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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: 2 K 268/06
Rechtsgebiete: UStG, EStG


Vorschriften:

UStG § 4
UStG § 8 Abs. 1
EStG § 5a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob die von der Klägerin erzielten Umsatzerlöse aus sog. Crew Management Verträgen in voller Höhe nach § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerbefreit sind.

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, erbringt Leistungen für Unternehmen der internationalen Seeschifffahrt. U.a. stellt sie im Rahmen von sog. Crew Management Verträgen das zum Betrieb der jeweiligen Schiffe erforderliche Personal, und zwar Kapitäne und Offiziere, zur Verfügung. Hintergrund hierfür ist, dass die Schifffahrtsgesellschaften, sofern sie zur Tonnagebesteuerung gem. § 5 a EStG optieren, u.a. einer Bereederung im Inland bedürfen. Gegenstand der Bereederung ist Geschäftsbesorgung in kommerzieller, technischer und personeller Hinsicht, u.a. zählt hierzu die Einstellung von Kapitänen und Schiffsoffizieren (Bundesministerium der Finanzen - BMF - v. 12.06.2002, BStBl I 2002,614, Tz. 1; Hofmeister in Blümich, EStG § , 5 a Rz. 20; Gosch in Kirchof Kompakt Kommentar EStG, § 5 a Rz. 22).

Im Streitjahr 2002 schloss die Klägerin Crew Management Verträge, entweder direkt mit der jeweiligen Schifffahrtgesellschaft (z.B. Vertrag Anl. 5) oder mit Vertragsreedern der Schifffahrtgesellschaften (z.B. Vertrag Anl. 3). Die Verträge enthalten in "Part II" im wesentlichen gleichlautende Bestimmungen zur Beauftragung der Klägerin und dem Umfang ihrer Pflichten als Crew Managerin, insbesondere bzgl. ihrer Rechtsstellung als Arbeitgeberin, und zwar wie folgt:

...

2. Beauftragung der Crew-Manager

Mit Wirkung ab ... beauftragen die Manager hiermit die Crew-Manager als Crew-Manager für das Schiff tätig zu werden und die Crew-Manager verpflichten sich hiermit zu einer solchen Tätigkeit. ...

2.2 Während der Laufzeit dieses Vertrages und den in diesem Vertrag vorgesehenen Bedingungen unterliegend, sind die Crew-Manager die Arbeitgeber der Besatzung und beim Abschluss von Arbeitsverträgen mit der Besatzung haben sie nicht die Vollmacht, im Namen der Manager tätig zu werden. ...

3. Pflichten der Crew-Manager

Während der Laufzeit dieses Vertrages und den in diesem Vertrag vorgesehenen Bedingungen unterliegend, haben die Crew-Manager die folgenden Pflichten:

3.1 Auswahl und Bereitstellung der Besatzung für das Schiff, wobei jedes Besatzungsmitglied in angemessener Weise qualifiziert sein muss...

3.6 Gewährleistung, dass aus den einzelnen Arbeitsverträgen der Besatzung eindeutig hervorgeht, dass die Crew-Manager ihre Arbeitgeber sind, sofern von den Managern und/oder dem Flaggenstaat, in dem das Schiff registriert ist, nichts anderes verlangt wird. ...

Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, dass sämtliche von der Klägerin in den Streitjahren geschlossenen Verträge derartige Klauseln hinsichtlich der Arbeitgeberstellung beinhalten. Für ihre Managementleistungen erhielt die Klägerin ein monatliches Pauschalhonorar nach Maßgabe folgender Vertragsklausel:

5. Crew-Management-Honorar

5.1 Die Manager zahlen an die Crew-Manager für ihre Dienste als Crew-Manager unter diesem Vertrag einen monatlichen Pauschalbetrag, ..., der im Voraus, frei von jeglichen Bankgebühren der Manager fällig wird. ...

5.2 Der Pauschalbetrag beinhaltet:

(a) alle Zahlungen, die an die oder im Namen der Besatzung im Einklang mit ihren Arbeitsverträgen fällig werden, jegliche Beschränkung bei Überstunden im Einklang mit Abs. 5.4 unterliegend,

(b) alle Kosten, die bei der Bereitstellung von Versicherungsschutz entstehen, einschließlich Selbstbehalt,

(c) die Kosten für die Beschaffung aller Dokumente, die für die Beschäftigung der Besatzung erforderlich sind einschließlich, ohne jedoch darauf beschränkt zu sein, ärztlicher Bescheinigen und Impfbescheinigungen, Pässe, Visa, Seemannsbücher und Genehmigungen,

(d) die Kosten für den Transport der Besatzung zum und vom Schiff, einschließlich Hotelkosten und Verpflegung während der Abreise ... ,

(e) Hafenauslagen und Gebühren im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Besatzung ...,

(f) die Kosten für Besatzungspost und Besatzungskommunikation vom Schiff aus,

(g) Arbeitskleidung ... gemäß dem Plan der Crew-Manager,

(h) alle anderen Kosten und Auslagen, die den Crew-Managern notwendigerweise bei der Bereitstellung der Crew-Management-Dienste entstehen,

(i) Seife und Seifenpulver für die Besatzung.

(Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Crew-Management-Vertrag gemäß Anlage 3 vom 06.12.2004 in seiner deutschen Übersetzung Bezug genommen.)

Die Pauschalhonorare aus diesen Crew-Management-Verträgen behandelte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung als umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG. Im Zuge einer Umsatzsteuersonderprüfung stellte sich der Beklagte auf den Standpunkt, dass aus den Pauschal-Honoraren ein Anteil für die Personalbewirtschaftung herauszurechnen und der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei. Hierfür berief sich der Beklagte auf die Verfügung der Finanzbehörde Hamburg über die Steuerbefreiung der Umsätze für die Seeschifffahrt vom 29.06.2000, wonach allein die Personalgestellung, nicht aber die Personalbewirtschaftung von der Umsatzsteuer befreit ist.

Die Beteiligten haben für das Streitjahr einvernehmlich folgende Beträge für den in der Sache umstrittenen Anteil "Personalbewirtschaftung" ermittelt:

 EUREUR
Umsatzerlöse aus Crew Management 8.394.050,08
Personalbewirtschaftungsleistungen:  
- Führen von Lohnkonten etc. (fremdvergeben)3.815,61 
- Einsatz eigenen Personals im Rahmen der Personalbewirtschaftung45.480,03

Anteil der Personalbewirtschaftung in % 0,59%

Mit USt-Bescheid für 2002 vom 13.10.2004 teilte der Beklagte die Umsätze in steuerpflichtige und steuerfreie auf und behandelte 42.693 EUR als umsatzsteuerpflichtig; der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 25.10.2004, mit dem die Klägerin geltend machte, dass es sich bei den von dem Beklagten als steuerpflichtig angesehenen Personalbewirtschaftungsleistungen (Auszahlungen der Heuern und Wages, Abführen der Sozialversicherungsbeiträge etc.) um selbstverständliche Arbeitgeberleistungen handele, die in engem und untrennbaren Zusammenhang mit der Hauptleistung der Personalgestellung stünden. Als Nebenleistungen teilten sie das rechtliche Schicksal der Hauptleistung. Mit Entscheidung vom 13.10.2006 hat der Beklagte den Einspruch zurückgewiesen.

Mit der Klage vom 14.11.2006 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, das sämtliche Leistungen aus den Crew Management Verträgen steuerfrei zu lassen seien. Die in Rede stehenden Leistungen der Personalbewirtschaftung seien nicht Vertragsgegenstand der Crew-Managementverträge, sondern ihre, der Klägerin, eigene Verpflichtungen als Arbeitgeberin gegenüber ihren Arbeitnehmern. Selbst wenn in diesen Tätigkeiten, wie dem Verbuchen der Heuerabrechnungen, der Auszahlung der Heuern und Wages, der Auszahlung von Ziehscheinen oder dem Abführen der Sozialversicherungsbeiträge, vertragliche Leistungsbestandteile gesehen würden, handele es sich um Nebenleistungen in Bezug auf die Hauptleistung Personalgestellung. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung richte sich die umsatzsteuerliche Beurteilung eines Leistungsvorganges nach dem wirtschaftlichen Leistungsschwerpunkt, der in der Personalgestellung liege. Angesichts des minimalen Anteils der Personalbewirtschaftungskosten mit 0,59% erscheine eine Aufspaltung in zwei gesondert zu beurteilende Leistungen als künstlich und lebensfremd.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 13.10.2006 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid vom 13.10.2004 mit der Maßgabe zu ändern, dass weitere Umsatzerlöse von 42.693 EUR umsatzsteuerfrei gelassen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält weiterhin "Personalbewirtschaftung" und "Personalgestellung" für jeweils selbständige Leistungen mit eigenständigen, voneinander abgrenzbaren und qualitativ unterschiedlichen Leistungsinhalten. Auch wenn die Klägerin nach den vertraglichen Grundlagen Arbeitgeberin des von ihr zu stellenden Personals sei, müsse sie die mit der Personalbewirtschaftung verbundenen Tätigkeiten erbringen und stellten diese Leistungen einen mittelbaren Vertragsgegenstand dar. Ein Teil ihrer Vergütungen entfalle auf diese Leistungen und sei der Umsatzsteuer zu unterwerfen, weil diese Leistungen nicht unmittelbar für die Seeschifffahrt erbracht würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften über den Erörterungstermin vom 31.01.2008 und über die Senatssitzung vom 10.02.2009 Bezug genommen. Die die Klägerin betreffenden Steuerakten nebst Beiakten zur Steuernummer .../.../... haben vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Der Beklagte hat zu Unrecht steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 42.693 EUR betreffend "Personalbewirtschaftungskosten" der Besteuerung zugrunde gelegt.

a) Nach § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG sind Umsätze für die Seeschifffahrt steuerfrei. Umsätze für die Seeschifffahrt sind u.a. sonstige Leistungen, die für den unmittelbaren Bedarf der im Gesetz genannten Wasserfahrzeuge bestimmt sind. Zu den sonstigen Leistungen werden nach allgemeiner Ansicht (z.B. Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 8. A., § 8 Rz. 9) und Verwaltungsauffassung die Personalgestellung im Rahmen von sog. Crew-Management gerechnet (Umsatzsteuerrichtlinien - UStR - 2005, Abschn. 145 Abs. 8 Ziffer 10; UStR 2008, Abschn. 145 Abs. 7 Ziffer 10).

