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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 17.04.2007
Aktenzeichen: 3 K 64/06
Rechtsgebiete: UStG, GG


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 1
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 3
GG Art. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

3 K 64/06

Tatbestand:

A. Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer, ob der Verkauf einer Zeitschrift dem Regelsteuersatz oder dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen ist, und zwar gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. Nr. 49 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG:

"Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände ...

49. ...

b) Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern oder Werbung enthaltend (ausgenommen Anzeigenblätter, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten)."

In der entsprechenden Regelung der (bis 2006 geltenden) Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (Sechste EG-USt-Richtlinie) heißt es in deren Art. 12 Abs. 3 Bstb. a i.V.m. Anhang H Kategorie 6 (ab 2007: Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --EG-MWStSystRL-- Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 6):

"Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MWSt-Sätze angewandt werden können: ...

6. Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im wesentlichen Werbezwecken dienen."

I. Die Zeitschrift "B" wurde in den Streitjahren 1991-2000 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin herausgegeben. Mit Wirkung ab 1. Januar 2001 übertrug die Rechtsvorgängerin die Rechte auf einen anderen Verlag. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war eine GmbH & Co KG. Deren Vermögen übernahm mit Ausscheiden des Kommanditisten per 1. Januar 2006 im Wege der Anwachsung die Komplementär-GmbH --die Klägerin-- (Finanzgerichts-Akte --FG-A-- Bl. 3, 9, 43 ff, 109 ff).

II. 1. Bei der Zeitschrift "B" - mit dem Untertitel ursprünglich "..." und jetzt "..." - handelt es sich um ein Immobilienmagazin, das aus redaktionellen Beiträgen und Anzeigen besteht und in anspruchsvoller Heftaufmachung verkauft wird.

a) Die Titelblätter sind mit einzelnen oder mehreren Immobilien bebildert und enthalten eine Reihe von Themen-Schlagzeilen über wichtige Artikel. In unterschiedlicher Form wird daneben auf den Titelblättern gelegentlich auch auf Anzeigen hingewiesen, wie etwa ... mit ... Schrägaufdruck "Neu / Jetzt mit vielen ...-Immobilien", ... mit ... Randzeile "über ... Angebote" oder ... mit der Hervorhebung "... Angebote aus aller Welt".

b) Die redaktionellen Beiträge stammen aus der eigenen Redaktion und sind gründlich recherchiert, aktuell sowie mit eindrucksvollen Farbbildern versehen. Berichtet wird über Gegenden im In- und Ausland mit den dortigen Immobilien, insbesondere über architektonisch interessante und schön gelegene Wohnimmobilien, über die Preislagen an den verschiedenen Immobilienmärkten sowie über zahlreiche andere aktuelle Themen im Zusammenhang mit Immobilien (z. B. länderspezifisches Vertrags- und Steuerrecht, Umweltschutz, Baufinanzierung, Fonds-Analysen).

Gelegentlich wird auch eine Anzahl von konkreten Immobilien mit Kauf-, Bau- oder Mietpreisen oder Ortsangaben redaktionell bewertet oder zu Vergleichszwecken gegenübergestellt, wie etwa nach den Titelschlagzeilen ... "Die ... schönsten Ferienhäuser der Welt zum Mieten" oder in ... "Bauen ... 100 Traumhäuser".

In der Redaktion sollen 9 Angestellte und 20 freie Mitarbeiter beschäftigt bzw. bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin beschäftigt gewesen sein (FG-A Bl. 12).

c) Bei den Anzeigen ist zu unterscheiden zwischen den Immobilieninseraten einerseits und der sonstigen Werbung andererseits. Bei der Immobilienwerbung handelt es sich weitgehend um Verkaufsinserate und überwiegend um gewerbliche Anzeigen. Die übrige Werbung richtet sich wie in anderen Zeitschriften an das vermutlich oder erhofft zahlungskräftige oder anlageinteressierte Publikum.

d) Redaktionelle Beiträge und Immobilieninserate beziehen sich teilweise auf die für die deutschen Leser interessanten identischen, überwiegend europäischen Regionen. Im Hinblick auf die Lage als wichtige Eigenschaft von Immobilien sind in den Streitjahren die meisten Inserate nach Gebieten sortiert und sind ihnen redaktionelle Länderberichte vorangestellt oder sind große Teile der Hefte geografisch gegliedert, zum Beispiel ... .

