Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.11.2006
Aktenzeichen: 7 K 3883/05 GE
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 8 Abs. 1
GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

7 K 3883/05 GE

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 7. 3. 2000 von der Fa. B GmbH das unbebaute Grundstück Z-Stadt Z-Straße, zum Kaufpreis von 1.000.000 DM. Die Grunderwerbsteuer wurde durch Bescheid vom 10. 5. 2000 auf 35.000 DM (17.895,22 EUR) festgesetzt.

Am 20. 12. 1999 hatte der Kläger mit der Fa. C einen Mietvertrag über einen Lebensmittelsupermarkt auf dem Grundstück Z-Straße abgeschlossen. Dieser enthielt eine Bauverpflichtung des Klägers und ein außerordentliches Kündigungsrecht der Mieterin für den Fall der Vorenthaltung der Mietsache.

Am 28. 12. 1999 bot die Fa. B GmbH dem Kläger die Errichtung des Bauwerks für pauschal 3,35 Mio. DM zuz. MWSt an.

Der Kläger schloss am 15. 3. 2000 mit der Grundstücksveräußerin, der Fa. B-GmbH, einen Generalübernehmervertrag über die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf dem Grundstück zum Preis von 3.200.000 DM. Der Bauantrag war 1999 von der Veräußerin gestellt und genehmigt worden. Hiervon erhielt der Beklagte aufgrund einer Mitteilung der Großbetriebsprüfungsstelle vom 27. 8. 2004 Kenntnis. Der nach endgültiger Abrechnung der Fa. B-GmbH zu zahlende Gesamtbetrag von netto 3.119.101 DM wurde aufgeteilt in 584.000 DM für Betriebsvorrichtungen und 2.535.101 DM (1.296.176 EUR) für das Gebäude. Daraufhin erließ der Beklagte am 9. 12. 2004 einen nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, in dem er von einer Bemessungsgrundlage von 1.807.467 EUR (Kaufpreis für das Grundstück zuzüglich der Gegenleistung für das Gebäude) ausging. Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte am 12. 8. 2005 zurückwies.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor:

Es handle sich nicht um ein einheitliches Vertragswerk. Es habe keine Verpflichtung bestanden, den Bauvertrag mit der Fa. B-GmbH abzuschließen. Zwischen ihm und dem Geschäftsführer der B-GmbH, Herrn D, sei im III. Quartal 1999 die Möglichkeit des Erwerbs des Objekts Z-Straße besprochen worden. Gegenstand der seinerzeitigen Gespräche sei gewesen, dass das Objekt einschließlich der Planung, aber ohne Gebäude, das erst vom Kläger zu errichten gewesen wäre, verkauft werden sollte. Am 14. 9. 1999 sei es zur Erteilung der Baugenehmigung gekommen, und zwar aufgrund von Plänen, die im Vorfeld zwischen dem Kläger und Herrn D besprochen worden seien. In der Folgezeit habe der Kläger mit einer Reihe von interessierten Unternehmen den Bauplatz besichtigt und die Unternehmen zur Abgabe von Angeboten aufgefordert, so im November 1999 die Fa. E. Im Dezember 1999 sei ein Angebot der Fa. F über 3.450.100 DM zuz. MWSt erfolgt. Das Angebot der Fa. E über netto 3,2 Mio. DM datiere vom 15. 12. 1999. Am 23. 12. 1999 sei ein Angebot der Fa. G über 3.780.000 DM erfolgt. Danach habe der Kläger mit allen Anbietern Gespräche geführt, um einen reduzierten Preis zu erhalten. Die Fa. B-GmbH habe ihr Angebot auf 3,2 Mio. DM zuz. MWSt ermäßigt. Die anderen Anbieter seien bei höheren Preisen geblieben.

Der Kläger beantragt,

den geänderten Grunderwerbsteuerbescheid vom 9. 12. 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E und D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. 11. 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Gemäß § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bemisst sich die Steuer für einen Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes nach dem Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben, gehören zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Dabei ist für den Umfang der Bemessungsgrundlage entscheidend, in welchem Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. Urteile des BFH vom 24. Januar 1990 II R 94/87 BStBl II 1990, 590, sowie vom 5. Februar 1992 II R 110/88 BStBl II 1992, 357). Die Grunderwerbsteuer knüpft zwar an einen auf den Eigentumserwerb an einem Grundstück gerichteten Rechtsvorgang an. Erfasst werden soll von der Grunderwerbsteuer aber der tatsächliche Zustand des Grundstücks, der in Durchführung des auf den Eigentumserwerb gerichteten Rechtsvorgangs eintritt. Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist.

