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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 04.03.2009
Aktenzeichen: 4 K 2262/08 VSt
Rechtsgebiete: AÜG, SGB IV, StromStG, StromStV


Vorschriften:

AÜG § 1 Abs. 3
SGB IV § 28e Abs. 1
SGB IV § 28e Abs. 2
StromStG § 2
StromStG § 10
StromStV § 15 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Beschaffung und der Vertrieb von sowie die Versorgung mit Energie (insbesondere Strom und Gas), Wärme, Wasser, Energieleistungen, energienahen Dienstleistungen und daraus entwickelten Produkten. Als Energieversorgungsunternehmen wurde sie dem Abschnitt E der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 1993 (WZ 93) zugeordnet und vom Beklagten als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes im Sinne von § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) angesehen.

Mit Bescheid vom 09.01.2006 erhielt die Klägerin für 2004 insgesamt ....... EUR Stromsteuervergütung nach § 10 StromStG, wobei sie einen Entlastungsbetrag in der Rentenversicherung von ...... EUR angab. Diesen Betrag hatte sie aus den Gehaltszahlungen ihrer, für sie selbst tätigen Mitarbeiter errechnet.

Auf Anordnung des Beklagten fand bei der Klägerin eine Außenprüfung der Stromsteuer für das Jahr 2004 durch das Hauptzollamt A - Prüfungsdienst - statt, deren Ergebnis im Bericht vom ......., Nr. ........... zusammengefasst wurde. Darin stellten die Prüfungsbeamten fest, dass die Klägerin von ihren ...... Mitarbeitern zuzüglich ... Auszubildenden zum 31.12.2004 ....... Mitarbeiter der X GmbH und ... Mitarbeiter der Y GmbH überlassen hatte. Beide Gesellschaften, 100%ige Töchter der Klägerin, verfügten neben ihren Geschäftsführern und leitenden Angestellten nicht über eigenes Personal. Mit Vertrag vom 09.01.2004 überließ die Klägerin diesen Gesellschaften deshalb gegen Erstattung sämtlicher mit der Personalüberlassung entstandener Kosten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mitarbeiter und unterstellte sie ihnen disziplinarisch.

Nach Auffassung der Prüfungsbeamten hätte die Klägerin in ihrer Steueranmeldung den Entlastungsbetrag für alle ihre Arbeitnehmer einschließlich der ihren Tochterunternehmen überlassenen Arbeitnehmern in Höhe von ....... EUR errechnen und von der von ihr gezahlten Stromsteuer abziehen müssen.

Dem Prüfungsbericht folgend forderte der Beklagte daher mit gemäß § 164 Abs. 2 AO geändertem Steueränderungsbescheid vom 20.12.2007 Stromsteuer in Höhe von ....... EUR zurück.

Zur Begründung des dagegen fristgerecht eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor: Sie habe bei der Berechnung des Spitzenausgleichs den Entlastungsbetrag in der Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 2 StromStG zutreffend nur für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer berücksichtigt. Für die langfristig und im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung an Tochtergesellschaften ausgeliehenen Arbeitnehmer trügen diese allein die Ergebnisverantwortung. Die Arbeitnehmer schuldeten ihre Arbeitsleistung einzig den Tochtergesellschaften, seien in diese Unternehmen vollständig eingegliedert und nur den Weisungen der zuständigen Geschäftsführung unterworfen.

Im Ergebnis resultiere die Arbeitnehmerüberlassung ausschließlich aus den Forderungen des Gesetzgebers im Energiewirtschaftsrecht zur gesellschaftlichen Entflechtung von Energieversorgungsunternehmen. Danach sei sie gezwungen gewesen, den Vertriebs- und den Netzbereich voneinander zu trennen. Die Trennung dieser Bereiche sei durch Gründung der Tochtergesellschaften erfolgt. Beide Gesellschaften seien verpflichtet, der Klägerin sämtliche mit der Personalüberlassung in Zusammenhang stehenden Kosten zu erstatten, womit ausschließlich die Tochtergesellschaften mit den Personalkosten endgültig belastet seien. Wirtschaftlich trage damit nicht die Klägerin den Aufwand aus dem Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung.

Bei der Ermittlung des Spitzenausgleichs seien die Beiträge zur Rentenversicherung bei der Gesellschaft zu berücksichtigen, in deren wirtschaftlichem Interesse und Verantwortung der Einsatz und die Entlohnung der Mitarbeiter erfolge, nicht jedoch bei der Gesellschaft, die lediglich die zahlungstechnische Abwicklung vornehme. Zielsetzung des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform sei die Reduzierung der Arbeitskosten durch Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Das Gesetz sehe nicht vor, dass ein eine Steuervergütung beantragendes Unternehmen Rentenversicherungsbeiträge sozialversicherungsrechtlich schulden müsse.

