteten Honorare aus seiner privat- und vertragsärztlichen Tätigkeit. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Vertragskopie in der Akte des Beklagten Bezug genommen.

Für die Zeit vom 01.01.1998 bis 15.12.1998 ermittelte der verstorbene Ehemann der Klägerin gem. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) einen Gewinn aus seiner Röntgenarztpraxis i.H.v. 293.455,62 DM. Gemäß einer Schlussbilanz zum "31.12.1998" standen Aktiva i.H.v. 151.679,86 DM Passiva i.H.v. 255.074,48 DM gegenüber, sodass sich ein negatives Betriebsvermögen i.H.v. 103.394,62 DM ergab.

In ihrer Steuererklärung für 1998 erklärten die Klägerin und ihr Ehemann Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Klägers als Röntgenfacharzt i.H.v. 132.330 DM und einen Veräußerungsverlust i.H.v. 17.682 DM. Den laufenden Gewinn i.H.v. 132.329 DM ermittelten die Klägerin und ihr Ehemann auf Grund des Gewinns für die Zeit vom 01.01.1998 bis zum 15.12.1998 i.H.v. 293.455,62 DM, zu dem Forderungen lt. Schlussbilanz zum 15.12.1998 i.H.v. 93.809,81 DM und ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten lt. Schlussbilanz zum 15.12.1998 i.H.v. 138,98 DM addiert wurden und sonstige Verbindlichkeiten lt. Schlussbilanz zum 15.12.1998 i.H.v. 74.485,52 DM und Rentenverpflichtungen lt. Schlussbilanz zum 15.12.1998 i.H.v. 180.588,96 DM abgezogen wurden, sodass sich ein Gewinn für 1998 i.H.v. 132.329,93 DM ergab.

Den Veräußerungsverlust i.H.v. 17.682,41 DM ermittelten die Klägerin und ihr Ehemann wie folgt:

 Einbringungswert der Praxis gem. Vertrag125.000,-- DM 
Entnahme Pkw und sonstige Einrichtungsgegenstände19.100,-- DM 
Insgesamt 144.100,-- DM
abzügl.  
BW Praxiseinrichtung lt. Schlussbilanz.49.455,00 DM 
BW Kfz1,00 DM 
BW GWG 2,00 DM 
BW Praxiswert1,00 DM 
Forderungen lt. Schlussbilanz93.809,81 DM 
Insgesamt143.268,81 DM 
abzügl.  
Kosten der Veräußerung i.H.v.13.920,-- DM 
und4.593,60 DM 
Insgesamt 161.782,41 DM

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer der Klägerin und ihres mit ihr zusammen veranlagten Ehemannes durch Bescheid vom 03.07.2000 unter Berücksichtigung von Einkünften des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit i.H.v. 114.648 DM fest. Die Einkünfte i.H.v. 114.648 DM hatte der Beklagte dadurch ermittelt, dass er von dem erklärten Gewinn aus der Röntgenfacharztpraxis i.H.v. 132.330 DM den erklärten Veräußerungsverlust i.H.v. 17.682 DM abzog.

Mit Änderungsbescheiden vom 26.03.2001, 31.05.2001 und 21.03.2005 wurde die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin und ihres mit ihr zusammen veranlagten Ehemannes aus Gründen, die mit dem Klageverfahren in keinem Zusammenhang stehen, geändert. Die Änderungen in den Bescheiden vom 31.05.2001 und 21.03.2005 beruhten auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.

Mit gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändertem Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 13.05.2005 setzte der Beklagte die Einkommensteuer der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes unter Berücksichtigung von Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit i.H.v. 132.575 DM und eines Veräußerungsgewinns i.H.v. 76.127 DM fest. Die Änderung des Einkommensteuerbescheides beruhte darauf, dass das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung A-Stadt dem Beklagten mitgeteilt hat, dass der Veräußerungsgewinn des verstorbenen Ehemannes der Klägerin sich um Forderungen i.H.v. 93.809,81 DM erhöht habe, da im Rahmen der Einbringung der Einzelfirma in die GbR diese Forderungen bei der GbR angesetzt worden seien. Die Großbetriebsprüfung vertrat die Auffassung, dass der Einkommensteuerbescheid der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern sei, da im Rahmen der Prüfung der GbR im November 2004 erstmals Bilanzen vorgelegt worden seien. Zur Begründung dieser Rechtsansicht beruft sich das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung auf die Tz. 20.32 und 24.04 des Umwandlungssteuererlasses.

Gegen diesen Änderungsbescheid legte die Klägerin in eigenem Namen und als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes fristgerecht Einspruch ein, der durch Einspruchsentscheidung vom 13.04.2006 (Donnerstag) als unbegründet zurückgewiesen wurde.

