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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 6 K 6095/03 K,G,F
Rechtsgebiete: AO, KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
KStG § 14 Satz 1
KStG § 17
AO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin, deren alleinige Gesellschafterin die Gemeinde "C" ist, wurde mit notariellem Vertrag vom 22.11.2000 errichtet. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb und die Verwaltung von gemeindlichen Beteiligungen sowie die Planung, Beratung und Führung von gemeindlichen Eigengesellschaften unter Berücksichtigung gemeindlicher Ziele zur Sicherstellung der Erfüllung gemeindlicher Aufgaben. Die Klägerin ist alleinige Anteilseignerin der "D-GmbH" - "D-GmbH" - , die die Entwicklung und Vertrieb von Grundstücken, insbesondere für Zwecke des Wohnungsbaus betreibt sowie der "I-GmbH" - "I-GmbH" - , die die Entwicklung, Errichtung und den Betrieb von Freizeit- und Erholungseinrichtungen, insbesondere eines Hallenbades, sowie dazugehörende und ähnliche Geschäfte unter Berücksichtigung der gemeindlichen Aufgaben des Angebotes von Sport und Erholung und Wahrung des Charakters öffentlicher Einrichtungen betreibt. Mit Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen verpflichteten sich die Tochtergesellschaften, ihren ganzen Gewinn an die Klägerin abzuführen. Zugleich verpflichtete sich die Klägerin, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen. Die Gemeinde "C" beantragte am 15.11.2000 bei dem Beklagten eine verbindliche Auskunft darüber, ob die Zusammenfassung der Ergebnisse der Organgesellschaften bei der Klägerin als Organträger steuerlich anzuerkennen sei. Mit Schreiben vom 28.11.2000 teilte der Beklagte mit, dass im Hinblick auf § 42 Abgabenordnung - AO - eine solche Zusammenfassung der Gewinne und Verluste der Tochtergesellschaften bei der Klägerin steuerlich nicht anzuerkennen sei. Denn die von Abschnitt 5 Abs. 9 Körperschaftsteuerrichtlinien (1995) unter Hinweis auf den Bundesfinanzhof - BFH - Beschluss vom 16. Januar 1967 (Bundessteuerblatt - BStBl - III 1967, 240) geforderte wechselseitige technisch wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Tätigkeiten der Organgesellschaften bestehe nicht.

In der Körperschaftsteuererklärung für 2001 saldierte die Klägerin den Gewinn der "D-GmbH" in Höhe von 227.856 DM mit dem Verlust der "I-GmbH" in Höhe von 552.646 DM und erklärte einen Jahresüberschuss von - DM 338.320. Der Beklagte erließ unter dem 17.10.2002 zunächst einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO) stehenden Steuerbescheid, mit dem er der Erklärung der Klägerin folgte. Unter dem 29.11.2002 änderte der Beklagte gemäß § 164 Abs. 2 AO die angefochtenen Bescheide, wobei er den Gewinn der "D-GmbH" nicht aber den Verlust der "I-GmbH" berücksichtigte.

Nachdem der Beklagte den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 08.10.2003 als unbegründet zurückgewiesen hatte, hat die Klägerin unter dem 11.11.2003 Klage erhoben. Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 02.08.2005 darauf hingewiesen, dass Betriebe in privat-rechtlicher Rechtsform anhand der für diese geltenden Rechtsvorschriften zu beurteilen seien. Es könne sich daher die Frage stellen, ob ein ordnungsgemäß handelnder Geschäftsleiter der Klägerin bei der Übernahme eines defizitären Betriebes nicht auf einem Verlustausgleich bestanden hätte. Unter diesem Gesichtspunkt könne möglicherweise eine verdeckte Gewinnausschüttung - vGA - vorliegen.

