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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 6 K 447/07 K,F
Rechtsgebiete: AO, BGB


Vorschriften:

AO § 157 Abs. 2
AO § 350
BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

6 K 447/07 K,F

Tenor:

Die Einspruchsentscheidung vom 11.07.2007 betreffend die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist die Zulässigkeit der von der Klägerin eingelegten Einsprüche.

Unter dem 16.06.2003 erließ der Beklagte auf Grundlage der von der Klägerin eingereichten Steuererklärungen einen auf 0,00 DM lautenden Bescheid zur Körperschaftsteuer und zum Solidaritätszuschlag für 2001. Grundlage der Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0,00 DM war ein in den Erläuterungen errechneter Gesamtbetrag der Einkünfte von 6.373.181,00 DM. Unter Verrechnung eines zum 31.12.2000 festgestellten verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer in Höhe von 97.026.106,00 DM ergab sich ein zu versteuerndes Einkommen von 0,00 DM. Mit Bescheid gleichen Datums wurde der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 auf 90.652.925,00 DM festgesetzt. Beide Bescheide ergingen nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2001 schlugen die Prüfer u. a. vor, den Gewinn der Klägerin infolge der Umstrukturierung des ""R"-Geschäfts" zu erhöhen (vgl. Tz. 20 des Betriebsprüfungsberichts des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Düsseldorf I vom 27.05.2004). Der Beklagte folgte den Vorschlägen der Prüfer und erließ unter dem 28.07.2004 einen Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2001. Dieser Bescheid wies wiederum eine festgesetzte Körperschaftsteuer von 0,00 DM aus, legte der Berechnung jedoch einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 59.051.608,00 DM zu Grunde, weshalb der bestehende Verlustvortrag für 2001 in dieser Höhe verbraucht wurde. Das zu versteuernde Einkommen wurde wiederum mit 0,00 DM ausgewiesen. Gegenüber dem Körperschaftsteuerbescheid vom 16.06.2003 ergaben sich bei den anrechenbaren Steuern keinerlei Änderungen. Auch der Abrechnungsbescheid wies keine Änderungen auf. Der Bescheid vom 28.07.2004 erging gemäß § 164 Abs. 2 AO und enthielt unter "Erläuterungen" folgenden Text:

"Der Festsetzung/Feststellung liegen die Ergebnisse der bei Ihnen durchgeführten Außenprüfung zu Grunde (siehe Prüfungsbericht vom 27.05.2004).

Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 16.06.2003."

Ebenfalls unter dem 28.07.2004 erging ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001. Dieser Bescheid enthielt unter "Erläuterungen" folgenden Text:

"Die DM-Beträge wurden mit dem amtlichen Kurs (1,00 Euro = 1,95583 DM) in Eurobeträge umgerechnet und nach EG-Recht kaufmännisch gerundet."

Zudem enthielt der Bescheid eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung.

Mit Schreiben vom 03.08.2004 legte die nicht vertretene Klägerin "Einspruch gegen Bescheid für 2001 über Körperschaftsteuer vom 28.07.2004" ein. Im Einspruchsschreiben heißt es:

"... erheben wir Einspruch gegen den Bescheid für 2001 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag. Die Begründung liefern wir wegen der Urlaubszeit bis zum 30.09.2004 nach."

Nachdem die Frist zur Begründung des Einspruchs auf Antrag der Klägerin verlängert worden war, begründete sie ihren Rechtsbehelf mit Schreiben vom 20.12.2004. In diesem Schreiben heißt es:

"... mit unserem Einspruch vom 20.09.2004 wenden wir uns gegen den o. g. Körperschaftsteuerbescheid.

Wir beantragen die Herabsetzung des Gesamtbetrages der Einkünfte von 6.373.181,00 DM um 28.988.023,00 DM auf - 22.614.842,00 DM. ... Streitig waren und sind die steuerlichen Konsequenzen aus der Ausgründung des "R"-Geschäftsbereiches (""R"-Geschäft") durch die Einspruchsführerin, deren Eigentümerin im Prüfungszeitraum die Verkäuferin war."

