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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 4 K 506/09 AO
Rechtsgebiete: StromStG, AO


Vorschriften:

StromStG § 9 Abs. 3
AO § 34 Abs. 1
AO § 34 Abs. 3
AO § 328 Abs. 1
AO § 332 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Androhung von Zwangsgeld.

Der Beklagte erteilte der Schuldnerin, der A GmbH & Co. KG, am 09.08.2002 mit Wirkung zum 01.01.2002 die Erlaubnis nach § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes — StromStG — Strom zum ermäßigten Steuersatz für eigene betriebliche Zwecke zu entnehmen.

Am ........2006 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am 31.01.2008 widerrief der Beklagte dem Kläger gegenüber die am 09.08.2002 erteilte Erlaubnis und forderte ihn auf, den Erlaubnisschein vom Versorger anzufordern und ihn ihm bis zum 14.03.2008 zurückzugeben.

Am 30.04.2008 erinnerte der Beklagte den Kläger an seine Verfügung vom 31.01.2008 und forderte ihn erneut auf, den Erlaubnisschein bis zum 23.05.2008 zurückzugeben. Mit Schreiben vom 20.06.2008 wiederholte der Beklagte seine Erinnerung an die Erledigung auf Rückgabe des Erlaubnisscheins bis zum 25.07.2008 und wies nachrichtlich auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Zwangsgelds hin.

Daraufhin teilte der Kläger dem Beklagten mit, ein Erlaubnisschein liege in seinen Unterlagen nicht vor. Eine Rückgabe sei ihm daher nicht möglich.

Am 01.08.2008 rief der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten beim Kläger an und erklärte ihm, der Erlaubnisschein sei von ihm beim Stromversorger zurückzufordern.

Mit Bescheid vom 25.09.2008 forderte der Beklagte den Kläger auf, ihm den Erlaubnisschein bis zum 16.10.2008 zu übersenden und drohte ihm, falls er dieser Aufforderung nicht nachkomme, die Festsetzung eines Zwangsgelds von 100 EUR an. Weiter teilte er mit, dass der Kläger ihm dann, wenn er nicht in der Lage sei, die angeforderten Unterlagen innerhalb der gesetzten Frist zu übersenden, dies vor Fristablauf unter Angabe triftiger Gründe mitteilen solle. Der Kläger sei nämlich nach § 11 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (Stromsteuer- Durchführungsverordnung - StromStV ) in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und 3 der Abgabenordnung - AO — zur unverzüglichen Abgabe dieser Unterlagen verpflichtet.

Dagegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und trug zur Begründung vor, der Erlaubnisschein befinde sich nicht in den ihm vorliegenden Buchführungsunterlagen der Schuldnerin aus den Jahren 2005 und 2006. Über weitere geschäftliche Unterlagen verfüge er nicht. Auch sei eine Anfrage beim früheren Geschäftsführer der Schuldnerin ergebnislos geblieben. Da ein Zwangsgeld nur verhängt werden dürfe, um einen unwilligen Schuldner zu einer Handlung anzuhalten, sei dessen Festsetzung rechtswidrig, wenn das Zwangsgeld von vornherein ungeeignet sei, den Leistungserfolg herbeizuführen. Zudem könne er durch eine Zwangsgeldfestsetzung nicht gezwungen werden, eine Urkunde, die er nicht besitze, herauszugeben.

Hierauf teilte der Beklagte dem Kläger am 17.10.2008 mit, der Erlaubnisschein müsse sich beim Versorger, dem Stromlieferanten der Schuldnerin befinden und sei daher von diesem anzufordern. Der Versorger sei ihm nicht bekannt, so dass er den Erlaubnisschein nicht selbst zurückfordern könne. Zudem wäre dies rechtswidrig.

Mit Einspruchsentscheidung vom 19.01.2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück: Nach § 9 Abs. 3 StromStG unterliege Strom einem ermäßigten Steuersatz, wenn er von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes entnommen werde. Diese benötigten dazu eine Erlaubnis, §§ 9 Abs. 4 StromStG, 8 und 9 StromStV. Der Erlaubnis komme konstitutive Bedeutung zu und ihr Fehlen habe den Ausschluss der Steuerbegünstigung zu Folge. Um Missbrauch zu verhindern, sei der Erlaubnisschein nach einem Widerruf der Erlaubnis zurückzugeben.

Hier habe er den Kläger, der die gleichen steuerlichen Pflichten wie ein gesetzlicher Vertreter zu erfüllen habe, aufgefordert, den Erlaubnisschein vom Versorger zurückzufordern und ihm zu übersenden. Diese Mitwirkungspflicht erstrecke sich auch auf die Vorlage von Urkunden.

Der Einwand des Klägers, der Erlaubnisschein befände sich nicht in seinem Besitz, gehe deshalb ins Leere.

