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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.05.2009
Aktenzeichen: 4 K 155/08 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG § 2 Abs. 1
ErbStG § 10 Abs. 5
ErbStG § 21 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Erbschaftsteuerbescheid vom 21. August 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2007 wird dergestalt geändert, dass die Steuer auf 153.915 EUR festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 77 v.H. und der Beklagte trägt 23 v.H. der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Stiefsohn der Erblasserin A, die mit B verheiratet war. B verstarb am ... Juni 2001 und wurde hinsichtlich seines im Inland belegenen Vermögens von der Erblasserin beerbt. Die Erblasserin verstarb am ... Juni 2002 und wurde bezüglich ihres beweglichen Vermögens vom Kläger beerbt. Zum Nachlass gehörte neben in Großbritannien belegenem Grundvermögen auch Kapitalvermögen in Großbritannien mit einem Wert von umgerechnet 319.918 EUR. Der Kläger entrichtete für sämtliche auf Großbritannien entfallenden Nachlassgegenstände eine von der britischen Finanzbehörde erhobene Erbschaftsteuer (inheritance tax) von umgerechnet 58.569 EUR.

Das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid vom 29. Juli 2003 gegen den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin wegen ihres Erwerbs von Todes wegen nach B 400,85 EUR Erbschaftsteuer fest. Dabei legte es einen Wert ihres Erwerbs von Todes wegen von 611.242 DM (312.523 EUR) zugrunde. Der Kläger gab als Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin beim Finanzamt am 30. Dezember 2004 eine strafbefreiende Erklärung nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (StraBEG) ab, mit der er u.a. bezüglich des Erwerbs der Erblasserin von Todes wegen nach B zum Nachlass gehörende Vermögensgegenstände mit einem Wert von insgesamt 888.264,06 EUR angab und hieraus Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 5 StraBEG von 177.652,81 EUR ermittelte.

Das beklagte Finanzamt setzte gegen den Kläger für seinen Erwerb von Todes wegen mit Bescheid vom 21. August 2006 165.027 EUR Erbschaftsteuer fest. Dabei setzte es als Vermögensgegenstände u.a. das Kapitalvermögen in Großbritannien mit 319.918 EUR an und berücksichtigte als Nachlassverbindlichkeiten u.a. Steuerschulden der Erblasserin aus dem Erbfall nach B mit insgesamt 46.637 EUR, die der Kläger auf Grund der von ihm abgegebenen strafbefreienden Erklärung entrichtet hatte. Die von ihm entrichtete britische Erbschaftsteuer rechnete es lediglich in Höhe von 29.466 EUR an. Hierbei handelt es sich um den Anteil, der auf das in Großbritannien belegene Grundvermögen entfällt. Die Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) gewährte das beklagte Finanzamt nur in Höhe von 181 EUR (45 v.H. von 401 EUR).

Mit seinem hiergegen gerichteten Einspruch begehrte der Kläger die vollständige Anrechnung der von ihm entrichteten britischen Erbschaftsteuer sowie die Berücksichtigung der von ihm auf Grund der strafbefreienden Erklärung entrichteten Steuer bei der Ermittlung des Steuerermäßigungsbetrags nach § 27 Abs. 3 ErbStG. Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 11. Dezember 2007 zurück.

Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Der Ausschluss des Kapitalvermögens bei der Ermittlung der anzurechnenden britischen Erbschaftsteuer durch § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) führe zu einer Doppelbesteuerung, die gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EG -) verstoße. Diese Doppelbesteuerung verstoße zudem gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, weil seine Steuerbelastung extrem über dem normalen Maß der schematisierenden Belastung liege, die ein Steuerpflichtiger durch § 21 ErbStG erfahren solle. Der Begriff des Auslandsvermögens sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er auch das auf Großbritannien entfallende Kapitalvermögen umfasse. Auch § 10 Abs. 8 ErbStG stehe einem vollständigen Abzug der britischen Erbschaftsteuer nicht entgegen, weil diese Bestimmung sich - anders als § 21 ErbStG - nur auf die deutsche Erbschaftsteuer beziehe. Im Rahmen der Ermittlung des Steuerermäßigungsbetrags nach § 27 Abs. 3 ErbStG sei die von ihm auf Grund der strafbefreienden Erklärung entrichtete Steuer mit anteilig 44.413,20 EUR zu berücksichtigen. Bei dieser Steuer habe es sich um eine solche i.S. des § 27 Abs. 1 ErbStG gehandelt. Der nach dem ErbStG bestehende Steueranspruch sei nach dem StraBEG nur vereinfacht ermittelt worden. Durch den hiernach ermäßigt versteuerten Vorerwerb komme es zu einem geringeren Anrechnungsbetrag nach § 27 Abs. 3 ErbStG.

Der Kläger beantragt,

1. den Erbschaftsteuerbescheid vom 21. August 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2007 dergestalt zu ändern, dass die von ihm gezahlte britische Erbschaftsteuer mit weiteren 29.103 EUR angerechnet wird und der Steuermäßigungsbetrag nach § 27 Abs. 3 ErbStG mit 20.166 EUR berücksichtigt wird;

2. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Einer vollständigen Anrechnung der vom Kläger gezahlten britischen Erbschaftsteuer stehe § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 BewG entgegen. Die Versagung der Anrechnung der auf das Kapitalvermögen entfallenden britischen Erbschaftsteuer verstoße nicht gegen Art. 56 EG. Die nicht angerechnete britische Erbschaftsteuer könne auch nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden. Die vom Kläger auf Grund der strafbefreienden Erklärung entrichtete Steuer sei bei der Ermittlung des Ermäßigungsbetrags nach § 27 Abs. 3 ErbStG nicht zu berücksichtigen, weil für das betroffene Vermögen keine Steuer nach dem ErbStG zu erheben gewesen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur zu einem Teil begründet. Der Bescheid vom 21. August 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2007 ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger nur insoweit in seinen Rechten, als das beklagte Finanzamt eine Erbschaftsteuer von mehr als 153.915 EUR festgesetzt hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Übrigen ist der Bescheid vom 21. August 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2007 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die von ihm gezahlte und auf das Kapitalvermögen in Großbritannien entfallende britische Erbschaftsteuer von umgerechnet 29.103 EUR auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet wird. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sofern nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Was als Auslandsvermögen in diesem Sinne gilt, richtet sich gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG nach § 121 BewG. Kapitalvermögen gilt hiernach nicht als Auslandsvermögen. Der durch § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 121 BewG bewirkte Ausschluss von Kapitalvermögen verstößt nicht gegen die durch Art. 56 EG gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften , Urteil vom 12. Februar 2009 Rs. C-67/08 Randnr. 36).

Anders als der Kläger meint, gebietet das Übermaßverbot im Streitfall keine verfassungskonforme Auslegung des Begriffs des Auslandsvermögens in § 21 Abs. 2 ErbStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist der erbschaftsteuerliche Zugriff bei Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 ErbStG) zwar derart zu mäßigen, dass jedem dieser Steuerpflichtigen der jeweils auf ihn entfallende Anteil am Nachlass - je nach dessen Größe - zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommt (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 174 f.). Diese Grenze ist hier indessen nicht überschritten. Das vom Kläger geerbte Kapitalvermögen in Großbritannien von umgerechnet 319.918 EUR wird nur in Höhe von 60.800 EUR (19 v.H.) mit deutscher Erbschaftsteuer belastet. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung:

 Festgesetzte Erbschaftsteuer vor der Steueranrechnung 194.674 EUR
./. Erbschaftsteuer ohne das Kapitalvermögen in Großbritannien steuerpflichtiger Erwerb 1.024.600 EUR
./. Kapitalvermögen von 319.918 EUR
Abgerundet 704.600 EUR
hierauf zu erhebende Steuer von 19 v.H. 133.874 EUR
 60.800 EUR