In der Einspruchsentscheidung führt der Beklagte u.a. aus, dass die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 1998 zu Recht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt worden sei. Werde eine Einzelfirma in eine Personengesellschaft eingebracht, so habe die Personengesellschaft ein Wahlrecht hinsichtlich des Wertes, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in ihrer Bilanz aktiviert werde. Das Betriebsvermögen könne gem. § 24 Abs. 2 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) mit dem Buchwert oder mit einem höheren Wert angesetzt werden. Der hierbei gewählte Wertansatz stelle gem. § 24 Abs. 3 UmwStG gleichzeitig den Veräußerungspreis für den Einbringenden dar. Damit sei die Ausübung des Wahlrechts durch die Personengesellschaft auch für die Besteuerung des Einbringenden bindend. Abweichungen von der zwischen dem Einbringenden und der Personengesellschaft getroffenen Vereinbarungen seien insoweit unbeachtlich.

Auf Grund der Aktivierung der übernommenen Forderungen in der Bilanz der GbR gehöre der Wert dieser Forderungen zum Veräußerungspreis, den der Ehemann der Klägerin erhalten habe. Die Eröffnungsbilanz sei unstreitig während der Betriebsprüfung der GbR und damit nach Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes für 1998 erstellt worden. Da die Eröffnungsbilanz die Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich der Aktivierung des übernommenen Betriebsvermögens dokumentiere, handele es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung A-Stadt fügte seiner Mitteilung eine Zwischenbilanz der GbR auf den 16.12.1998 bei, aus der sich u.a. ergibt, dass "Forderungen" i.H.v. 93.809,81 DM aktiviert wurden. Wegen der Einzelheiten der Eröffnungsbilanz wird auf die Einkommensteuerakte des Beklagten und Bl. 44 der FG-Akte Bezug genommen.

Die Einspruchsentscheidung wurde gemäß eines Vermerkes im Rechtsbehelfsvorgang am 13.04.2006 (Donnerstag vor Ostern) zur Post gegeben.

Die Klägerin hat am Donnerstag, dem 18. Mai 2006 Klage erhoben.

Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe zu Unrecht den Einkommensteuerbescheid für 1998 geändert. Zwar habe die GbR im Rahmen einer Betriebsprüfung erstmals eine Bilanz auf den 16.12.1998 aufgestellt, diese erstmalige Aufstellung einer Bilanz rechtfertige aber keine Berichtigung des Steuerbescheids für 1998 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO könne eine Steuerbescheid erlassen, aufgehoben oder geändert werden, soweit ein Ereignis eintrete, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit habe (rückwirkendes Ereignis). Unter Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei jeder rechtlich relevante Vorgang zu verstehen. Dazu gehörten Tatsachen des Lebenssachverhalts, aber auch rechtliche Vorgänge, wie die Einwirkung auf oder durch Rechtsgeschäfte, Rechtsverhältnisse, Gerichtsentscheidungen oder Verwaltungsakte.

Durch die erstmalige Bilanzaufstellung seitens der GbR werde lediglich der realisierte Sachverhalt wiedergegeben. Die Aufstellung der Bilanz sei kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung. Lediglich eine Bilanzberichtigung bzw. Bilanzänderung könne zu einer Änderung i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO führen. Wenn sich das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres auf Grund von Bilanzänderung oder Bilanzberichtigung ändere, so halte die Rechtsprechung § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für anwendbar, wenn die Änderung Auswirkungen auf die Gewinnermittlung des Folgejahres habe. Eine erstmalige Bilanzaufstellung ziehe dagegen keine Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nach sich, da der kraft Gesetzes entstandene Steueranspruch nicht berührt werde. Denn der Tatbestand, an den die gesetzliche Steuerpflicht knüpfe, sei bereits verwirklicht, ohne dass der Steuerpflichtige dies in der Bilanz zum Ausdruck bringen müsse. Eine Bilanzänderung solle dagegen zur Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO führen können, wobei die andere Wahlrechtsausübung, nicht aber die geänderte Bilanz das rückwirkende Ereignis darstelle.

Die durch den Beklagten vorgenommene Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 1998 sei auch materiell-rechtlich unzutreffend. Der Einbringungsvertrag vom 22.10.1998 sehe ausdrücklich einen Einbringungswert i.H.v. 125.000 DM vor. Die streitgegenständlichen Forderungen seien bei Auslegung dieses Vertrages im Einbringungswert enthalten. Dies ergebe sich daraus, dass der Ehemann der Klägerin gem. § 5 des Einbringungsvertrages auf diese Forderungen verzichtet habe. Sie seien demnach bereits im Kaufpreis enthalten.