2. Die Zeitschrift erschien bis in 1993 alle zwei Monate und wurde anschließend auf Monatshefte umgestellt. Die Größe DIN A 4 wurde nur vorübergehend im ersten Halbjahr 1996 auf ein ungefähr quadratisches Format verändert. Der Kaufpreis stieg von 6 DM in 1991 auf 9,80 DM in 2000.

3. Für die seit 1994 herausgegebenen Hefte wird das Verhältnis von Anzeigenseiten und Heftumfang - ebenso wie für viele andere Zeitschriften - gemäß Richtlinien des Verbands deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) in dessen Zentraler Anzeigenstatistik (ZAS) im Internet veröffentlicht. Anzeigen, die kleiner als eine Seite sind, werden dabei auf ganze Seiten umgerechnet. Beihefterwerbung wird mitgezählt (www.pz-online.de, FG-A Bl. 58 ff, 63 ff).

Die heftweise und saisonbedingt schwankenden Daten lassen sich dahin auswerten, dass sich im Durchschnitt für 1994-2000 ein Heftumfang von 218 Seiten und ein umgerechneter Anzeigenteil von 133,8 Seiten bzw. 61 % ergibt; im Juli 1994 und von Mai bis August 2000 weniger als 50 % (FG-A Bl. 66a).

Die Daten lassen sich ohne vollständig eingereichte Hefte nicht alle nachvollziehen, so bei den Schwankungen nach oben z. B. im Januar 1998 angeblich 140,7 Anzeigenseiten einschließlich 8 Beihefterseiten in nur 128 Heftseiten (FG-A Bl. 66a).

4. Dem Finanzgericht (FG) sind zur exemplarischen Anschauung aus den Streitjahren die Hefte 3/1992, 3/1993, 2/1996, 4/1996, 7/1996, 9/1996, 3/1997, 5/1997, 8/1997, 10/1997, 4/1998, 6/1998, 9/1998, 11/1998, 5/1999, 7/1999, 10/1999, 12/1999, 1/2000, 6/2000, 8/2000, 11/2000 und aus der Folgezeit die Hefte 7/2001, 11/2002, 12/2003, 6/2004, 8/2004 eingereicht worden. Parallel hat das FG sich das Heft des Vormonats 3/2007 besorgt. Das im Verwaltungsverfahren eingereichte Heft 5/91 befindet sich nicht bei den vorliegenden Akten (vgl. Betriebsprüfungs-Arbeits-Akte --BpArb-A-- 1991-1995 Bl. 126; Hinweise vom 25. März 2007, Bl. FG-A Bl. 105).

5. Vertrieben wird die Zeitschrift - wie viele andere - über den deutschen Pressevertrieb und den anschließenden Einzelhandel sowie über Abonnements im In- und Ausland (FG-A Bl. 9, 123, 133 ff).

Entsprechend der "Europäischen Artikelnumerierung" (EAN) mit dem EAN-Pressecode ist auf dem Titelblatt der vorliegenden Zeitschriftenhefte seit 1996 ein Zahlen- und Scannercode aufgedruckt. Dieser enthält nach dem zweistelligen Präfix für Deutschland die Kennziffer "9". Diese zeigt den auf 7 % ermäßigten Mehrwertsteuersatz an, während an dieser Stelle eine "4" auf den Regelsteuersatz 16 % hindeuten würde (EAN-Vertriebslexikon, FG-A Bl. 118, 121, www.ipv-online.de/dpv-network/lexikon/ean-pressecode.htm).

III. 1. Die Umsatzsteuer auf die inländischen Vertriebserlöse aus dem Verkauf der Zeitschrift in den Streitjahren 1991-2000 wurde jeweils mit dem ermäßigten Steuersatz erklärt und unter Nachprüfungsvorbehalt festgesetzt (Umsatzsteuer-Akte --USt-A-- Bd. I Bl. 1 ff; in der mündlichen Verhandlung nachgereichter jetziger Bd. II Bl. 1 ff; vgl. FG-A Bl. 9, 105, 117).