Vielmehr sei seine Aufforderung mit der damit verbundenen Zwangsgeldandrohung zu Recht erfolgt.

Mit seiner fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, das Schreiben des Beklagten vom 17.10.2008 sei ihm unbekannt.

Nach Vorlage einer Kopie dieses Schreibens führte er aus, eine Aufforderung, den Erlaubnisschein beim Versorger zurückzufordern, habe ihn nicht erreicht, da er das Schreiben des Beklagten vom 17.10.2008 tatsächlich nicht erhalten habe.

Selbst wenn er dieses Schreiben erhalten hätte, sei ihm mit zumutbarem Aufwand die Ermittlung des Versorgers unmöglich. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin eingestellt gewesen. Zuvor sei nämlich das gesamte Unternehmen im Wege eines Asset-Deals veräußert worden.

Unterlagen zum operativen Geschäft der Schuldnerin und zur Nutzung der Betriebsimmobilie hätten ihm nicht zur Verfügung gestanden. Mit der Veräußerung der Betriebsimmobilie seien alle Unterlagen an den Erwerber übergegangen.

Er habe nie über Unterlagen verfügt, aus denen sich der Versorger ergeben hätte. Zudem habe kein Versorgungsunternehmen Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet.

Es sei nicht Aufgabe eines Insolvenzverwalters, im Wege umfassender Recherchen Zuarbeiten für Dritte vorzunehmen, die nicht am Insolvenzverfahren beteiligt gewesen seien. Auch gingen steuerliche Pflichten auf ihn nur insoweit über, wie sie das Insolvenzverfahren beträfen. Hier aber seien sämtliche Pflichten schon vorher, nämlich durch Einstellung des Geschäftsbetriebs und Veräußerung der Betriebsimmobilie beendet worden, so dass diese Pflichten nicht auf ihn übergegangen seien.

Der Kläger beantragt,

die Zwangsgeldandrohung des Beklagten vom 25.09.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.01.2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Androhung des Zwangsgelds von 100 EUR im Bescheid vom 25.09.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.01.2009 für den Fall, dass der Kläger dem Beklagten den der Schuldnerin erteilten Erlaubnisschein nicht innerhalb der gesetzten Frist zurückgibt, verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung FGO .

Die mit dem Widerruf der Erlaubnis der Entnahme von Strom zum ermäßigten Steuersatz verbundene Aufforderung des Beklagten an den Kläger, ihm den Erlaubnisschein zurückzugeben, stellt einen auf die Vornahme einer Handlung gerichteten Verwaltungsakt dar, der mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann, § 328 Abs. 1 Satz 1 AO. Nach § 332 Abs. 1 Satz 1 AO sind Zwangsmittel, zu denen das Zwangsgeld gehört (§§ 328 Abs. 1 Satz 1, 329 AO), schriftlich anzudrohen.

Der Kläger war aufgrund des bestandskräftig gewordenen Widerrufsbescheids vom 31.01.2008 zur Rückgabe des Erlaubnisscheins verpflichtet.

Die Bestimmung des Zwangsgelds als des in Frage kommenden Zwangsmittels belastet sowohl den Kläger als den Pflichtigen als auch die Allgemeinheit am wenigsten (§ 328 Abs. 2 Satz 1 AO). Eine Ersatzvornahme (§ 330 AO) durch den Beklagten kam nicht in Betracht, da dem Beklagten sowohl der Versorger als auch der Erwerber von Betriebsvermögen der Schuldnerin unbekannt sind. Aus diesem Grund schied auch der ohnehin stärker belastende unmittelbare Zwang (§ 331 AO) aus.

Ein Zwangsgeld von 100 EUR als des angedrohten Zwangsmittels steht jedenfalls nicht zum Nachteil des Klägers in einem unangemessenen Verhältnis zu seinem Zweck.

Mit der Erteilung der Erlaubnis zum Bezug steuerbegünstigten Stroms nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StromStG erhielt die Schuldnerin zum Nachweis ihrer Bezugsberechtigung einen Erlaubnisschein, § 9 Abs. 1 StromStV. Diesen hat sie dem Versorger (§ 2 Nr. 1 StromStG), ihrem Stromversorgungsunternehmen, vorgelegt, damit ihr nach § 9 Abs. 3 StromStG steuerbegünstigter, nämlich um die Steuerbegünstigung preiswerterer Strom abgegeben werden konnte. Hat die Schuldnerin ihren Betrieb eingestellt oder erlischt die Erlaubnis infolge Widerrufs, hat der Erlaubnisinhaber den Erlaubnisschein unverzüglich zurückzugeben, § 11 Abs. 6 Satz 1 StromStV. Mit der Rückgabe des Erlaubnisscheins wird der durch den Erlaubnisschein mögliche Rechtsmissbrauch sicher vermieden.