Am 16.02.2005 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass der Einspruch mangels Beschwer unzulässig sei, da die Körperschaftsteuer mit 0,00 DM festgesetzt worden sei. Soweit die Klägerin die Herabsetzung des Gesamtbetrages der Einkünfte begehre, habe dieses nur Auswirkungen im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001, der jedoch nicht angefochten und daher mittlerweile bestandskräftig sei. Durch Schreiben vom 25.02.2005 stellte die Klägerin klar, dass der mit Schreiben vom 03.08.2004 eingelegte Einspruch nicht mangels Beschwer unzulässig sei, da er sich nicht gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2001 vom 28.07.2004 wende, sondern sich gegen den mit gleichem Datum erlassenen gesonderten Feststellungsbescheid betreffend die Verlustvorträge zum 31.12.2001 richte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 02.01.2007 verwarf der Beklagte die Einsprüche gegen die Bescheide für 2001 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag als unzulässig.

Durch Schreiben vom 01.02.2007 erhob die Klägerin Klagen "wegen Bescheid für 2001 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag". Mit diesem Schreiben kündigte die Klägerin an, in der mündlichen Verhandlung beantragen zu wollen, dass der Bescheid für 2001 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 28.07.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.01.2007 aufgehoben wird, die Körperschaftsteuer für 2001 auf 0,00 DM festgesetzt wird und dabei der im Bescheid ausgewiesene Verlustvortrag auf 106.479.171,00 DM festgesetzt wird. In der Begründung der Klage heißt es sodann, die Klage wende sich gegen den Bescheid für 2001 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, soweit auf Grund der Veranlagung aus dem im Folgenden geschilderten Sachverhalt heraus ein Gewinn zugerechnet und folglich ein zu niedriger verbleibender Verlustvortrag ausgewiesen werde (vgl. Blatt 2 der Klageschrift vom 01.02.2007).

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, ihr Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid sei trotz der Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0,00 DM zulässig, da sich eine materielle Beschwer aus dem zu hohen Verbrauch der zum 31.12.2000 bestehenden Verlustvorträge ergebe. Soweit der Beklagte auf die Regelung des § 157 Abs. 2 AO verweise, gehe dieser Hinweis schon deshalb fehl, weil die Klägerin im Rahmen ihres Rechtsbegehrens gerade nicht isoliert nur gegen den im Körperschaftsteuerbescheid festgestellten Verbrauch des Verlustvortrages vorgegangen sei, sondern gegen die Gewinnermittlung, die durch den Körperschaftsteuerbescheid festgestellt werde und den daraus folgenden zu niedrigen Verlustvortrag. Im Übrigen seien mit dem Körperschaftsteuerbescheid Besteuerungsgrundlagen besonders festgestellt worden, da die Höhe des verbleibenden Verlustvortrags im Körperschaftsteuerbescheid ermittelt worden sei und sodann nur zusätzlich im Bescheid auf den 31.12.2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer in gleicher Höhe auftauche.

Falls jedoch die Auffassung des Beklagten zuträfe, dass eine Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheides 2001 mangels Beschwer unzulässig sei, hätte der Beklagte den Einspruch vom 03.08.2004 als einen solchen gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2001 umdeuten müssen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist derjenige Rechtsbehelf als eingelegt anzusehen, der nach Lage der Sache in Betracht komme und zum angestrebten Erfolg, nämlich zur Abhilfe hinsichtlich der geltend gemachten Beschwer, führe. Bei der Prüfung, ob die Bezeichnung eines Verwaltungsaktes als Gegenstand des Rechtsbehelfs eindeutig sei, könne nicht allein auf die äußere Bezeichnung des Einspruchsgegenstandes abgestellt werden. Schon deshalb sei für das Finanzamt "L-Stadt" offenkundig gewesen, dass der Erlass eines neuen Körperschaftsteuerbescheides über wiederum 0,00 DM nicht das eigentliche Rechtsbehelfsziel der Klägerin gewesen sein konnte. Dieses gelte umso mehr, als dem Beklagten aus der Besprechung mit der Betriebsprüfung vom 03.08.2003 bekannt gewesen sei, dass die Klägerin letztlich eine höhere Verlustfeststellung angestrebt habe.

