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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 7 K 2812/07 GE
Rechtsgebiete: GrEStG, AO


Vorschriften:

GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 16 Abs. 1
AO §§ 172 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

7 K 2812/07 GE

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 6. August 2001 erwarb die Klägerin von Herrn B, ihrem Alleingesellschafter, Grundbesitz in Z-Stadt Flur 30 und 31 (div. Flurstücke), wegen der Grundstücke i.e. wird auf Tz. I des Vertrages verwiesen. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 20 Mio. DM; die in Abt. II und III des Grundbuchs eingetragenen Belastungen wurden übernommen. Der Kaufpreis war in vier Raten von jeweils 5 Mio. DM jeweils zum 31. Dezember 2001 - 2004 zu zahlen. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 2. Oktober 2001 Grunderwerbsteuer nach einer Bemessungsgrundlage von 18.490.000 DM in Höhe von 647.150 DM unter Vorbehalt der Nachprüfung fest. Er führte aus, der Kaufpreis sei abgezinst worden. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2001 hob der Beklagte den Vorbehalt auf. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Jahr 2006 fanden bei dem Veräußerer und bei der Klägerin steuerliche Betriebsprüfungen für die Jahre 2000-2003 statt. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Veräußerers wurden in 2003 um 2.454.000 EUR Abfindung für Pachteinnahmen in Zusammenhang mit dem Übergang des Grundstücks in Z-Stadt auf die von dem Veräußerer gegründete Firma "A-GmbH" (die Klägerin) erhöht. Bei der Klägerin wurde ein Betrag von 9.800.000 DM für "Abfindung Übergang Pachtvertrag" zum 31. Dezember 2001 bilanzmäßig erfasst und eine Abschreibung auf 10 Jahre berücksichtigt.

Am 7. Juli 2006 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, den Grunderwerbsteuerbescheid nach § 174 AO zu ändern und die Bemessungsgrundlage um 9.800.000 DM zu reduzieren. Aus dem ursprünglich als Kaufpreis angesetzten Betrag entfielen laut Feststellungen der Betriebsprüfung 9.800.000 DM auf eine sog. Pachtabfindung. Diese seien bei dem Veräußerer als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der ESt zu unterwerfen.

Der Beklagte lehnte den Antrag am 16. August 2006 ab und führte aus, der Kaufpreis betrage 20 Mio., die in vier Raten zu zahlen gewesen seien. Der Grunderwerbsteuer sei der abgezinste Kaufpreis mit 18.490.000 DM zugrunde gelegt worden. Die einkommensteuerrechtliche Zuordnung bei dem Veräußerer führe nicht zu einer anderen grunderwerbsteuerlichen Beurteilung. Die Pachtabfindung stelle eine sonstige Entschädigungsleistung dar, die der Käufer dem Verkäufer zum Ausgleich für entgangene oder entgehende Nutzungen des Grundstücks gewähre. Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liege nicht vor. Für die Höhe der Gegenleistung nach dem Grunderwerbsteuergesetz sei die ertragsteuerliche Zuordnung der Pachtabfindung unbeachtlich.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und führte aus, die Betriebsprüfung sei nach Hinzuziehung von zwei Bausachverständigen zu dem Ergebnis gekommen, dass von dem vereinbarten Kaufpreis von 20 Mio. DM nur 10.200.000 DM als Grundstückskaufpreis anzusetzen seien. Der Bilanzansatz des Grundstücks bei der Klägerin sei daher zu mindern gewesen. Bei dem darüber hinaus gezahlten Betrag handle es sich um eine Abfindung für bestehende langfristige Geschäftsbeziehungen mit Firmen, die ein einzigartiges, konkurrenzloses und profitables Geschäft auf dem Grundstück betrieben und dadurch der Klägerin auf Jahre eine weit überdurchschnittliche Rendite sicherten. Ohne diese Geschäftsbeziehungen wäre der Pachtertrag des Grundstücks deutlich geringer. Die Zahlung von 9.800.000 DM beziehe sich nicht auf das Grundstück, es handle sich vielmehr um eine Zahlung für ein anderes Wirtschaftsgut, vergleichbar einem Firmenwert. Mit der gewöhnlichen Nutzung der umliegenden Grundstücke wäre der außergewöhnlich hohe Ertrag nicht zu erzielen. In der Geschäftsbeziehung mit den Pächtern sei ein Firmen- bzw. Geschäftswert begründet, der unabhängig vom Wert des Grundstücks ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstelle. Dieses habe die Klägerin zusätzlich erworben und gesondert bilanziert. Der Geschäftswert beruhe nicht auf dem Grundstück anhaftenden spezifischen Merkmalen.