Im Rahmen der Zuordnung eines Unternehmens zum Produzierenden Gewerbe ordne § 15 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 StromStV überlassene Arbeitskräfte dem Unternehmen zu, dem sie überlassen worden seien. Ebenso stelle § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG in Fällen der Arbeitnehmerüberlassung darauf ab, dass das aufnehmende Unternehmen, das den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trage, als Arbeitgeber anzusehen sei. Diese steuerliche Berücksichtigung sei auch bei § 10 StromStG anzuwenden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 21.05.2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück: Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Vergütung von Stromsteuer nach § 10 StromStG dem Grunde nach zu. Bei der Bemessungsgrundlage seien aber die gesamten Arbeitgeberanteile der Klägerin an den Rentenversicherungsbeiträgen des Jahres 2004 zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften.

Die arbeitsrechtlichen Vorschriften, die auf Schwellenwerte der Betriebsgröße abstellten, zählten gewerblich überlassene Leiharbeitnehmer stets im Verleiherbetrieb mit (s. § 23 Kündigungsschutzgesetz, § 147 a Sozialgesetzbuch III, §§ 111, 112 a, 1 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz). Auch sei ein überlassener Arbeitnehmer gemäß § 14 Abs. 1 AÜG betriebsverfassungsrechtlich dem Betrieb des Vertragsarbeitgebers zugeordnet. Der Leiharbeitnehmer bleibe auch während der Zeit seiner Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehöriger des entsendenden Betriebs (BAG, Urteile vom 22.03.2000 und vom 28.03.2001 zitiert bei Thüsing, Kommentar zu § 14 AÜG, Rzn 14 und 17).

Leiharbeitnehmer seien daher stets dem entsendenden Betrieb zuzurechnen. Dem folge auch die Zahlungspflicht des Gesamtsozialversicherungsbeitrages und die Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung, §§ 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 174 Abs. 1 SGB VI. Nur für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers hafte der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge (§ 28 e Abs. 2 Satz 1 SGB IV).

Leiharbeitnehmer seien Beschäftigte des Verleihers, nicht des Entleihers (Friedrich in Friedrich/Meißner Kommentar zum StromStG und EnergieStG, § 10 StromStG, Rz 47). Weder § 15 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 StromStV noch § 38 Abs. 1 EStG stünden dem entgegen.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, § 15 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 StromStV enthalte eine stromsteuerliche Spezialvorschrift, die auch zur Auslegung des § 10 StromStG heranzuziehen sei, zumal Voraussetzung des Spitzenausgleich auch die Zugehörigkeit zum Produzierenden Gewerbe sei.

Zudem erwähne § 15 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 StromStV ausdrücklich das AÜG und sei deshalb in Kenntnis der Vorschriften dieses Gesetzes geschaffen worden.

Aufgrund dieser Spezialvorschrift sei für die vom Beklagten aufgrund arbeits- und betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften vorgenommene Auslegung kein Raum mehr.

Durch die Bestimmung "Arbeitgeberanteile an den Rentenversicherungsbeiträgen" in § 10 StromStG werde nur die erforderliche Verknüpfung des Stromsteuerrechts mit dem Sozialversicherungsrecht vorgenommen, aber nicht der Umfang der Rentenversicherungsbeiträge im Hinblick auf entliehene Arbeitnehmer definiert.

Vielmehr komme es dabei, wie auch in § 15 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 StromStV auf die traditionelle verbrauchsteuerliche Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse an.

Für die von ihr vertretene Berechnungsmethode spreche auch die im Steuerrecht übliche wirtschaftliche Betrachtungsweise (§§ 39-41 AO), da ihre Tochtergesellschaften den Aufwand für die entliehenen Arbeitnehmer allein trügen. Insoweit gehe es um die Zurechnung von Beschäftigungsverhältnissen, nicht um Waren.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Steueränderungsbescheid des Beklagten vom 20.12.2007 hinsichtlich der Rückforderung des gewährten Spitzenausgleichs nach § 10 StromStG in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.05.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, § 15 StromStV sei nur zu § 9 StromStG ergangen und für die Auslegung des § 10 StromStG nicht heranzuziehen.

Berücksichtige der Verordnungsgeber Leiharbeitnehmer nur bei der Zuordnung von Unternehmen zum Produzierenden Gewerbe, nicht jedoch bei der Stromsteuervergütung, sei ein Vergleich mit anderen Rechtsnormen, die die Arbeitnehmerüberlassung und die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge regelten geboten.

Zwar knüpfe das Steuerrecht an wirtschaftliche Gegebenheiten an. § 39 AO sei hier unanwendbar, da Gegenstand des Verbrauchsteuerrechts Waren, nicht aber Wirtschaftsgüter im Sinne des § 39 AO seien.

Die von den §§ 6 ff. des Energiewirtschaftsgesetzes EnWG vorgesehene Entflechtung hindere die Tochterunternehmen der Klägerin nicht daran, ihrerseits gesondert zu prüfende Vergütungsanträge nach § 10 StromStG zu stellen.

Die Beteiligten haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht die Vergütung nach § 10 StromStG zurückgefordert. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung FGO .

