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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.03.2004
Aktenzeichen: 7 K 3823/01 E
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 Satz 1
AO § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger erzielte in den Streitjahren (1998 und 1999) als Vorstandsmitglied der Z-AG Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Daneben war er u. a. als Rechtsanwalt selbständig tätig.

Für die Tätigkeit als Rechtsanwalt nutzte der Kläger zwei Räume im Keller seines privaten Einfamilienhauses. In dem einen Raum befand sich ein Sekretariatsarbeitsplatz mit Computer, bei dem anderen Raum handelte es sich um ein mit Schreibtisch und Bücherregalen ausgestattetes Anwalts- und Besprechungszimmer. Der Zugang zu den Räumen führte nicht durch Wohnräume, sondern sie waren nach Eintritt durch die Haustür des Einfamilienhauses über die Treppe in den Keller erreichbar. Die Räumlichkeiten waren nicht für einen dauerhaften und intensiven Publikumsverkehr eröffnet. Ein Praxisschild war nicht am Haus angebracht. Für die anfallenden Schreibarbeiten beschäftigte der Kläger zwei Teilzeitkräfte. Die weiteren Räume im Keller wurden privat genutzt (Waschküche, Vorratsraum, Heizungskeller). Ausweislich des Grundrisses befanden sich keine sanitären Anlagen im Keller. Der Anteil der zwei Kellerräume an der gesamten Wohnfläche betrug 22,5%.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1998 und 1999 machte der Kläger bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit Raumkosten in Höhe von 16.179 DM (1998) und in Höhe von 17.754 DM (1999) als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte wich von der Erklärung ab und berücksichtigte Betriebsausgaben für die Räumlichkeiten im Keller lediglich in Höhe von 2.400 DM je Veranlagungszeitraum.

Hiergegen legte der Kläger Einsprüche ein mit der Begründung, die Raumkosten seien in vollem Umfang steuermindernd zu berücksichtigen, da es sich hierbei nicht um ein häusliches Arbeitszimmer handle, sondern um eine Betriebsstätte. Die gesetzlichen Regelungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien bei einer Anwaltskanzlei nicht anwendbar. Zudem befänden sich die Büroräume nicht innerhalb der Wohnung, sondern lägen räumlich getrennt von dieser im Kellergeschoss.

Mit Einspruchsentscheidung vom 05.06.2001 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Hierzu führte er aus: Die Räume im Keller seien sogenannte häusliche Arbeitszimmer, für die die Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b Einkommensteuergesetz (EStG) gelte. Für die Einordnung sei entscheidend auf den räumlichen Zusammenhang mit der ansonsten für private Wohnzwecke genutzten Wohnung abzustellen. Dieser räumliche Zusammenhang liege im Streitfall vor, da die Räume im Keller mit dem privaten Wohnbereich verbunden seien. Eine spezifische bauliche Trennung zwischen Kellerbereich und Wohnbereich bestehe nicht. Das Vorliegen einer Betriebsstätte sei als Abgrenzungskriterium für die Anwendung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG nicht geeignet.

Mit seiner am 05.07.2001 erhobenen Klage trägt der Kläger vor:

Die Anwendung der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG sei im Streitfall ausgeschlossen, da es sich bei den Räumlichkeiten im Keller um die Betriebstätte eines selbständigen Rechtsanwalts handle (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 16.06.1998 IV B2 - S 2145 - 59/98, BStBl I 1998, 863 unter III b). Im übrigen seien die Räume im Keller von der privaten Wohnung getrennt.

In der mündlichen Verhandlung führte der Kläger ergänzend aus: Als Anwalt betreue er schwerpunktmäßig Altenheime, Krankenhäuser und Vermögensverwaltungsgesellschaften. Bei dieser Art der Tätigkeit ergebe sich kein dauerhafter und intensiver Publikumsverkehr. Daher benötige er auch kein Praxisschild an der Tür. Das Büro sei nicht ganztätig besetzt, vielmehr seien die zwei Teilzeitkräfte nach Bedarf tätig.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 05.06.2001 weitere Raumkosten in Höhe von 16.076 DM (1998) und in Höhe von 17.754 DM (1999) als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 05.06.2001.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO))

Die durch die zwei Räume im Keller des Einfamilienhauses entstandenen Betriebsausgaben in Höhe von 16.076 DM (1998) und in Höhe von 17.754 DM (1999) dürfen den Gewinn des Klägers aus selbständiger Tätigkeit nur in Höhe von jährlich 2.400 DM mindern, denn die Rechtsanwaltskanzlei des Klägers ist als häusliches Arbeitszimmer anzusehen, welches die Voraussetzungen für die Anwendung der Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG erfüllt.

Gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG wird die Höhe der abziehbaren Aufendungen für ein häusliches Arbeitszimmer u. a. dann auf 2.400 DM begrenzt, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der Kläger übte in den Streitjahren seine selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt nur in den Räumlichkeiten im Keller aus. Ein anderer Arbeitsplatz stand ihm hierfür - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nicht zur Verfügung.

