Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 3 K 208/07
Rechtsgebiete: GG, EStG


Vorschriften:

GG Art. 100 Abs. 1
EStG § 11 Abs. 1
EStG § 22
EStG § 23 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Kläger wehren sich dagegen, dass für ihren Gewinn aus einem Devisengeschäft Einkommensteuer festgesetzt wird.

I. Der Kläger erwarb mit deutschem Geld 17 Mio. Tschechische Kronen (CZK), die er für ein halbes Jahr zu einem solchen Zinssatz festlegte, dass er nach Ablauf der Anlagefrist zu den 17 Mio. CZK noch Zinsen in Höhe von 1.216.444,44 CZK erzielte.

Im Einzelnen (siehe dazu die Anlagen zum klägerischen Schriftsatz vom 26. Juni 2008):

1. Unter dem 23. März 1998 bestätigte die Bank 1 (im Folgenden: Bank) dem Kläger eine Vereinbarung, nach der sie ihm gegen Zahlung von 915.280 DM einen Betrag von 17 Mio. CZK überließ.

Am 24. März 1998 schrieb ihm die Bank den Betrag von 17 Mio. CZK auf seinem Bankkonto Nr. ......0 gut.

Diesen Betrag legte er für die Zeit vom 25. März 1998 bis 25. September 1998 zu einem Zinssatz von 14% p.a. (= 1.216.444,44 CZK) an.

2. Am 28. Juli 1998 sendete die Bank dem Kläger eine "Abwicklungsbestätigung", in dem sie ihm eine Vereinbarung bestätigte, nach der sie zum 29. September von dem Kläger 9 Mio. CZK zu einem Kurs von 5,584 übernehmen werde gegen Zahlung von 502.560 DM.

Am 30. Juli 1998 sendete die Bank dem Kläger eine weitere "Abwicklungsbestätigung", in dem sie bestätigte, mit ihm eine Vereinbarung getroffen zu haben, nach der sie zum 29. September von dem Kläger 9 Mio. CZK zu einem Kurs von 5,620 (5,620 Pfennig für 1 CZK) übernehmen werde gegen Zahlung von 505.800 DM.

3. Am 25. September 1998 wurde dem Kläger der Betrag von 18.216.444,44 CZK - also der Anlagebetrag von 17 Mio. CZK nebst Zinsen - auf seinem Bankkonto Nr. ......0 gutgeschrieben.

Zum 29. September 1998 flossen von dem Bankkonto Nr. ......0 zunächst 9 Mio. CZK ab und zum 30. September 1998 weitere 9 Mio. CZK.

Am 27. Oktober 1998 floss der Rest in Höhe von 216.444,44 CZK ab, für die ihm 12.120,89 DM auf seinem Konto Nr. ......1 bei der Bank gutgeschrieben wurden.

II. 1. In ihrer Steuererklärung 1998 vom April 2000 (Einkommensteuerakte - EStA - VII Bl. 77) erklärten die Kläger u.a. einen Gewinn von 37.060 DM, den der Kläger infolge der Währungskursdifferenz zwischen Erwerb und Veräußerung der tschechischen Kronen erzielt hatte. Dabei ging der Kläger davon aus, dass er die Hälfte des Anlagebetrags von 17 Mio. CZK in Höhe von 8,5 Mio. CZK zu einem Kurs von 5,584 und die andere Hälfte zu einem Kurs von 5,620 zurück getauscht habe.

Im Übrigen erklärten die Kläger außer der mit dem dargestellten Geschäft erzielten Zinseinnahme (rund 68.000 DM) unter anderem weitere Spekulationsgewinne, nämlich solche aus Wertpapiergeschäften.

2. Das Finanzamt Hamburg-1 (im Folgenden: FA) erließ am 12. Juli 2000 einen Einkommensteuerbescheid für 1998 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (EStA VII Bl. 116).

Dieser Bescheid wurde - aus für diesen Rechtsstreit nicht erheblichen Gründen - mehrfach geändert, nämlich am 15. September 2000 (EStA VII Bl. 121), am 10. April 2001 (EStA VII Bl. 129) und nach Betriebsprüfung am 2. Januar 2003 (EStA VIII Bl. 134). Bei der letzten Änderung wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

3. Mit Schreiben vom 7. Januar 2003 (Rechtsbehelfsakte - RbA - Bl. 2), beim FA eingegangen am 9. Januar 2003, legten die Kläger Einspruch ein im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus Wertpapiergeschäften.

4. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) entschieden hatte, dass die Besteuerung von privaten Wertpapiergeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) verfassungswidrig ist, weil die Besteuerung des Gewinns infolge eines strukturellen Erhebungsdefizits den Gleichheitssatz verletzt, half der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte dem Einspruch mit geändertem Einkommensteuerbescheid vom 11. Oktober 2007 (RbA Bl. 18) insoweit ab, als er die privaten Spekulationsgewinne des Klägers aus Wertpapiergeschäften steuerlich unberücksichtigt ließ.

Hinsichtlich des streitgegenständlichen Währungskursgewinns des Klägers wies der Beklagte den Einspruch jedoch mit Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2007 (RbA Bl. 22) als unbegründet zurück, weil die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich nur private Wertpapier-, nicht aber private Devisengeschäfte betreffe.

III. Die Kläger haben hiergegen am 19. November 2007 Klage erhoben.

Ihre in der Klagbegründung aufgestellte Behauptung, es sei am 25. März 1998 eine tschechische Anleihe als festverzinsliches Wertpapier erworben worden, haben die Kläger zwischenzeitlich fallen gelassen.

Die Kläger sind der Meinung, ihr Gewinn erfülle den Tatbestand des - einzig in Betracht kommenden - § 23 Abs. 1 Satz 1 NR. 1 Bucht. b) EStG nicht:

Der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung der Devisen habe den Sechsmonatszeitraum des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG überschritten, weil der Erwerb am 24. März 1998, der Rückerwerb durch die Bank jedoch erst am 29. September 1998 und danach erfolgt sei. Die mit der Bank am 28. bzw. 30. Juli 1998 geschlossenen Vereinbarungen über den Rückerwerb seien insoweit unbeachtlich. Sie stellten noch keine Veräußerung dar, weil sie lediglich dem Kläger einseitig das Recht gegeben hätten, die Devisen zum vereinbarten Stichtag zu dem vereinbarten Kurs an die Bank zu verkaufen, ihn dazu aber nicht verpflichtet hätten.

Die Kläger sind im Übrigen der Meinung, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b) EStG insgesamt verfassungswidrig sei. Der Gleichheitssatz werde infolge eines strukturellen Erhebungsdefizits bei privaten Devisengeschäften im gleichen Maße verletzt wie bei privaten Wertpapiergeschäften.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 2. Januar 2003 in Gestalt der Änderung vom 11. Oktober 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2007 dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer herabgesetzt wird, indem die sonstigen Einkünfte - Spekulationsgewinne - nicht der Besteuerung unterworden werden und deshalb eine um 37.060 DM niedrigere Summe der Einkünfte von nunmehr 583.558 DM zugrunde gelegt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt auf seine Einspruchsentscheidung Bezug.

Ergänzend führt der Beklagte aus, dass der streitige Gewinn innerhalb der Spekulationsfrist erfolgt sei, weil der Kläger durch die Vereinbarungen mit der Bank im Juli 1998 sein Kursrisiko begrenzt habe.

Strukturelle Vollzugsdefizite im Bereich der Besteuerung von Devisengeschäften seien nicht bekannt. Aus der angesprochenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich, dass der Befund eines strukturellen Vollzugsdefizits nicht ohne weiteres von einem Erhebungszeitraum auf andere Zeiträume übertragen werden könne. Entsprechend könne er also auch nicht ohne weiteres auf andere Geschäftsarten übertragen werden.

IV. Dem Gericht lagen folgende Akten des Beklagten zur o.g. Steuernummer vor:

Rechtsbehelfsakte ESt 1998, Einkommensteuerakte Band VII, VIII.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie das Protokoll des Erörterungstermins am 2. Juli 2008 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2009.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Kläger werden durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Der streitige Gewinn aus dem An- und Verkauf der Devisen ist als Einkunft aus einem Spekulationsgeschäft gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG zu versteuern, insbesondere ist er innerhalb der sechsmonatigen Spekulationsfrist erwirtschaftet worden (1) und ist eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift nicht zu erkennen (2).

1. Der Kläger hat die Valuta von 17 Mio. CZK am 23. März 1998 erworben und am 28. bzw. 30. Juli 1998 und damit binnen sechs Monaten wieder im Sinne der o.g. Vorschrift veräußert.

a) Ein Spekulationsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchstabe b) EStG die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als sechs Monate beträgt.

Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein können, zählen neben den ausdrücklich erwähnten Wertpapieren auch Valuten in fremder Währung (vgl. Bundesfinanzhof - BFH - Urteile vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469 und IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614, m.w.N.).

