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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: 1 V 59/07
Rechtsgebiete: AO, FGO, GmbHG


Vorschriften:

AO § 34
AO § 166
AO §§ 347 ff
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
GmbHG § 43 Abs. 1
GmbHG § 43 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

1 V 59/07

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides mit dem der Antragsgegner ( -Ag- ) den Antragsteller ( -Ast- ) für Steuerverbindlichkeiten einer Gesellschaft in Anspruch nimmt, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Ast war.

Der Ast ist Diplomingenieur und betreibt unter der Firma A (Ingenieurbüro) ein Planungsbüro. Für den Zeitraum 1991 bis 1994 fand eine Außenprüfung bei dem Ast statt. In dem hierüber ergangenen Bericht vom 20.02.1998 wurde u.a. zur Tz. 1.02 festgestellt, dass der Ast ab Mitte des Jahres 1994 im Rahmen der von ihm als Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärten Tätigkeit überwiegend Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Gleichwohl werde aus verwaltungsökonomischen Gründen von einer Absonderung abgesehen, da durch eine zukünftige Verlagerung dieser Einkünfte ab 1995 in die in 1994 neu gegründete B mbH ( -GmbH- ) die zutreffende steuerliche Behandlung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb sichergestellt sei. Soweit künftig gewerbliche Einkünfte als freiberufliche Einkünfte erklärt würden, seien diese auszusondern.

In der Folge erklärte der Ast bis einschließlich des hier relevanten Streitjahres 2002 aus seiner Tätigkeit im Einzelunternehmen unter der Firma A weiterhin ausschließlich Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die der Ag bis 2001 im Zuge der Veranlagungen jeweils in solche aus Gewerbebetrieb umqualifizierte. Im Jahre 2002 veranlagte der Ag den Ast erklärungemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung ( -AO- ). Mit seinem Einzelunternehmen erklärte der Ast im Jahr 2000 Erlöse in Höhe von - netto - DM 144.095,26 wovon DM 142.241,38 (brutto DM 165.000,00) auf Zahlungen der GmbH entfielen. Im Jahr 2001 standen Erlösen in Höhe von DM 143.534,47 Zahlungen der GmbH von DM 143.103,44 (brutto DM 166.000,00) und im Jahr 2002 Erlösen von EUR 5.600.000 Zahlungen der GmbH in Höhe von EUR 5.600.000 (brutto EUR 6.496.000,00) gegenüber. Die Rechnungsstellungen des Ast gegenüber der GmbH erfolgten in 2000 und 2001 in diversen glatten Teilbeträgen von DM 10.000 bis DM 40.000 einschließlich Umsatzsteuer ( -USt- ). In 2002 stellte der Ast der GmbH unter dem Datum 02.09.2002 eine Rechnung - entsprechend den Vorjahren - mit folgendem Wortlaut:

"B GmbH

Büro Hamburg

X-Chaussee

2..... Hamburg

...

Für die in Ihrem Auftrag erbrachten umfassenden Beratungs- bzw. Ingenieursdienstleistungen und Aufwendungen berechnen wir Ihnen wie verhandelt:

5.600.000,00 Euro

16% MwSt. 896.000,00 Euro

6.496.000,00 Euro

Die Rechnungssumme beglich der Ast in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH durch Teilzahlungen von EUR 116.000, EUR 58.000 und EUR 6.322.000 in 2002. Ein weiterer in 2002 Rechnung gestellter Betrag in Höhe von EUR 156.600 wurde in 2003 gezahlt.

Die GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom ...1994 durch den Ast und drei weitere Gesellschafter gegründet. Neben dem Ast wurde zunächst ein weiterer Geschäftsführer bestellt. Bereits mit Wirkung zum ...1995 beendete der weitere Geschäftsführer sein Amt und der Ast wurde zudem durch Anteilsübertragung alleiniger Gesellschafter. Die Eintragung der Gesellschaft erfolgte am ...1995 in dem Handelsregister des Amtsgerichts Neuruppin unter dem Aktenzeichen .... Als Ort der Geschäftsleitung wurde zunächst T, Y-Straße angegeben. Da die GmbH in 1998 unter der Anschrift Hamburg, Z-Straße im Geschäftsverkehr auftrat, überprüfte das zuständige Finanzamt Oranienburg den angegebenen Geschäftssitz, konnte einen solchen der GmbH dort aber nicht feststellen. Eine daraufhin u.a. auf Empfehlung der Oranienburger Bußgeld- und Strafsachenstelle eingeleitete steuerliche Abgabe der GmbH örtlich zuständigkeitshalber nach Hamburg wurde vom Ag seinerzeit zunächst abgelehnt. Mit Schreiben vom 05.12.2001 teilte die GmbH dem Finanzamt Oranienburg mit, der Ort der Geschäftsleitung sei offiziell nach R, Auf der Xx verlegt worden. Eine Nachschau des hierfür örtlich zuständigen Finanzamtes Kyritz konnte vor Ort keine geschäftlichen Aktivitäten der GmbH ermitteln. Das Finanzamt Kyritz lehnte eine Übernahme daher ebenfalls ab. Die GmbH kam ihren steuerlichen Erklärungspflichten zunächst lediglich für 1994 und - nach Schätzung - 1995 nach und erklärte keine bzw. geringfügige Umsätze. Trotz mehrfach durch den Steuerberater beantragter Fristverlängerung mussten die Jahre 1996 bis 1998 letztlich geschätzt werden und blieben dies auch dauerhaft. Auch für die Jahre 1999 bis 2001 wurden Steuererklärungen nach erfolglosen Mahnungen und anschließenden Schätzungen erst im Einspruchsverfahren eingereicht.

In den Jahren 2000 bis 2002 erzielte die GmbH ausweislich der eingereichten Jahresabschlüsse folgende Betriebsergebnisse: Für 2000 DM ./. 113.435,60 (Jahresfehlbetrag) bei Rechnungen des Ast in Firma A von DM 165.000,00 (inkl. USt), für 2001 DM ./. 108.693,28 (Jahresfehlbetrag) bei Rechnungen des Ast von DM 166.000,00 und für 2002 EUR 121.321,48 (Jahresüberschuss) bei Rechnungen des Ast von EUR 6.652.600 (davon gezahlt in 2003 EUR 156.600).

Aufgrund der Prüfungsanordnungen vom 22.03.2005 und 07.04.2005 führte der Ag bei der GmbH in der Zeit vom 04.04.2005 bis 10.01.2006 eine Außenprüfung, zunächst im Wege der Auftragsprüfung für das Finanzamt Oranienburg und nachfolgend in eigener Zuständigkeit, für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 durch. Im Zuge der Prüfung kam der Ag zu der Einschätzung, der Ort der Geschäftsleitung der GmbH sei nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft in Hamburg gewesen. Zunächst habe sich dieser in der Z-Straße, dann in der X- Chaussee und seit dem Jahre 2003 im X- Weg befunden. Die örtliche Zuständigkeit des Ag für die Besteuerung des Ast wurde daher dem weiteren Besteuerungsverfahren zugrunde gelegt. Die Ergebnisse der Außenprüfung bei der GmbH fasste die Betriebsprüfung in dem Bericht vom 10.01.2006 zusammen und traf u.a. folgende Feststellungen:

Der Ort der Geschäftsleitung der GmbH befinde sich in Hamburg; örtlich zuständig für die Besteuerung sei der Ag. Im Prüfungszeitraum habe die GmbH ausweislich der Ausgangsrechnungen nahezu ausschließlich mit verschiedenen Baustoffen (u.a. abgepackter Beton-, Pflaster und Spielsand, Palisaden, Fensterbänke, Granitpflastersteine, Rasengitter etc.), die sie an Baumärkte lieferte, gehandelt. Im Prüfungsjahr 2002 sei der Umsatz im Wesentlichen auf Rechnungsstellungen an das Technische Hilfswerk und das Land Sachsen-Anhalt für die Lieferung von mehreren Millionen Sandsäcken anlässlich des Elbe-Hochwassers im Sommer 2002 entfallen.

