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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.10.2008
Aktenzeichen: 4 K 3994/07 Z
Rechtsgebiete: AO, UStG, FGO


Vorschriften:

AO § 233a
AO § 238 Abs. 1 S. 1
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 4
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
UStG § 21 Abs. 1
FGO § 100 Abs. 4
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 137 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 3994/07 Z

Tenor:

Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird der Beklagte verpflichtet, den Klägern als Gesamtgläubigern Zinsen nach § 233a AO in Höhe von 6.443 EUR festzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO für Einfuhrumsatzsteuer EUSt .

Der Beklagte nahm die Kläger als Gesamtschuldner mit Bescheiden vom 17.08.2001 für 232.164,66 DM Zoll und 37.146,35 DM EUSt in Anspruch. Auf den Einspruch und Antrag der Kläger setzte der Beklagte die Vollziehung der Bescheide gegen Sicherheitsleistung für die gesamten Einfuhrabgaben aus.

Am 12.12.2001 entrichtete der Kläger die Einfuhrabgaben und im folgenden Monat machte die Klägerin die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend.

Am 18.10.2007 erhoben die Kläger Untätigkeitsklage. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 13.12.2007 die angefochtenen Bescheide auf, erstattete die Einfuhrabgaben und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Mit Schriftsatz vom 29.01.2008 haben sich die Kläger der Erledigungserklärung hinsichtlich des angefochtenen und nunmehr aufgehobenen Steuerbescheids angeschlossen.

Zudem beantragten die Kläger, den Beklagten in entsprechender Anwendung des § 100 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung FGO zu verpflichten, hinsichtlich der erstatteten EUSt Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung AO festzusetzen. Die EUSt sei eine Form der Umsatzsteuer, § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes UStG , so dass auf sie auch § 233a AO anzuwenden sei. Führe die Festsetzung der Umsatzsteuer zu einem Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 AO, sei dieser zu verzinsen, § 233a Abs. 1 AO. Werde die Festsetzung der Umsatzsteuer aufgehoben, sei die Zinsfestsetzung zu ändern, § 233a Abs. 5 AO. Sei bei der ersten Festsetzung eine Verzinsung unterblieben, seien die Zinsen anlässlich der Aufhebung festzusetzen (Anwendungserlass zur AO Nr. 44 zu § 233a). Der Zinslauf habe am 1. April 2002 begonnen. Der Beklagte sei für die Zinsfestsetzung zuständig gewesen, § 233a Abs. 4 AO.

Entgegen der Auffassung des Beklagten komme es für den geltend gemachten Zinsanspruch auf einen Zinsschaden nicht an. Zudem sei ihnen ein Zinsschaden entstanden, weil die Mittel für die Zahlung der festgesetzten Einfuhrabgaben kurzfristig nicht zur Verfügung gestanden hätten, so dass Säumniszuschläge entstanden seien.

Die vom Beklagten zitierte Kommentierung von Dorsch widerspreche dem von ihnen geltend gemachten Zinsanspruch nicht.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, ihnen Erstattungszinsen nach § 233a AO in Höhe von 6.443 EUR festzusetzen.

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

den Antrag auf Festsetzung der Zinsen abzulehnen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Eine Zinsfestsetzung komme nicht in Betracht, da der Kläger die EUSt zwar entrichtet, die A GmbH (Klägerin) aber die EUSt im Rahmen des Vorsteuerabzugs geltend gemacht habe. Daher sei den Klägern kein Schaden entstanden.

Nach dem Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 28. April 1992, II 143/87 K, beziehe sich die Verzinsung nach § 233a AO nur auf die dort genannten Steuern. Einfuhrabgaben fielen ebenso wenig wie Verbrauchsteuern unter diese Vorschrift. Da die EUSt nach § 21 Abs. 1 UStG eine Verbrauchsteuer sei, sei für sie § 233a AO nicht anzuwenden.

Insoweit werde auch auf die Kommentierung in Dorsch, Zollrecht, zu § 21 UStG, Rz. 17 ff. verwiesen.

Die Beteiligten haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

Die Kläger konnten die Festsetzung seines Zinsanspruchs ohne Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in diesem Verfahren nach § 100 Abs. 4 FGO geltend machen. Aus Gründen der Prozessökonomie erlaubt § 100 Abs. 4 FGO neben der Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts die Verpflichtung zur Verurteilung zur Leistung, die im Streitfall darin besteht, dass der Beklagte zum Erlass eines Zinsbescheides zu verpflichten ist.