Die Klage sei letztlich auch im Ergebnis begründet, da der Klägerin aus dem Verkauf des "R"-Geschäftes kein Veräußerungsgewinn zuzurechnen sei.

Mit Schreiben vom 03.07.2007 wies der Vorsitzende des Senats die Beteiligten darauf hin, dass die Klägerin spätestens mit Schreiben vom 25.02.2007 Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2001 eingelegt habe, über diesen aber bislang noch nicht entschieden sei. Des Weiteren wies der Vorsitzende des Senats darauf hin, dass die Klage vom 01.02.2007 ausweislich Blatt 2 der Klageschrift auch die Verlustfeststellung betreffen dürfte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11.07.2007 hat der Beklagte den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 als unzulässig verworfen.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung wegen Körperschaftsteuer 2001 und Solidaritätszuschlags zur Körperschaftsteuer 2001, jeweils vom 02.01.2007, und die Einspruchsentscheidung wegen der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 vom 11.07.2007 aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung, dass das Einspruchsschreiben keinerlei Auslegungsmöglichkeit geboten habe. Im Übrigen habe der von der Klägerin angeführte Betriebsprüfungserörterungstermin mehr als ein Jahr zurückgelegen, weshalb die Klägerin genügend Zeit gehabt habe, ihre Rechtsauffassung zu überdenken. Ein Zweifel habe sich dem Beklagten deshalb nicht aufdrängen müssen. Dieses gelte umso mehr, als im Einspruch auf eine spätere Begründung verwiesen worden sei.

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Senat legt die Klageschrift entgegen dem Wortlaut des Rubrums auf Seite 1 in dem Sinne aus, dass ursprünglich auch Untätigkeitsklage (§ 46 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-) hinsichtlich des Einspruchs gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 erhoben worden ist. Hierfür spricht insbesondere der Antrag auf Seite 2 der Klageschrift, den "ausgewiesenen Verlustvortrag" auf 106.479.171 DM festzusetzen. Außerdem heißt es in der Begründung auf Seite 2, dass der Beklagte einen "zu niedrigen verbleibenden Verlustvortrag ausgewiesen" habe. Die Untätigkeitsklage ist mit der Einspruchsentscheidung vom 11.07.2007 als Anfechtungsklage fortzuführen gewesen (Bundesfinanzhof -BFH- vom 28.10.1988 III B 184/86, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1989, 107;vom 19.04.2007 V R 48/04, Deutsches Steuerrecht 2007, 1524).

Die Klage ist unbegründet, soweit sie gegen den Bescheid zur Körperschaftsteuer 2001 und über den Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2001 erhoben wurde.

Der Beklagte hat den Einspruch der Klägerin insoweit zu Recht als unzulässig verworfen.

Gemäß § 350 Abgabenordnung (AO) ist ein Einspruch nur zulässig, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, durch den angegriffenen Verwaltungsakt oder durch die Unterlassung eines Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Beschwer durch einen Steuerbescheid ergibt sich dabei grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung und gemäß § 157 Abs. 2 AO nicht aus den einzelnen Besteuerungsgrundlagen, die lediglich einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheides bilden. Die Anfechtung eines Steuerbescheides, der eine Steuer von 0 DM festsetzt, ist daher grundsätzlich unzulässig (BFH vom 15.02.2001 III R 10/99, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2001, 1125; FG Köln vom 22.06.2005, 13 K 5304/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2005, 1623; FG München vom 24.05.2006, 9 K 4559/05, [...]). Dieses gilt auch, soweit mit der Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheides eine Erhöhung des gesondert festgestellten verbleibenden Verlustvortrags geltend gemacht wird (so ausdrücklich für das Verhältnis des Einkommensteuerbescheids zum Verlustfeststellungsbescheid: BFH vom 14.06.2000 XI R 4/00, BFH/NV 2000, 1465;vom 22.08.2006 I R 24/05, BFH/NV 2007, 63; vgl. auch BFH vom 23.02.2007 VIII B 106/06, BFH/NV 2007, 1164).

