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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: 4 K 3381/03 Erb
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, ErbStG


Vorschriften:

FGO § 68 S. 1
AO 1977 § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AO 1977 § 171 Abs. 3a S. 1
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 25 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 3381/03 Erb

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25. Juli 1995 übertrug die Mutter der Klägerin dieser das Grundstück Gemarkung A, Flur ..., Flurstück .... sowie ihren Anteil als Miterbin an den Grundstücken Gemarkung B, Flur ..., Flurstücke .., .., .., .., .. und ... . Die Mutter der Klägerin behielt sich an dem übertragenen Grundbesitz mit einem Verkehrswert von 2.625.000 DM den lebenslänglichen Nießbrauch vor. Während der Dauer des Nießbrauchs sollte sie weiterhin die Zins- und Tilgungsleistungen für die auf den Grundstücken lastenden Verbindlichkeiten erbringen. Die Klägerin übernahm die Grundpfandrechte und mit Wirkung ab der Beendigung des Nießbrauchs die diesen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten. Unter V. der notariellen Urkunde vom 25. Juli 1995 ließen die Klägerin und ihre Mutter die Auflassung beurkunden und bewilligten die Eintragung des Eigentumswechsels in den Grundbüchern. Die Mutter der Klägerin sollte die durch die Übertragungen entstehende Schenkungsteuer tragen.

Am 31. Juli 1995 ging beim Finanzamt M, dessen Zuständigkeit mittlerweile auf das beklagte Finanzamt übergegangen ist, die Anzeige des beurkundenden Notars vom 27. Juli 1995 ein, mit der dieser eine Abschrift der Urkunde vom 25. Juli 1995 übersandte. Auf Aufforderungen des Finanzamts M vom 25. August 1998 und des beklagten Finanzamts vom 4. Februar 1999 gab die Klägerin am 30. März 1999 eine Schenkungsteuererklärung ab. Mit Bescheid vom 23. Januar 2001 setzte das beklagte Finanzamt gegen die Mutter der Klägerin Schenkungsteuer fest.

Gegen diesen Bescheid legte die Mutter der Klägerin Einspruch ein, den das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 6. August 2001 zurückwies. Auf die von ihr erhobene Klage hob der Senat den Schenkungsteuerbescheid vom 23. Januar 2001 und die Einspruchsentscheidung mit Urteil vom 12. Juni 2002 - 4 K 5091/01 Erb - wegen Festsetzungsverjährung auf.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2002 setzte das beklagte Finanzamt gegen die Klägerin 36.228 EUR Schenkungsteuer fest, von der es 18.021 EUR im Hinblick auf den ihrer Mutter bestellten Nießbrauch zinslos stundete. Das der Klägerin übertragene Grundvermögen setzte es mit 812.350 DM an. Dem rechnete es die übernommene Schenkungsteuer mit 65.007 DM als Erwerb hinzu.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich auf Festsetzungsverjährung berief und geltend machte, dass der nach § 10 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) als Erwerb anzusetzende Betrag unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Januar 2002 II R 15/00, BStBl II 2002, 314 unzutreffend ermittelt worden sei.

Mit Entscheidung vom 20. Mai 2003 setzte das beklagte Finanzamt die Schenkungsteuer auf 35.437 EUR neu fest, wovon es 17.890 EUR zinslos stundete. Im Übrigen wies es den Einspruch zurück. Das der Klägerin übertragene Grundvermögen setzte es unverändert mit 812.350 DM an. Dem rechnete es die übernommene Schenkungsteuer mit 47.836 DM als Erwerb hinzu.

Die Klägerin hat am 18. Juni 2003 Klage erhoben. Am 13. Februar 2005 ist ihre Mutter verstorben. An diesem Tage lasteten auf dem am 25. Juli 1995 übertragenen Grundbesitz noch Verbindlichkeiten von insgesamt 1.213.218 DM. Das beklagte Finanzamt setzte die Schenkungsteuer mit Bescheid vom 25. August 2005 auf 21.457 EUR neu fest. Dabei ging es nunmehr von einer gemischten freigebigen Zuwendung aus, wobei es die übernommenen Verbindlichkeiten nur mit einem auf den 25. Juli 1995 abgezinsten Betrag von 730.357 DM als Gegenleistung berücksichtigte. Es gelangte so zu einem Wert des Erwerbs von 586.328 DM, dem es die übernommene Schenkungsteuer mit 28.326 DM hinzurechnete.

Die Klägerin trägt vor, die Festsetzung der Schenkungsteuer sei wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung unzulässig. Darüber hinaus habe das beklagte Finanzamt die von ihr übernommenen Verbindlichkeiten zu Unrecht abgezinst. Da bei der Ermittlung des Kapitalwerts des Nießbrauchs im Rahmen der Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stundenden Steuer die vom Nießbraucher zu tragenden Schuldzinsen als Aufwand abgesetzt würden, komme es durch die Abzinsung der übernommenen Verbindlichkeiten zu einer Doppelbelastung. Die vom Nießbraucher zu tragenden Zinsen verminderten den Kapitalwert der Belastung und damit auch die zu stundende Steuer. Es habe sich bei den Verbindlichkeiten zudem nicht um zinslose Schulden gehandelt. Die Darlehen hätten eine bankübliche Verzinsung aufgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Schenkungsteuerbescheid vom 25. August 2005 aufzuheben;

2. hilfsweise den Schenkungsteuerbescheid vom 25. August 2005 dahin zu ändern, dass übernommene Verbindlichkeiten mit 1.213.218 DM als Gegenleistung berücksichtigt werden.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Die übernommenen Verbindlichkeiten seien auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen, weil es sich um für die Klägerin unverzinsliche Schulden handele. Eine Doppelbelastung trete hierdurch nicht ein, weil der Nießbrauch wegen der Abzugsbeschränkung des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht in die Berechnung der Schenkungsteuer einbezogen werden könne.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Schenkungsteuerbescheid vom 25. August 2005, der gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat die Schenkungsteuer zu Recht und in zutreffender Höhe gegen sie festgesetzt.