Insoweit ist es unschädlich, dass der Beklagte den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Steuerbescheid aufgehoben hat und sich die Hauptsache erledigt hat. Zwar geht § 100 Abs. 4 FGO seinem Wortlaut und seiner Stellung im Gesetz nach vom Fall der Aufhebung des Steuerbescheids durch Urteil aus. Allerdings ist diese Vorschrift auch dann entsprechend anzuwenden, wenn die Leistung, hier die Zahlung von Zinsen, begehrt wird, nachdem dem Anfechtungsbegehren abgeholfen worden ist. Die Vorschrift des § 100 Abs. 4 FGO dient der Prozessökonomie. Prozesswirtschaftlich ist es sinnvoll, den Streit um die sich aus der Aufhebung eines Bescheids ergebenden Ansprüche im bisherigen Verfahren auszutragen, da der Prozessstoff dem Gericht bekannt ist und den Beteiligten sowie dem Gericht Kosten und Aufwand eines neuen Rechtsstreits erspart bleiben (BFH Urteile v. 13. Juli 1989 IV B 44/88, BFH/NV 1990, 247; v. 29. Juni 1971 VII K 31/67, BStBl. II 1971, 740).

Ebenso wenig ist es erforderlich, dass hinsichtlich der im Verfahren nach § 100 Abs. 4 FGO geltend gemachten Nebenansprüche, wie hier der Zinsen nach § 233a AO, eine vorherige, durch Verwaltungsakt erfolgte Ablehnung vorangegangen sein muss. Der hier geltend gemachte Zinsanspruch ist nämlich erst während des finanzgerichtlichen Verfahrens entstanden, weil der Beklagte den angefochtenen Bescheid aufgehoben hatte und konnte deshalb auch nicht vor diesem Klageverfahren abgelehnt worden sein (s. BFH Urteile v. 29. Juni 1971 VII K 31/67 aaO.;v. 30. April 1981 VI R 55/77, [...], Haufe-Index 1259709).

Wenn auch in den zitierten Entscheidungen die Festsetzung von Prozesszinsen streitig war, kann für die hier streitigen Zinsen nach § 233a AO nichts anderes gelten, denn auch diese Zinsen sind mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheids entstanden.

Da Zinsen nach § 233a AO durch die zuständigen Behörden festzusetzen sind, konnte das Gericht den Beklagten nicht zur Zahlung der Zinsen, sondern nur zum Erlass einer bestimmten Zinsfestsetzung verpflichten.

Für das nunmehr streitige Verfahren bestand auch ein Rechtsschutzinteresse der Kläger, denn der Beklagte hat die Festsetzung der Zinsen abgelehnt.

Das Verpflichtungsbegehren der Kläger ist auch begründet.

Der Beklagte schuldet den Klägern Zinsen nach § 233a Abs. 1 AO. Die Festsetzung der EUSt, einer Form der Umsatzsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG, führte als Folge der Aufhebung des Einfuhrabgabenbescheids am 13. Dezember 2007 zu einem Unterschiedsbetrag zwischen der ursprünglich im Bescheid vom 17. August 2001 festgesetzten Umsatzsteuer und der im Aufhebungsbescheid vom 13. Dezember 2007 festgesetzten Umsatzsteuer. Dieser Unterschiedsbetrag, der die gesamte ursprünglich festgesetzte Umsatzsteuer umfasste, ist demnach zu verzinsen.

Der Zinslauf, der sich nach § 233a Abs. 2 Satz 1 und 3 AO richtet, begann am 1. April 2002, da die EUSt im Jahr 2000 entstanden ist. Er endete am 16. Dezember 2007, dem Tag des Wirksamwerdens des Aufhebungsbescheids.

Zu verzinsen ist ein Betrag von 18.950 EUR. Aufgrund des durch § 238 Abs. 1 Satz 1 AO vorgegebenen Zinssatzes sind bei einem Zinslauf von 68 ganzen Monaten insgesamt 6.443 EUR Zinsen festzusetzen.