Die Klägerin hat im Rahmen der von ihr geschlossenen Crew Management Verträge steuerfreie Umsätze i. S. der vorstehend genannten Vorschriften im Zusammenhang mit der Gestellung von Personal erzielt. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Entgegen der Annahme des Beklagten hat die Klägerin darüber hinaus gegenüber ihren Vertragspartnern aus den Crew-Management Verträgen keine Personalbewirtschaftungsleistungen erbracht. Aus dem Gesamtbetrag der von der Klägerin erzielten Pauschalhonorare ist folglich kein Anteil für nicht steuerbefreite Leistungen "Personalbewirtschaftung" herauszurechnen und der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen.

Dahin stehen kann, ob der Verwaltungsauffassung, wie sie Eingang in die Richtlinien gefunden hat, zu folgen ist, dass Personalbewirtschaftungsleistungen schon deshalb nicht unter die Steuerbefreiung fallen, weil sie nicht unmittelbar an Unternehmer der Seeschifffahrt erbracht werden (UStR 2005, Abschn. 145 Abs. 8 Ziffer 10 und 2008, Abschn. 145 Abs. 7 Ziffer 10). Denn die Klägerin hat keine derartigen Leistungen gegenüber ihren Vertragspartnern aus den Crew Management Verträgen erbracht. Nach den für die Beurteilung maßgeblichen Verträgen ist es Aufgabe der Klägerin, Personal, d.h. Kapitäne und Offiziere auszuwählen, als Arbeitgeber einzustellen und als Besatzung für ein vertragsgegenständliches Schiff bereitzustellen; dabei tritt die Klägerin nicht als Bevollmächtigte ihres Vertragspartners auf (Ziffer 2.2. des Crew Management Vertrages). Gegenstand der von der Klägerin zu erbringenden sonstigen Leistung ist danach ausschließlich die Personalüberlassung bzw. -gestellung i. S. von Abschn. 145 Abs. 8 Nr. 12 UStR 2005/ Abschn. 145 Abs. 7 Ziffer 10 UStR 2008. Diese Leistung der Klägerin ist auch für die Umsatzbesteuerung bzw. Steuerbefreiung maßgeblich. Eine Leistung "Personalbewirtschaftung" ist nicht Gegenstand der vertraglichen Absprachen mit den Schifffahrtsgesellschaften bzw. den Vertragsreedern.

Eine Leistung "Personalbewirtschaftung" ist auch nicht honoriert worden. Als Gegenleistung für ihre Dienste als Crew Managerin erhält die Klägerin ein Pauschalhonorar. Mit dem Pauschalhonorar werden zugleich verschiedene von der Klägerin zu erbringende Nebenleistungen abgegolten. Obwohl in Ziffer 5 des Crew Management Vertrages die einzelnen Nebenleistungen sehr detailliert - bis hin zur Seife für die Besatzung - genannt werden, fehlt jeglicher Hinweis auf eine Abgeltung von Personalbewirtschaftungskosten.

Für eine Aufspaltung des pauschalen Honorars in einen Anteil zur Abgeltung der "mittelbar" geschuldeten Leistung "Personalbewirtschaftung" ist danach kein Raum. Die Klägerin schuldet eine derartige Leistung - weder unmittelbar noch mittelbar - ihrem Auftraggeber gegenüber nicht. Dass bei der Klägerin Personalbewirtschaftungskosten angefallen sind, sei es kalkulatorisch oder real durch die Vergabe von Fremdarbeiten, ist Folge ihrer Dienstleistungspflicht als Personalgestellerin und Arbeitgeberin, aber nicht Gegenstand der Crew Management Verträge.

b) Unter diesen Umständen kann dahin stehen, ob Personalbewirtschaftungskosten Nebenleistungen der Hauptleistung "Personalgestellung" sind - wofür angesichts des geringen prozentualen Anteils der kalkulatorischen Personalbewirtschaftungskosten von unter 1 Prozent Einiges sprechen mag -, sie deshalb das rechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen und auch aus diesem Grunde die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 2 UStG eingreift.

II. Die Umsatzsteuer ist danach wie folgt neu zu berechnen:

 Steuerfreie sonstige Leistungen (§ 4 Nr. 2 UStG)8.918.560 EUR
Abziehbare Vorsteuerbeträge65.346,83 EUR
Umsatzsteuer./. 65.346,83 EUR

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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