Soweit die Rechtsprechung ausnahmsweise eine Beschwer des Steuerpflichtigen auch bei einer Steuerfestsetzung von 0 DM annimmt, liegen die Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Denn weder muss die Klägerin mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass ihr der Vorgang, auf dem die Festsetzung zur Körperschaftsteuer beruht, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerrechtliche Nachteile verursachen wird, noch hat die streitbefangene Körperschaftsteuerfestsetzung - wie dieses für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2000 der Fall war (vgl. § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG a.F.) - Bindungswirkung für andere Steuerfestsetzungen, wie z.B. für den Bescheid zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10 d EStG (ebenso: FG Köln vom 22.06.2005, 13 K 5304/04, EFG 2005, 1623).

Die Klage ist jedoch begründet, soweit die Klägerin die Aufhebung der Einspruchsentscheidung bezüglich des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 begehrt. Der Beklagte hat den Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid zu Unrecht als unzulässig verworfen.

Gem. § 355 Abs. 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Die Rechtsbehelfsfrist für die Anfechtung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 vom 28.07.2004 endete daher nach §§ 122 Abs. 2 Nr. 1, 108 Abs. 3 AO mit Ablauf des 02.09.2004. Die ausdrückliche Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Verlustfeststellungsbescheid erfolgte frühestens am 20.12.2004 und somit unstreitig verspätet. Jedoch ist das Schreiben der Klägerin vom 03.08.2004 als Einspruch auch gegen den Verlustfeststellungsbescheid auszulegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind außerprozessuale Rechtsbehelfe in entsprechender Anwendung des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen, wenn es an einer eindeutigen zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten fehlt (vgl. BFH vom 31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589 m.w.N.). Der in der Erklärung verkörperte Wille ist dabei anhand der dem Empfänger erkennbaren Umstände zu ermitteln (vgl. BFH vom 01.09.1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596), wobei im Falle einer Anfechtung anzunehmen ist, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf hat einlegen wollen, der seinem materiellrechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft und damit seiner recht verstandenen Interessenlage entspricht (BFH vom 08.11.1996 IV R 37/94, BFH/NV 1997, 363;vom 31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589).

Es kann dahinstehen, ob sich aus der Verpflichtung des Finanzamtes zu einer rechtsschutzgewährenden Auslegung von Einspruchsschreiben und der in erhöhtem Maße vorliegenden Unübersichtlichkeit und Komplexität der verfahrensrechtlichen Lage hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Körperschaftsteuerbescheid einerseits und dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs andererseits ergibt, dass ein Einspruch gegen einen auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheid - nach der erstmaligen Änderung der Rechtslage für den Veranlagungszeitraum 2001 - schon im Allgemeinen als ein solcher gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum Ende desselben Veranlagungszeitraums zu verstehen ist (so für das Verhältnis des Einkommensteuerbescheides zum Verlustfeststellungsbescheid: BFH vom 24.08.2006 XI B 149/05, BFH/NV 2006, 2035). Im Streitfall musste der Beklagte jedenfalls aufgrund der gegebenen Umstände aus seiner Sicht davon ausgehen, dass die Klägerin entgegen dem Wortlaut ihres Einspruchsschreibens den Verlustfeststellungsbescheid anfechten wollte. Denn das aus Sicht des Beklagten erkennbare materiellrechtliche Begehren der Klägerin auf Berücksichtigung eines höheren Verlustes war nur durch die Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheides zu erreichen.