Die Klägerin ist der Auffassung, ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO und auch eine vGA im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz - KStG - lägen nicht vor. Es fehle bereits an der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung. Denn bereits vor Gründung und Ausgliederung in die "I-GmbH" sei der aus deren Tätigkeit resultierende Verlust körperschaftsteuerlich (im damaligen Betrieb gewerblicher Art) zu berücksichtigen gewesen. Den Gesellschaftern fließe daher kein Vermögenswert zu. Sie hätten vielmehr den lediglich bei ihnen zuvor zwangsweise angefallenen Verlust minimiert. Im Übrigen sei die Gestaltung zur Entlastung der Bürger gewählt worden. Zur wirtschaftlichen Entwicklung der "I-GmbH" trägt die Klägerin vor, Umsatzerlöse seien von etwa 168.000 € im Jahre 2001 auf 292.000 € im Jahr 2004 gesteigert worden, Verluste seien von 282.563 € im Jahr 2001 bis 172.239 € im Jahr 2004 gefallen. Für die Jahre 2005 und 2006 seien Verluste von 200.000 € bzw. 190.000 € erwartet worden. Durch eine weitere Ausweitung des Geschäftsfeldes sowie eine effizientere Nutzung des Hallenbades sei für das Jahr 2006 mit einer Umsatzsteigerung in Höhe von etwa 15 % zu rechnen. Im Bereich des Freizeit- und Erholungsbereichs stünden weitere Projekte an, die durch die "I-GmbH" abgewickelt werden sollten.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der angefochtenen Bescheide den Verlust der "I-GmbH" in Höhe von 282.563 € anzusetzen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung, zwar stelle im Streitfall die Gründung der Klägerin als Holdinggesellschaft keine Gestaltung dar, die zur Erreichung des damit angestrebten wirtschaftlichen Ziels als unangemessen angesehen werden könne. Es sei unstreitig, dass die Zusammenfassung in einer privat-rechtlichen Organisationsform organisatorische Vorteile und Synergieeffekte mit sich bringe. Die Verrechnung der Verluste der "I-GmbH" mit den Gewinnen der "D-GmbH" bei der Klägerin sei jedoch gesellschaftsrechtlich veranlasst und somit als vGA anzusehen. Die Höhe des im Streitjahr übernommenen Verlustes der "I-GmbH" stelle dabei die Untergrenze des Betrages der vGA dar.

Die von der Klägerin gefundene Gestaltung könne nicht anders beurteilt werden, als wenn die in die "I-GmbH" ausgelagerte dauerdefizitäre Tätigkeit der Kommune unmittelbar von der Klägerin übernommen worden wäre. Eine solche Verlustübernahme stelle aber - ggf. zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlages - regelmäßig eine vGA an die Kommune als Alleingesellschafterin dar.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und die Klägerin ist in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -), als das Einkommen und der Gewerbeertrag der Klägerin in 2001 um DM 204.441 zu hoch angesetzt wurden. Der Beklagte hat zu Unrecht den Verlust der "I-GmbH" von DM 552.646 bei der Ermittlung des Einkommens und des Gewerbeertrages der Klägerin außer Acht gelassen. Das Einkommen und der Gewerbeertrag der Klägerin waren aber um eine vGA von DM 348.205 zu erhöhen.

Übereinstimmend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Klägerin im Streitjahr mit der "I-GmbH" und der "D-GmbH" im Rahmen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft verbunden war. Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit dieses Einvernehmens sprechen könnten, bestehen nicht. Wie die Beteiligten - nunmehr ebenfalls übereinstimmend und zutreffend - meinen, besteht auch für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs kein Raum. Denn die Zusammenfassung verschiedener Betriebe gewerblicher Art einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in der Organisationsform privatrechtlicher Kapitalgesellschaften ist grundsätzlich als zulässige Handlungsform anzusehen (BFH Urteil vom 14. Juli 2004 I R 9/03, BFH Entscheidungen - BFHE - 207, 142). Eine andere Beurteilung kann nur gerechtfertigt sein, wenn die Zusammenfassung ausschließlich oder zumindest überwiegend zum Zwecke der Steuervermeidung erfolgt (BFH a.a.O. m.N.). Wie selbst der Beklagte vorgetragen hat, sind durch die Zusammenfassung der "D-GmbH" und der "I-GmbH" in einer Organschaft organisatorische Vorteile und Synergieeffekte erzielt worden. Solche stellen eine beachtliche Motivation zur Errichtung der Organschaft dar (vgl. BFH a.a.O.).

Bei Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft ist das Einkommen der Organgesellschaft nach § 14 Satz 1 i.V.m. § 17 KStG dem Organträger zuzurechnen.

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, das die Einkommen der beiden Organgesellschaften zutreffend ermittelt worden sind. Insbesondere hat der Beklagte nicht dargelegt, dass das Einkommen der "I-GmbH" etwa durch eine vGA zu erhöhen gewesen wäre. Für das Vorliegen einer vGA ist aber die Finanzbehörde darlegungspflichtig (vgl. BFH Urteile vom 16. März 1967 I 261/63, BStBl III 1967, 626; vom 20. März 1974 I R 197/72, BStBl II 1974, 430; vom 16. Februar 1977 I R 94/75, BStBl II 1977, 568; vom 13. Juli 1994 I R 43/94, BFH/NV 1995, 548; vom 9. August 2000 I R 82/99, GmbH-Rundschau - GmbHR - 2001, 208).