Ob als Gegenstand eines Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, kann sich aus dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft, d.h. aus dem Inhalt der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung des Veräußerers oder aus mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv engem sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen oder Umständen ergeben, die insgesamt zu dem Erfolg führen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Ist das zukünftig bebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs, so gehören gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG alle Aufwendungen des Grundstückserwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die von ihm für die Verschaffung des bebauten Grundstücks gewährt werden. Dies bestimmt sich nicht nur nach dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet. Vielmehr können auch weitere Verträge einzubeziehen sein. Bei mehreren Verträgen ist ein Grundstück nämlich über den Fall einer rechtlichen Bestandsverknüpfung kraft Parteiwillens hinaus auch dann in bebautem Zustand Erwerbsgegenstand, wenn zwischen ihnen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält. Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen einem Grundstückskaufvertrag und einem Gebäudeerrichtungsvertrag kann in den Fällen vorliegen, in denen der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war, zum anderen aber auch dann, wenn dem Erwerber aufgrund einer konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur annehmen kann (BFH vom 18. 10. 1989 II R 143/87 BStBl II 1990,183; vom 28. 10. 1998 II R 36/96 BFH/NV 1999,667; vom 27. 10. 1999 II R 17/99 BStBl II 2000,34). Bereits die Hinnahme des von der Anbieterseite vorbereiteten Geschehensablaufs seitens des Erwerbers indiziert einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Vertrag über die Gebäudeerrichtung, unabhängig von der zeitlichen Abfolge der Vertragsabschlüsse, und ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich (oder rechtlich) auch eine andere als die planmäßige Gestaltung hätte vorgenommen werden können (BFH vom 23. 11. 1994 II R 53/94 BStBl II 1995,331; vom 23. 8. 1995 II R 93/92 BFH/NV 1996,354; vom 16. 7. 1997 II R 39/95 BFH/NV 1998,213; vom 15. 3. 2000 II R 34/98 BFH/NV 2000,1240).