Zuzüglich der auf das Kapitalvermögen in Großbritannien entfallenden britischen Steuer von umgerechnet 29.103 EUR ergibt sich eine Gesamtsteuerbelastung von 89.903 EUR Dies entspricht bezogen auf das Kapitalvermögen von 319.918 EUR einer Belastung mit britischer und deutscher Erbschaftsteuer von 28,1 v.H. Da dem Kläger das Kapitalvermögen in Großbritannien daher zum deutlich überwiegenden Teil verbleibt, kommt es nicht mehr darauf an, ob auf die britische Erbschaftsteuer noch die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden kann (vgl. hierzu Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 21 Randnr. 102 a.E.).

Nach Auffassung des Senats kann die vom Kläger gezahlte und auf das Kapitalvermögen in Großbritannien entfallende britische Erbschaftsteuer von umgerechnet 29.103 EUR auch nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden. Einem Abzug der britischen Erbschaftsteuer steht § 10 Abs. 8 ErbStG entgegen. Danach ist die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Diese Bestimmung unterscheidet nicht zwischen der von dem Erwerber zu entrichtenden eigenen deutschen und ausländischen Erbschaftsteuer. Daher bezieht sich § 10 Abs. 8 ErbStG auch auf die vom Erben zu entrichtende ausländische Erbschaftsteuer (vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 10 Randnr. 268; Weinmann in Moench/Kien-Hümbert/Weinmann, ErbStG § 10 Randnr. 104; a.A. Meincke, ErbStG, 14. Aufl., § 10 Randnr. 59; Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG § 10 Randnr. 155). Dem Kläger mag zwar einzuräumen sein, dass der Wortlaut des Gesetzes nicht eindeutig ist. § 10 Abs. 8 ErbStG greift nicht die Begriffsbestimmung des § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG auf, der die der deutschen Erbschaftsteuer entsprechende Steuer als "ausländische Steuer" bezeichnet. Gleichwohl spricht die differenzierte Regelung der Anrechnung ausländischer Steuer nach § 21 Abs. 1 und 2 ErbStG für die Anwendung des § 10 Abs. 8 ErbStG auch auf die ausländische Erbschaftsteuer (vgl. für ein abschließendes Verständnis des § 21 ErbStG auch Hübner in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG § 21 Randnr. 34). Dem Gesetz ist insbesondere kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass § 10 Abs. 8 ErbStG hinsichtlich der von dem Erwerber entrichteten ausländischen Erbschaftsteuer nur dann nicht anwendbar sein soll, wenn und soweit die ausländische Steuer nicht nach § 21 ErbStG angerechnet werden kann.

Bei der Ermittlung des Steuerermäßigungsbetrags nach § 27 Abs. 3 ErbStG ist jedoch die vom Kläger auf Grund seiner strafbefreienden Erklärung entrichtete Steuer von 44.413,20 EUR (25 v.H. von 177.652,81 EUR; § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG) zu berücksichtigen. Dies hat zur Folge, dass der Höchstbetrag für die Steuerermäßigung gemäß § 27 Abs. 3 ErbStG mit insgesamt 20.166 EUR anzunehmen ist (44.413,20 EUR + 400,85 EUR = 44.814,05 EUR hiervon 45 v.H. gemäß § 27 Abs. 1 ErbStG).