Das Einkommen der Klägerin, das nach Zurechnung des Gewinn der "D-GmbH" und der "I-GmbH" im Jahr 2001 DM -338.320 beträgt, ist um eine vGA in Höhe von DM 348.205 zu erhöhen. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind bei der Ermittlung des Einkommens vGA zu berücksichtigen; sie mindern das Einkommen nicht.

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des BFH seit Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BStBl III 1967, 626).

Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 15. Mai 2002 I R 92/00, BFHE 199, 217, m.w.N.) kann eine vGA vorliegen, wenn eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt Geschäfte tätigt, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen und bei der Gesellschaft selbst zu Verlusten führen. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sind die von der Gesellschaft erzielten Verluste außerbilanziell um die angefallenen Verlustbeträge sowie einen angemessenen Gewinnaufschlag zu erhöhen. Ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wäre nicht bereit, einen fortdauernden Verlust aus Leistungen hinzunehmen, die an sich dem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft obliegen (vgl. auch z.B. BFH Urteil vom 27. Juni 2001 I R 82-85/00, BFHE 195, 572).

Die Klägerin hat die Organträgeraufgabe sowohl gegenüber der "I-GmbH" als auch der "D-GmbH" im Interesse ihrer Alleingesellschafterin übernommen. Denn beide Organgesellschaften erbringen Leistungen, die die Alleingesellschafterin der Klägerin, die Gemeinde "C", zuvor als eigene Aufgaben selber erfüllt hatte. Die Klägerin erlitt mit ihrer Organgesellschaft "I-GmbH" sowohl im Streitjahr als auch nachfolgend stets Verluste. Wie die von der Klägerin vorgetragene Entwicklung der "I-GmbH" zeigt, konnte der Geschäftsleiter der Klägerin nicht davon ausgehen, auf absehbare Zeit aus dem Ergebnisabführungsvertrag mit der "I-GmbH" einen positiven Ertrag zu erzielen. Auf ein Entgelt in Form eines Verlustausgleiches zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlages (z.B. BFH Urteile vom 14. Juli 2004 I R 9/03, BFHE 207, 142 und vom 28. Januar 2004 I R 87/02, BFHE 205, 181) würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter in einem solchen Fall nicht verzichtet haben. Die Übernahme der Organträgerfunktion sowohl gegenüber der "I-GmbH" als auch der "D-GmbH" ist nicht nur wegen der zeitlichen Nähe beider Ergebnisabführungsverträge als "Paketlösung" anzusehen. Denn nach dem Willen der Alleingesellschafterin sollte der übernommene Gewinn der "D-GmbH" den übernommenen Verlust der "I-GmbH" bei der Klägerin ausgleichen. Im Rahmen dieser "Paketlösung" stellt der der Organträgerin zuzurechnende Gewinn einer der Organgesellschaften einen Teil des Entgeltes für die Übernahme des Verlustes der anderen Organgesellschaft dar. Auf Grundlage dieser Überlegung gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass der ordnungsgemäß handelnde Geschäftsführer zunächst auf einer Kompensation des saldierten Verlustes aus den übernommenen Gewinnen und Verlusten der Organgesellschaften bestanden, sodann aber zusätzlich einen Gewinnaufschlag auf das gesamte Volumen der übernommenen Ergebnisse verlangt hätte. Der Senat läßt sich bei dieser Annahme davon leiten, dass ein Gewinnaufschlag auf den saldierten Ertrag aus den Ergebnisabführungsverträgen bei einem vollständigen Ausgleich des Verlustes einer Organgesellschaft mit dem Gewinn der anderen auf 0 fallen würde, worauf sich ein gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter schwerlich eingelassen hätte. Den Gewinnaufschlag schätzt der Senat angesichts des bei der Klägerin nur geringen Aufwandes für die Übernahme der Organträgerfunktion auf den untersten Wert von 3 %. Demnach hätte der Klägerin im Streitjahr ein Entgelt von DM 348.205 zugestanden. Der von der Alleingesellschafterin auszugleichende saldierte Ertrag der beiden Organgesellschaft beträgt im Streitjahr DM - 324.790. Der 3%ige Gewinnaufschlag errechnet sich bei einem Volumen der übernommenen Erträge von insgesamt DM 780.502 mit DM 23.415.

Die Revision war zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

Die Berechnung der geänderten Steuer- und Feststellungsbeträge wird dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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