Die Anwendung der Abzugsbeschränkung ist nicht dadurch gehindert, dass der Kläger in den Räumlichkeiten eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich der Senat anschließt, sind Büro- und Praxisräume nicht generell aus dem Anwendungsbereich der Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer auszunehmen. Vielmehr ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob ein Büro- oder Praxisraum der Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer unterfällt (vgl. BFH-Urteil vom 23.09.1999 VI R 74/98, BStBl II 2000, 7).

Dies ergibt sich zum einen aus der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG. Der Gesetzgeber wollte den Fall, dass ein Raum als Kanzlei eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts genutzt wird, von der Begrenzung (nur) der Höhe nach ausnehmen; er hat gerade dafür die Rückausnahme des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b Satz 3, 2. HS EStG geschaffen (vgl. Bundestagdrucksache 13/1686, Seite 16). Dieser Regelungstechnik hätte es nicht bedurft, wenn Büro- und Praxisräume trotz ihrer Einbindung in die private Lebenssphäre von vornherein nicht als häusliches Arbeitszimmer anzusehen wären.

Zum anderen spricht auch der Zweck der Abzugsbeschränkung gegen eine generelle Herausnahme von Büro- und Praxisräumen aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG. Die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für ein häusliches Arbeitszimmer dient der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgericht entzogen ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.09.1999 VI R 74/98, BStBl II 2000, 7; BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 139 m. w. N.).

Nach dem Gesamtbild der konkreten Verhältnissen stellen die Räumlichkeiten im Keller des Klägers ein häusliches Arbeitszimmer dar.

Ein "häusliches Arbeitszimmer" ist das häusliche Büro, also ein Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. -organisatorischer Arbeiten dient (vgl. BFH-Urteil vom 19.09.2002 VI R 70/01, BStBl II 2003, 336). Ein als Lager, Werkstatt oder Arztpraxis genutzter Raum ist dementsprechend regelmäßig kein häusliches Arbeitszimmer (vgl. Urteil vom 19.03.2003 VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163 m. w. N.). Für die Qualifizierung eines Raumes als Arbeitszimmer ist es ohne Bedeutung, ob der Raum eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 Abgabenordnung darstellt (BFH-Urteil vom 28.08.2003 IV R 38/01, BFH/NV 2004, 327 m. w. N.).

Die Kanzleiräume des Klägers sind mit Büromöbeln (Bücherregale, Schreibtisch, Schreibtischstuhl) ausgestattet, wobei der Schreibtisch das zentrale Möbelstück darstellt. Sie entsprechen exakt dem Raum-Typus, der nach der vorgenannten Rechtsprechung als Arbeitszimmer anzusehen ist. Zudem verwendet der Kläger die Räume für Tätigkeiten, die in den Kernbereich der Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers fallen, denn er erledigt in den Räumen vorwiegend gedankliche und schriftliche Arbeiten (Verfassen von Schriftsätzen und Gutachten). Dass es sich bei den Räumlichkeiten im Keller des Einfamilienhauses um zwei Räume handelt, ist für die Beurteilung als Arbeitszimmer unerheblich, da auch mehrere Räume ein Arbeitszimmer darstellen können, wenn sie - wie im Streitfall - in einem einheitlichen Funktionszusammenhang stehen.

Die Kanzleiräume sind genau wie ein häusliches Arbeitszimmer in die häusliche Sphäre des Klägers eingebunden. Die häusliche Sphäre ist nicht auf die eigentlichen Wohnebenen beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf im Souterrain gelegene Räumlichkeiten (BFH-Urteil vom 23.01.2003 IV R 71/00, BFH/NV 2003, 859; vgl. auch BFH-Urteil vom 16.10.2002 XI R 89/00, BStBl II 2003, 185). Die Kanzleiräume bilden eine bauliche Einheit mit der Wohnung des Klägers, denn die Kanzlei grenzt sich weder von innen noch von außen von der Privatwohnung ab. Innerhalb des Hauses sind die Kanzleiräume in die häusliche Sphäre eingebunden, da sich neben den Räumen der Rechtsanwaltskanzlei privat genutzte Räume (Waschküche, Vorratsraum und Heizungskeller) befinden. Eine bauliche Trennung vom Privatbereich ist nicht vorhanden. Von außen ist für einen fremden Dritten nicht zu erkennen, dass sich eine Rechtsanwaltskanzlei im Einfamilienhaus befindet, da diese weder über einen separaten Eingang betreten werden kann, noch ein Türschild auf die Kanzlei aufmerksam macht.

Darüber hinaus unterscheiden sich die Kanzleiräume des Klägers nicht von seiner häuslichen / privaten Sphäre, weil diese weder für einen dauerhaften und intensiven Publikumsverkehr ausgestattet noch gewidmet sind. Im Keller sind z. B. kein Wartezimmer und keine unmittelbar von den Kanzleiräumen zugängliche Publikumstoilette vorhanden. Die Räume werden auch tatsächlich - nach Vortrag des Klägers - nicht für einen dauerhaften und intensiven Publikumsverkehr genutzt, da ein solcher sich nach der Art der Tätigkeit des Klägers (Beratung von juristischen Personen) nicht ergibt.

Die Abzugsbeschränkung wird - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auch nicht nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG aufgehoben, da die Rechtsanwaltskanzlei nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung des Klägers bildet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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