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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.09.2007
Aktenzeichen: 9 K 3577/05 E,F
Rechtsgebiete: AO, EStG, FGO


Vorschriften:

AO § 162 Abs. 1
AO § 162 Abs. 2
EStG § 10d Abs. 4
EStG § 23
FGO § 96 Abs. 1 S. 1 Hs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

9 K 3577/05 E,F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Kläger Geldvermögen verzinslich angelegt haben und ob das Finanzamt zu Recht Kapitaleinkünfte im Wege einer Schätzung angesetzt hat.

Die Kläger tätigten in den Streitjahren 1999 bis 2001 in nicht unerheblichem Umfang Wertpapiergeschäfte, die teilweise durch Darlehen, teilweise durch Eigenmittel finanziert wurden. Mit Schreiben vom 21.12.1998 teilten die Kläger dem Beklagten mit, dass sie beabsichtigten, einen Betrag von mehr als 30.000 DM, voraussichtlich zwischen 290.000 DM und 320.000 DM ins Ausland zu transferieren.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde bekannt, dass die Kläger am 22.12.1998 einen Barbetrag von 293.000 DM und nachfolgend in der Zeit vom 15.01. bis 12.02.1999 weitere Barbeträge von jeweils 20.000 DM bis 29.000 DM abgehoben hatten, insgesamt vom 22.01.1998 bis 12.02.1999 die Summe von 732.000 DM. Die Kläger trugen vor, die Abhebungen seien erfolgt, da sie in Spanien eine Immobilie kaufen wollten und der Erwerber einen Teil des Kaufpreises in bar gefordert habe. Das Geschäft sei dann jedoch nicht zustande gekommen. Daraufhin sei der Gesamtbetrag von 732.000 DM im eigenen Haus aufbewahrt und anschließend im Zeitraum 1999 bis 2001 für besondere Zwecke ausgegeben. Die Kläger legten eine handschriftliche Auflistung ihrer Ausgaben vor, auf die zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Danach seien allein für Wochenendausflüge nach Brüssel und Brügge pro Streitjahr ca. 185.000 DM ausgegeben worden. Belege seien mit Ausnahme desjenigen über einen PKW-Ankauf für 25.000 DM nicht aufbewahrt worden.

Nach Tz. 2.3. des Berichtes vom 19.3.2004 sah der Betriebsprüfer den Vortrag, die 732.000 DM seien zu Hause aufbewahrt und nicht wieder angelegt worden, als nicht glaubhaft an, da die Lebensführung der Kläger im Widerspruch zur behaupteten Verwendung des Geldes stehe. So seien trotz des angeblich vorhandenen Bargeldbestandes unverändert die Geschäfte der privaten Lebensführung im Wesentlichen über die Girokonten abgewickelt worden, ebenso wie die Kosten für Urlaubsreisen, Ankauf von Travellerschecks und hohe Kreditkartenumsätze; außerdem hätten monatliche Barabhebungen von ca. 2.000 DM für Haushaltseinkäufe stattgefunden. Zusammenfassend seien unbare Vorgänge für den 2-Personenhaushalt im Jahr 1999 von 76.000 DM, 2000 von 110.000 DM und 2001 von 87.000 DM festgestellt worden. Auch die Behauptung, die Belege über die Verwendung der 732.000 DM seien nicht aufbewahrt worden, erscheine nicht glaubhaft, da bei den Klägern sonstige Belege über Kosten der privaten Lebensführung der letzten 10 Jahre aufgefunden worden seien. Zudem habe der Kläger gegenüber dem Prüfer den genauen Aufbewahrungsort der 732.000 DM nicht benennen können. Der Betriebsprüfer zog daraus den Schluss, dass die Geldmittel in eine nicht benannte Kapitalanlage investiert worden seien und schätzte jährliche Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 5 % von 732.000 DM (1999 für 10 Monate: 30.500 DM, 2000 und 2001 jeweils 36.600 DM).

Der Beklagte erließ aufgrund der Prüfungsfeststellungen geänderte Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 03.05.2004, sowie Bescheide über die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2000 und den 31.12.2001; gegen diese Bescheide erhoben die Kläger am 12.05.2004 Einspruch. Der Senat gab in dem Verfahren 9 V 3375/04 A(E) den Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Einkommensteuer 1999 bis 2001 teilweise statt. Er vertrat die Ansicht, dem Grunde nach sei eine Zuschätzung nicht zu beanstanden, da den Angaben des Klägers zum Verbleib des Bargeldes nicht gefolgt werden könne. Allerdings sei die Schätzung der Höhe nach wohl nicht berechtigt. Ausgehend von durchschnittlichen Zinssätzen für Spareinlagen und Festgeldanlagen zwischen 1,2 und 3,6 % in den Streitjahren ging der Senat im Wege einer eigenen Schätzung von einem Durchschnittszinsertrag von 3 %, mithin Einnahmen in Höhe von 18.000 DM für 1999 (für 10 Monate) und jeweils 22.000 DM für die Jahre 2000 und 2001 aus. Dementsprechend erließ der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.7.2005 Teilabhilfebescheide und wies die Einsprüche im Übrigen zurück. Eine Änderung der Verlustfeststellungsbescheide erfolgte nicht.