Bei den der GmbH von dem Ast unter der Firma A in Rechnung gestellten und als Aufwand für Fremdarbeiten verbuchten Beträgen in Höhe von DM 142.241,38, DM 143.103,44 und EUR 5.735.000,00 - jeweils zuzüglich Umsatzsteuer - handele es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz ( -KStG- ) an den Ast, den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH. Es fehle sowohl an einer Grundlage als auch an Nachweisen für die seitens des Ast der GmbH in Rechnung gestellten Ingenieurleistungen. Die Prüfung habe keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass der Ast für die GmbH Leistungen von höherer Komplexität und einem der Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad erbracht habe. Dies gelte sowohl hinsichtlich der an die Baumärkte gelieferten Waren als auch im Zusammenhang mit den in die Flutgebiete gelieferten Sandsäcken. Nachforschungen des Ag und schriftliche Stellungnahmen der zuständigen hoheitlichen Stellen hätten ergeben, dass von der GmbH ausschließlich Ware geliefert worden sei und keine ingenieurtechnische Beratung - weder durch die GmbH noch durch den Ast - stattgefunden habe. Sämtliche Gewinne der GmbH, auch aus den Sandsacklieferungen, beruhten auf Handelsgeschäften.

Die durch die Begleichung der Rechnungen des Ast bei der GmbH bewirkte Vermögensminderung sei durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Die verdeckten Gewinnausschüttungen seien dem Gewinn der GmbH wieder hinzuzurechnen. Wegen des bestehenden Verlustvortrags und der daraus für 2000 und 2001 resultierenden mangelnden steuerlichen Auswirkung erfolge eine Änderung der Körperschaftsteuerveranlagungen erst ab dem Prüfungsjahr 2002.

Nach durchgeführter Betriebsprüfung erhöhten sich die Umsatzsteuerschuld wegen nicht anzuerkennender Vorsteuer aus den Rechnungen des Ast um EUR 917.600, das zu versteuernde Einkommen für die Körperschaftsteuer 2002 auf EUR 4.461.222,00 sowie 2003 auf EUR 99.483,00 und der Gewerbesteuermessbetrag 2002 auf EUR 223.060,00 sowie 2003 auf EUR 4.970,00.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht über die Außenprüfung bei der GmbH vom 10.01.2006 verwiesen. Der Steuerberater teilte der Betriebsprüfung mit Schreiben vom 02.03.2006 mit, dass nach Rücksprache mit dem Ast im seinerzeitigen Verfahrensstand entgegen ursprünglicher Aussage keine weiteren Ausführungen zu den Berichtsangaben erfolgen würden.

Der Ag machte sich die Feststellungen der Betriebsprüfung zu Eigen und erließ am 15.03.2006 und 23.03.2006 geänderte Bescheide, mit denen Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuer sowie Zinsen, Solidaritätszuschlag und Säumniszuschläge für die Jahre 2002 bis 2004 neu festgesetzt wurden. Hieraus ergaben sich weitere Steuerforderungen gegen die GmbH in einer Gesamthöhe von EUR 3.537.014,66 sowie Säumniszuschläge von EUR 31.835,00. Wegen der Einzelbeträge und Steuerjahre wird auf den Haftungsbescheid vom 11.07.2006 verwiesen.

Bereits mit notariellem Vertrag vom 04.09.2005 übertrug der Ast mit sofortiger Wirkung drei seiner vier jeweils auf DM 12.500 lautenden Anteile an der GmbH an einen Dritten. Die Höhe des Kaufpreises und dessen Begleichung wurde außerhalb der notariellen Urkunde geregelt. Daneben wurde die Firma der GmbH in C-Gesellschaft mbH geändert.

Parallel zu der Prüfung bei der GmbH führte der Ag auch bei dem Ast als Einzelunternehmer eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2003 durch, deren Ergebnisse er in dem Bericht vom 02.12.2005 niederlegte. Spiegelbildlich zu den Feststellungen bei der GmbH führte der Ag für das Einzelunternehmen des Ast u.a. aus, dass dieser, abweichend von seinen Erklärungen, keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt habe. Die zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen in Höhe von EUR 6.496.000 in 2002 und EUR 211.369,90 in 2003 - jeweils einschließlich USt - seien nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 40 EStG zu besteuern, so dass sich ein erhebliches Einkommensteuerguthaben ergeben werde. Der Steuerberater teilte mit dem besagten Schreiben vom 02.03.2006 mit, dass auch insoweit keine weiteren Ausführungen zu den Berichtsangaben erfolgen würden.

Der Ag machte sich auch diese Feststellungen der Betriebsprüfung zu Eigen und erließ unter dem 16.03.2006 geänderte Bescheide über Einkommensteuer, Zinsen, Solidaritätszuschlag und Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2003. Aus diesen Bescheiden ergaben sich Steuererstattungen zugunsten des Ast in einer Gesamthöhe von EUR 2.296.181,72.

Der Ag überwies die Steuererstattungen anschließend nicht auf das Bankkonto des Ast sondern buchte diese in voller Höhe auf das Steuerkonto der GmbH um. Hiergegen verwahrte sich der Ast mit Schreiben vom 28.03.2006, forderte den Ag zur unverzüglichen Auszahlung der Erstattungsbeträge aus und kündigte die Geltendmachung eines entsprechenden Verzugsschadens an, was er nachfolgend auch tat. Der Ag machte die Umbuchung rückgängig und zahlte den Erstattungsbetrag von EUR 2.296.181,72 zeitnah in voller Höhe an den Ast aus.

Gegen die aufgrund der Betriebsprüfung gegenüber dem Ast und der GmbH ergangenen Änderungsbescheide legten weder der Ast noch die GmbH Einsprüche ein, so dass sämtliche Bescheide bestandskräftig wurden.

Mit Schreiben vom 18.04.2006 beantragte die GmbH aus Gründen persönlicher Unbilligkeit gemäß § 227 AO den Erlass der aufgrund der Betriebsprüfung resultierenden Nachzahlungsbeträge in voller Höhe. Der Ag lehnte einen Erlass mit Bescheid vom 20.04.2006 mangels Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit ab. Die GmbH habe vertreten durch den Ast als Geschäftsführer die zur Begründung des Antrags vorgetragene Gefährdung der wirtschaftlichen und persönlichen Existenz durch den vorwerfbar herbeigeführten Abfluss nahezu sämtlicher finanziellen Betriebsmittel selber herbeigeführt. Auf eine mögliche Haftungsinanspruchnahme des Ast wies der Ag hin. Der Ast wandte sich gegen die Ablehnung des Erlasses mit Einspruch vom 02.05.2006.

Mit Datum vom 28.04.2006 stellte der Ast in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH für diese einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 16.05.2006 zum Aktenzeichen ... eröffnet. Die Gesellschaft ist aufgrund dessen aufgelöst. Das Einspruchsverfahren betreffend den Erlassantrag ist unterbrochen.

