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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.10.2009
Aktenzeichen: 4 K 186/09 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG § 7 Abs. 1
ErbStG § 7 Abs. 2
ErbStG § 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Bescheid vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2008 wird insoweit aufgehoben, als mehr als 27.267 EUR Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am ....... 1971 verstorbene Großvater des Klägers (der Erblasser) war Eigentümer der in A belegenen Grundstücke B-Straße und C-Straße. Der Erblasser hatte Nacherbfolge angeordnet und seine fünf Töchter - u.a. die Mutter des Klägers und deren Schwester X - als Vorerbinnen zu jeweils 1/5-Anteil eingesetzt. Nacherben sollten mit dem Tod der Vorerbinnen deren Abkömmlinge werden.

Die Mutter des Klägers verstarb am ..... 1979. Sie wurde vom Kläger beerbt. Nach der Übertragung eines Erbanteils am Nachlass des Erblassers auf den Kläger durch eine Schwester der Mutter des Klägers im Jahre 1995 sowie dem Versterben einer anderen Schwester der Mutter des Klägers im Jahre 1997 waren X mit einem Anteil von 4/15 und der Kläger mit einem Anteil von 6/15 in ungeteilter Erbengemeinschaft am Nachlass des Erblassers beteiligt. Der Nachlass bestand nur noch aus den beiden Grundstücken B-Straße und C-Straße.

X übertrug mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10. Dezember 2003 ihren Anteil von 4/15 am Nachlass des Erblassers im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Kläger. Dieser beantragte,

der Versteuerung der Übertragung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen. Dem entsprach das beklagte Finanzamt und setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 28. November 2005 6.952 EUR Schenkungsteuer fest. Dabei setzte es als Wert seines Erwerbs einen Betrag von 268.251 EUR an, zog hiervon einen Freibetrag von 205.000 EUR ab und erhob auf den sich ergebenden steuerpflichtigen Erwerb von abgerundet 63.200 EUR einen Steuersatz von 11 v.H.

X verstarb am ..... 2004. Sie wurde ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts A vom ....... 2005 vom Kläger zu einem Anteil von 1/3 beerbt.

Das beklagte Finanzamt setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 wegen seines Erwerbs von Todes wegen nach X 47.556 EUR Erbschaftsteuer fest. Die festgesetzte Steuer ermittelte es wie folgt:

 Erwerb durch Erbanfall163.036 EUR
abzüglich Steuerbefreiungen2.666 EUR
zuzüglich Vorerwerb vom 10. Dezember 2003:268.251 EUR
abzüglich Freibetrag10.300 EUR
steuerpflichtiger Erwerb418.300 EUR
Erbschaftsteuer von 22 v.H.92.026 EUR
abzüglich Steuer für den Vorerwerb44.470 EUR
Steuer47.556 EUR

Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend: Er habe den anteiligen Grundbesitz als Nacherbe seines Großvaters erworben. Auf diesen Erwerb sei antragsgemäß die Steuerklasse I angewendet worden. Hieran könne die Zusammenrechnung des Vorerwerbs mit dem Nacherwerb nichts ändern.

Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 15. Dezember 2008 zurück und führte aus: Der Erwerb des Klägers von Todes wegen nach der Vorerbin sei unter Einbeziehung des Vorerwerbs nach der Steuerklasse II zu versteuern. Dies sei auch bei der Ermittlung der für den Vorerwerb anzurechnenden Steuer berücksichtigt worden.

Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Auf den Vorerwerb sei weiterhin die Steuerbegünstigung des § 7 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) anzuwenden, weil die Zusammenrechnung des Vorerwerbs mit seinem Erwerb von Todes wegen nach der Vorerbin nicht bewirkt habe, dass beide Erwerbe ihre rechtliche Selbständigkeit verloren hätten. Der Vorerwerb dürfe bei der Zusammenrechnung der Erwerbe deshalb nur nach Abzug eines Freibetrags von 205.000 EUR mit einem Steuersatz von 11 v.H. berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2008 aufzuheben, soweit mehr als 27.267 EUR Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Die Steuerbegünstigung des § 7 Abs. 2 ErbStG habe nicht zur Folge, dass der begünstigte Erwerb nicht gemäß § 14 ErbStG mit anderen, von der Vorerbin stammenden Erwerben zusammenzurechnen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2008 ist - im angefochtenen Umfang - rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammenzurechnen, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Nach Auffassung des Senats kann die Übertragung des Erbanteils durch die Vorerbin mit dem notariell beurkundeten Vertrag vom 10. Dezember 2003, die gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG der Schenkungsteuer unterlag, nicht als ein von derselben Person angefallener Vermögensvorteil i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG angesehen werden. Der Kläger hat diesen Vermögensvorteil zwar tatsächlich von der Vorerbin erhalten. Er hat jedoch zulässigerweise den Antrag nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gestellt, der Versteuerung des Erwerbs sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen. Da die "Versteuerung" i.S. des § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG an das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser anknüpft, ist dieses Verhältnis auch maßgeblich für eine Zusammenrechnung etwaiger Vorerwerbe nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Das hat zur Folge, dass im Nacherbfall nur frühere Zuwendungen der Person hinzugerechnet werden können, dessen Verhältnis zu dem Erwerber für die Versteuerung maßgeblich ist. Nach Antragstellung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG sind dies nur Zuwendungen des Erblassers (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 30. Juni 1976 II R 3/69, BFHE 119, 492 - zu den §§ 7 Abs. 2 Satz 2, 13 ErbStG 1959 -; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 6 Randnr. 35; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 14 Randnr. 35; Hübner in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG § 6 Randnr. 21 f.). Zuwendungen des Erblassers zugunsten des Klägers hat es allerdings nicht gegeben.

Der BFH hat in seinem Urteil in BFHE 119, 492 zwar ausgeführt, der Gesetzgeber habe die Frage mittlerweile in § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 ErbStG 1974 in einem anderen Sinn entschieden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, woraus sich eine abweichende Regelung ergeben soll (vgl. Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 6 Randnr. 31; Hübner in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG § 6 Randnr. 21).

Gegen eine Hinzurechnung von Zuwendungen des Vorerben nach Antragstellung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG spricht überdies der Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Die Zusammenrechnung nach dieser Vorschrift soll gewährleisten, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangen und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt (BFH-Urteil vom 2. März 2005 II R 43/03, BStBl II 2005, 728). § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG hat darüber hinaus nicht auch den Zweck, die steuermindernde Wirkung des § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG wieder aufzuheben. Die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG durch das beklagte Finanzamt führt im Streitfall jedoch dazu, die dem Kläger mit dem Schenkungsteuerbescheid vom 28. November 2005 gewährte Steuerbegünstigung des § 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG weitgehend wieder zu eliminieren, obgleich die Vorerbin nur eigenes Vermögen vererbt hat. Da für den Vorerwerb das Verhältnis des Klägers zum Erblasser zugrunde zu legen ist, besteht für eine Zusammenrechnung keine aus § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG folgende innere Rechtfertigung. Hinsichtlich des Vorerwerbs muss nicht sichergestellt werden, dass bei der Besteuerung des Erwerbs des Klägers von Todes wegen nach der Vorerbin der ihm insoweit zustehende Freibetrag von 10.300 EUR (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangt und sich kein Progressionsvorteil ergibt.

Die gegen den Kläger festzusetzende Steuer ist daher wie folgt zu ermitteln:

 Erwerb durch Erbanfall163.036 EUR
abzüglich Steuerbefreiungen2.666 EUR
abzüglich Freibetrag10.300 EUR
abgerundet150.000 EUR
Steuersatz 17 v.H.25.500 EUR

Da der Kläger beantragt hat, den angefochtenen Bescheid nur insoweit aufzuheben, als mehr als 27.267 EUR Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist, ist seinem Anfechtungsantrag auch nur in diesem Umfang zu entsprechen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 der Zivilprozessordnung. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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