Die durch Anschaffung eines Fremdwährungsguthabens gegen Deutsche Mark und durch dessen Rücktausch in Deutsche Mark innerhalb der Spekulationsfrist erzielte Wertsteigerung im Privatvermögen ist auch dann gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG steuerbar, wenn der Steuerpflichtige seine Investitionsentscheidung allein mit Rücksicht auf die zu erzielenden Zinsen, nicht aber im Hinblick auf eventuelle. Kursgewinne getroffen hat.

Die Regelung des § 23 EStG setzt keine Spekulationsabsicht voraus (vgl. BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469).

b) Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der obligatorische (Kauf-) Vertrag abgeschlossen wird (vgl. BFH-Urteil vom 8. April 2003 IX R 1/01 BFH/NV 2003 m.w.N.). Die Annahme einer vor diesem Zeitpunkt liegenden Veräußerung ist allerdings dann gerechtfertigt, wenn die Vertragspartner vor Abschluss des Kaufvertrages Verhältnisse geschaffen haben, die einer Veräußerung im Sinne von § 23 EStG gleichstehen, also das Ergebnis des obligatorischen Veräußerungsgeschäfts bei wirtschaftlicher Betrachtung vorwegnehmen. Dies kann dadurch geschehen, dass die Vertragspartner dem obligatorischen Veräußerungsgeschäft gleichzustellende Vereinbarungen treffen oder das dingliche Rechtsgeschäft vor dem Abschluss des obligatorischen Vertrages vollziehen (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 16/83, BFHE 140, 238, BStBl II 1984, 311 m.w.N.).

Ausweislich der Bestätigungsschreiben der Bank vom 28. und 30. Juli 1998 hatte sie mit dem Kläger bereits zu diesen Zeitpunkten vereinbart, dass sie Devisen in Höhe von 18 Mio. CZK von ihm erwirbt und zwar zu einem festgelegten Kurs. Die Kläger können nicht damit gehört werden, damit seien keine verbindlichen Vereinbarungen geschlossen worden. Denn die von ihnen insoweit vorgelegten Unterlagen haben einen eindeutigen Inhalt und Nachweise mit einem anderslautenden Inhalt haben die Kläger entgegen ihrer Ankündigung nicht vorgelegt.

Im Übrigen dürfte auch bei Zugrundelegung des abweichenden klägerischen Vortrags der Gewinn innerhalb der Spekulationsfrist entstanden sein, weil sich die Bank bereits im Juli 1998 zur Rücknahme der Kronen zu dem vereinbarten Kurs verpflichtet haben soll und sich der Kläger, der die Kronen nach Ablauf der Festgeldfrist zurücktauschen wollte und zurückgetauscht hat, insoweit den Ende Juli 1998 entstandenen Kursgewinn schuldrechtlich bereits gesichert hatte.

Etwas anderes ergibt sich auch - entgegen der Ansicht der Kläger - nicht aus der Entscheidung des BFH vom 2. Mai 2000 (IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614).

Dort ist entschieden worden, dass der sich durch Währungsschwankungen ergebende Kursgewinn nicht schon durch den Transfer eines Fremdwährungsguthabens von einem Konto auf ein anderes oder durch Gewährung eines Darlehens in Fremdwährung und Rückfluss der Darlehensvaluta in Fremdwährung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG realisiere. Die Wertsteigerung im Privatvermögen in Form des erzielten Kursgewinns werde gemäß § 23 EStG erst dann durch einen marktoffenbaren Veräußerungsvorgang realisiert und damit steuerbar, wenn die ausländische Währung in DM (oder eine andere Währung) rückgetauscht wird. Erst in dem durch den günstigen Rücktausch erhöhten DM-Betrag (oder Betrag in einer anderen Währung) liege der Zufluss des "Veräußerungspreises" i.S. von § 23 letzter Absatz i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG.

Diese Entscheidung gibt für den vorliegend zu entscheidenden Fall nichts her. Dass es für den Zeitpunkt des Rücktauschs abweichend von der ständigen Rechtsprechung zum Veräußerungszeitpunkt bei Spekulationsgeschäften bei Devisengeschäften nicht auf den Abschluss des obligatorischen Vertrags oder der ihm gleichzustellenden Vereinbarung ankommt, sondern auf den - hier außerhalb der Spekulationsfrist stattgefundenen - dinglichen Vollzug ankommt, ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung und auch nicht der weiteren von den Klägern angeführten Entscheidungen (Finanzgericht Rheinland-Pfalz , Urteile vom 15. Mai 2007 3 K 1667/04, EFG 2007, 1513, und 3 K 1074/04, ErbStB 2007, 264).

c) Aufgrund der Veräußerung am 28. und 30. Juli 1998 hat der Kläger den gesamten im angefochtenen Steuerbescheid erfassten Betrag vereinnahmt.