Der Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG (" ...für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war...") steht einer Berücksichtigung der vom Kläger auf Grund der strafbefreienden Erklärung entrichteten Steuer nicht entgegen. Für den Erwerb der Erblasserin von Todes wegen nach B war nach dem ErbStG, nämlich nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, eine Steuer zu erheben. Vor dem Hintergrund dieser Steuerpflicht auf Grund des ErbStG ist es unerheblich, dass die Steuer letztlich nicht auf der Grundlage des ErbStG, sondern des StraBEG erhoben worden ist. Zwar muss es - wie sich aus § 27 Abs. 3 ErbStG ergibt - überhaupt zur Erhebung einer Steuer gekommen sein (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 8. Februar 1961 II 288/58 U, BFHE 72, 362, BStBl III 1961, 135 - zu § 20 ErbStG 1951 -; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 27 Randnr. 18). Dies ist allerdings hinsichtlich des in Rede stehenden Steuerbetrags von 44.413,20 EUR geschehen. Nach dem Sinn und Zweck des § 27 ErbStG, eine übermäßige Verminderung von Familienvermögen zu verhindern, wenn dieses mehrfach innerhalb kurzer Zeit auf Personen der Steuerklasse I übergeht (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 27 Randnr. 1), besteht keine Rechtfertigung dafür, eine auf Grund des StraBEG entrichtete Steuer nicht zu berücksichtigen. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass sich die Steuerentlastung nach § 27 Abs. 3 ErbStG wegen der geringeren Steuerbelastung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 5 Satz 1 StraBEG auch nur in geringerer Höhe auswirkt.

§ 10 Abs. 1 StraBEG steht der Berücksichtigung der vom Kläger auf Grund der strafbefreienden Erklärung entrichteten Steuer im Rahmen von § 27 Abs. 3 ErbStG gleichfalls nicht entgegen. Danach gilt zwar grundsätzlich der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG zu entrichtende Betrag als Einkommensteuer. Hierbei handelt es sich jedoch um eine gesetzliche Fiktion, die ausschließlich Bedeutung für die Verteilung des Steueraufkommens nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) hat (Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, StraBEG § 10 Randnr. 2). Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der bei Inkrafttreten des StraBEG bereits bestehenden Regelung des § 27 Abs. 3 ErbStG ist mit der durch § 10 Abs. 1 StraBEG bewirkten Zuweisung des Abgabenaufkommens nicht verbunden. Es geht auch nicht darum, den auf Grund von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG entrichteten und dem Bund sowie den Ländern gemeinsam zustehenden Abgabenbetrag (Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG) auf die Erbschaftsteuer als Landessteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG) anzurechnen. § 27 ErbStG sieht vielmehr nur eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vor, die durch die Anwendung des sich aus § 27 Abs. 1 ErbStG ergebenden Vomhundertsatzes auf die vom Vorerwerber für den Erwerb desselben Vermögens entrichtete Steuer nach § 27 Abs. 3 ErbStG lediglich rechnerisch begrenzt wird.

Steht dem Kläger die Steuerermäßigung gemäß § 27 ErbStG demnach mit insgesamt 20.166 EUR zu, kann seinem Klagebegehren in diesem Punkt dennoch nicht uneingeschränkt entsprochen werden. Da im Rahmen der durch das Klagebegehren gezogenen Grenzen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) auch Fehler zugunsten des Steuerpflichtigen im Wege einer Saldierung zu berücksichtigen sind (BFH-Beschluss vom 23. März 1995 XI B 166/94, BFH/NV 1995, 998), ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das beklagte Finanzamt zu Unrecht die vom Kläger auf Grund seiner strafbefreienden Erklärung entrichtete Steuer von 46.637 EUR als Nachlassverbindlichkeit abgezogen hat.