2. Im Rahmen einer 1997 angeordneten Betriebsprüfung für die Jahre 1991 bis 1995 holte der Betriebsprüfer - nach amtsintern unterschiedlichen Meinungen (vgl. BpArb-A Bl. 49) - unter dem 12. Februar 1999 bei der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) bei der Oberfinanzdirektion (OFD) Köln unter Übersendung der Zeitschriftenhefte 5/1991, 3/1992 und 3/1993 ein Gutachten zur Frage des Umsatzsteuersatzes ein (BpArb-A 1991-1995 Bl. 50). Das Gutachten vom 16. April 1999 kam zu dem Ergebnis, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei. Die Zeitschrift sei als "andere periodische Druckschrift mit Bildern, überwiegend Werbung enthaltend, sechsmal jährlich erscheinend" in die Codenummer 4902 9090 00 1 des Deutschen Gebrauchszolltarifs einzureihen. In den drei Heften seien mit 86 von 200 Seiten bzw. 78 von 184 Seiten sowie 62 von 178 Seiten im wesentlichen nach Regionen gegliederte gewerbliche Immobilienanzeigen enthalten (Betriebsprüfungs-Akte --Bp-A-- Bd. I Bl. 17, BpArb-A 1991-1995 Bl. 55).

3. Am 30. April 1999 - mehr als acht Jahre nach Beginn des Prüfungszeitraums - wandte sich der Betriebsprüfer an den steuerlichen Berater der Rechtsvorgängerin der Klägerin zwecks Verabredung eines Gesprächs über den Umsatzsteuersatz (BpArb-A 1991-1995 Bl. 64). In einem Vorabgespräch am 11. Juni 1999 informierte der Betriebsprüfer den Steuerberater über die bisherige Prüfung einschließlich des eingeholten Gutachtens (Betriebsprüfungs-Gesprächsvermerk vom 14. Juni 1999, BpArb-A 1991-1995 Bl. 107; Steuerberater-Gesprächsvermerk vom 15. Juni 1999, Anlage K 1, FG-A Bd. 18). Nach Rücksprache mit der Finanzbehörde (BpArb-A 1991-1995 Bl. 126) erstellte und übersandte der Betriebsprüfer am 11. November 1999 einen Prüfungsvermerk, mit dem er sich der Würdigung aus dem eingeholten Gutachten anschloss (BpArb-A 1991-1995 Bl. 135). Hieran hielt die Betriebsprüfung im Betriebsprüfungsbericht 1991-1995 vom 20. Juni 2001 fest (Bp-A Bd. I Bl. 6, 9, Tz. 14).

4. Eine ab 2002 durchgeführte Anschlussbetriebsprüfung für 1996-2000 befasste sich ebenfalls mit der Frage des Umsatzsteuersatzes. Es wurden pro Streitjahr vier Hefte nach dem Verhältnis zwischen Anzeigen und redaktionellen Beiträgen seitenweise ausgezählt. Nach dieser Auswertung, die keine seitenanteilige Umrechnung erkennen lässt, ergaben sich außer für das Heft August 2000 überwiegende Anzeigenanteile, durchschnittlich 64 % (BpArb-A 1996-2000 Bd. II Bl. 93). Danach folgte die Anschlussbetriebsprüfung im Bericht vom 22. Juli 2005 hinsichtlich des Umsatzsteuersatzes dem Vorprüfungsergebnis und dem seinerzeit eingeholten Gutachten (Bp-A Bd. II Bl. 1, 4, Tz. 13.3; Schlussbesprechungsvermerk des Steuerberaters, Anlage K 2, FG-A Bl. 20).

5. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) erließ zunächst Änderungsbescheide mit dem Regelumsatzsteuersatz für die Jahre 1991 bis 1995 am 24. Oktober 2003 (USt-A Bd. I Bl. 39, 43, 47, 51, 55), sodann - nach amtsinternem Austausch unterschiedlicher Meinungen (vgl. BpArb-A 1996-2000 Bl. 182) - auch entsprechende Änderungsbescheide aus dem zweiten Prüfungszeitraum für 1998, 1999 und 2000 am 7. Oktober 2005 (USt-A Bd. III Bl. 19, 23, 27) sowie für 1996 und 1997 am 6. Dezember 2005 (USt-A Bd. III Bl. 29, 32).

Abgesehen von unstreitigen weiteren Mehrsteuern erhöhte sich allein wegen des Zeitschriften-Steuersatzes die Umsatzsteuer

für 1991 um 32.156,83 DM auf minus 14.137,00 DM (USt-A Bd. I Bl. 39),

für 1992 um 17.612,92 DM auf minus 24.498,00 DM (USt-A Bd. I Bl. 43),

für 1993 um 52.325,36 DM auf 66.266,00 DM (USt-A Bd. I Bl. 47),

für 1994 um 89.566,40 DM auf 112.012,00 DM (USt-A Bd. I Bl. 51),

für 1995 um 105.605,29 DM auf 24.145,00 DM (USt-A Bd. I Bl. 55;

für 1991-1995 insgesamt Bp-A Bd. I Bl. 9);

für 1996 um 117.778,43 DM auf 151.244,00 DM (USt-A Bd. II Bl. 40),

für 1997 um 160.005,77 DM auf 65.290,00 DM (USt-A Bd. II Bl. 46),

für 1998 um 220.875,38 DM auf minus 67.226,00 DM (USt-A Bd. III Bl. 19),

für 1999 um 243.882,31 DM auf 150.596,00 DM (USt-A Bd. III Bl. 23),

für 2000 um 172.162,09 DM auf minus 308.659,00 DM (USt-A Bd. III Bl. 27;

für 1996-2000 insgesamt Bp-A Bd. II Bl. 4).

6. Die Klägerin legte Einspruch ein gegen die Änderungsbescheide 1991 bis 1995 am 21. November 2003 (Rechtsbehelfs-Akte --Rb-A-- Bl. 7, 11), gegen die Änderungsbescheide 1998 bis 2000 am 21. Oktober 2005 (Rb-A Bl. 26) und gegen die Änderungsbescheide 1996 und 1997 am 15. Dezember 2005 (Rb-A Bl. 22). Wie näher ausgeführt, bestehe die Verlagskonzeption der Zeitschrift darin, am Immobilienmarkt Interessierte durch redaktionelle Informationen für den Kauf fit zu machen.

7. Für beide Prüfungszeiträume wurden mit Einspruchsentscheidung vom 13. März 2006 - mehr als fünfzehn Jahre nach Beginn des ersten Prüfungszeitraums - sämtliche Einsprüche 1991 bis 2000 zurückgewiesen (Rb-A Bl. 105, FG-A Bl. 28). Die Zeitschrift diene überwiegend Werbezwecken. Nach Inhalt und Herausgabezweck sei sie als Immobilienmagazin eine Werbedruckschrift. Sowohl durch die Anzahl der Anzeigen als auch durch die Aufmachung sei der werbende Charakter klar erkennbar. Die rein redaktionellen Seiten gäben der Zeitschrift nicht ihr Gepräge, sondern seien lediglich eine Auflockerung. Der Werbeanteil bei der Zeitschrift der Klägerin habe im Durchschnitt über 60% betragen.

IV. Zur Begründung der am 4. April 2006 erhobenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 1, 8, 109, 116):

Die Zeitschrift der Klägerin sei kein Anzeigenblatt, sondern eine "Special Interest-Zeitschrift", d.h. definitionsgemäß eine Publikumszeitschrift, die sich mit spezieller Thematik im Gegensatz zu einer Fachzeitschrift an die breite Bevölkerung richte und sich in ihrem Inhalt auf klar abgegrenzte Sachgebiete konzentriere, wobei sie versuche, diese fachlichen Themen auf allgemeinverständliche Weise dem Leser nahe zu bringen.

