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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 4 K 3191/05 Z,EU
Rechtsgebiete: TrZG


Vorschriften:

TrZG § 4 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 3191/05 Z,EU

Tenor:

Der Steuerbescheid des beklagten Hauptzollamts vom 7. Januar 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. März 2005 wird aufgehoben.

Das beklagte Hauptzollamt trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist dänischer Staatsangehöriger und Mitglied der dänischen Streitkräfte. Er war vom März 2000 bis zum September 2004 beim NATO ........ Verband in A/ Bundesrepublik Deutschland stationiert und erwarb im September 2002 in Großbritannien einen PKW der Marke ....., den er abgabenfrei in die Bundesrepublik Deutschland verbrachte. Der PKW wurde am 6. September 2002 vom Straßenverkehrsamt des Kreises B unter dem Kennzeichen ........... zugelassen. Im Mai 2003 verbrachte der Kläger den PKW wieder nach Großbritannien, wo er ihn an einen britischen Staatsangehörigen veräußerte. Das Fahrzeug wurde am 24. Juli 2003 beim Straßenverkehrsamt des Kreises B abgemeldet.

Das beklagte Hauptzollamt setzte gegen den Kläger mit Steuerbescheid vom 7. Januar 2005 2.276 EUR Zoll und 4.005,76 EUR Einfuhrumsatzsteuer fest. Dabei ging es davon aus, dass der PKW aus der Zollgutverwendung der ausländischen Streitkräfte oder ihrer Mitglieder in den freien Verkehr entnommen worden sei. Hierdurch sei nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Truppenzollgesetzes (TrZG) eine Abgabenschuld entstanden. Der Kläger sei als Mitglied der ausländischen Streitkräfte nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TrZG Abgabenschuldner geworden.

Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch brachte der Kläger vor: Der PKW sei in Großbritannien abschließend steuerlich behandelt worden. Die britische Zollverwaltung erkenne den steuerprivilegierten Status der NATO-Truppen an. Durch das Verbringen des PKW nach Großbritannien und den Verkauf dort sei das Fahrzeug nicht in der Bundesrepublik Deutschland in den freien Verkehr übergeführt worden. Darüber hinaus verstoße die Abgabenerhebung durch das beklagte Hauptzollamt gegen das Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 19. Juni 1951 (BGBl 1961 II, 1190) und gegen das Protokoll über die Rechtsstellung der auf Grund des Nordatlantikvertrags errichteten internationalen militärischen Hauptquartiere vom 28. August 1952 (BGBl II 1969, 2000).

Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 11. März 2005 zurück und führte aus: Mit dem Verkauf des PKW sei dieser aus der Zollgutverwendung entnommen worden, so dass nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG die Abgabenschuld entstanden sei. Auf den Ort der Begehung der Handlung, welche die Abgabenschuld begründe, komme es nicht an. Von der Abgabenentstehung nach § 4 TrZG sei das von den britischen Behörden zu würdigende Verbringen des PKW nach Großbritannien und der innergemeinschaftliche Erwerb zu unterscheiden. Der Kläger werde durch die Abgabenerhebung nicht in seinen Rechten als Mitglied der dänischen Streitkräfte verletzt, weil ihm im Rahmen der Zollgutverwendung die Abgabenbefreiung gewährt worden sei. Die umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen über den innergemeinschaftlichen Erwerb seien nicht anwendbar.