Die Kläger haben am 25.8.2005 Klage erhoben und tragen im Wesentlichen unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Verfahren 9 V 3375/04 A(E) vor, die Zuschätzung von Einkünften aus Kapitalvermögen sei unberechtigt. Das Finanzamt sei bereits dem Grunde nach nicht zu einer Schätzung befugt gewesen. Sie - die Kläger - hätten Steuererklärungen abgegeben, die sich auch auf Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen. Im Übrigen hätten sie den Verbrauch des Bargeldes glaubhaft gemacht. Die abgehobenen 732.000 DM seien in den Jahren 1999 bis 2001 restlos für die private Lebenshaltung verbraucht worden. Nachdem zunächst beabsichtigt gewesen sei, eine Immobilie in Spanien teilweise in bar zu erwerben, habe man sich im Frühjahr 1999 vor dem Hintergrund der fortschreitenden Erkrankung der Klägerin durch Multiple Sklerose dazu entschlossen, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln großzügig umzugehen. An der sonstigen privaten Lebensführung habe sich durch den Besitz der hohen Bargeldbestände nichts geändert. Die Barbeträge seien vielmehr ausschließlich für außergewöhnliche Wünsche und Ausgaben verwendet worden. Belege seien dazu nicht aufbewahrt worden und im Nachhinein auch nicht mehr zu erhalten. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liege hierin nicht, weil die Kläger zu Aufzeichnungen dieser Ausgaben und deren Aufbewahrung nicht verpflichtet seien. Die Zuschätzungen beruhte auf reinen Vermutungen, seien unverhältnismäßig und führten zu absurden Ergebnissen. Es könne nicht sein, dass die Finanzverwaltung bis an das Lebensende der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen hinzuschätzen könne, obwohl keinerlei Anhaltspunkte für Konten, aus denen sich solche Einkünfte herleiten ließen, vorhanden seien.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

die Bescheide über die Einkommensteuer 1999, 2000 und 2001 sowie die Bescheide über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2000 und zum 31.12.2001 jeweils vom 3.5.2004 bzw. 7.6.2004 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und wiederholt zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.

Die Beteiligten haben sich in dem Erörterungstermin vom 30.3.2007 damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter anstelle des Senats entscheidet und haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten - auch in 9 V 3375/04 A(E) - und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von ca. 3 v.H. Guthabenszinsen jährlich hinzugeschätzt. Das Finanzamt ist im Schätzungswege zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger sein Bargeldvermögen verzinslich angelegt und damit dem Grunde nach Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt hat. Diese Schlussfolgerung durfte das Finanzamt ziehen, obwohl die (verzinsliche) Anlage der Gelder unaufgeklärt geblieben ist, weil diese Ungewissheit im Sachverhalt allein darauf beruht, dass der Kläger die ihm obliegenden außergerichtlichen und gerichtlichen Mitwirkungspflichten verletzt hat.

Nach § 162 Abs. 2 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Erklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft verweigert. Eine Schätzung setzt voraus, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder nicht berechnet werden können (§ 96 Abs.1 Satz 1 2.Halbsatz FGO i.V.m. § 162 Abs.1 AO). Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liegt insbesondere dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger Tatsachen, die ausschließlich oder überwiegend seiner Wissenssphäre zugehören, nicht offen legt. In diesem Fall ist keine Entscheidung nach Beweislastregeln zu treffen. Vielmehr reduziert sich die Ermittlungspflicht der Behörde und des Gerichtes entsprechend. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Gedanken der Beweisnähe zu. In diesen Fällen kann das Finanzamt von der Existenz bestimmter Tatsachen auch unter Zugrundelegung eines geringeren als des sonst üblichen Grades an Überzeugung ausgehen (vgl. grundlegend BFH-Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BStBl. II 1989, 462). Die Beweisnähe eines Steuerpflichtigen für die in seiner Sphäre liegenden steuererheblichen Tatsachen (hier: Aufbewahrung eines ungewöhnlich hohen Geldbetrages in bar oder Anlage des Geldes bei einer Bank mit entsprechenden Einkünften) verschiebt die Grenze der zumutbaren Mitwirkung zu dessen Lasten um so mehr, je persönlicher (personenbezogener), ungewöhnlicher, verwickelter, schwerer zugänglich, atypischer, undurchsichtiger usw. die behaupteten Verhältnisse sind (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 3.6.2003, VI 99/1999, EFG 2003, 1356 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 3.6.2003, VI 99/1999, BFH Beschluss vom 21.1.2005, VIII B 163/03, BFH/NV 2005, 835 m.w.N.), von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, spricht bereits eine allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass hohe Geldbeträge, wie hier von mehr als 700.000 DM, wenn sie nicht alsbald benötigt werden, zinsbringend angelegt werden. Dies allein begründet aber im Allgemeinen noch keine Schätzungsbefugnis des Finanzamts für den Ansatz von Kapitaleinkünften. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, die es nahe legen davon auszugehen, dass derartige Beträge tatsächlich zinsbringend angelegt worden sind.

Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger seine Mitwirkungspflicht verletzt. Zudem liegen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen anzunehmen, dass der Geldbetrag tatsächlich zur Erzielung von Kapitaleinkünften verwendet wurde. Die Frage, ob oder inwieweit der Betrag von 732.000 DM zinsbringend angelegt wurde, kann letztlich nur der Kläger beantworten. Der Kläger hat zur Sachverhaltsaufklärung über den Verbleib des Geldes wenig beigetragen. Er hat nicht angegeben, wo die Gelder in seinem Haus aufbewahrt gewesen sein sollen. Auch die Behauptung, das Geldvermögen im Umfang von 732.000 DM sei zunächst zum Zwecke des Erwerbs einer Immobilie vorgesehen gewesen und sei dann für Auslandsaufenthalte ausgegeben worden, genügt nicht zur hinreichenden Erfüllung der Mitwirkungspflicht. Der Kläger hat keine konkreten und gegebenenfalls nachprüfbaren Tatsachen benannt, an Hand derer sich seine Behauptungen nachvollziehen lassen. Im konkreten Fall kommen jedoch noch weitere Umstände hinzu, welche eine entsprechende Schätzungsbefugnis rechtfertigen. So ist die Verwendung der Geldbeträge nicht feststellbar. Die Behauptung des Klägers, er habe zunächst beabsichtigt gehabt, mit einem Teilbetrag des Geldes eine Immobilie im Ausland zu erwerben und er habe dieses Geld gerade in Bar benötigt, weil der Veräußerer auf einer entsprechenden Teilleitung bestanden habe, ist durch nichts belegt. Weder hat der Kläger ein entsprechendes Vertragsangebot noch irgendwelchen Schriftverkehr vorgelegt, aus dem sich dieser von ihm behauptete Sachverhalt ergibt. Dies erscheint außergewöhnlich. Auch seine Behauptung, aufgrund der schwerwiegenden Erkrankung der Klägerin habe man von diesem Geschäft abgesehen und das Bargeld über die Jahre bei Auslandsaufenthalten ausgegeben, hat der Kläger nicht durch Belege glaubhaft gemacht. Zwar ist dem Kläger durchaus zuzugeben, dass er nicht verpflichtet war, entsprechende Unterlagen über Jahre hinweg aufzubewahren. Andererseits spricht es gegen die Glaubhaftigkeit seiner Behauptung, wenn während der Betriebsprüfung einerseits alte Unterlagen über gewöhnliche Lebenshaltungskosten gefunden werden, andererseits aber gerade Belege über solche außergewöhnlichen Auslagen nicht vorgelegt werden können. Der Kläger macht einen atypischen Geschehensablauf geltend, der es bei den Umständen des Lebenssachverhalts rechtfertigt, die Anforderungen an seine Mitwirkungspflicht dahin zu konkretisieren, dass er nachvollziehbare Angaben über den Verbleib der hohen angeblichen Barmittel macht. Hinzukommt, dass der Kläger - wie sich aus den umfangreichen Wertpapiergeschäften in den Streitjahren ergibt - in derartigen Angelegenheiten nicht unerfahren ist. Es erscheint zudem widersprüchlich, einerseits für Wertpapiergeschäfte Kredite aufzunehmen, andererseits aber vorhandenes Barvermögen für eine großzügige Haushaltsführung zu verwenden.

Der Höhe nach sind die entsprechend der Entscheidung des Senats im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung 9 V 3375/04 A(E) auf 3 % aus 732.000 DM, mithin 18.000 DM in 1999 (für 10 Monate) sowie in Höhe von jeweils 22.000 DM für 2000 und 2001 nicht zu beanstanden. Ein derartiger Zinssatz entspricht in etwa dem, der in den Streitjahren im Durchschnitt erzielt worden ist.

Auch die gegen die Bescheide zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2000 und den 31.12.2001 gerichtete Klage hat keinen Erfolg. In diesen Bescheiden wurden lediglich die negativen und in dem Jahr ihrer Entstehung jeweils nicht ausgleichsfähigen Verluste aus Spekulationsgeschäften nach § 23 EStG# zum Zwecke der Verrechnung in anderen Zeiträumen nach § 10d Abs. 4 EStG festgestellt. Die Zuschätzungen der Kapitaleinkünfte haben hierauf keine Auswirkungen. Einwendungen gegen die Höhe der festgestellten Beträge werden vom Kläger nicht erhoben und sind auch nach Aktenlage nicht erkennbar.



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