Die Vergütung der Stromsteuer nach § 10 Abs. 1 StromStG, das hier in der Fassung d. Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I 4602) mit Wirkung vom 01. Januar 2003 anzuwenden ist, richtet sich nach § 10 Abs. 2 StromStG. Danach werden für ein Kalenderjahr 95% der Steuer vergütet, jedoch höchstens 95% des Betrages, um den die Steuer im Kalenderjahr den Betrag übersteigt, um den sich für das Unternehmen in dem Kalenderjahr, für das der Antrag gestellt wird (Antragsjahr), der Arbeitgeberanteil an den Rentenversicherungsbeiträgen durch die Senkung der Beitragssätze des § 1 der Beitragssatzverordnung 1998 vom 19. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3219) auf die im Antragsjahr gültigen Beitragssätze verringert hat.

Durch die ökologische Steuerreform sind der gesetzlichen Rentenversicherung weitere Mittel zur Verfügung gestellt worden, die zu einer Absenkung des Beitragssatzes führten. Mit der Neuregelung des § 10 StromStG im Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform sollte die - bisher anders ermittelte - Entlastung um die Differenz zwischen dem Beitragssatz für 1998 und dem für das Jahr der Antragstellung (im Streitfall 2005) gekürzt werden (s. Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drucksache 15/21 Begründung zu Artikel 2 Nr. 5). Insoweit haben die Unternehmen als Arbeitgeber Vorteile aus der politisch motivierten Querfinanzierung durch die ökologischen Steuerreform.

Aus dieser Regelung und den Regelungen der zuvor geltenden Fassungen des § 10 Abs. 2 StromStG ist nicht ersichtlich, dass das StromStG in seinem § 10 andere als die jeweiligen Arbeitgeber begünstigen wollte. Die Klägerin ist für alle ihre Mitarbeiter, auch für diejenigen, die sie an ihre Tochtergesellschaften konzernintern überlassen hat, Arbeitgeberin geblieben. Allein durch die Kostentragung der beiden Konzerngesellschaften und die "disziplinarische Unterstellung" unter diese Gesellschaften verliert die Klägerin nicht ihre Eigenschaft als Arbeitgeberin.

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AÜG ) vorliegen sollte, ergäbe sich trotz der Konzernunternehmen begünstigenden Regelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG nichts anderes, denn dadurch verliert sie ihre Eigenschaft als Arbeitgeberin nicht.

Hiervon gehen auch die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, insbesondere § 28e Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB IV aus. Danach bleibt der Verleiher Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge, während der Entleiher für diese Beiträge nur haftet. Diese Regelungen sind für die Auslegung des § 10 StromStG maßgebend.

§ 15 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 StromStV, der zur Regelung des § 2 Nr. 3 StromStG ergangen ist, und deshalb an sich nicht für die Auslegung des § 10 StromStG herangezogen werden kann, dient auch einer anderen Zielrichtung, nämlich nur der Feststellung, ob ein Unternehmen dem Produzierenden Gewerbe oder der Land- oder Forstwirtschaft zugeordnet werden kann. Dazu kommt es auf die Feststellung der wirtschaftlichen Tätigkeiten an, die sowohl durch eigene als auch durch Leiharbeitnehmer erbracht werden kann. Insoweit wäre es unzutreffend, die Tätigkeit von Leiharbeitnehmern beim Entleiher unberücksichtigt zu lassen, weil dadurch bei einer Wahl nach § 15 Abs. 2 Satz 3 StromStV ein unrichtiges Ergebnis erzielt werden würde. Diese Interessenlage besteht aber bei der Bestimmung des Arbeitgebers für die Vergütungsberechtigung nach § 10 StromStG nicht, weil es insoweit nur auf die Arbeitgebereigenschaft ankommt. Diese Auffassung wird auch von der einschlägigen Literatur geteilt (Friedrich in Friedrich/Meißner Kommentar zum StromStG und EnergieStG, § 10 StromStG, Rz 47).

Auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Welches Unternehmen mit Stromsteuer belastet ist, aber im Hinblick auf die Kürzung des Vergütungsanspruchs nach § 10 Abs. 2 StromStG eine höhere Vergütung erhalten könnte, wenn es nur wenige Beschäftigte hätte, hängt auch im Konzernverbund so von der konkreten Ausgestaltung der wirtschaftlichen Betätigungen und der Übernahme der Arbeitgeberstellung ab, dass eine generelle Auslegung dahingehend, dass nur ein Verleiher oder nur ein Entleiher Arbeitgeber sein könnte, nicht möglich ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass trotz der Kostenübernahme der Tochtergesellschaften für Arbeitnehmer deren wirtschaftliches Ergebnis der Muttergesellschaft zuzurechnen ist. Aus diesen Gründen ist es auch unerheblich, warum im Konzern der Klägerin die Tochtergesellschaften, die Arbeitnehmer der Klägerin beschäftigen, gegründet werden mussten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO waren weder erkennbar noch vorgetragen worden.



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