Die Tatsache, dass die GbR auf Grund der Abtretung der Forderungen diese in ihrer nachträglich erstellten Eröffnungsbilanz ausweise, führe zu keiner anderen Bewertung. Die Behandlung sei zwar folgerichtig, weil die GbR die Anspruchsinhaberin geworden sei. Eine Erhöhung des Wertes der eingebrachten Praxis ergebe sich schon nach dem Wortlaut des Vertrages daraus aber nicht.

Die Klägerin beantragt,

1. den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 13.05.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.04.2006 ersatzlos aufzuheben,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung.

Auf Grund eines Hinweises des Berichterstatters, dass der vorliegenden Kopie der Zwischenbilanz der GbR zum 16.12.1998 der Wertansatz des eingebrachten Betriebsvermögens im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG nicht entnommen werden könne, reichte der Beklagte eine Mitteilung der Steuerberater der GbR in Kopie ein, nach der das vom Ehemann der Klägerin eingebrachte Betriebsvermögen mit 218.809,81 DM bewertet und dem Kapitalkonto des Ehemannes der Klägerin gutgeschrieben worden sei. Der Höhe nach ergebe sich der Ansatz der Forderungen aus der Mitteilung des Steuerberaters des verstorbenen Ehemanns der Klägerin, nach der die Forderung mit 93.809,81 DM zu bewerten seien. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Auskunft wird auf Blatt 42 ff. der FG-Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht den Einkommensteuerbescheid der Klägerin und ihres mit ihr zusammen veranlagten Ehemanns für 1998 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 76.127 DM bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt.

1. Der Beklagte durfte den Einkommensteuerbescheid der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns vom 21.03.2005 gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ändern.

Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, dass steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Aus dem Bedeutungszusammenhang, in dem diese Norm steht, ergibt sich, dass der Begriff "Ereignis" alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge umfasst. Dazu rechnen nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge. Das Ereignis muss stattgefunden haben, nachdem der Steueranspruch entstanden ist und für die Fälle der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides, nachdem dieser Steuerbescheid ergangen ist. Die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen nicht vor, wenn das Finanzamt wie im Fall des § 173 Abs. 1 AO lediglich nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlangt. Die nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhaltsänderung muss sich darüber hinaus steuerlich in der Vergangenheit auswirken, und zwar in der Weise, dass nunmehr der veränderte an Stelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zu Grunde zu legen ist. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, d. h. ob eine solche Änderung dazu führt, dass bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2003 XI R 13/02, BFHE 201, 421, BStBl II 2003, 554; BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897).

Die Erstellung und Einreichung der die Einbringung der Praxis des Ehemanns der Klägerin in die GbR erfassenden Eröffnungsbilanz zum 16.12.1998 beim für die GbR zuständigen Finanzamt im November 2004 stellt ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.

Der Ehemann der Klägerin hatte sich in dem Vertrag vom 22.10.1998 verpflichtet, die wesentlichen Grundlagen seiner Praxis in die GbR einzubringen. Er hat für die Übertragung seiner Praxis eine Gesellschaftsbeteiligung erlangt. Darin liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein tauschähnlicher Vorgang im Sinne einer Betriebsveräußerung gemäß § 16 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 III R 39/91, BFHE 173, 338, BStBl II 1994, 458 m. w. N.). Wenn die Voraussetzung des § 24 UmwStG erfüllt sind, wird diese Veräußerung insoweit ganz oder teilweise begünstigt, dass bei den in § 24 UmwStG geregelten Einbringungsvorgängen die stillen Reserven, die in dem eingebrachten Betriebsvermögen enthalten sind, nicht (bei der Buchwertfortführung) oder nur teilweise (bei Zwischenwerten zwischen Teilwert und Buchwert) aufgedeckt werden. Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG darf die aufnehmende Personengesellschaft das eingebrachte Betriebesvermögen mit seinem Buchwert, seinem Teilwert oder einem Zwischenwert ansetzen. Der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen angesetzt wird, gilt gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG als Veräußerungspreis. Das Wahlrecht im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG wird somit ausschließlich durch die aufnehmende Personengesellschaft ausgeübt. Nach der Gesetzeslage besteht weder ein Veto- noch ein Mitspracherecht des Einbringenden, obwohl der Wertansatz durch die Personengesellschaft unmittelbar seinen steuerlichen Gewinn beeinflussen kann (vgl. BFH-Urteil vom 25. April 2006 VIII R 52/04, BFHE 214, 40, BStBl II 2006, 847 m. w. N.). Abweichungen von einer vorherigen einvernehmlichen Festlegung der Bilanzansätze zwischen dem Einbringenden und der aufnehmenden Gesellschaft sind steuerlich ohne Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1994 III R 39/91, BFHE 173, 338, BStBl II 1994, 458).