Am 13. Juni 2007 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, eine widerstreitende Steuerfestsetzung liege nicht vor. Es seien Folgerungen in grunderwerbsteuerlicher als auch einkommensteuerrechtlicher Hinsicht zu ziehen. Grunderwerbsteuerlich sei Bemessungsgrundlage die Gegenleistung, zu der auch die Abfindung zähle. Die ertragsteuerliche Zuordnung habe bei der Einkommensteuer zu erfolgen. Eine Doppelerfassung sei nicht gegeben. Die Einnahme sei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet worden, die Abfindung werde über die Abschreibung bei der Klägerin gewinnmindernd berücksichtigt. Zudem seien die Regelungsbereiche von Grunderwerbsteuer und Einkommensteuer unabhängig voneinander zu beurteilen. Die Abfindung sei auch als Gegenleistung anzusetzen. Denn sie sei dafür geleistet worden, dass das Grundstück mit bestehendem Pachtvertrag übertragen werde. Würde man dem Vorbringen der Klägerin folgen, ergebe sich im übrigen aufgrund der gebotenen Abzinsung des Kaufpreises eine Bemessungsgrundlage von 8.929.900 DM.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor:

Die Betriebsprüfung habe den Kaufpreis mit 10.200.000 DM bewertet. Der darüber hinaus gehende Betrag sei damit nicht für den Kauf des Grundstücks bezahlt worden. Die Bemessungsgrundlage sei auf 8.929.900 DM herabzusetzen. Im Grunderwerbsteuerbescheid sei die Änderung der Bemessungsgrundlage bisher unberücksichtigt geblieben. § 174 Abs. 3 AO regele den sog. negativen Widerstreit, der dadurch entstehe, dass ein Sachverhalt aus bestimmten Gründen nicht in einer Steuerfestsetzung berücksichtigt wurde, obwohl er hätte berücksichtigt werden müssen. Die erkennbare Nichtberücksichtigung führe zu einer nachträglichen Berücksichtigung durch Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides. Sachverhalt sei ein einheitlicher Lebensvorgang, der in mehreren Steuerbescheiden zu berücksichtigen sei. Erfasst werde der einheitliche für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex. Hier bestehe eine Objekt- und Subjektkollision. Der Sachverhalt erfasse die Steuerarten Grunderwerbsteuer und Einkommensteuer, betroffen seien die Klägerin und der Veräußerer. Maßgeblicher Sachverhalt sei die Aufteilung des vereinbarten Kaufpreises durch die Betriebsprüfung in einen Grundstückskaufpreis und einen Kaufpreis für den Geschäftswert. Die Reduzierung des Kaufpreises für das Grundstück habe zur Folge, dass die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zu reduzieren sei, was bisher nicht geschehen sei. Darin liege der Widerstreit. Dem habe die Annahme des Beklagten zugrunde gelegen, dass der Sachverhalt nicht den Regelungsbereich der Grunderwerbsteuer betreffe, sondern ausschließlich die Einkommensteuer des Veräußerers bzw. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer der Klägerin. Dieser Annahme könne nicht gefolgt werden.

Nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 sei ein Bescheid wegen eines rückwirkenden Ereignisses zu ändern. Die rückwirkende Änderung durch die Betriebsprüfung sei ein solches Ereignis.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, die Grunderwerbsteuer auf 304.150 DM

herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO greife nicht ein. Der Kaufpreisanteil für den Geschäftswert zähle zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte eine Änderung des bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheides abgelehnt.

Die Voraussetzungen für eine Änderung liegen nicht vor.

§ 16 GrEStG greift im Streitfall nicht ein. Der Erwerbsvorgang ist weder nach § 16 Abs. 1 GrEStG rückgängig gemacht noch ist gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG das Eigentum vom Veräußerer zurück erworben worden.

Die Änderungsvorschriften der §§ 172 ff. AO, die im Grunderwerbsteuerrecht neben der speziellen Änderungsnorm des § 16 GrEStG anwendbar sind (vgl. Boruttau/Sack § 16 GrEStG Tz. 13), kommen hier ebenfalls nicht in Betracht.