Zinsen nach § 233a AO werden unabhängig von einem Schaden festgesetzt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Umstand, dass die EUSt in § 21 Abs. 1 UStG als Verbrauchsteuer im Sinne der AO bezeichnet wird, der Verzinsung nicht entgegen, denn die EUSt ist eine Form der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) und § 233a Abs. 1 AO bestimmt für die Umsatzsteuer schlechthin eine Verzinsung.

Zudem ist die Verzinsung der EUSt nach § 233a AO bezogen auf die Umsatzsteuer systemgerecht. Die entrichtete EUSt ist beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zu berücksichtigen und bewirkt eine geringere Verzinsung der angemeldeten und noch zu entrichtenden Umsatzsteuer. Umgekehrt wirkt sich eine Erstattung der EUSt aus: Die zu zahlende, angemeldete Umsatzsteuer erhöht sich und mit ihr auch die Zinsen nach § 233a AO. Bei diesem System sind die auf die EUSt entfallenden Zinsen nur das Gegenstück der Zinsen für die angemeldete und zu entrichtende Umsatzsteuer. Kommt es zu einer Erstattung der EUSt und in deren Folge zu einer Verzinsung, erhöhen sich die zu zahlende Umsatzsteuer und die auf die Umsatzsteuer zu entrichtenden Zinsen nach § 233a AO.

Aufgrund der grundsätzlichen Berücksichtigung der EUSt als Vorsteuer bei der Festsetzung der zu zahlenden Umsatzsteuer kommt es nicht darauf an, ob und wieweit das zuständige Finanzamt aufgrund einer anderen Festsetzung der EUSt durch die Zollbehörden tatsächlich eine geänderte Festsetzung der zu zahlenden Umsatzsteuer vornimmt.

Einer grundsätzlichen Verzinsung der EUSt nach § 233a AO widerspricht auch nicht der Umstand, dass diese Zinsen sehr selten entstehen. Dies nämlich liegt daran, dass der Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO erst nach 15 Monaten beginnt, die EUSt aber üblicherweise innerhalb dieser Frist festgesetzt und entrichtet wird. Zudem wird ihre Festsetzung - bei vorsteuerabzugsberechtigten Personen - auch in Fällen der Nacherhebung anderer Einfuhrabgaben nicht mehr geändert (s. VSF Z 8220 Abs. 1). Gleichwohl schließen diese Umstände aber in Ausnahmefällen, zu denen auch der Streitfall gehört, das Entstehen von Zinsen zur EUSt nicht aus.

Dass § 233a AO auch für die EUSt anzuwenden ist, ist in der Literatur anerkannt (Klein/ Rüsken AO 9. Aufl. § 233a Rz. 8; Pahlke/Koenig Abgabenordnung, 2004 § 233a Rz. 12).

Soweit das FG Bremen in seinem Urteil vom 28. April 1992, II 143/87 K, EFG 1992, 503 ff., 504, eine Verzinsung der EUSt nicht annimmt, weil die EUSt nach § 21 Abs. 1 UStG eine Verbrauchsteuer sei und eine Verzinsung für Verbrauchsteuern nicht vorgesehen sei (wohl ebenso Wagner in Kühn/v. Wedelstädt AO, 19. Aufl. 2008, § 233a Rz. 3), kann der Senat dieser Auffassung nicht folgen. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes, das diese Zinsen für die Umsatzsteuer vorsieht, ist die EUSt davon nicht ausgenommen. Auch differenziert § 233a AO nicht zwischen Verbrauch- und Verkehrsteuern.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO zuzulassen.

Die Kostenentscheidung folgt, soweit sich der Rechtsstreit in der Hauptsache nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen hinsichtlich des angefochtenen Bescheids erledigt hat, aus § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. Den Klägern konnten die Kosten nicht nach § 137 Satz 2 FGO auferlegt werden, denn die Erhebung der Untätigkeitsklage am 18.10.2007 stellt keineswegs ein Verschulden der Klägerin dar, nachdem sie den Einspruch einschließlich einer Rückfrage des Beklagten noch im Jahr 2001 vollumfänglich begründet hatte und der Beklagte die Kläger nach dem Wechsel in der Prozessvertretung mit Schreiben vom 25.06.2007 gebeten hatte, sich noch ein wenig zu gedulden.

Soweit über die Zinsen zu entscheiden war, ergab sich die Kostenentscheidung aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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