Die Zeitschrift unterscheide sich nach ihrer Konzeption wesentlich von Anzeigenblättern und Annoncen-Zeitungen. Dass sie mit letzteren nichts Gemeinsames habe, ergebe sich schon aus dem allgemeinen Sprachverständnis.

Sie diene nicht überwiegend Werbezwecken. Ein quantitativer Anteil der Anzeigen von mehr als 50% an den gesamten Druckseiten eines Heftes könne nicht gleichgesetzt werden mit einem überwiegenden Dienen für Werbezwecke. Maßgeblich sei die überwiegende Zwecksetzung. So sei auch bei den nicht begünstigten Druckerzeugnissen zu unterscheiden zwischen einerseits denjenigen, die "vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen" und andererseits "Anzeigenblättern, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten". Nur für letztere typischerweise Werbezwecken dienenden Druckerzeugnisse sei der qualitative Anteil relevant. Gemäß Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der überwiegende Werbecharakter einer Zeitschrift nicht nach dem Raumverhältnis zu beurteilen, sondern danach, ob nach dem Gesamtbild der Werbecharakter im Vordergrund stehe oder nicht.

Ein Anzeigenanteil von über 60% sei bei Special Interest-Zeitschriften nicht unüblich, da nur so eine Objektrentabilität zu erreichen sei. Dass die Zeitschrift - wie viele andere - von Interessenten wegen der Marktinformationen und Objektanalysen gekauft werde, mache sie noch nicht zu einem Werbeträger.

Das Gutachten der ZPLA gehe nicht auf die nötige Differenzierung zu den "Anzeigenblättern" und "Annoncen-Zeitungen" ein. Auch fehle es der ZPLA an der Kompetenz für die umsatzsteuerrechtliche Würdigung.

Selbst wenn die Zeitschrift der Klägerin nicht unter die begünstigten Gegenstände fallen sollte, verstoße eine Festsetzung nach dem Regelsteuersatz aufgrund des Geschehensablaufs gegen übergeordnetes EG-Recht. Die Konsequenz, dass nach so vielen Jahren seit dem Vertrieb aus praktischen und aus verjährungsrechtlichen Gründen eine Umsatzsteuernachforderung nicht mehr weiterberechnet werden könne und so zu einer Definitivbelastung der Klägerin führe, sei vom EG-Recht nicht gewollt. Davon abgesehen seien 7 Jahre seit dem erstmaligen Hinweis auf das Umsatzsteuerproblem vergangen bis zur förmlichen Entscheidung mit erstmals eingehender Begründung. Dass allein die vorliegende Zeitschrift unter vielen anderen herausgegriffen werde, sei mit dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität und der Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung nicht zu vereinbaren (Diskriminierungsverbot).

Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 2, 117)

die Umsatzsteuerbescheide 1991 bis 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. März 2006 dahin zu ändern, dass

die Umsatzsteuer 1991 mit minus 46.293 DM statt mit 14.137 DM,

die Umsatzsteuer 1992 mit minus 42.111 DM statt mit minus 24.498 DM,

die Umsatzsteuer 1993 mit 13.941 DM statt mit 66.266 DM,

die Umsatzsteuer 1994 mit 22.466 DM statt mit 112.012 DM,

die Umsatzsteuer 1995 mit minus 81.460 DM statt mit 24.145 DM,

die Umsatzsteuer 1996 mit 33.466 DM statt mit 151.244 DM,

die Umsatzsteuer 1997 mit minus 78.743 DM statt mit 81.263 DM,

die Umsatzsteuer 1998 mit minus 288.101 DM statt mit minus 67.226 DM

die Umsatzsteuer 1999 mit minus 93.286 DM statt mit 150.596 DM

die Umsatzsteuer 2000 mit minus 480.821 DM statt mit minus 308.659 DM

festgesetzt wird.

Das FA beantragt (FG-A Bl. 26, 117),

die Klage abzuweisen.