§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, wonach wegen einer dem Finanzamt nachträglich bekannt gewordenen neuen Tatsache eine Änderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen möglich ist, greift ersichtlich nicht ein. Die ertragsteuerliche und bilanzmäßige Behandlung der Grundstücksübertragung bei dem Veräußerer bzw. der Klägerin als Erwerberin stellt keine neue Tatsache i.S. dieser Vorschrift dar, sondern eine rechtliche Beurteilung. Maßgebliche Tatsache ist der Inhalt des Kaufvertrages vom 6. August 2001, aus dem sich Veräußerer, Erwerber und der Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ergeben. Dieser Vertrag, der inhaltlich nicht geändert wurde, war dem Beklagten bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheides bekannt. Die rechtlichen Konsequenzen, die im Rahmen der Betriebsprüfung hinsichtlich der Einkommensteuer des Veräußerers und der Bilanzansätze bei der Klägerin gezogen wurden, sind zum einen keine Tatsachen. Zum anderen ist die ertragsteuerliche/bilanzielle Beurteilung für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer nicht rechtserheblich i.S. des § 173 Abs. 1 AO. Rechtserheblichkeit ist nämlich nur zu bejahen, wenn das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer anderen (höheren oder niedrigeren) Steuerfestsetzung gelangt wäre (BFH GrS vom 23. 11. 1987 BStBl II 1988,180). Dies wäre hier nicht der Fall gewesen. Denn Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis des Grundstücks, der sich durch die rechtliche Beurteilung des Prüfers nicht geändert hat.

Ebenso liegen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 AO nicht vor. Danach ist, wenn ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Stpfl. berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, der fehlerhafte Bescheid auf Antrag zu ändern.

§ 174 Abs. 1 AO betrifft den Fall der widerstreitenden Steuerfestsetzung, in dem sich die Doppelerfassung eines bestimmten Sachverhalts in mehreren Bescheiden zwingend denkgesetzlich ausschließt.

Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Vorausgesetzt wird, dass derselbe Sachverhalt in zwei Steuerbescheiden "mehrfach berücksichtigt" wird, und zwar "zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen". Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126;vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597;vom 9. April 2003 X R 38/00, BFH/NV 2003, 1035; BFH vom 7. Juli 2004 X R 26/01 BStBl II 2005,145).

Dieser Fall liegt hier nicht vor. Die Frage, was Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer ist, hat mit der einkommensteuerlichen Beurteilung bei Veräußerer oder Erwerber nichts zu tun. Die Entstehung der GrESt knüpft an die Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs i.S. von § 1 GrEStG an. Für die Einkommensteuer ist dagegen maßgeblich, ob ein Sachverhalt einer Einkunftsart i.S. des § 2 Abs. 1 EStG unterliegt. Zudem liegt auch keine doppelte Erfassung zu Ungunsten vor. Bei der Grunderwerbsteuer ist ein einheitlicher Kaufpreis als Bemessungsgrundlage angesetzt worden, bei der Erwerberin ist dieser z.T. (mit 10.200.000 DM) für das Grundstück aktiviert worden, zum restlichen Teil als Abfindung (immaterielles Wirtschaftsgut) mit 9.200.000 DM und entsprechend höherer Absetzung für Abnutzung. Anders als beim Bilanzansatz kommt es bei der Grunderwerbsteuer auf den Wert des Grundstücks nicht an, wenn ein Kaufpreis i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorliegt. Auch ein Bedarfswert nach § 8 GrEStG muss nicht dem Bilanzansatz entsprechen. Dass der Veräußerer laut BP eine "Pachtabfindung" als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern hat, ist ebenfalls für die Grunderwerbsteuer irrelevant. Dass der Verkauf von Grundstücken, für den der Erwerber Grunderwerbsteuer zahlen muss, beim Verkäufer ertragsteuerlich zu einem Veräußerungsgewinn führt, ist häufig der Fall, wenn das Grundstück zu einem Betriebsvermögen gehörte. Darauf nimmt die Grunderwerbsteuer keine Rücksicht. Maßgeblich ist nach dem GrEStG die Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks, egal ob diese ertragsteuerlich als "Kaufpreis" oder als "Entschädigung" einzuordnen ist. Dass ein solcher Sachverhalt im Ergebnis mehrfach der Besteuerung unterliegt (GrESt beim Erwerber, Ertragsteuer beim Veräußerer), ist keine widerstreitende Steuerfestsetzung i.S. von § 174 Abs. 1 AO. Zwar kann eine Kollision i.S. von § 174 Abs. 1 AO gegeben sein zum Beispiel zwischen Grunderwerbsteuer- und Schenkungsteuerfestsetzung, wenn einerseits ein entgeltlicher Vertrag, andererseits eine Schenkung angenommen wird und damit zwei Mal eine Steuer für den gleichen Sachverhalt festgesetzt wird. So liegt hier der Fall aber gerade nicht.