Mit Schreiben vom 22.05.2006 teilte das örtlich zuständige Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg dem Ast mit, dass gegen ihn gemäß § 397 AO ein Strafverfahren wegen des Verdachts von ihm begangener Steuerstraftaten nach § 370 AO eingeleitet worden sei. Es lägen Erkenntnisse vor, dass er als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH für das Steuerjahr 2002 bei dieser Beratungs- und Ingenieursleistungen aus seiner selbständigen Tätigkeit als Betriebsausgaben erklärt und steuerlich geltend gemacht habe, die tatsächlich nicht erbracht worden sein. Mit Schreiben vom 06.12.2006 wandte sich der Ast an den Ag und teilte mit, nach intensiver Prüfung erscheine die Ansicht vertretbar, nicht alle Einkünfte des Ast aus seiner Tätigkeit für die GmbH als reine Ingenieursleistungen zu bewerten. Es sei daher nicht auszuschließen, dass ein Teil der aus der Geschäftsbesorgung für die GmbH resultierenden Einnahmen als gewerbliche Einkünfte nach § 15 EStG anzusehen seien. Dieser Anteil werde im Schätzungswege mit 50 v.H. ermittelt mit der Konsequenz, dass diesbezüglich bislang keine Gewerbesteuer entrichtet worden sei. Höchst vorsorglich würden daher Gewerbesteuererklärungen für 2002 und 2003 beigefügt. Die sich daraus ergebenden Steuerzahllasten in Höhe von zusammen EUR 512.794 seien bereits auf das Steuerkonto des Ast entrichtet worden. Der Ag folgte diesen Steuererklärungen des Ast nicht; die Gewerbesteuerbescheide 2002 und 2003 wurden nicht geändert. Das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg kam ausweislich eines Vermerks vom 23.02.2007 zu der Einschätzung, dass das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen sei. Die Angaben des Ast, er habe in Firma A die Organisation und Planung der Sandsacklieferungen für die GmbH vorgenommen und dafür die in Rede stehenden Rechnungen gestellt, könne nicht widerlegt werden. Wegen des vom ehemaligen Steuerberater ausgeübten Zeugnisverweigerungsrechts könnten keine weiteren Erkenntnisse ermittelt werden. Ein Strafverfahren wegen des steuerlichen Erklärungsverhaltens des Ast unter seiner Firma A sei bis dahin nicht eingeleitet worden. Durch die Selbstanzeige des Ast nach § 371 AO sei die Tat als solche nicht mehr zu verfolgen.

Nach Durchführung einer Haftungsanhörung gemäß § 91 AO vom 11.05.2006 nahm der Ag den Ast mit Bescheid vom 11.07.2006 gemäß § 191 Abs. 1, § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO; § 35 Abs. 1 GmbHG für die gegenüber der GmbH bestehenden, aus der Betriebsprüfung resultierenden, Nachforderungen von Steuern und Nebenleistungen in der Gesamthöhe von EUR 3.568.849,66 (siehe oben) in Haftung.

Hiergegen wandte sich der Ast mit Einspruch vom 07.08.2006. Zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide in Höhe der Nachforderungsbeträge. Der Einspruch und der Aussetzungsantrag blieben ohne Erfolg. Die Einspruchsentscheidung und die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung mit Bescheiden vom 30.03.2007 wurden den Bevollmächtigten des Ast am 30.03.2007 per Fax vorab bekanntgegeben und nachfolgend am 02.04.2007 zur Post gegeben.

Hiergegen wendet sich der Ast mit einer am 19.04.2007 eingelegten Klage, die unter dem Aktenzeichen 1 K 58/07 rechtshängig und über die noch nicht entschieden ist. Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch den Ag wendet sich der Ast mit dem vorliegenden Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung ( -FGO- ) vom 19.04.2007, mit dem er die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung begehrt.

Zur Begründung seines Aussetzungsbegehrens macht der Ast gegen die Inhaftungnahme im Wesentlichen folgendes geltend:

Der Ast sei kein Angestellter der GmbH; es bestehe kein Arbeitsvertrag. Er sei lediglich rein formal als Organ der GmbH zu deren Geschäftsführer bestellt worden. Ohne vertraglich tätigen Mitarbeiter habe der Ast als Organ, mithin Geschäftsführer, für die GmbH nicht tätig werden können. Folglich habe er, als Geschäftsführer, sich selbst, in Firma A, eingeschaltet und damit beauftragt, sämtliche technisch notwendigen Tätigkeiten vorzunehmen. Vereinbart worden sei, dass er im Bedarfsfall auf Abruf für die GmbH tätig zu werden hatte und ihm dafür eine ausschließlich vom geschäftlichen Erfolg abhängige Vergütung zustehe. Diese Vereinbarung sei mündlich geschlossen worden. Die Beauftragung eines Dienstleisters bedürfe nicht der Schriftform. Der Vertragsschluss durch dieselbe Person für beide Vertragsparteien sei nicht zu beanstanden. Jegliches Handeln des Ast für die GmbH sei als solches der A zu werten. Für eine feste Anstellung und Dotierung des Ast als Geschäftsführer habe es der GmbH an finanziellen Mitteln gefehlt.

Im Zusammenhang mit der Lieferung der Sandsäcke zur Eindämmung des Elbe-Hochwassers habe es umfangreiche technische Fragen zu klären und Probleme zu bewältigen gegeben, die seitens der GmbH die Einschaltung eines Ingenieurbüros erforderlich gemacht hätten. Kein anderer als der Ast, in Firma A, hätte im Sommer 2002 die notwendigen Dienste anbieten können. Nur er habe über das erforderliche Know How als erfahrener professioneller Katastrophenmanager verfügt. Wegen der Einzelheiten der vom Ast vorgetragenen vielfältigen Aufgabenstellung und persönlichen Qualifikation wird auf die Darstellung unter Ziffer 2.3 in seiner mit der Antragsbegründung in Bezug genommenen Klageschrift zum Aktenzeichen 1 K 58/07 verwiesen.

Die im Haftungsbescheid angegebene Geschäftsanschrift der GmbH sei unzutreffend. Es handele sich hierbei nicht um den Ort der nunmehr in Insolvenz befindlichen GmbH, sondern um die private Wohnadresse des Ast. Der Ag sei für den Erlass der gegen die GmbH ergangenen Steuerbescheide örtlich nicht zuständig und daher nicht das Finanzamt der Erstschuld. Mithin sei er auch nicht das kraft Sachzusammenhangs zuständige Finanzamt für den Haftungsbescheid gegen den Ast. Der Haftungsbescheid sei nicht ausreichend begründet. Da gegenüber der GmbH bei zutreffender Würdigung der Sach- und Rechtslage ein Steueranspruch materiell-rechtlich nicht bestehe, könne wegen der grundsätzlichen Akzessorietät der Haftung von der Primärschuld auch kein Haftungsanspruch gegen den Ast bestehen. Die in Rede stehenden Zahlungen seien aufgrund zivilvertraglicher Verpflichtungen der GmbH erfolgt und hätten vom Ast erbrachte Ingenieurleistungen zu technisch-komplexen Problemstellungen zum Hintergrund. Die ungewöhnlich anmutende Höhe insbesondere der Rechnung vom 02.09.2002 ändere an der steuerlichen Beurteilung nichts. Die Unanfechtbarkeit der gegenüber der GmbH ergangenen Steuerbescheide sei für das Haftungsverfahren unerheblich. Zum einen sei der Ast bei Erlass der Steuerbescheide nicht mehr Mehrheitsgesellschafter und daher an Weisungen der Mehrheitsgesellschafter gebunden gewesen. Zum anderen gelte die Vorschrift des § 166 AO nicht für die Wirkung von Haftungsbescheiden; Drittbetroffene könnten gleichwohl geltend machen, die haftungsrechtlichen Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme lägen nicht vor.

Dem Ast sei in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH kein eigenes Verschulden bei einer, ebenfalls zu bestreitenden, Pflichtverletzung vorzuwerfen. Er habe dem von ihm beauftragten, erfahrenen Steuerberater stets sämtliche Unterlagen und Belege, insbesondere also die Eingangs- und Ausgangsrechnungen, für die Finanzbuchhaltung vollständig überlassen. Der Berater sei auch zugleich Berater des Ast, respektive seines Einzelunternehmens, gewesen. Ihm hätten daher alle Informationen, auch bezüglich der in der Betriebsprüfung streitig gebliebenen Sachverhalts, vorgelegen. Der Steuerberater habe die handelsrechtliche Bilanz erstellt, mit einem Prüfungsvermerk versehen und auf Grundlage des handelsrechtlichen Jahresabschlusses die Steuererklärungen gefertigt. Der Ast habe sich stets auf den steuerlichen Berater verlassen.

Es mangele an der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden. Die Steuern seien nach der Betriebsprüfung im März 2006 erstmalig festgesetzt worden. Hierbei handele es sich um die einzigen Verbindlichkeiten der GmbH. In Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten habe der Ast unverzüglich nach Festsetzung der Steuern einen Insolvenzantrag gestellt; zu diesem Zeitpunkt hätten diese Verbindlichkeiten aus dem Vermögen der GmbH nicht mehr gezahlt werden können.

Der Ast beantragt,

1) die Vollziehung des Haftungsbescheides des Ag vom 11.07.2007 zum Aktenzeichen ... in Form der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2007 auszusetzen,

2) hilfsweise die Vollziehung des Haftungsbescheides des Ag vom 11.07.2007 zum Aktenzeichen ... in Form der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2007 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 512.794,00 auszusetzen,

3) die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben, ebenso bereits verwirkte Säumniszuschläge aufzuheben

4) hilfsweise gegen die Entscheidung des Finanzgerichts die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Ag beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen zusammengefasst wie folgt vor:

Der Ag sei örtlich und sachlich für den Erlass des Haftungsbescheides zuständig. Das Finanzamt, das für den Steuerschuldner zuständig sei, sei auch für den Erlass des Haftungsbescheides zuständig. Die Zuständigkeit für die GmbH liege bei dem Ag. Der Ort der Geschäftsleitung der GmbH habe sich nach Würdigung aller erkennbaren äußeren Umstände nicht in T oder R, sondern stets in Hamburg am jeweiligen Wohnsitz des Ast befunden. Maßgebend sei nicht der Ort der Registereintragung oder eventueller Betriebsleitungsmaßnahmen. Entscheidend sei der Ort, an dem die zur Vertretung der Gesellschaft befugte Person die ihr obliegende geschäftsführende Tätigkeit entfalte, wozu vor allen die Leitung des Betriebs der Gesellschaft sowie deren Überwachung und das Ergreifen betriebsdienlicher Maßnahmen gehöre. Gewöhnlich sei dies bei einer GmbH der Ort, an dem sich das Büro ihres Geschäftsführers befinde. Es komme hierbei vornehmlich auf das kaufmännische Büro an, als welches gegebenenfalls auch der Wohnsitz des Geschäftsführers anzusehen sei.

Die Inanspruchnahme des Ast als Haftungsschuldner sei rechtmäßig. Dieser sei bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Geschäftsführer der GmbH und mithin gesetzlicher Vertreter i.S.d. § 35 Abs. 1 GmbHG gewesen. Da die nach Insolvenzeröffnung zur Tabelle angemeldeten Steuerforderungen gegen die GmbH voraussichtlich uneinbringlich seien, der Ast alleiniger Geschäftsführer war und die Steuerschulden der GmbH aus Zahlungen an ihn resultierten, habe der Ag das Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Die Inanspruchnahme sei auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse gerechtfertigt. Dem Ast seien in 2002 und 2003 verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von EUR 6.652.600,00 zugeflossen.

Der Ast sei mit sachlichen Einwendungen gegen die bestandskräftigen Steuerfestsetzungen, die der Haftung zugrunde lägen, nach § 166 AO ausgeschlossen. Er sei an der Betriebsprüfung in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH beteiligt gewesen und habe mit seinen steuerlichen Beratern auch an der Schlussbesprechung teilgenommen. Trotz mangelnder Einigung der Beteiligten in Bezug auf die steuerliche Würdigung der Rechnungsstellungen an die GmbH seien die Bescheide bestandskräftig geworden. Der Ast habe, obwohl er als Geschäftsführer der GmbH dazu in der Lage gewesen wäre, nach Ergehen der Änderungsbescheide weder Einspruch eingelegt, noch weitere Einwendungen vorgetragen. Er habe seinen Willen, die geänderten Festsetzungen nicht mehr angreifen zu wollen, zusätzlich durch den Erlassantrag vom 18.04.2006 dokumentiert. Der Ast könne sich nicht darauf berufen, er habe sich einem gegebenenfalls abweichenden Willen des oder der Mehrheitsgesellschafter/s fügen müssen. Im Interesse einer reibungslosen Steuerfestsetzung und der Steuererhebung reiche es zur Bewirkung des Einwendungsausschlusses aus, dass der Ast zu einer Anfechtung in der Lage gewesen wäre, weil ihm die Rechtsmittelbefugnis eingeräumt war. Im Übrigen beziehe sich der Vorwurf der Pflichtverletzung auf den Zeitraum, in dem der Ast noch alleiniger Gesellschafter war.

Der Ast habe die ihm nach dem GmbHG und den Steuergesetzen auferlegten Pflichten in mehrfacher Hinsicht verletzt. Nach den Ermittlungen des Ag und des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen in Hamburg seien die mit der Rechnung vom 02.09.2002 in pauschaler Weise geltend gemachten Beratungs- bzw. Ingenieursdienstleistungen und Aufwendungen weder von den zuständigen Stellen und Behörden vor Ort benötigt noch tatsächlich vom Ast erbracht worden. Dies ergebe sich im Einzelnen aus den schriftlichen Auskünften der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, der Regierungspräsidien Leipzig und Dessau, der Berufsfeuerwehr Nürnberg und des Bundesministeriums der Verteidigung. Allenfalls seien Logistikleistungen im Zusammenhang mit dem Ankauf und der Lieferung der Katastrophenschutzmaterialien vonnöten gewesen. Hierüber lägen weder schuldrechtliche Vereinbarungen noch sonstige Aufzeichnungen zwischen dem Ast und der GmbH vor und würden von der Leistungsbezeichnung im Rechnungspapier auch nicht erfasst. Der Ast habe seiner aus § 35 Abs. 4 Satz 2 GmbHG folgenden Verpflichtung, ein der Rechnungsstellung zugrundeliegendes Rechtsgeschäft schriftlich festzuhalten, nicht genügt. Die Rechnungsforderung liege weit über einer üblichen Vergütung für derartige Dienstleistungen. Vor diesem Hintergrund hätte der Ast in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer die Rechnung nicht zulasten der GmbH akzeptieren und begleichen dürfen. Er habe des Weiteren ein Rechnungspapier akzeptiert, dem mangels konkreter Angaben über Art, Umfang und Zeitpunkt der bezogenen Leistung nicht die Qualität als Rechnung im Sinne des § 14 UStG zukomme. Damit sei die darin ausgewiesene Umsatzsteuer für die GmbH nicht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abzugsfähig. Mit der rügelosen Akzeptanz der Rechnung habe der Ast gegen seine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung gegenüber der GmbH als deren Geschäftsführer verstoßen. Ebenso habe er gegen steuerliche Pflichten verstoßen, indem er die ausgewiesene Umsatzsteuer im Rahmen der Umsatzsteuererklärungen gegenüber dem Finanzamt gleichwohl als Vorsteuer geltend gemacht habe; letzteres zudem, weil der Rechnungsaussteller die ausgewiesenen Leistungen nicht erbracht habe. Pflichtwidrig habe der Ast die Rechnungsbeträge auch im Rahmen der Körperschaftsteuererklärungen 2002 und 2003 gewinnmindernd als Kosten der Warenabgabe und Verkaufsprovisionen berücksichtigt. Zu den Pflichten eines Geschäftsführers gehöre es zutreffende Steuererklärungen einzureichen, dafür Sorge zu tragen, dass für die Erfüllung einer erkennbar entstehenden Steuerschuld hinreichende liquide Mittel zur Verfügung stehen und die Steuern aus den verwalteten Mitteln der Gesellschaft zu entrichten.

Dem Ast sei bewusst gewesen, dass aufgrund der Rechnungsbeträge steuerlich berechtigt weder gewinnmindernde Betriebsausgaben noch Vorsteuern hätten erklärt werden dürfen. Dies folge aus den insoweit klaren Anforderungen des GmbHG, den viel zu pauschal formulierten Rechnungsinhalten, der marktunüblichen Forderungshöhe und den bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH voraussetzbaren Kenntnissen über Voraussetzungen und steuerliche Folgen von Gewinnausschüttungen. Da sich diese Aspekte aufdrängen mussten, habe der Ast seine Sorgfaltsverpflichtungen aus § 34 AO jedenfalls zumindest grob fahrlässig verletzt.

Als Folge der Pflichtverletzungen habe das Finanzamt Oranienburg die Steuern und Gewerbesteuermessbeträge zunächst unzutreffend zu niedrig festgesetzt und seien die richtigen Steuerbeträge erst nach dem Durchführung der Betriebsprüfung korrekt festgesetzt und geltend gemacht worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die GmbH weder über hinreichendes Vermögen, noch wegen rückläufiger Geschäftstätigkeit über ausreichende Liquidität verfügt. Hätte der Ast die Rechnungen indes pflichtgemäß nicht beglichen, sondern unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden steuerlichen Folgen eine ordentliche Gewinnausschüttung beschlossen und vorgenommen, wäre die GmbH zur Begleichung der Steuerforderungen in der Lage gewesen. Kehre ein Geschäftsführer einer GmbH, wie vorliegend der Ast, hingegen Gewinne an den Gesellschafter mit der Folge aus, dass eine vollständige Steuerentrichtung nicht mehr möglich ist, liege zumindest grob fahrlässiges Verhalten vor.

Schließlich könne sich der Ast nicht mit Erfolg darauf berufen, sein damaliger Steuerberater habe ihn über die steuerlichen Auswirkungen der in Rede stehenden In-sich-Geschäfte nicht korrekt informiert. Der konkrete Sachverhalt hätte bereits bei Wertung in der steuerlichen Laiensphäre Fragen aufgeworfen. Dem Ast persönlich seien durch Begleichung der Rechnung erhebliche wirtschaftliche Vorteile verschafft worden, denen es nicht nur an einer vertraglich geregelten Grundlage, sondern auch eines Rechtsgrundes entbehrt habe. Mit diesen atypischen Umständen hätte sich der Ast rechtlich auseinandersetzen müssen. Gerade in atypischen Fällen müsse ein Steuerpflichtiger, hier also auch der Ast, seinen Steuerberater über den gesamten Sachverhalt vollständig informieren und eine entsprechende Auskunft erhalten haben. Derartige Umstände habe der Ast weder im Aussetzungsverfahren noch während der Betriebsprüfung substantiell vorgetragen. Ein Wegfall der Haftung des Ast wegen sorgfältiger Auswahl und Überwachung des beauftragten Steuerberaters komme mithin nicht in Betracht.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vortrag der Beteiligten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den in Bezug genommenen Inhalt der Akten verwiesen.

Dem Gericht haben für die Entscheidung folgende, zu den Steuernummern ..., ... und ..., bei dem Ag für die GmbH sowie für den Ast geführten Akten vorgelegen: 2 Bände Haftungsakten, 2 Bände Körperschaftsteuerakten, 1 Band Bilanz- und Bilanzberichtsakten, 1 Band Gewerbesteuerakten, 1 Band Umsatzsteuerakten, 1 Band Allgemeines, 1 Band Betriebsprüfungsakten, 2 Bände Betriebsprüfungsarbeitsakten, 1 Sonderhefter Auskünfte Auftraggeber GmbH.

II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides vom 11.07.2007 zum Aktenzeichen ... durch das nach § 69 Abs. 3 FGO angerufene Gericht bleibt ohne Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig.

Der streitgegenständliche Bescheid ist angefochten. Der Ast hat gegen den Haftungsbescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren am 19.04.2007 Klage vor dem Finanzgericht Hamburg zu dem Aktenzeichen 1 K 58/07 eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Der Ast hat eine Aussetzung der Vollziehung des Bescheides zuvor unmittelbar bei dem Ag beantragt. Dieser hat die Aussetzung der Vollziehung durch Bescheid vom 30.03.2007 abgelehnt; § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO.

2. Der Antrag ist unbegründet.

a. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung auf Antrag ganz oder zum Teil aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im vorgenannten Sinne bestehen, soweit eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Ein Erfolg in der Hauptsache braucht jedoch nicht wahrscheinlicher zu sein, als der Misserfolg (st. Rspr. vgl. nur BFH-Beschluss vom 06.Juni 2002 - 01- BFH/NV 2002, 1736; weitere Nachweise Tipke/Kruse-Seer, FGO § 69 Rd. 89). Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Sätze 2 u. 7 FGO liegt vor, wenn der Steuerpflichtige durch die sofortige Vollziehung Nachteile erleidet, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn dadurch die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet ist (vgl. BFH-Urteile vom 31. Januar 1967 - VI S 9/66 - BStBl. III 1967, 225;vom 19. April 1968 - IV B 3/66 - BStBl. II 1968, 538; vom 8. Mai 1968 - I S 1/68 - BStBl. II 1968, 485;vom 31. August 1987 - V B 57/86 - BFH/NV 1988, 175;vom 21. Februar 1990 - II B 98/89 - BStBl. II 1990, 510).

Das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung hat als summarisches, abgekürztes Verfahren der Eilbedürftigkeit der beantragten Maßnahmen gerecht zu werden. Es ist daher grundsätzlich nach Aktenlage und aufgrund präsenter Beweismittel zu entscheiden. Die Beteiligten haben die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (§ 155 FGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Die Anforderungen hängen dabei von der für das Hauptverfahren geltenden objektiven Beweislast ab. An die Stelle des Vollbeweises tritt eine Sachverhaltsfeststellung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit.

b. Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze kommt eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides gegen den Ast vom 11.07.2007 durch das Gericht nicht in Betracht. Bei summarischer Prüfung sind im Streitfall keine Umstände im vorbezeichneten Sinne gegeben, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes begründen.

aa. Soweit der Ast seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Einwendungen gegen die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit der gegenüber der GmbH ergangenen Steuerbescheide, welche seiner Inanspruchnahme zugrunde liegen, begründet, kann er hiermit im vorliegenden Haftungsverfahren nicht durchdringen.

Die hiermit mittelbar nochmals angegriffenen Bescheide sind sämtlich bestandskräftig geworden. Die Steuer ist der GmbH gegenüber damit unanfechtbar festgesetzt. Der Ast hat dies gemäß § 166 AO gegen sich gelten zu lassen. Er war bis zur Auflösung der GmbH durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16.05.2006 deren alleiniger Geschäftsführer und damit gesetzlicher Vertreter nach §§ 6 Abs. 1, 35 ff GmbHG. Als solcher war er in der Lage, die gegen die GmbH erlassenen Bescheide durch Einspruchseinlegung gemäß § 347 ff AO anzufechten. Von dieser Möglichkeit hat er keinen Gebrauch gemacht. Stattdessen hat er - vertreten durch die von ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH mandatierten Steuerberater - am 18.04.2006 lediglich den Erlass der aus den Steuerbescheiden resultierenden Steuerforderungen beantragt.

Der Ast kann sich nicht darauf berufen, dass er während des Ergehens der gegen die GmbH ergangenen Bescheide und der möglichen Einspruchseinlegung nicht mehr Mehrheitsgesellschafter war. Zunächst hat er in keiner Weise dokumentiert, dass der ab 04.09.2005 neue Mehrheitsgesellschafter D E ihm eine ordnungs- und fristgemäße Rechtsmitteleinlegung - trotz aller daraus für die GmbH resultierenden Konsequenzen - in Ausübung seiner Gesellschafterrechte untersagt hat. Nachvollziehbare Gründe für ein derartiges, den wirtschaftlichen Interessen der GmbH und des neuen Mehrheitsgesellschafters zuwiderlaufendes, Verhalten des Mitgesellschafters E hat der Ast nicht dargelegt. Seine im Verwaltungsverfahren gemachte Einlassung, es habe vor Einlegung eines Kosten auslösenden Rechtsbehelfs die Möglichkeit einer Darlehensaufnahme der GmbH zwecks Tilgung der Steuerschulden geprüft werden sollen, ist unschlüssig und für das Gericht nicht verständlich. Zum einen hätte eine vorläufig nur fristwahrende Einspruchseinlegung durch den Ast als Geschäftsführer der GmbH keine Kosten ausgelöst. Zum anderen macht eine Darlehensaufnahme der GmbH zur Steuertilgung nur Sinn, wenn von der grundsätzlichen Richtigkeit der Steuerfestsetzungen ausgegangen wird. War dies der Fall, war auch die Nichteinlegung von Rechtsmitteln konsequent. Diese Aspekte können indessen dahinstehen. Dem Ast oblag gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG die Verpflichtung, in den Angelegenheiten der GmbH die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, insbesondere deren Vermögensinteressen zu wahren. Die Verletzung von Obliegenheitspflichten macht den Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig, § 43 Abs. 2 GmbHG. Ungeachtet der ebenfalls negativ betroffenen eigenen Interessen als Gesellschafter der GmbH und der nachfolgenden Inhaftungnahme durch die Finanzbehörden hätte es insoweit eines eindeutigen und dokumentierten Gesellschafterbeschlusses bedurft. Gegebenenfalls hätte der Ast seine Organstellung als Geschäftsführer unverzüglich beenden müssen. Indem er dies nicht tat, blieb er jedenfalls rechtlich in der Lage, die Bescheide anzufechten. Allein dies rechtfertigt, dass der Ast mit sachlichen Einwendungen gegen die Steuerfestsetzungen gemäß § 166 AO nicht mehr gehört werden kann. Die Regelung will verhindern, dass bei der Haftbarmachung eines Dritten das Verfahren, das gegen den Steuerpflichtigen durchgeführt worden ist, nochmals aufgerollt und das Haftungsverfahren unnötig verzögert wird. Der Gesetzgeber verlangt von den in § 166 AO angeführten Personengruppen, dass sie von der ihnen eingeräumten uneingeschränkten Rechtsmittelbefugnis Gebrauch machen, wenn sie dies beabsichtigen. Im Interesse einer reibungslosen Abwicklung der Steuerfestsetzung und der Steuererhebung mutet der Gesetzgeber diesen Personen zu, selbst dafür zu sorgen, wie sie diese Rechtsmittelbefugnis sicherstellen wollen. Da die Nachprüfung der rechtlichen Möglichkeit regelmäßig nicht problematisch ist, während nur schwer nachgeprüft werden kann, inwieweit ein im Haftungswege in Anspruch Genommener gegebenenfalls tatsächlich verhindert war, von der ihm eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, ist die mit § 166 AO getroffene Regelung auch zweckmäßig (vgl. bereits BFH-Urteil vom 28.07.1966 - V 64/64 - BStBl III 1966, 610 noch zu § 119 Abs. 2 AO a.F. m.w.N. zur Rspr u.a. des RFH).

Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist daher auf die seitens des Ast vorgetragenen Aspekte wie Ort der Geschäftsleitung der GmbH, hieran anknüpfend, sachliche und örtliche Zuständigkeit des Ag für die Steuerbescheide der GmbH und kraft Sachzusammenhangs des Haftungsbescheides, Qualität und Umfang der vom Ast an oder für die GmbH erbrachten Leistungen, Angemessenheit der geflossenen Zahlungen, Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen bei der GmbH sowie Ursachen für die Nichteinlegung von Rechtsbehelfen durch den Ast für die GmbH vom erkennenden Gericht nicht mehr im Einzelnen einzugehen, soweit damit die Unrichtigkeit der der Haftung zugrundeliegenden Erstschuld geltend gemacht wird.

bb. Die Inanspruchnahme des Ast als Haftender nach §§ 34, 69 AO für die gegenüber der GmbH festgesetzten Steuern unterliegt im Übrigen keinen ernstlichen Bedenken.

Der Ast gehört als Geschäftsführer der GmbH unstreitig zu dem in § 69 AO unter Bezugnahme auf § 34 AO definierten Personenkreis.

Die ihm als solcher obliegenden Pflichten hat der Ast schuldhaft verletzt. Maßstab der Pflichten eines Geschäftsführers ist gemäß § 43 Abs.1 GmbHG die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes. Geschäftsführer sind im Bereiche des § 34 Abs.1 AO nach § 43 Abs.2 und 3 GmbHG nicht nur der Gesellschaft gegenüber zur Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verpflichtet sondern daneben auch dem Steuergläubiger. Sie können folglich weder den Umfang ihrer Pflichten noch den Maßstab der gebotenen Sorgfalt aus eigener Befugnis einengen. Auch die Gesellschaft selbst ist nicht in der Lage, sie im Gesellschaftsvertrage oder durch Beschluss einer Gesellschafterversammlung von der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu dispensieren. Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nach § 43 Abs.1 GmbHG wird von den Geschäftsführern nämlich nicht nur um der Gesellschafter willen erwartet, sondern auch wegen der Gesellschaftsgläubiger (vgl. §§ 7, 78, 9, 43 Abs.3, §§ 64, 84 GmbHG), denen nur die beschränkte Masse des Gesellschaftsvermögens haftet (§ 13 Abs.2 GmbHG). Die Gesellschaft kann daher bei mehreren Geschäftsführern im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter (§ 37 Abs.1 GmbHG) eine Arbeitsteilung verfügen; sie kann aber den Geschäftsführer nicht von seiner - ggfs anteiligen - Gesamtverantwortung entlasten.

Die gesetzlichen Vertreter haben dafür zu sorgen, dass die Steuern aus "den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden", § 34 Abs.1 Satz 2 AO. Die Pflicht des Geschäftsführers, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden, besteht indes nicht erst ab Fälligkeit der Steuerschuld. Die dem Steuergläubiger gegenüber bestehenden Pflichten verletzt ein Geschäftsführer schon dann, wenn er sich durch Befriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise vorsätzlich oder fahrlässig außerstande setzt, eine voraussehbar entstehende, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Entsprechend haftet der Geschäftsführer insoweit, als der Steuergläubiger bei pflichtgemäßem Verhalten im Fälligkeitszeitpunkt befriedigt worden wäre. Auf dieser Grundlage kommt es bei Abgabe inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen für die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nicht darauf an, wann Steuernachforderungen festgesetzt oder fällig werden (vgl u.a. BFH-Urteil vom 26.04.1984 - V R 128/79 - BStBl II 1984, 776).

Mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes ist es nicht in Einklang zu bringen, wenn ein Geschäftsführer zulasten der von ihm vertretenen Gesellschaft Rechnungen begleicht, deren konkreter Leistungsgegenstand und -umfang darin nicht im Einzelnen und nachvollziehbar niedergelegt ist. Die Richtigkeit und Angemessenheit der geltend gemachten Forderung muss überprüfbar sein, damit der Gesellschaft nicht mehr Mittel entzogen werden, als tatsächlich geschuldet sind. Auch die Feststellung der Erfüllungswirkungen nach §§ 362 ff BGB setzt eine abgrenzbar bestimmte Forderung voraus. Im Streitfall haben sämtliche Auftraggeber der GmbH auf entsprechende Anfragen übereinstimmend schriftlich gegenüber den Finanzbehörden erklärt, dass die vom Ast vorgetragenen Beratungs- und Ingenieursdienstleistungen weder von der GmbH geschuldet noch von dieser, vertreten durch den Ast, erbracht worden sein. Das Gericht hat keinen Anlass an der Richtigkeit der ausführlichen schriftlichen Äußerungen der überwiegend hoheitlichen Auftraggeber zu zweifeln. Dies zu Grunde gelegt, sind die der GmbH vom Ast in Firma A in Rechnung gestellten Leistungen im Einzelnen unklar. Der Ast hat eingeräumt, dass zwischen der GmbH und ihm, in Firma A, getroffene Vereinbarungen nicht schriftlich sondern lediglich mündlich getroffen wurden. Die ihm als Geschäftsführer aus § 35 Abs. 4 Satz 2 GmbHG obliegende Pflicht, über mit sich selbst unter Beachtung des § 181 BGB abgeschlossene Rechtsgeschäfte unverzüglich Niederschriften aufzunehmen, hat der Ast nicht erfüllt. Trotz des umfangreichen wechselseitigen Austausches während der Betriebsprüfung der GmbH und nachfolgend des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens wegen des Haftungsbescheides hat der Ast bis zum jetzigen Zeitpunkt eine inhaltlich klare und nachvollziehbare Leistungsvereinbarung nicht dargestellt. Die Art der von ihm in Firma A praktizierten Rechnungstellung glatter Summen und die Höhe der geforderten Beträge deutet eher darauf hin, dass die jeweilige Ertragslage der GmbH Maßstab der Vergütungen war. Insbesondere die im Streitjahr 2002 gestellte Rechnung über Brutto EUR 6.496.000,00, die nahezu den gesamten gewerblichen Gewinn der GmbH umfasste, unterstreicht diesen Eindruck. Es kommt hinzu, dass der Ast ausgeführt hat, die GmbH habe sich zur Vereinbarung einer festen Vergütung außerstande gesehen. Es entspricht ständiger langjähriger Rechtsprechung, dass Vergütungen der Gesellschaft an einen Mehrheitsgesellschafter steuerlich - neben weiteren Kriterien - nur dann als Betriebsausgaben anerkannt werden können, wenn die Vereinbarungen im Vorwege in schriftlicher Form vertraglich fixiert sind und die wechselseitigen Leistungen , insbesondere die Vergütung an den Gesellschafter, hieraus klar und eindeutig hervorgehen.