Ein Abzug der vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt nicht nur voraus, dass die Steuerschulden bei der Entstehung der Erbschaftsteuer bestanden, sondern auch, dass sie zu diesem Zeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung darstellten. An einer wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn der Steuerpflichtige steuererhebliche Sachverhalte bewusst verheimlicht und aus diesem Grunde nicht damit gerechnet hat, auf Zahlung der entstandenen Steuern in Anspruch genommen zu werden (BFH-Urteile vom 14. Dezember 2004 II R 35/03, BFH/NV 2005, 1093 sowie vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erbe oder ein für ihn handelnder Dritter das zuständige Finanzamt so zeitnah über die Steuerangelegenheit unterrichtet hat, dass sein Handeln noch auf den Bewertungsstichtag (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 11 ErbStG) zurückbezogen werden kann. Als Anhaltspunkt kann dafür die Dreimonatsfrist des § 30 Abs. 1 ErbStG dienen (BFH-Urteil vom 24. März 1999 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das beklagte Finanzamt die vom Kläger auf Grund seiner strafbefreienden Erklärung entrichtete Steuer von 46.637 EUR zu Unrecht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen. B ist am ..... Juni 2001 verstorben. Die Erblasserin ist am ..... Juni 2002 verstorben. Die strafbefreiende Erklärung des Klägers ist erst am 30. Dezember 2004 und damit geraume Zeit nach dem zweiten Erbfall beim Finanzamt eingegangen. Die Dreimonatsfrist des § 30 Abs. 1 ErbStG war zu diesem Zeitpunkt seit geraumer Zeit abgelaufen. Es ist auch davon auszugehen, dass die Erblasserin die Vermögensgegenstände und Einnahmen, die der Kläger in der von ihm abgegebenen strafbefreienden Erklärung angegeben hat, bewusst in der Erwartung verheimlicht hatte, nicht mehr auf Zahlung der entstandenen Steuern in Anspruch genommen zu werden. Die Erblasserin hat die fraglichen Vermögensgegenstände insbesondere nicht in der von ihr am 14. Dezember 2001 beim beklagten Finanzamt abgegebenen Erbschaftsteuererklärung nach B angegeben.

Die gegen den Kläger festzusetzende Steuer ist daher wie folgt zu berechnen:

 Wert des Erwerbs bisher:1.239.976 EUR
+ Steuerschulden46.637 EUR
 1.286.613 EUR
./. Steuerbefreiung10.300 EUR
./. Freibetrag205.000 EUR
 1.071.313 EUR
abgerundet1.071.300 EUR
hierauf zu erhebende Steuer von 19 v.H.203.547 EUR
./. anzurechende britische Erbschaftsteuer29.466 EUR
./. Steuerermäßigung gemäß § 27 Abs. 3 ErbStG20.166 EUR
festzusetzende Steuer:153.915 EUR

Der Senat sieht davon ab, das Klageverfahren im Hinblick auf den mittlerweile gestellten Antrag vom 17. Dezember 2008 auf abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 der Abgabenordnung (AO) gemäß § 74 FGO auszusetzen.

Ein Verwaltungsakt über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist zwar ein Grundlagenbescheid für den Festsetzungsbescheid (BFH-Beschluss vom 31. Juli 1997 IX B 13/97, BFH/NV 1998, 201). Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO hat daher grundsätzlich rechtlichen Einfluss auf die Entscheidung über die Anfechtung eines Steuerbescheids und ermöglicht die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO. Das Finanzgericht ist indes nicht verpflichtet, das Klageverfahren wegen eines noch nicht beschiedenen Antrags auf abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen auszusetzen (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 201). Die Aussetzung des Verfahrens ist eine Ermessensentscheidung, bei der insbesondere prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind. Bei der Abwägung prozessökonomischer Gesichtspunkte kann insbesondere berücksichtigt werden, wann der Antrag auf Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO beim Finanzamt gestellt worden ist und in welchem Stand sich das Verfahren befindet. Ferner ist zu prüfen, ob ein Interesse der Beteiligten an einer Aussetzung des Verfahrens besteht (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 201).

Der Senat macht von seinem Ermessen dahingehend Gebrauch, dass er das Klageverfahren nicht aussetzt. Hierfür sprechen namentlich Gründe der Prozessökonomie. Der Kläger hat seinen Antrag auf abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO erst mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 gestellt. Wie der Vertreter des beklagten Finanzamts in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ist dieser Antrag noch nicht beschieden worden. Demgegenüber ist die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage entscheidungsreif. Der Kläger hat zudem darum gebeten, das Klageverfahren nicht auszusetzen (Bl. 118 der Gerichtsakte). Das beklagte Finanzamt hat gleichfalls kein Interesse an einer Aussetzung des Klageverfahrens bekundet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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