Das FA trägt in Ergänzung seiner Einspruchsentscheidung vom 13. März 2006 im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 26, 116):

Die Umsatzsteuer müsse im Einzelfall nicht abgewälzt werden können. Auch sei die Nacherhebung nicht unbillig, da sich die rechtlich vertretene Klägerin aufgrund der eindeutigen Rechtslage und wegen des bereits augenfällig dominierenden werbenden Anteils der Publikation nicht auf einen Rechtsirrtum berufen könne. Der Regelsteuersatz sei in Anbetracht der vermögenden Klientel im Übrigen auch von vornherein "durchsetzbar" gewesen.

Das Gebot der Wettbewerbsneutralität verlange nur, dass für eine unterschiedliche Besteuerung von Umsatzarten und Unternehmern nach dem Umsatzsteuerrecht sachliche Gründe vorliegen müssten. Dass durch Betriebsprüfungen bedingte steuerliche Mehrbelastungen regelmäßig betriebswirtschaftliche Auswirkungen hätten und sich damit indirekt auf die Wettbewerbslage auswirken könnten, mache diese Einzelfallfeststellungen noch nicht rechtswidrig.

V. 1. Von den seitens der Klägerin angeführten Special-Interest-Zeitschriften auf dem Gebiet der Immobilien "G" und "H" (vgl. Anlagen K 3 und 4, FG-A Bl. 16, 22, 24) hat der Vorsitzende jeweils das aktuelle Heft einkaufen lassen, und zwar in verschiedenen Tabak- und Zeitschriftenläden (einer davon am Rathausmarkt). Die Hefte zeigen beim Scannercode die erwähnte Kennziffer "9" und wurden mit 7 % Umsatzsteuer verkauft.

Erstere Zeitschrift befasst sich - wie im Untertitel - mit "L & Real Estate". Für sie sind in der Zentralen Anzeigenstatistik (ZAS) des VDZ (oben I 3) keine Daten vorhanden. Der Anzeigenanteil im vorliegenden Heft ist geringer als durchschnittlich in den zu beurteilenden Zeitschriftenheften der Rechtsvorgängerin der Klägerin aus den Streitjahren.

Die andere Zeitschrift befasst sich mit der Inneneinrichtung und Gartengestaltung. Laut ZAS beträgt der Anzeigenanteil in den seit 1996 erfassten Heften jeweils weniger als 50 % (FG-A Bl. 77).

2. Weiter hat der Vorsitzende im großen Pressegeschäft im Hauptbahnhof eine Zeitschrift auf einem anderen speziellen Gebiet besorgt, und zwar das Hochzeitsmagazin O Ausgabe HH+SH März-Mai 2007 (mit ... Fotos auf S. 66-67). Das Heft zeigt die Scanner-Kennziffer "9" und wurde mit 7 % Umsatzsteuer verkauft. Diese Zeitschrift ist in der ZAS nicht enthalten. Der Anzeigenanteil im vorliegenden Heft ist geringer als im Durchschnitt der zu beurteilenden Zeitschriftenhefte der Rechtsvorgängerin der Klägerin aus den Streitjahren.

3. Für eine Vielzahl anderer Spezialzeitschriften liegen ZAS-Daten des VDZ vor.

a) Auf dem Gebiet Immobilien und Wohnen zeigen sich bei den Zeitschriften "A", "D", "E", "M", "P", "W" und "Z" in den erfassten Zeiträumen jeweils einzelne Hefte mit einem mehr als hälftigen Anzeigenanteil (FG-A Bl. 67 ff).

Für die ressortverwandte Zeitschrift "H-M" werden ausschließlich geringer als hälftige Anzeigenanteile ausgewiesen (FG-A Bl. 74 f).

Bei den inhaltsähnlichen Zeitschriften "F", "C" sowie "S und I" sind jeweils zahlreiche Hefte mit mehr als hälftigem Anzeigenteil aufgelistet (FG-A Bl. 78 f, 88 ff, 86 f).

b) Wenn zum Vergleich eine bekannte andere Zeitschrift für u.U. teure Anschaffungsobjekte mit speziellen Anzeigen herangezogen wird, nämlich zum Beispiel für private Wasserfahrzeuge die Zeitschrift "Y", zeigen die veröffentlichten ZAS-Daten gleichfalls zahlreiche Hefte mit mehr als hälftigem Anzeigenanteil, der sich aus teils gewerblichen und teils privaten Inseraten zusammensetzt (FG-A Bl. 62).

