Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.01.2008
Aktenzeichen: 4 K 2572/07 VM
Rechtsgebiete: MinöStG, EnergieStG, RL 2003/96/EG


Vorschriften:

MinöStG § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
EnergieStG § 2 Abs. 6
EnergieStG § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d
RL 2003/96/EG Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 2572/07 VM

Tenor:

Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung seines Bescheids vom 22. Februar 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2007 verpflichtet, den Vergütungsbetrag um 289,21 EUR höher auf 13.563,91 EUR festzusetzen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein textilverarbeitendes Unternehmen. In ihrem Betrieb in A kommt unter anderem das Verfahren des Absengens von Textilfasern zum Einsatz. Dabei werden Gewebebahnen an einer Flamme vorbeigeführt, wodurch überstehende Textilfasern abgesengt werden. Der Verarbeitungsvorgang verleiht den Gewebebahnen eine besonders glatte und feine Erscheinungsform, so dass sie eleganter und griffiger wirken. Zur Erzeugung der Flamme zum Absengen der Textilfasern verwendete die Klägerin in den Monaten Juli bis September 2006 insgesamt 86,665 MWh versteuertes Erdgas, wovon 15,005 MWh auf den Monat Juli 2006 und insgesamt 71,66 MWh auf die Monate August und September 2006 entfielen.

Die Klägerin beantragte beim beklagten Hauptzollamt mit einer Anmeldung vom 19. Oktober 2006, ihr für den Monat Juli 2006 die Steuer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) und für die Monate August sowie September 2006 nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) zu vergüten, die in dem Erdgas enthalten war, das zum Absengen der Textilfasern verwendet worden war.

Das beklagte Hauptzollamt setzte mit Bescheid vom 22. Februar 2007 für den Monat Juli 2006 gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 MinöStG eine Vergütung von 82,53 EUR Mineralölsteuer fest. Für die Monate August und September 2006 setzte es nach § 54 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EnergieStG eine Vergütung von lediglich 104,91 EUR Energiesteuer fest. Die von der Klägerin beantragte Vergütung der Energiesteuer nach § 51 Abs. 1 Buchst. d EnergieStG lehnte es ab, weil das Verbrennen des Erdgases zum Absengen von Textilfasern seit dem Inkrafttreten des EnergieStG am 1. August 2006 als steuerpflichtiges Verheizen anzusehen sei.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend: Das Erdgas werde bei dem Absengen der Textilfasern zwar verheizt. Sie habe dennoch gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG einen Vergütungsanspruch, weil mit dem Verheizen des Erdgases gleichzeitig der Zweck verfolgt werde, die überstehenden Textilfasern zu vernichten. Dies sei nur durch den unmittelbaren Kontakt der Flamme mit dem zu vernichtenden Stoff möglich. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des EnergieStG keine Schlechterstellung einzelner Branchen oder Prozesse beabsichtigt, sondern eine Steuerentlastung für solche Verwendungen von Energieerzeugnissen vorgesehen, die nach der Rechtsprechung zum Begriff des "Verheizens" und dem dazu ergangenen Anwendungserlass im Ergebnis steuerfrei gewesen seien.

Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 14. Juni 2007 zurück und führte aus: Die Verwendung von Erdgas zum Absengen von Textilfasern sei bis zum Inkrafttreten des EnergieStG nicht als "Verheizen" angesehen worden. Die Mineralölsteuer habe deshalb nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 MinöStG vergütet werden können. Die Energiesteuer könne jedoch nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG vergütet werden, weil die durch das Verheizen erzeugte Wärmeenergie in Form heißer Luft ausgenutzt werde. Die bloße Ausnutzung der durch das Verheizen erzeugten Wärmeenergie stelle keinen weiteren Verwendungszweck dar. Unter § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG fielen nur Prozesse, bei denen Bestandteile des eingesetzten Energieerzeugnisses teilweise in das Produkt eingingen. Nicht erfasst würden Fälle, die vor dem Inkrafttreten des EnergieStG nur auf Grund des Kontakts der Flamme mit dem zu bearbeitenden Stoff begünstigt gewesen seien. Aus der Bundestags-Drucksache 16/1172, S. 44 ergebe sich nicht, dass alle Verwendungen, die nach der Dienstanweisung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung (VSF) V 03 50 Abs. 4 begünstigt gewesen seien, auch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG begünstigt seien.

Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Sie habe nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG einen Vergütungsanspruch, weil das Erdgas neben Heizzwecken gleichzeitig der Erzeugung einer zerstörend wirkenden Flamme diene, deren unmittelbarer Kontakt das gewünschte Ergebnis bringe. Das vom beklagten Hauptzollamt genannte Erfordernis, Bestandteile des Energieerzeugnisses müssten teilweise in das Produkt eingehen, lasse sich weder § 51 EnergieStG noch Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2 der Richtlinie 2003/96/EG (Richtlinie 2003/96) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl EU Nr. L 283/51) entnehmen. Aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG folge vielmehr, dass mit der Verwendung des Erdgases zur Erzeugung einer Flamme mit dem Ziel der Vernichtung von Textilfasern einer weiterer Zweck verfolgt werde. Hilfsweise stütze sie ihr Vergütungsbegehren auf § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG. Betrachte man die abzusengenden Textilfasern isoliert, handele es sich um Abfall.

Die Klägerin beantragt,

1. das beklagte Hauptzollamt unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 22. Februar 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2007 zu verpflichten, den Vergütungsbetrag um 289,21 EUR höher auf 13.563,91 EUR festzusetzen;

2. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Bei dem Absengen von Textilfasern handele es sich nicht um einen nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG begünstigten Prozess, weil lediglich die durch das Verheizen erzeugte Wärmeenergie in Form heißer Luft und insbesondere der offenen Flamme ausgenutzt werde. Dabei sei es unerheblich, ob ein direkter Kontakt der Flamme mit der zu bearbeitenden Ware bestehe. Die Klägerin habe auch nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG keinen Entlastungsanspruch, weil der Prozess des Ansengens keine thermische Abfallbehandlung darstelle. Die Härchen an dem Gewebe, die durch das Absengen entfernt würden, seien keine Abfälle.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 22. Februar 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das beklagte Hauptzollamt damit eine Vergütung von Energiesteuer nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG abgelehnt hat (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Klägerin hat nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG einen Anspruch auf Steuerentlastung. Die nach dieser Bestimmung zu gewährende Steuerentlastung umfasst die vollständige Vergütung der entstandenen Steuer (§ 45 EnergieStG), während § 54 Abs. 1 EnergieStG nur eine teilweise Steuerentlastung in Höhe der in § 54 Abs. 2 EnergieStG aufgeführten Sätze vorsieht.

Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse gewährt, die versteuert worden sind und von einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes gleichzeitig zu Heizzwecken und zu anderen Zwecken als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet worden sind. Bei der Klägerin handelt es sich unstreitig um ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes i.S. des § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes vom 24. März 1999 (BGBl I, 378), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2006 (BGBl I, 3180). Das Unternehmen der Klägerin ist dem Abschnitt D der Klassifikation der Wirtschaftszweige und dort den Unterklassen 17.30, 17.40 und 18.21 zuzuordnen.

Die Klägerin hat in den Monaten August und September 2006 das von ihr bezogene versteuerte Erdgas zu Heizzwecken verwendet, indem sie es verbrannt hat (§ 2 Abs. 6 EnergieStG). Sie hat das Erdgas allerdings gleichzeitig zu anderen Zwecken verwendet, soweit sie es zum Absengen der Textilfasern eingesetzt hat. Was unter dem Tatbestandsmerkmal der Verwendung "zu anderen Zwecken" i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG zu verstehen ist, erschließt sich aus Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2 der Richtlinie 2003/96, die wegen des Gebots richtlinienkonformer Auslegung einzelstaatlichen Rechts ergänzend heranzuziehen ist. Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung einzelstaatlichen Rechts folgt aus Art. 249 Unterabs. 3 des Vertrags zur Gündung der Europäischen Gemeinschaft und obliegt allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten einschließlich der Gerichte (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Urteil vom 18. Dezember 1997 Rs. C-129/96, Slg. 1997, I-7411 Rdnr. 40).

Nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2 Satz 1 der Richtlinie 2003/96 hat ein Energieerzeugnis dann zweierlei Verwendungszweck, wenn es sowohl als Heizstoff als auch für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird. Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/96 enthält eine nicht abschließende Aufzählung der Fälle, in denen ein anderer Verwendungszweck anzunehmen ist. Während das Beispiel der chemischen Reduktion bereits in Art. 8 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 92/81/EWG (Richtlinie 92/81) des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl EG Nr. L 316/12) näher umschrieben war, ist die beschriebene Verwendung von Energieerzeugnissen "bei Prozessen in der Metallindustrie" denkbar weit und umfasst verschiedenste, nicht näher eingegrenzte Verwendungszwecke "in der Metallindustrie". Dies verdeutlicht bereits, dass der "andere" Verwendungszweck nicht eng zu verstehen ist. Ein Hinweis auf die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals des "anderen" Verwendungszwecks lässt sich zudem dem noch zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 92/81 ergangenen EuGH-Urteil vom 29. April 2004 Rs. C-240/01 (Slg. 2004, I-4733) entnehmen. Dort hat der EuGH unter Rdnr. 56 seines Urteils ausgeführt, der Begriff "Verbrauch als Heizstoff" in Art. 2 Absatz 2 Satz 1 der Richtlinie 92/81 beziehe sich auf alle Fälle, in denen Mineralöle verbrannt würden und die so erzeugte thermische Energie zum Heizen genutzt werde, und zwar unabhängig vom Zweck des Heizens, der auch die Umwandlung oder Vernichtung des Stoffes umfassen könne, auf den diese thermische Energie bei einem chemischen oder industriellen Prozess übertragen werde. Ein anderer Zweck als die Verwendung als Heizstoff kann danach auch die Verwendung eines Energieerzeugnisses zur Umwandlung oder Vernichtung eines Stoffes sein, auf den die thermische Energie bei einem industriellen Prozess übertragen wird.

So liegt es indessen im Streitfall. Durch das Verbrennen des Erdgases wird eine offene Flamme erzeugt, die im Rahmen eines industriellen Prozesses gleichzeitig zur Umwandlung der Textilfasern bzw. zur Vernichtung der Härchen an dem Gewebe genutzt wird. Soweit das beklagte Hauptzollamt in seiner Einspruchsentscheidung ausgeführt hat, die bloße Ausnutzung der durch das Verheizen erzeugten Wärmeenergie stelle keinen weiteren Verwendungszweck dar, hat es übersehen, dass sich die Verwendung des Erdgases beim Absengen der Textilfasern nicht in der Erzeugung der Wärmeenergie erschöpft. Vielmehr wird gleichzeitig die zerstörerische Kraft der durch das Verbrennen des Erdgases erzeugten offenen Flamme zum Absengen der Textilfasern genutzt. Das vom beklagten Hauptzollamt genannte Erfordernis, Bestandteile des Energieerzeugnisses müssten teilweise in das Produkt eingehen, lässt sich weder § 51 EnergieStG noch Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2 der Richtlinie 2003/96 entnehmen. Gegen die Annahme eines solchen Erfordernisses sprechen überdies die in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG aufgeführten Fälle der begünstigten Verwendung von Energieerzeugnissen durch Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, bei denen die Energieerzeugnisse oftmals nicht in die mit ihrer Hilfe hergestellten oder verarbeiteten Erzeugnisse eingehen. Vergleichbares gilt bei den in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b Anstrich 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/96 genannten "Prozessen in der Metallindustrie".

Dahinstehen kann im Streitfall, ob der Gesetzgeber mit der Einführung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG solche Verwendungen begünstigen wollte, die bisher nach der Dienstanweisung des BMF in VSF V 03 50 Abs. 4 begünstigt waren (hierzu Bundestags-Drucksache 16/1172, S. 44). Dies allein wäre nicht maßgebend, weil der einzelstaatliche Gesetzgeber keine von Art. 2 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2003/96 abweichenden Regelungen treffen durfte. Entscheidend kann letztlich nur eine richtlinienkonforme Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.



Ende der Entscheidung

Zurück