Bei dieser Sachlage durfte der Ast in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer die in Rechnung gestellten Beträge nicht vollen Umfangs begleichen und als abzugsfähige Betriebsausgaben der GmbH behandeln. Soweit er als seinerzeit alleiniger Gesellschafter willens war, sich den nahezu gesamten Gewinn der GmbH zeitnah zukommen zu lassen, stand ihm dies frei. Gleichwohl hätte er zuvor eine korrekte Gewinnermittlung durchführen müssen, die auch diese Beträge zunächst als zu besteuernden Gewinn der GmbH ausgewiesen hätten. Aus den entsprechenden Jahresabschlüssen hätten sich ohne weiteres die zur Tilgung der nachfolgend fällig werdenden Steuern zu bildenden Steuerrückstellungen ergeben. Lediglich der danach verbleibende Gewinn wäre ausschüttungsfähig gewesen. Alternativ wäre eine Erklärung verdeckter Gewinnausschüttungen in Betracht gekommen.

Die Pflichtverletzung ist für den eingetretenen Schaden ursächlich. Hinsichtlich der nunmehr von der GmbH wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Insolvenz offenkundig nicht mehr erfüllbaren Steuerverbindlichkeiten ist ein Haftungsschaden in der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Höhe entstanden. Bei sorgfältiger Erfüllung der dem Ast nach dem GmbHG und dem Steuerrecht obliegenden Pflichten, wäre es von vorneherein zu einer zutreffenden Steuerfestsetzung mit den daraus resultierenden Steuerbeträgen gekommen; des Weiteren wäre es nicht zu einem Abfluss zumindest der für die Steuerverbindlichkeiten dann zurückgestellten Beträge gekommen. Die Liquiditätslage der GmbH hätte, wie die Zahlungen an den Ast dokumentieren, eine termingerechte Entrichtung der Steuern bei Fälligkeit zugelassen.

Die Pflichtverletzung durch den Ast war schuldhaft. Vorsätzlich handelt, wer die Pflichten gekannt und ihre Verletzung gewollt hat. Dazu genügt bereits, dass der Betreffende die Pflichtverletzung vorausgesehen und in Kauf genommen hat. Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande war, außer acht gelassen hat und infolgedessen entweder den Erfolg, den er bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte voraussehen können, nicht vorausgesehen hat (unbewusste Fahrlässigkeit), oder den Eintritt des Erfolgs zwar für möglich gehalten, aber darauf vertraut hat, er werde nicht eintreten (bewusste Fahrlässigkeit). Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt. Dazu gehört, dass er unbeachtet lässt, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen. Im vorliegenden Fall musste dem Ast bewusst sein, dass er als Geschäftsführer der GmbH zu deren Lasten nicht Rechnungen über pauschale, undifferenzierte Leistungen ohne klare, nachvollziehbare und im Vorhinein getroffene vertragliche Grundlage für den wechselseitigen Leistungsaustausch akzeptieren und bezahlen durfte. Dies gilt zumal im Hinblick auf den, sowohl absolut als auch relativ im Verhältnis zum Gewinn der GmbH, außergewöhnlich hohen Betrag der Rechnung aus dem Jahre 2002. Die unspezifizierte Rechnung hatte zur Folge, dass die außergewöhnlich hohen Erträge der GmbH des Jahres 2002 nicht der GmbH und damit letztlich deren Gesellschaftern verblieben, sondern nahezu vollständig an den Geschäftsführer gingen. Wären seinerzeit nicht allein er, sondern andere Personen Gesellschafter gewesen, denen er hätte Rechenschaft über die Ausgabe ablegen müssen, hätten die Zahlungen so und in dieser Höhe nicht erfolgen können. Der Ast hatte seine unmittelbar aus dem Gesetz resultierenden Pflichten als Geschäftsführer der GmbH indes unabhängig von seiner Alleingesellschafterstellung zu erfüllen. Indem er gleichwohl wie letztlich geschehen agierte, hat er die darin liegende Pflichtverletzung zumindest in Kauf genommen. Der für die steuerlichen Belange der GmbH und des Ast beauftragte Steuerberater F hatte den Ast nach eigenen Angaben seinerzeit zu der konkreten Rechnung vom 02.09.2002 bereits darauf hingewiesen, dass man mit einer Überprüfung durch die Steuerbehörden rechnen müsse.

Selbst wenn man, abweichend von der hier gefundenen Einschätzung des Senats, nicht zu einer jedenfalls bedingt vorsätzlichen Pflichtverletzung kommen würde, bliebe es zumindest beim Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Der Ausgleich einer nicht ordnungsgemäß spezifizierten Rechnung ohne klare vertragliche Grundlage über den Betrag von EUR Mio 6,5 bei einem vor deren Abzug etwa gleich hohen Gewinn der GmbH würde selbst für einen nur unterdurchschnittlich versierten Geschäftsführer eine Sorgfaltsverletzung von ungewöhnlich großem Maß darstellen.

Der Ast kann sich schließlich nicht mit Erfolg gegen die Haftungsinanspruchnahme darauf berufen, die Beauftragung des Steuerberaters F lasse die Schuldhaftigkeit der festgestellten Pflichtverletzung entfallen.

Zwar haftet ein Geschäftsführer grundsätzlich nur für eigenes Verschulden. Dies gilt auch dann, wenn er sich zur Erfüllung der ihm als Vertreter der GmbH durch § 34 Abs. 1 AO auferlegten Pflichten fremder Hilfe bedient (vgl. BFH-Urteil vom 30. 08.1994 - VII R 101/92 - BStBl II 1995, 278). Der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft kann sich indessen nicht mit schuldbefreiender Wirkung darauf berufen, dass er nicht die erforderlichen Kenntnisse zur Ausfüllung des Geschäftsführeramtes besessen und sich deshalb auf die Richtigkeit von Dritten erstellter Steuererklärungen verlassen habe. Ein GmbH-Geschäftsführer muss sich bereits bei Übernahme des Geschäftsführeramtes zunächst in eigener Person die notwendigen steuerlichen und handelsrechtlichen Kenntnisse verschaffen und entsprechende Informationen einholen (BFH-Beschluss vom 13.02.1996 - VII B 245/95 - BFH/NV 1996, 657). Darüber hinaus ist es den nach § 34 Abs. 1 AO verpflichteten Personen nicht verwehrt, fremde Hilfe durch einen Angehörigen eines rechts- oder steuerberatenden Berufes in Anspruch zu nehmen und sich dieser für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der vertretenen Gesellschaft zu bedienen, insbesondere wenn sie selbst nicht über die notwendige steuerliche Sachkunde verfügen. Vielmehr ist dies dann sogar geboten. Dadurch befreien sie sich indessen nicht von den ihnen durch § 34 AO auferlegten Pflichten. Vielmehr trifft sie dann zumindest die Pflicht zur sorgfältigen Auswahl und zur Überwachung dieser Hilfspersonen, so dass ein Fehlverhalten rechtzeitig erkannt werden kann (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 04.05.2004 - VII B 318/03 - BFH/NV 2004, 1363).