Im übrigen kommt § 174 Abs. 1 AO schon deshalb nicht in Betracht, weil der ursprüngliche Grunderwerbsteuerbescheid, dessen Änderung die Klägerin begehrt, rechtmäßig ist. Nach dem Kaufvertrag vom 6. August 2001 hat die Klägerin Grundstücke zu einem festgelegten Kaufpreis erworben. Dieser Kaufpreis ist Bemessungsgrundlage der Steuerfestsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Soweit die Klägerin vorträgt, als Grundstückskaufpreis seien nur 10,2 Mio. DM anzusetzen, im übrigen entfalle der Betrag auf eine Abfindung für langjährige Geschäftsbeziehungen, führt dies grunderwerbsteuerlich zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch eine Entschädigung für den Erwerb von Nutzungen ist gerade Teil des Kaufpreises (Boruttau/Sack § 9 GrEStG Rz. 309). Die Klägerin hat nach dem Wortlaut des Vertrages nicht etwa ein Unternehmen im Ganzen erworben, bei dem der Kaufpreis u.U. teilweise auf einen Geschäftswert entfallen kann. Erwerbsgegenstand war vielmehr der im Vertrag eindeutig bezeichnete Grundbesitz ohne jegliche Anknüpfung an die gegenwärtige oder künftige Nutzung.

Auch auf § 174 Abs. 3 AO kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg berufen.

§ 174 Abs. 3 AO erfordert das Vorliegen eines "negativen Widerstreits". Ein "bestimmter Sachverhalt" darf in keinem von mehreren in Betracht zu ziehenden Steuerbescheiden oder Feststellungsbescheiden berücksichtigt worden sein, obwohl er in einem dieser Bescheide hätte berücksichtigt werden müssen. Dabei muss die Berücksichtigung des bestimmten Sachverhalts in einem Bescheid gerade in der (erkennbaren) Annahme unterblieben sein, dass er in einem anderen Bescheid zu berücksichtigen sei. Die Annahme der Finanzbehörde, der Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu erfassen, muss für die Nichtberücksichtigung dieses Sachverhalts im Steuerbescheid kausal gewesen sein. Diese erforderliche Kausalität fehlt insbesondere dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Sachverhalts auf der (wenn auch möglicherweise fehlerhaften) rechtlichen Beurteilung der Finanzbehörde beruht, der Sachverhalt sei weder in diesem noch in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen (BFH vom 9. April 2003 X R 38/00 BFH/NV 2003,1035; BFH 29. Mai 2001 VIII R 24/00 BFH/NV 2001,1523).

Im vorliegenden Fall ist weder der Grunderwerbsteuerbescheid (der erste Bescheid) noch der (spätere) Bescheid nach der BP (KSt/GewSt der Klägerin) in der Annahme ergangen, dass ein Sachverhalt - nämlich die Aufteilung des Kaufpreises auf Grundstück und Abfindung - in einem anderen Bescheid zu erfassen wäre. Erst recht fehlt es an der für § 174 Abs. 3 AO erforderlichen Erkennbarkeit einer solchen Annahme.

§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO greift ebenfalls nicht ein. Erforderlich ist nach dieser Vorschrift ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit (rückwirkendes Ereignis).

Die Betriebsprüfung im Jahr 2006 stellt kein solches Ereignis dar. Die Aufteilung des Kaufpreises durch die Betriebsprüfung ist ebenfalls kein Ereignis, sondern eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts durch den Prüfer.

Auch die Änderung der Steuerbescheide für Klägerin bzw. den Veräußerer ist kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung.

Zwar kann eine Bilanzänderung unter Umständen ein rückwirkendes Ereignis darstellen. Dies gilt aber nur, soweit es für den anderen Steuerbescheid auf den Bilanzansatz ankommt. Das ist bei der Grunderwerbsteuerfestsetzung gerade nicht der Fall. Denn Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist weder der Verkehrswert noch der in der Steuerbilanz des Erwerbers anzusetzende Wert, sondern der Kaufpreis. Dieser ist gerade nicht verändert worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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