Dass das materiellrechtliche Begehren der Klägerin auf die Berücksichtigung eines höheren Verlustes gerichtet war, ergab sich für den Beklagten eindeutig aus den Umständen der Einspruchseinlegung. So ergingen sowohl der Körperschaftsteuerbescheid als auch der Verlustfeststellungsbescheid im Anschluss an die bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung. Da infolge der Betriebsprüfung der Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin auf 59.051.608,00 DM erhöht worden war, musste sich dem Beklagten aufdrängen, dass sich die Klägerin mit ihrem Einspruch gegen diese Erhöhung wehren wollte. Dieses gilt umso mehr, als über die Ergebnisse der Betriebsprüfung grundsätzlich Übereinstimmung erzielt worden war (vgl. Tz. 14 des BPBerichts vom 27.05.2004) und sich die Klägerin hinsichtlich der Bilanzierung der Beteiligung "R" GmbH die Einlegung eines Rechtsbehelfs ausdrücklich vorbehalten hatte. Da die Betriebsprüfung im Bereich der Ertragsteuern lediglich zu einer Gewinnerhöhung geführt hatte, musste dem Beklagten klar sein, dass die Klägerin mit der Einlegung des Rechtsbehelfs eine Reduzierung dieser Gewinnerhöhung anstrebte. Somit war die Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheides - der im Übrigen am gleichen Tag wie der Körperschaftsteueränderungsbescheid erlassen worden war - erkennbar die einzige Möglichkeit der Klägerin, um das von ihr angestrebte Ziel, dem Besteuerungsverfahren einen niedrigeren Gewinn zugrunde zu legen, zu erreichen.

Dass die Klägerin offensichtlich mit dem Körperschaftsteuerbescheid nicht die richtige Steuerfestsetzung angefochten hatte, um ihr materiellrechtliches Ziel zu erreichen, musste sich dem Beklagten auch deshalb aufdrängen, weil der ursprüngliche Körperschaftsteuerbescheid vom 16.06.2003 ebenso wie der geänderte Körperschafsteuerbescheid eine Körperschaftsteuer von 0 DM auswies und damit für die Klägerin aufgrund der Betriebsprüfung keinerlei Änderung verbunden war. Eine Anfechtung des Körperschaftsteuerbescheides hätte daher ersichtlich keinen Sinn gemacht.

Zudem war für den Beklagten erkennbar, dass die Klägerin nicht bewusst den Körperschaftsteuerbescheid angefochten hat, sondern, dass dieses irrtümlich geschehen war.

Denn obwohl mit dem Körperschaftsteueränderungsbescheid vom 28.07.2004 keine materiellrechtliche Änderung verbunden war, hat der Beklagte einen solchen nicht nur erlassen, sondern hat die Besteuerungsgrundlagen nicht etwa in dem einzig materiellrechtliche Wirkungen entfaltenden - Verlustfeststellungsbescheid zur Begründung dargestellt. Vielmehr findet sich die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und damit die Begründung für die geringer festgestellte Höhe des verbleibenden Verlustvortrags ausschließlich im Bescheid zur Körperschaftsteuer 2001. Auch der Hinweis in den Erläuterungen, dass die Änderungen auf dem BPBericht vom 27.05.2004 beruhen, findet sich ausschließlich im Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2001. Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte davon ausgehen, dass der Körperschaftsteuerbescheid 2001 in dem Einspruchsschreiben vor dem Hintergrund des erkennbar verfolgten Zwecks irrtümlich genannt worden war, das materiellrechtliche Begehren richtigerweise jedoch auf eine Änderung des Verlustfeststellungsbescheides zielte.

Das Einspruchsschreiben der Klägerin vom 03.08.2004 ist daher als Einspruch auch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 auszulegen, weshalb der Einspruch rechtzeitig erfolgt ist und der Beklagte diesen zu Unrecht durch Einspruchsentscheidung vom 11.07.2007 als unzulässig verworfen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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