Soweit nicht unterstellt wird, dass diese Handhabung auf entsprechenden Weisungen des Ast selber beruhte, kann von einer durchgängig laufenden und ordnungsgemäßen Erledigung der steuerlichen Pflichten der GmbH durch den Steuerberater F und einer ordnungsgemäßen Überwachung durch den Ast nicht ausgegangen werden. Der bereits für das Steuerjahr 1995 mandatierte Berater hat jedenfalls für die Jahre 1996, 1997 und 1998 keine Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die GmbH eingereicht. Die GmbH musste für diese Jahre trotz mehrfacher Mahnung und Fristverlängerungsanträgen des Steuerberaters F vom Finanzamt Oranienburg geschätzt werden. Die vom Steuerberater eingelegten Einsprüche begründete dieser trotz wiederholter Erinnerung nicht. Jahresabschlüsse oder Erklärungen wurden auch später nicht nachgereicht. Welche Geschäfte und welchen Umfangs die GmbH in den fraglichen Jahren getätigt hat, ist nicht bekannt. Der Steuerberater hat zudem - wie auch der Ast persönlich - auf Anfragen der Finanzbehörden wiederholt namens und im Auftrag des Geschäftsführers der GmbH mitgeteilt, der Ort der Geschäftsleitung der GmbH befinde sich in T. Dies obschon mehrfach Post mit dem Vermerk unbekannt verzogen als unzustellbar zurückkam und Vor-Ort-Ermittlungen ergaben, dass die GmbH dort weder Räumlichkeiten unterhielt noch bekannt war. Mit Einreichung der Steuererklärungen 1999 - nach neuerlicher vorheriger Schätzung - erklärte der Berater im November 2001 eine Sitzverlegung nach R. Zuvor hatte ein Auskunftsersuchen an das zuständige Gewerbeamt in Hamburg ergeben, dass die GmbH unter der seinerzeitigen Privatanschrift des Ast wirtschaftlich tätig sei. Die GmbH wurde daraufhin wegen des Zuständigkeitswechsels vom Prüfungsplan des Finanzamtes Oranienburg gestrichen. Das für R örtlich zuständige Finanzamt Kyritz lehnte eine Übernahme nachfolgend ab, weil dortige Postzustellungen und Ermittlungen ergaben, dass der Ort der Geschäftsleitung entgegen der Angaben des Steuerberaters tatsächlich in R nicht feststellbar war.

Ungeachtet dessen hat sich der Ast nicht in einem den Vorwurf des bedingten Vorsatzes, zumindest aber groben Verschuldens ausschließenden Maße aktiv darum bemüht, sich über seine gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH im Zusammenhang mit den Insichgeschäften gemäß § 181 BGB zu informieren. Die Rechnungstellung an die GmbH durch ihn selbst in Firma A und die Zahlung der hieraus resultierenden Beträge in Höhe des nahezu vollständigen Jahresergebnisses der GmbH an sich selbst , ohne dass hierüber zuvor schriftlich abgeschlossene Verträge vorlagen, anhand derer auch für Außenstehende Grund und Höhe der Rechnungsbeträge kontrollier- und nachvollziehbar waren, war ein Sachverhalt, der einer gesonderten Prüfung hätte unterworfen werden müssen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass dem Ast persönlich die aus dieser Praxis resultierenden Beträge zuflossen und eine Kontrolle durch weitere Mitgesellschafter nicht möglich war, war angesichts der notwendigen strikten und zu dokumentierenden Trennung der Sphären von Gesellschaft und Gesellschafter, zumal bei einer Ein-Personen-GmbH, besondere Sensibilität und Beweisvorsorge geboten. Ohne eine konkrete Auskunftseinholung zu dieser Frage bei dem Steuerberater und/oder ggfs anderen rechtskundigen Personen kommt ein Ausschluss der Haftung nicht in Betracht. Erst wenn die sach- und rechtskundige Beraterperson nach Information über den vollständigen Sachverhalt - keine schriftlichen Verträge, keine klar definierten Vergütungssätze, atypische Gewinnverteilung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer - dem Ast nachweisbar die ausreichend schlüssig begründete Auskunft erteilt hätte, das das von ihm gewünschte oder bereits praktizierte Vorgehen gesellschafts- und steuerrechtlich nicht zu beanstanden sei, wäre der Ast den nach wie vor primär ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten hinreichend nachgekommen. Bei den im Streitfall gegebenen Umständen hätte keine sachkundige Person eine derartige Auskunft erteilen können. Dies wird nicht zuletzt dadurch dokumentiert, dass auch der seinerzeitige Steuerberater F den Ast nach eigenem Bekunden darauf hinwies, bei der Rechnung vom 02.09.2002 müsse mit einer Überprüfung durch die Steuerbehörden gerechnet werden. Ob der Ast dies zum Anlass nahm, sich tiefergehend durch den Berater über die rechtlichen Notwendigkeiten und die richtige Behandlungsweise zu informieren, kann nicht festgestellt werden. Der Steuerberater F hat im Zuge seiner Vernehmung im Rahmen des eingeleiteten Strafverfahrens von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Konkreter Anlass zu einer gezielten Auskunftseinholung durch den Ast bestand bei dieser Sachlage jedenfalls in erheblichem Maße.

cc. Sonstige Fehler bei der Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens durch den Ag sind nicht ersichtlich. Von der weitgehend vermögenslosen, in Insolvenz befindlichen GmbH sind nach den erkennbaren Umständen nach Tilgung der Verfahrenskosten keine Zahlungen auf die offenen Steuerforderungen zu erwarten. Dies belegt im Übrigen auch schon der Vortrag des Ast für die GmbH im Rahmen des Erlassantrages und des Insolvenzantrages. Mangels weiterer Geschäftsführer oder sonstiger vertretungsbefugter Personen der GmbH kam allein der Ast als Haftungsschuldner in Betracht. Seine Inanspruchnahme in Höhe der streitigen Beträge begegnet keinem Zweifel. Ihm sind die für die von ihm in Firma A gestellten Rechnungen gezahlten Beträge in einer die Haftungssumme weit übersteigenden Summe zugeflossen. Zudem wurde die aus der Betriebsprüfung des Einzelunternehmens resultierende Steuererstattung in Höhe weiterer EUR 2.296.181,72 an ihn ausgezahlt.

dd. Die Haftung umfasst gemäß § 69 Satz 2 AO auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung suspendiert die Rechtsfolgen des angegriffenen Haftungsbescheides und damit u.a. die Fälligkeit der festgesetzten Beträge nicht. Auch im Fall einer nachträglichen Rücknahme, eines Widerrufs oder einer Berichtigung eines Haftungsbescheides bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge nach der gesetzlichen Regelung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO unberührt. Um so mehr gilt dies, wenn der Haftungsbescheid mangels Rechtswidrigkeit unverändert bleibt. Für die mit gesondertem Antrag begehrte Aufhebung der Haftung für die Säumniszuschläge sind mithin keine Gründe gegeben.

c. Eine Aussetzung der Vollziehung wegen einer mit der Vollziehung für den Ast verbundenen unbilligen Härte, die nicht durch überwiegende öffentliche Interessen geboten wäre, kommt nicht in Betracht. Der Ast hat hierzu weder vorgetragen, noch ergeben sich nach Aktenlage hierfür Anhaltspunkte. Auf die Ausführungen zum Auswahlermessen wird verwiesen.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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