Der Festsetzung der Steuer war nicht wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung - AO -) unzulässig. Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) begann im Streitfall gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des 31. Dezember 1998. Die Klägerin ist vom Finanzamt M mit Schreiben vom 25. August 1998 und vom beklagten Finanzamt mit Schreiben vom 4. Februar 1999 aufgefordert worden, eine Schenkungsteuererklärung abzugeben. Sie war daher gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Da die Schenkungsteuererklärung der Klägerin erst am 30. März 1999 beim beklagten Finanzamt einging, gilt die Begrenzung der Anlaufhemmung auf drei Jahre des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Ein früherer Beginn der Festsetzungsfrist kommt im Hinblick auf die Anzeige des beurkundenden Notars vom 27. Juli 1995 nicht in Betracht. Die Pflicht des Erwerbers, auf Verlangen des Finanzamts eine Steuererklärung abzugeben (§ 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG), wird durch die Anzeigepflicht des Notars (§ 34 ErbStG) und deren Erfüllung nicht berührt. Der Anlauf der Festsetzungsfrist richtet sich daher unabhängig davon, ob der Notar eine von ihm beurkundete Schenkung angezeigt hat, nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, wenn das Finanzamt die Abgabe einer Schenkungsteuererklärung verlangt (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 1/03, BStBl II 2005, 244). Der Schenkungsteuerbescheid vom 29. Mai 2002 wahrte gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 AO die Festsetzungsfrist, die gemäß § 171 Abs. 3a Satz 1 AO noch nicht abgelaufen ist.

Das beklagte Finanzamt hat auch zu Recht die Übernahme der Verbindlichkeiten durch die Klägerin als Gegenleistung im Rahmen einer gemischten freigebigen Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) nur mit einem auf den Bewertungsstichtag des 25. Juli 1995 (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 11 ErbStG) abgezinsten Wert von 730.357 DM berücksichtigt. Nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) ist der Wert unverzinslicher Schulden, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden, mit dem Betrag anzusetzen, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinsenzinsen verbleibt. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung liegen vor. Die Laufzeit der von der Klägerin letztlich übernommenen Verbindlichkeiten betrug vom Bewertungsstichtag an bis zum Tag des Eintritts der Bedingung für die Schuldübernahme (dem Todestag ihrer Mutter am 13. Februar 2005) mehr als ein Jahr. Die Verbindlichkeiten wurden für sie an diesem Tage fällig. Anders die Klägerin meint, handelte es sich für sie auch um eine unverzinsliche Schuld. Denn sie hatte weder an ihre Mutter noch an die Darlehensgeber bis zum Zeitpunkt des Übergangs der Verbindlichkeiten Zinsen zu entrichten. Nach III. 1. Buchst. b der notariellen Urkunde vom 25. Juli 1995 gingen die Darlehensrückzahlungsverbindlichkeiten vielmehr "in ihrer am Tage der Beendigung des Nießbrauchsrechts tatsächlich bestehenden Höhe" auf sie über, während ihre Mutter für die Dauer des Nießbrauchs die Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen hatte.

Die von der Klägerin geltend gemachten Einwendungen gegen die vom beklagten Finanzamt vorgenommene Abzinsung greifen nicht durch. Nach § 12 Abs. 3 BewG soll gerade berücksichtigt werden, dass eine Verpflichtung nicht zeitnah, sondern erst in fernerer Zukunft zu erfüllen ist und damit der zu ihrer Erfüllung erforderliche Aufwand zeitversetzt anfällt (BFH-Urteil vom 17. März 2004 II R 76/00, BFH/NV 2004, 1072). Die Abzinsung der übernommenen Verbindlichkeiten führt auch nicht zu einer (unzulässigen) Doppelbelastung. Die Klägerin übersieht bereits, dass die Frage, mit welchem Wert im Rahmen einer gemischten freigebigen Zuwendung übernommenen Verbindlichkeiten als Gegenleistung zu berücksichtigen sind, schenkungsteuerrechtlich nicht mit der Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stundenden Steuer verknüpft ist. Die aufeinander abgestimmte Regelung des § 25 Abs. 1 ErbStG hat nichts mit dem Tatbestandsmerkmal der Bereicherung des Beschenkten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu tun (BFH-Urteil vom 16. Januar 2002 II R 15/00, BStBl II 2002, 314, 316). Unbeschadet dessen kann es im Streitfall gar nicht zu der von der Klägerin geltend gemachten Doppelbelastung bei der Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stundenden Steuer gekommen sein. Wie sich aus der Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 2003 ergibt, wurde bei der Ermittlung des Kapitalwerts des Nießbrauchs die Begrenzung des § 16 BewG auf 1/18,6 des Steuerwerts des belasteten Grundbesitzes berücksichtigt. In Anbetracht dessen war für eine Verminderung des Kapitalwerts der Belastung um die von der Nießbraucherin zu tragenden Zinsen kein Raum. Die von der Klägerin angestellte Vergleichsrechnung erweist sich daher als für den Streitfall nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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