Der Beklagte ist insoweit der Steuererklärung der Kläger gefolgt, in der sie erklärten, die Hälfte der im März erworbenen Valuta von 17 Mio. CZK, also 8,5 Mio. CZK zu einem Kurs von 5,584 und die andere Hälfte zu einem Kurs von 5,620 zurück getauscht zu haben.

Dabei handelt es sich um die mit der Bank vereinbarten Kurse.

Soweit der Kläger mit der Bank im Juli den Tausch von nicht nur 17 Mio. CZK, sondern von insgesamt 18 Mio. CZK vereinbart hat, entfällt der den Anlagebetrag von 17 Mio. CZK übersteigende Betrag von 1 Mio. CZK auf die erwirtschafteten Zinsen in Höhe von insgesamt 1.216.444 CZK, die für die hier streitige Besteuerung von Spekulationsgewinnen ohne Bedeutung sind und insoweit auch vom Beklagten für die Bemessung des Spekulationsgewinns unberücksichtigt blieben, weil der Kläger einen Währungsgewinn nur im Hinblick auf die im März erworbenen 17 Mio. CZK erwirtschaften konnte.

Es besteht vorliegend kein Anlass, von der Aufteilung der Kläger in ihrer Steuererklärung abzuweichen, nach der jeweils 8,5 Mio. CZK auf jede der beiden im Juli mit der Bank getroffenen Vereinbarungen entfällt.

2. Der Senat wendet die Vorschriften in § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG auf private Devisengeschäfte wie dem streitgegenständlichen an und legt sie nicht dem BVerfG vor.

Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen, Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG besteht die in Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) geregelte Vorlagepflicht jedoch nur dann, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserhebliche Gesetzesvorschrift überzeugt ist; bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift vermögen das Gericht jedoch nicht von der Pflicht zur Anwendung des Gesetzes zu entbinden (BVerfG-Urteil vom 20. März 1952 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51, BVerfGE 1, 184, 188 f.; BVerfG-Beschluss vom 6. April 1989 2 BvL 8/87, BVerfGE 80, 59, 65; BFH-Urteil vom 22. Juli 1997 VI R 121/90 BFHE 183, 538, BStBl II 1997, 692).

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschrift des EStG im Hinblick auf die Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus Devisengeschäfte im Jahr 1998 bestehen, da der Senat - insbesondere auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) - jedenfalls nicht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt ist. Weder betrifft das BVerfG-Urteil private Devisengeschäfte wie das streitige (a) noch sind für die Besteuerung von privaten Devisengeschäften Umstände gegeben, die denen vergleichbar sind, mit denen das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von privaten Wertpapiergeschäften begründet hat (b).

a) Das BVerfG hat mit seinem Urteil vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, 62) ausdrücklich entschieden, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit diese Vorschrift Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betrifft. Das gesamte Urteil enthält Ausführungen ausschließlich zu Wertpapiergeschäften und auch die Vorlagefrage beschränkte sich auf private Spekulationsgeschäfte mit Wertpapieren.

Devisen sind indes keine Wertpapiere und sind mit diesen auch nicht im Rahmen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG gleichzusetzen.

b) Für die Besteuerung von privaten Devisengeschäften sind auch keine Umstände zu erkennen, die denen vergleichbar sind, mit denen das BVerfG seine Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von privaten Wertpapiergeschäften begründet hat.

aa) Für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 hat das BVerfG mit dem erwähnten Urteil vom 9. März 2004 (2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56) entschieden, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) EStG in der für diese Zeiträume gültigen Fassung in Bezug auf Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren deswegen verfassungswidrig ist, weil der Vollzugsbefehl der Vorschrift in diesen Jahren nicht gleichheitsgerecht umgesetzt worden.

Das BVerfG hat konkretisierend ausgeführt, dass das Bestehen von Vollzugsmängeln allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm führen.