Der Kläger hat am 28. Juli 2005 Klage erhoben, mit der er vorträgt: Das beklagte Hauptzollamt sei für die Abgabenerhebung nicht zuständig, weil der PKW in Großbritannien aus der Zollgutverwendung entnommen worden sei. Der Verkauf des Fahrzeugs stelle letztlich einen Verbrauch dar, der nach der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Steuerbescheid vom 7. Januar 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. März 2005 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Der Kläger habe den PKW aus der Zollgutverwendung entnommen, indem er ihn an eine nicht zur abgabenbegünstigten Verwendung berechtigte Person veräußert habe. Der Ort, wo dies geschehen sei, habe keine Bedeutung für die Entstehung der Abgabenschuld. Bei einer nicht zweckgerechten besonderen Verwendung entstehe die Einfuhrabgabenschuld immer in dem Mitgliedstaat, in dem die Ware in die besondere Verwendung übergeführt worden sei. Der Kläger habe den PKW erst nach der Überführung in den freien Verkehr zu privaten Zwecken in einen anderen Mitgliedstaat verbringen dürfen, ohne dort Umsatzsteuer entrichten zu müssen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Steuerbescheid vom 7. Januar 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. März 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Hauptzollamt hat zu Unrecht die Einfuhrabgaben gegen ihn festgesetzt.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG entsteht mit der Entnahme von Zollgut aus der Zollgutverwendung der ausländischen Streitkräfte oder ihrer Mitglieder in den freien Verkehr eine Abgabenschuld, wie sie bei der Einfuhr entstehen würde. Abgabenschuldner ist unter anderem das Mitglied der ausländischen Streitkräfte, welches das Zollgut veräußert hat (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TrZG). Eine Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 TruZG liegt vor, wenn eine Ware aus dem Besitz der ausländischen Streitkräfte in den Besitz eines Nichtberechtigten übergeht und dadurch die für die Abgabenbegünstigung maßgebliche Zweckbestimmung der ausschließlichen Verwendung als Truppenzollgut aufgehoben wird, was bei einvernehmlichem Besitzübergang anzunehmen ist, wenn dem Nichtberechtigten - Nichtmitglied der ausländischen Streitkräfte - das Eigentum verschafft oder Gebrauch oder Verbrauch gestattet wird (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 3. Mai 1994 VII B 49/94, BFH/NV 1994, 755). Dieser einvernehmliche Besitzübergang hat im Streitfall in Großbritannien und damit außerhalb des Geltungsbereichs des TrZG stattgefunden. Nach Auffassung des Senats kann eine in einem anderen Mitgliedstaat stattfindende Veräußerung einer Ware, die sich in der Zollgutverwendung der ausländischen Streitkräfte oder ihrer Mitglieder befindet, nicht als eine die Abgabenschuld begründende Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG angesehen werden. Hiergegen spricht bereits, dass das national durch das TruZG geregelte Truppenzollrecht nicht auf Gemeinschaftsrecht beruht und als solches keine gemeinschaftsweite Geltung beansprucht. Die Regelung der den Hauptquartieren und ihrem Personal zu gewährenden Vergünstigungen ist gemeinschaftsrechtlich vielmehr den Mitgliedstaaten vorbehalten (BFH-Beschluss vom 17. August 2000 VII B 45/00, BFHE 192, 149). Das ergibt sich zollrechtlich für die bei Ergehen der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 (VO Nr. 918/83) des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl EG Nr. L 105/1) bereits bestehenden Abkommen mit internationalen Organisationen aus Art. 133 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 918/83 und hinsichtlich der Umsatzsteuer aus Art. 14 Abs. 1 Buchst. g Anstrich 2 sowie Art. 15 Abs. 1 Nr. 10 Anstrich 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Auch Art. XI Abs. 8 Buchst. b des NATO-Truppenstatuts und Art. 65 Abs. 3 Satz 1 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl 1961 II, 1218) gehen davon aus, dass nur eine Veräußerung im Aufnahmestaat bzw. in der Bundesrepublik Deutschland eine Abgabenschuld begründen kann. Dies entspricht zudem § 5 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Truppenzollgesetzes, der zwar nur die örtliche Zuständigkeit der Zollstelle regelt, in deren Bezirk das Zollgut in den freien Verkehr entnommen wird. Das lässt indessen darauf schließen, dass es nicht nur an der örtlichen Zuständigkeit einer deutschen Zollstelle fehlt, wenn "Zollgut" in einem anderen Mitgliedstaat in den freien Verkehr entnommen wird. Vielmehr liegt in diesen Fällen nach Ansicht des Senats auch keine die Abgabenschuld begründende Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG vor. Für dieses Verständnis des § 4 TrZG spricht überdies § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der im Streitfall anzuwendenden Fassung. Hiernach unterliegt die Einfuhr von Gegenständen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland oder die österreichischen Gebiete Jungholz und Mittelberg der Einfuhrumsatzsteuer. Wenn auch gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TrZG die Abgabenschuld entsteht, wie sie bei der Einfuhr der Ware aus dem Drittlandsgebiet entstehen würde, so ändert dies gleichwohl nichts daran, dass es sich bei der Entnahme einer Ware aus der Zollgutverwendung durch deren Veräußerung in einem anderen Mitgliedstaat nicht um eine "Einfuhr" in das Inland, d.h. in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (§ 1 Abs. 2 Satz 1 UStG), handelt.

Hinsichtlich der Zollschuld kann auch nicht Art. 215 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl EG Nr. L 302/1) angewendet werden. Dabei kann dahinstehen, ob durch die Veräußerung des PKW in Großbritannien nach Art. 202 Abs. 1, nach 203 Abs. 1 oder nach Art. 204 Abs. 1 ZK eine Zollschuld entstanden ist. Denn die Frage, ob für den in Rede stehenden PKW eine Abgabenschuld entstanden und der Kläger Abgabenschuldner geworden ist, kann nur auf der Grundlage der nach wie vor geltenden sondergesetzlichen Vorschriften des TrZG beurteilt werden (BFH-Beschluss in BFHE 192, 149).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.



Ende der Entscheidung

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