Da § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG zwingend vorschreibt, dass der Wert, den die Personengesellschaft für das eingebrachte Betriebsvermögen in der Eröffnungsbilanz angesetzt hat, für den Einbringenden als Veräußerungspreis gilt, handelt es sich bei dem Ansatz in dieser Bilanz bzw. der Einreichung der Bilanz beim Finanzamt um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (vgl. Patt in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 6. Aufl., § 24 UmwStG Tz 116; BMF-Schreiben vom 25. März 1998 IV B 7-S 1978-21/98, BStBl I 1998, 268, Rn 24.04 i.V.m. Rn 20.32; Frotscher in Schwarz, AO, § 175 Tz. 67 zu § 20 UmwStG).

Der Senat kann offen lassen, ob in der Regel Tatbestandsvoraussetzung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist, dass bei Änderungsbescheiden das Ereignis stattgefunden haben muss, nachdem der zu ändernde Steuerbescheid ergangen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897;vom 4. November 1998 IV B 146/97, BFH/NV 1999, 589; BFH-Urteil vom 6. März 2003 XI R 13/02, BFHE 201, 421, BStBl II 2003, 554). Dies kann jedenfalls dann nicht gelten, wenn die Finanzbehörde - wie im Streitfall - einen Steuerbescheid nur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO im Hinblick auf einen nachträglich ergangenen Grundlagenbescheid geändert und hierbei ein rückwirkendes Ereignis unberücksichtigt gelassen hat, das eine Änderung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rechtfertigt. Denn das Finanzamt ist bei einer punktuellen Änderung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht verpflichtet, gleichzeitig neue Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 12. Januar 1989 IV R 8/88, BFHE 156, 4, BStBl II 1989, 438;vom 4. Juli 1989 VIII R 217/84, BFHE 157, 427, BStBl II 1989, 792; BFH-Beschluss vom 23. März 1994 VIII B 50/93, BFH/NV 1994, 786). Begründet wird dies damit, dass das Finanzamt den Grundlagenbescheid ohne eigene Sachprüfung übernehmen müsse und ihm nicht zugemutet werden könne, bei jeder Folgeänderung zu überprüfen, ob neue Tatsachen oder Beweismittel vorlägen, die eine weitergehende Änderung rechtfertigten (BFH-Urteil vom 12. Januar 1989 IV R 8/88, BFHE 156, 4, BStBl II 1989, 438). Die herrschende Lehre folgt dieser Auffassung (vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO, § 173 AO Tz. 214; Frotscher in Schwarz, AO, § 173 Tz. 43; Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl., § 173 Tz. 54; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, FGO, § 173 AO Tz. 49). Die Grundsätze dieser Rechtsprechung müssen auch bei § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zum Tragen kommen. Denn ebenso wie es der Finanzverwaltung nicht zuzumuten ist, bei jeder Folgeänderung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu überprüfen, ob neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 175 AO vorliegen, ist ihr nicht zuzumuten, zu prüfen, ob ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt.

2. Der Beklagte hat auch zu Recht einen Veräußerungsgewinn des Ehemanns der Klägerin i.H.v. 76.127 DM bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt.

Gem. § 16 Abs. 2 EStG ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert des Betriebsvermögens übersteigt. Wird ein Betrieb in eine Personengesellschaft eingebracht und wird der Einbringende Mitunternehmer der Gesellschaft, so gilt gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 UmwStG der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter angesetzt wird, für den Einbringenden als Veräußerungspreis. Die Höhe des angesetzten Wertes des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden Gesellschaft wird somit als Veräußerungspreis und zugleich als Anschaffungskosten der neuen Anteile fingiert. Da der Gesetzgeber eine Fiktion wählt, liegt darin die Anordnung, einen bestimmten Sachverhalt ohne weitere Prüfung zu unterstellen, auch wenn tatsächlich der Sachverhalt unklar ist oder möglicherweise entgegen der gesetzlichen Fiktion nicht vorliegt. Der Wertansatz des übernehmenden Unternehmens ist daher im Besteuerungsverfahren des Einbringenden nach ständiger Rechtsprechung des BFH und herrschender Lehre zu übernehmen und kann grundsätzlich nicht auf seine Richtigkeit hin überprüft werden (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2007 I R 111/05 m.w.N.).

Der Beklagte hat daher zu Recht statt des von den Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes bzw. -verlustes berücksichtigten Einbringungswertes i.H.v. 125.000 DM einen um 93.809,81 DM höheren Einbringungswert berücksichtigt. Ob die aufnehmende Gesellschaft diesen Einbringungswert auf Grund der vertraglichen Abrede zu Recht angesetzt hat, ist entgegen der Annahme der Klägerin - wie oben bereits dargelegt - ohne Bedeutung.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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