Verfassungsrechtlich verboten ist erst der Widerspruch zwischen einer materiellen Steuernorm und der auf Nichtvollzug angelegen Erhebungsregel. Der Gesetzgeber ist demnach zwar verpflichtet, ein normatives Umfeld zu schaffen, das die tatsächliche Lastengleichheit der Steuerpflichtigen gewährleist, Vollzugsdefizite werden ihm aber erst zugerechnet bei Fehlen wirksamer Kontrollreglungen oder Bestehen gegenläufiger Verfahrensregelungen, sofern sich dem Gesetzgeber die Erkenntnis der Ungeeignetheit zur Gewährleistung eines gleichmäßigen Belastungserfolgs aufdrängen musste (vgl. hierzu auch Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rdnr. A 45).

Das BVerfG hat weiter ausgeführt, dass sich die für die Verfassungswidrigkeit einer Steuernorm wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits maßgebliche Relation zwischen einer Norm und einer dem Gesetzgeber zurechenbaren Vollzugsrealität im Laufe der Zeit entscheidungserheblich ändern kann; der Befund eines strukturellen Vollzugsdefizits kann daher nicht ohne weiteres von einem Erhebungszeitraum auf andere Zeiträume übertragen werden. Auch können normative Defizite ihre verfassungsrechtliche Relevanz dadurch verlieren, dass von der materiellen Steuernorm auf Grund der Marktentwicklung kein wesentlicher Ertrag (mehr) zu erwarten ist, sodass der Vollzugsbefehl der Norm ungeachtet defizitärer Erhebungsregeln leer läuft.

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Beantwortung der Frage, ab wann dem Gesetzgeber ein strukturelles Vollzugsdefizit bei einer einkommensteuerrechtlichen Norm zugerechnet werden kann mit der Folge, dass der mit dem Erhebungsdefizit verbundene Verstoß gegen die tatsächliche Belastungsgleichheit auf die materiell-rechtliche Grundlage für die Steuererhebung zurückwirkt, hat das BVerfG in einem weiteren Beschluss vom 18. April 2006 (2 BvL 12/05, HFR 2006, 1144) ausgeführt, dass sich für die Beantwortung der Frage, ab welchem Kalenderjahr ein Verstoß gegen die tatsächliche Belastungsgleichheit dem Steuergesetzgeber zuzurechnen ist mit der Folge, dass die materiell-rechtliche Grundlage für die Steuererhebung selbst verfassungswidrig wird, keine allgemein gültigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe entwickeln lassen; die Antwort hängt maßgeblich von Tatsachen ab, die für jeden Einzelfall einer gleichheitswidrig vollzogenen Steuernorm gesondert festzustellen sind. Insoweit entscheidungserhebliche Tatsachen können beispielsweise Zeitpunkt, Art und Ausmaß der in Fachkreisen öffentlich geführten Diskussion, die Entwicklung auf Märkten, auf die die einschlägige Besteuerung abzielt, oder die Ergebnisse von Gutachten anerkannter Institutionen oder verwaltungsinterner Untersuchungen sein.

bb) Nach diesen Grundsätzen kann die Entscheidung des BVerfG zu der Besteuerung von Spekulationsgewinnen bei Wertpapiergeschäften nicht ohne weiteres auf die Besteuerung von Spekulationsgewinnen bei Devisengeschäften übertragen werden. Dass ein im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich relevantes (strukturelles) Vollzugsdefizit hinsichtlich der Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus der Veräußerung von Fremdwährung bestanden hat, kann jedenfalls nicht positiv erkannt werden.

Auch die Kläger haben hierzu keinerlei Erkenntnisse geliefert, sondern ohne weitere Begründung die Besteuerung von Gewinnen aus Währungsgeschäften mit denen aus Wertpapiergeschäften gleich gesetzt.

Dem Gericht liegen insoweit keine Erkenntnisse vor, etwa über das Volumen privater Fremdwährungsgeschäfte usw. Es findet sich auch keinerlei veröffentlichte Rechtsprechung zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) EStG im Hinblick auf Fremdwährungsgeschäfte. Sie wird auch in der steuerrechtlichen Literatur nicht thematisiert (vgl. etwa Lindberg in Frotscher, EStG, § 23 Rdnr. 49; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, § 23 EStG Rdnr. 146; Kube in Kirchhof, EStG, § 23 Rdnr. 7; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Anm. A 45 und B 200; Hensel in Lademann/Söffing, EStG, § 23 Rdnr. 88). Mangels Vorliegen konkreterer Anhaltspunkte besteht auch keine weitere Ermittlungspflicht des Gerichts.

II. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, § 115 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück