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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.05.2008
Aktenzeichen: 4 K 242/07 AO
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten Auskunft durch einen Kontoauszug.

Am 24.01.2005 pfändete der Beklagte bei A, dem Schuldner, einen Betrag von 10.261,77 EUR wegen offener Abgabenforderungen.

Auf Antrag der X-Krankenkasse vom 15.03.2005 eröffnete das Amtsgericht M mit Beschluss vom 22.11.2005 über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Am 22.12.2005 meldete der Beklagte offene Steuerforderungen in Höhe von zusammen 34.434,25 EUR zur Insolvenztabelle an. Dieser Forderung widersprach der Kläger vorläufig.

Am 04.04.2006 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Anfechtung der Pfändung und bat um Zahlung des gepfändeten Betrags an ihn. Dem kam der Beklagte umgehend nach.

Am 19.05.2006 bat der Kläger den Beklagten Bezug nehmend auf seine Forderungsanmeldung um Übersendung der der Anmeldung zugrunde liegenden Bescheide und um einen Kontoauszug, aus dem er die Verbuchung der Erlöse aus Vollstreckungen gegen den Schuldner ersehen könne.

Hierauf übersandte ihm der Beklagte am 23.05.2006 die entsprechenden Steuerbescheide und später die weiteren Steueranmeldungen. Weiter teilte er am 23.05.2006 mit, von der Übersendung des Kontoauszugs habe er abgesehen, da die vereinnahmten Beträge nicht zur Tabelle angemeldet worden seien und deshalb auch nicht der Überprüfung der Anmeldung dienen könnten.

Daraufhin erhob der Kläger Klage, in der er - bis zum Hinweis des Beklagten auf die Unzulässigkeit dieser Klage - zunächst in Aussicht stellte, in der mündlichen Verhandlung zu beantragen, den Beklagten zur Erteilung eines Abrechnungsbescheid für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 22.11.2005 zu verurteilen.

Nunmehr begehrt der Kläger mit seiner Klage die Erteilung eines vollständigen Kontoauszugs für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.12.2005.

Dazu trägt er vor, das Steuergeheimnis berechtige den Beklagten nicht, ihm den Kontoauszug zu verweigern. Insoweit werde auf Kommentierungen verwiesen.

Auch dürfe er selbst den Beklagten von der Wahrung des Steuergeheimnisses befreien, zumal er einen Wirtschaftsprüfer von seiner Schweigepflicht befreien könne.

Zudem gehe es nicht nur um die Anfechtungsansprüche, sondern um die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verbuchung des Beklagten hinsichtlich der durch die Vollstreckung erhaltenen Beträge. Insoweit kämen nicht selten Fehler auf Seiten des Beklagten vor.

Ein Zeugnisverweigerungsrecht, das den Beklagten berechtige, die Akteneinsicht abzulehnen, sehe die AO nicht vor.

Der Beklagte sei an Recht und Gesetz gebunden und habe deshalb auch unter Berücksichtigung seiner Anfechtungsansprüche festzustellen, welche Zahlungen ihm tatsächlich zustünden.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Kontoauszug des Schuldners für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 21.11.2005 zu erteilen.

hilfsweise,

ihm eine Schriftsatzfrist einzuräumen, mit der ihm Gelegenheit gegeben wird, seine Bemühungen, Auskünfte vom Schuldner einzuholen, im Einzelnen darzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit die Hauptsache nicht für erledigt erklärt worden ist.

Dazu führt er aus: Soweit der Kläger einen Kontoauszug bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begehrt, sei die Klage derzeit unbegründet, da der Erteilung des Kontoauszugs das Steuergeheimnis des Schuldners entgegen stehe. Als Insolvenzverwalter könne er alle Auskünfte über die Verhältnisse des Schuldners erhalten, die er zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten und unmittelbar zur Durchführung des Verfahrens, u. a. der Prüfung der von ihm, dem Beklagten, angemeldeten Forderungen benötige. Sämtliche Verhältnisse des Schuldners dürften ihm nicht offenbart werden, was sich auch daran zeige, dass der Kläger an Stelle des Schuldners von der Wahrung des Steuergeheimnisses nicht befreien könne.

Bei einer Anfrage eines Insolvenzverwalters sei daher immer zu prüfen, ob ihm die steuerlichen Verhältnisse des Schuldners konkret offenbart werden könnten. Würden wie hier nur pauschal Kontoauszüge angefordert, werde er das Verlangen regelmäßig ablehnen müssen. Eine andere Entscheidung sei nur bei Benennung konkreter Forderungen und Sachverhalte möglich, wenn anhand der vorrangig vom Schuldner vorzulegenden Unterlagen eine Forderung des Steuerverwaltung nicht nachvollzogen werden könne.

Aber auch dann, wenn der Schuldner eine Befreiung vom Steuergeheimnis erklärt haben sollte, gebe es keinen pauschalen Auskunftsanspruch, der nur der reinen Ausforschung ohne konkrete Hinweise auf Anfechtungstatbestände diene.

Ein Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters sehe die InsO nicht vor. Sein Auskunftsanspruch könne sich nur auf § 143 InsO in Verbindung mit § 242 BGB stützen, sei aber nicht gegeben, wenn nur ein begründeter Verdacht auf einen anfechtbaren Erwerb bestehe. Insoweit stehe er anderen Insolvenzgläubigern, die im Insolvenzverfahren die Stellung einer Partei hätten, gleich. Der Insolvenzverwalter habe nur dann einen Auskunftsanspruch, wenn er den Anfechtungstatbestand konkret dargelegt habe.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Kläger zitierten BFH-Beschluss und aus dem BFH-Beschluss vom 15.06.2000, IX B 13/00.

Selbst wenn davon auszugehen sei, dass ein Insolvenzverwalter die Herausgabe- und Einsichtsrechte wahrnehmen könne, die dem Schuldner ohne die Insolvenz zugestanden hätten, führe das ebenfalls nicht zu dem gewünschten Auskunftsanspruch, da es kein allgemeines Auskunftsrecht der Steuerpflichtigen gebe. Die ausnahmsweise Gewährung der Akteneinsicht stehe im Ermessen der Finanzbehörden, wobei die Interessen am ordnungsgemäßen Geschäftsgang mit den Belangen des Beteiligten abzuwägen seien.

Um die Verbindlichkeiten des Schuldners feststellen zu können, genüge eine Rückstandsaufstellung. Vielmehr liege es nahe, dass der Kläger mit dem gewünschten Kontoauszug eine Ausforschung zur Ermittlung weiterer Sachverhalte mit dem Ziel der Anfechtung plane. Hierbei handele es sich nur um wirtschaftliche, nichtsteuerliche Gründe, denen gegenüber sein Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben vorginge.

Soweit der Beklagte dem Kläger einen Kontoauszug für die Zeit vom 22.11. bis 31.12.2005 erteilt hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des von ihm beantragten Kontoauszugs.

Grundlage des vom Kläger geltend gemachten Auskunftsbegehrens, das im Wege einer allgemeinen Leistungsklage geltend gemacht werden kann, ist nicht die Abgabenordnung - AO - , die einen diesbezüglichen Anspruch nicht regelt, sondern das Rechtsstaatsprinzip i.V.m. dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG. Dieses verpflichtet das Finanzamt, einem Steuerpflichtigen - vorbehaltlich des Steuergeheimnisses - eine Auskunft zu erteilen, wenn diese für ihn unerlässlich ist, will er seine steuerlichen Rechte unter zumutbaren Bedingungen effektiv wahrnehmen. Insoweit hat der Kläger aber keinen Anspruch auf Auskunft schlechthin in der von ihm gewünschten Form eines Kontoauszugs über einen bestimmten Zeitraum, sondern nur auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Auskunftsbegehren (BFH Urteil v. 05.10.2006 VII R 24/03, BStBl. II 2007, 243 mwN.).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die Entscheidung des Beklagten, von der Übersendung des Kontoauszugs für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzusehen, nicht zu beanstanden, weil der Kläger im Streitfall keinen Anspruch auf die begehrte Auskunft hat.

Wie der Kläger noch in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, begehrt er die Auskunft nicht, um steuerliche Pflichten des Schuldners erfüllen zu können. Vielmehr geht es ihm ausschließlich um die Geltendmachung von Anfechtungsrechten und die Abrechnung von Säumniszuschlägen.

Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob einer Auskunft das Steuergeheimnis nach § 30 AO entgegenstehen könnte. Selbst wenn auf den Insolvenzverwalter als Betroffenem im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr.3 AO insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) übergegangen sein sollte, wofür die vom BGH im Urteil vom 30.11.1989 III ZR 112/88, NJW 1990, 510-513, aufgestellten Grundsätze und die umfassenden Auskunftspflichten des Schuldners nach § 97 Abs. 1 InsO sprechen könnten, verlangt der Kläger vom Beklagten Auskünfte wie von jedem anderen Gläubiger über Umstände, die das Bestehen eigener Ansprüche des Klägers für die Insolvenzmasse rechtfertigen könnten.

Danach können dem Kläger aber keine weitergehenden Rechte als den übrigen Gläubigern des Schuldners zustehen. Eine Auskunftsverpflichtung ist unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) erst anzunehmen, wenn der Anfechtungsgrund oder der sonst geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach feststehen und es nur noch um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspruchs geht. Diese Pflicht besteht aber nicht schon dann, wenn lediglich ein begründeter Verdacht besteht, der Dritte habe vom Schuldner in anfechtbarer Weise etwas erhalten (BGH Urteile v. 15.01.1987, IX ZR 4/86, NJW 1987, 1812 f., 1812; v. 06.06.1979, VIII ZR 255/78, NJW 1979, 1832 f., 1832).

Derartige Rechte aber hat der Kläger substantiiert nicht vorgetragen, sondern nur aufgrund von ihm angestellter allgemeiner Vermutungen behauptet. Er gab nur - ohne nähere Einzelheiten zu nennen - an, die Auskünfte des Beklagten benötige er, um die Verbindlichkeiten des Schuldners festzustellen. Dieser habe auf Vollstreckungsmaßnahmen geleistet, ohne dass dies nachvollziehbar dokumentiert worden sei. Die Verrechnung eingezogener Forderungen sei unbekannt.

Soweit in der Rechtsprechung des BGH anerkannt ist, dass im Rahmen schon begründeter Rechtsbeziehungen der eine Teil in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der andere Teil die benötigten Auskünfte unschwer zu geben vermag (BGH Urteil v. 21.01.1999, IX ZR 429/97, NJW 1999, 1033 ff., 1034), folgt daraus ebenfalls im Streitfall kein Auskunftsanspruch. Auch in dieser Hinsicht hat der Kläger nicht dargetan, dass seine Ungewissheit entschuldbar ist. Erst in der mündlichen Verhandlung hat er behauptet, der Schuldner sei zu nachvollziehbaren Angaben nicht in der Lage gewesen. Allein diese Behauptung genügt nicht, denn der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er auch nach Auswertung der Buchhaltung des Schuldners und der dabei vorgefundenen Belege sich ein Bild über das mögliche Bestehen der von ihm behaupteten Ansprüche nicht hat verschaffen können.

Zudem stellt die Erstellung eines Kontoauszugs in einer für Dritte lesbaren Form mit den dazu erforderlichen zusätzlichen Erläuterungen auch einen nicht unerheblichen Aufwand dar, der - ohne nähere Angaben - nicht erkennen lässt, dass der gewünschte Auszug vom Beklagten unschwer zu erstellen sein dürfte.

Dem Hilfsantrag des Klägers, ihm zur Darlegung seiner Bemühungen, Auskünfte vom Schuldner einzuholen, eine weitere Schriftsatzfrist einzuräumen, war nicht nachzukommen. Konkrete Umstände, aufgrund derer die von ihm nur ganz allgemein behauptete Unfähigkeit des Schuldners, seine steuerlichen Verhältnisse hinsichtlich geleisteter Zahlungen und Verrechnungen darzulegen, belegt werden könnte, hat der Kläger nämlich trotz seiner Befassung als Insolvenzverwalter mit der Insolvenz dieses Schuldners nicht benannt, obwohl ihm dies aus seiner Tätigkeit ohne weiteres möglich gewesen sein müsste, wenn es derartige Gründe gegeben haben sollte. Vielmehr hat er einen diesbezüglichen Vortrag erst künftig in Aussicht gestellt.

Zudem hat der Kläger nicht substantiiert angegeben, warum er sich selbst aus der Buchhaltung des Schuldners und den vorgefundenen Belegen die nötigen Informationen nicht hat beschaffen können oder warum diese Beschaffung unzumutbar war.

Die vom Kläger lediglich pauschal vorgetragenen Gründe für den erstrebten Auskunftsanspruch legen nahe, dass er mit seinem Begehren allein den Beklagten zur Ausforschung zu Sachverhalten veranlassen will, für deren Vorliegen er selbst dem Grunde nach keinen eigenen Aufwand treiben will.

Darüber hinaus lässt der Vortrag des Klägers gerade nicht erkennen, dass die Auskunft in der Form eines Kontoauszugs gewährt werden muss.

Eine andere Entscheidung folgt auch nicht aus den vom Kläger zitierten BFH-Beschlüssen vom 23.05.2000, IX S 5/00, BFH/NV 2000, 1134 f. und vom 15.06.2000, IX B 13/00, BStBl. II 2000, 431, da es dabei um ganz konkrete Rechtsverhältnisse, nämlich die Akten finanzgerichtlicher Verfahren ging.

Die Kostenentscheidung folgt, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, aus § 138 Abs. 2 i.V.m. § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, da der Beklagte für die Zeit, für die der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt war, nach Umstellung des Klageantrags umgehend einen Kontoauszug erstellt hat.

Die weitere Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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