Diese Verpflichtung hatte der Kläger nicht nur aufgrund des bestandskräftig gewordenen Widerrufsbescheids, sondern auch nach § 34 Abs. 3 AO als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin (§§ 56 Abs. 1, 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung InsO ) zu tragen. Der Schuldnerin als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes (§ 2 Nr. 3 StromStG) wurde nämlich die Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 StromStG als kleinster rechtlich selbständiger Einheit erteilt, § 2 Nr. 4 StromStG. Sie ist deshalb auch der Schuldnerin trotz der Veräußerung ihres Betriebsvermögens verblieben und nicht auf den dem Beklagten bislang unbekannten Erwerber übergegangen. Nach dem vorgetragenen Asset Deal hat der Erwerber bei seinem Erwerb des Betriebsvermögens nämlich nicht die Schuldnerin, sondern nur einzelne Vermögensgegenstände ihres Betriebsvermögens übernommen.

Aufgrund der dargestellten Verpflichtung muss der Kläger den Versorger ermitteln und von ihm den Erlaubnisschein zurückfordern. Diese Verpflichtung ist dem Kläger schon mit dem Bescheid vom 25.09.2008 mitgeteilt worden, so dass unerheblich ist, ob der Kläger, wie er behauptet, das Schreiben vom 17.10.2008 nicht erhalten hat.

Dass der Kläger zur Ermittlung des Versorgers und zur Rückforderung des Erlaubnisscheins nicht in der Lage ist, hat er nicht in nachvollziehbarer Weise dargetan, zumal er seine diesbezüglichen Bemühungen nicht substantiiert, insbesondere unter Vorlage seines einschlägigen Schriftverkehrs dargestellt hat. Vielmehr kann sich der Kläger deswegen an die Geschäftsführung der Schuldnerin wenden, die nach § 97 InsO zur Auskunft verpflichtet ist. Insoweit ist nicht zu erkennen, warum dem Kläger bei einer diesbezüglichen Anfrage die Auskunft nach dem seinerzeitigen Stromversorger verweigert werden sollte. Schließlich ist der Kläger auch nicht gehindert, den - dem Beklagten bislang unbekannten - Erwerber von Betriebsvermögensteilen der Schuldnerin nach dem früheren Stromversorgungsunternehmen des Betriebs zu fragen.

Die dem Kläger hierzu eingeräumte Frist im angefochtenen Bescheid, deren Verlängerung in begründeten Fällen in Aussicht gestellt wurde, war auch angemessen, § 332 Abs. 1 Satz 3 AO.

Die Entscheidung über die zwangsweise Durchsetzung eines auf die Vornahme einer Handlung gerichteten Verwaltungsakts nach § 328 Abs. 1 Satz 1 AO steht im Ermessen des Beklagten. Hierzu gehört auch die Androhung eines Zwangsgelds einschließlich der Bestimmung seiner Höhe.

Ist der Beklagte danach ermächtigt, nach seinem Ermessen zu entscheiden, so hat er sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). In diesem Fall prüft das Finanzgericht nur, ob die Androhung des Zwangsgelds von 100 EUR rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO). Das Gericht ist grundsätzlich nicht zu einer eigenen Ermessensausübung befugt, weil es damit letztlich seine Erwägungen an die Stelle der hier allein maßgebenden Ermessenserwägungen des Beklagten setzen würde. Eine Ausnahme gilt nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null.

Wenn auch weder die Zwangsgeldandrohung des Beklagten vom 25.09.2008 noch die Einspruchsentscheidung vom 19.01.2009 Ermessenserwägungen enthalten, ist im Streitfall das Ermessen des Beklagten dahingehend eingeschränkt, dass nur die zwangsweise Durchsetzung der Rückgabe des Erlaubnisscheins mittels Zwangsgeld ermessensgerecht war.

Die Rückgabe des Erlaubnisscheins war - wie bereits dargelegt - zur Missbrauchsverhinderung nötig. Da der Empfänger des Erlaubnisscheins nur der Schuldnerin bekannt war, deren steuerliche Pflichten der Kläger zu erfüllen hat, gab es mangels entgegenstehender Interessen des Klägers keinen Anlass, von der Durchsetzung der Rückgabe des Erlaubnisscheins abzusehen. Dass der Kläger an der Ermittlung des Versorgers, der Rückforderung des Erlaubnisscheins und seiner Rückgabe an den Beklagten gehindert war, hat er nämlich nicht substantiiert dargelegt.

Die Androhung eines Zwangsgelds von 100 EUR lässt auch keine Rechtsverletzung des Klägers erkennen. Vielmehr liegt sie gerade am unteren Rand des Vertretbaren: Ein Zwangsgeld von 100 EUR dürfte den Aufwand des Klägers, selbst wenn er die Ermittlung des Versorgers und die Anforderung des Erlaubnisscheins einer seiner Hilfskräfte überlassen sollte, kaum übersteigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO sind weder erkennbar noch vorgetragen worden.

Ende der Entscheidung

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