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall liegt ein einheitliches Vertragswerk vor. Der Kläger befand sich bereits seit Anfang 1999 in Verhandlungen mit der B GmbH. Diese hatte die Baufreifmachung des Grundstücks Z-Straße betrieben, die Bebauung geplant, Bauvoranfragen gestellt und Mietangebote u.a. von H und C eingeholt. 1999 erwirkte sie die Baugenehmigung für die Errichtung des Supermarktes. Geschäftsgegenstand der B-GmbH war nicht vorrangig der Verkauf von baureifen Grundstücken, sondern Grundstücksverkauf und schlüsselfertige Errichtung von Gebäuden als Generalunternehmer. Von daher bot sie, wie der Zeuge D bekundet hat, potentiellen Investoren entsprechende "Pakete" an. Dies erfolgte auch gegenüber dem Kläger, nachdem dieser im Jahr 1999 als Investor gefunden worden war. Durch den Grundstückskaufvertrag vom 7. 3. 2000 und den Generalunternehmervertrag vom 15. 3. 2000 hat der Kläger dieses einheitliche Leistungsangebot der B-GmbH angenommen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes kommt es nicht auf die Intention des Erwerbers, sondern auf den tatsächlich verwirklichten Geschehensablauf an. Ohne Bedeutung ist, ob der Erwerber - der Kläger - tatsächlich und rechtlich in der Lage gewesen wäre, ein anderes, mit dem Grundstücksveräußerer nicht verbundenes Unternehmen mit der Bebauung zu beauftragen oder sich für eine andere, wesentlich vom Angebot abweichende Bebauung zu entscheiden, und ggf. auch entsprechende Angebote eingeholt hatte (BFH-Urteile vom 23. November 1994 II R 53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331; vom 16. Juli 1997 II R 39/95, BFH/NV 1998, 213, und vom 30. April 2003 II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446; BFH-Beschluss vom 4. Oktober 2005 II B 29/05, BFH/NV 2006, 123; vom 3. August 2006 II B 153/05 BFH/NV 2006,2129). Unerheblich ist daher auch, dass der Kläger zunächst den Grundstückskaufvertrag und danach erst - allerdings in engem zeitlichen Zusammenhang - den Generalübernehmervertrag abgeschlossen hat. Es kommt nicht darauf an, ob in dem Zeitraum zwischen dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages und dem Abschluss des Gebäudeerrichtungsvertrages für den Kläger tatsächlich oder rechtlich die Möglichkeit bestand, den Bauvertrag nicht mit der B-GmbH, sondern mit einem Dritten abzuschließen. Eine unumkehrbare Festlegung des Erwerbers im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages ist für die Annahme eines objektiv engen sachlichen Zusammenhangs gerade nicht erforderlich. Es kann deshalb auch keine Rolle spielen, ob ein im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages rechtlich oder tatsächlich noch nicht gebundener Erwerber Überlegungen anstellt, möglicherweise den Bauerrichtungsvertrag mit einem anderen Bauunternehmer abzuschließen. Denn die in der tatsächlichen Hinnahme des vorgegebenen Bebauungs- und Vertragskonzeptes liegende Indizwirkung kann nicht durch von Angebot und Gesamtkonzept abweichende, letztendlich aber nicht verwirklichte Absichten eines Erwerbers beseitigt werden (BFH vom 30. April 2003 II R 29/01 BFH/NV 2003,1446). Insofern kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob der Kläger sich bereits am 7. 3. 2000 definitiv für die B-GmbH als Generalübernehmer entschieden hatte. Dass es nicht zur Errichtung des Gebäudes durch die Fa. E kommen würde, war ihm zu dem Zeitpunkt jedenfalls bekannt. Zwar hatte der Kläger zunächst am 3. 1. 2000 einen Generalübernehmervertrag über die Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit der Fa. E GmbH über einen Festpreis von 3,2 Mio. DM abgeschlossen. Wie sich aus der Aussage des Zeugen E und den von diesem vorgelegten Unterlagen ergibt, hatte die E GmbH dem Kläger am 16. 2. 2000 jedoch aufgrund von Änderungs- und Ergänzungswünschen der Mieterin eine Nachkalkulation über zusätzliche 250.000 DM unterbreitet; mit Schreiben vom 25. 2. 2000 lehnte die Fa. E dann einen Gesamtpreis von 3,2 Mio. DM ausdrücklich ab und setzte ihr Angebot mit 3.450.000 DM fest. Mit Schreiben vom 8. 3. 2000 teilte die E GmbH mit, sie sehe sich außerstande, den Bauvertrag für die dort enthaltene Summe durchzuführen, und führte aus, "im gegenseitigen Einvernehmen erklären wir hiermit, dass wir von dem am 3. 1. 2000 geschlossenen Generalübernehmervertrag zurücktreten".

Aus den Schreiben der Fa. E von Februar 2000 ging bereits klar hervor, dass diese nicht bereit war, das Objekt mit den erforderlichen Änderungen zu dem Betrag von 3,2 Mio. DM herzustellen. Der Zeuge E hat insoweit glaubhaft bekundet, dass der mit Schreiben vom 8. 3. 2000 erklärte Rücktritt vom Vertrag vorab mit dem Kläger besprochen worden war; dies geht auch aus der Formulierung "einvernehmlich" in diesem Schreiben hervor. Die Aussage des Zeugen D zum Ablauf der Verhandlungen mit dem Kläger ist demgegenüber unergiebig, denn der Zeuge konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob der Kläger mit ihm über den Preis von 3,2 Mio. DM kurz vor oder nach Abschluss des Grundstückskaufvertrages gesprochen hatte.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Kläger bereits am 20. 12. 1999 einen Mietvertrag mit der Fa. C abgeschlossen hat, deren Mietangebot die B-GmbH eingeholt hatte, um überhaupt einen Investor zu gewinnen. Dieser Mietvertrag beinhaltet eine Bauverpflichtung des Klägers und ein außerordentliches Kündigungsrecht für die Mieterin, falls es nicht zur - rechtzeitigen - Überlassung der Mietsache käme. Ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht für den Kläger als Vermieter des zu der Zeit noch nicht hergestellten Gebäudes sieht der Vertrag dagegen nicht vor. Auf Grund dessen bestand für den Kläger ein erheblicher wirtschaftlicher Druck, das Gebäude baldmöglichst und zu dem für ihn tragbaren Preis von 3,2 Mio. DM errichten zu lassen. Diese Situation führte dann zu der Annahme des Angebotes der B-GmbH.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

Zurück