4. Zur weiteren Anschauung hat der Vorsitzende aus dem Bereich der allgemein bekannten häufiger erscheinenden Zeitschriften ein aktuelles Heft auswählen und kaufen lassen, und zwar die Frauenzeitschrift "J" Heft 7 von Mitte März 2007 vom U-Bahn-Kiosk mit 7 % Umsatzsteuer. Auf dem Titelblatt ist beim Scanner-Code die Kennziffer "9" für den ermäßigten Steuersatz aufgedruckt. Für dieses Heft ist in der ZAS ein Anzeigenanteil von 61 % ausgewiesen. Auch für diverse frühere Hefte dieser Zeitschrift sind mehr als hälftige Anzeigenanteile veröffentlicht.

5. Zum weiteren Vergleich hat der Vorsitzende auf dem Gebiet der Immobilien zwei Zeitschriften gekauft, bei denen der Anzeigeninhalt vom ersten Anblick her im Vordergrund steht, und zwar "K - Aktuelle Immobilienangebote" Heft März 2007 und "K-M..." Ausgabe März/April 2007. Auf beiden Titelblättern sind bereits reihenweise Bildanzeigen von Immobilien auszugsweise abgedruckt; solche - weit überwiegend gewerbliche - Anzeigen machen auch den Großteil des Inhalts aus. Beide Zeitschriften sind in einem Brötchen- und Zeitungsladen mit Kaffeeausschank und kleiner Lebensmittelabteilung mit 7 % Umsatzsteuer verkauft worden (zusammen mit dem zu II 4 erwähnten Heft "B" März 2007, in dem der Beleg jetzt eingeheftet ist).

Der Scannercode auf dem Titelblatt enthält bei der ersteren Zeitschrift die Kennziffer "4" für den Regelsteuersatz und bei der anderen Zeitschrift die "9" für den ermäßigten Steuersatz (vgl. oben II 5).

Beide Produkte werden nicht vom VDZ in der Zentralen Anzeigenstatistik geführt.

Der redaktionelle Teil der ersteren Zeitschrift "K" umfasst nur 7 von 60 Seiten; er befasst sich überwiegend nur mit den Sehenswürdigkeiten einer Stadt (...) und verweist weiterführend auf deren Touristeninformation.

Bei der anderen Zeitschrift "K-M" sind unterschiedliche immobilienbezogene und aktuelle Artikel zwar auf 35 von 68 Seiten verteilt. Bei Einberechnung der meist neben den Artikeln auf denselben Seiten enthaltenen zahlreichen großen Inserate ergibt sich jedoch ein weit höherer Anzeigenanteil als bei der hier zu beurteilenden Zeitschrift und den anderen genannten Zeitschriften mit Ausnahme des vorbeschriebenen Produkts "K".

6. Die vorgenannten Verkäufe mit 7 % Umsatzsteuer sind im Wesentlichen - so auch bei den beiden letztgenannten Zeitschriften - über manuell mit Tasten bediente Kassen ohne Scanner abgerechnet worden.

Gemäß gleichzeitigen und anderweitigen gerichtlichen Erkundigungen ist dem im Einzelhandel tätigen Kassenpersonal für Zeitschriften allenfalls der ermäßigte und nicht der Regelsteuersatz bekannt.

Soweit es bei den manuell bedienten Kassen Tasten für Warengruppen gibt, handelt es sich bei Zeitschriften nur um eine Taste, die stets den ermäßigten Steuersatz anwendet.

Selbst soweit - heutzutage zunehmend - in größeren Läden mit Scanner-Kassen gearbeitet wird und je nach dem auf dem Titelblatt aufgedruckten Scannercode abgerechnet wird, ist dem dort eingesetzten Personal ein Unterschied beim Umsatzsteuersatz nicht bewusst und überprüft dieses Personal nicht und kann es nicht überprüfen, ob die Zeitschrift mit dem Scannercode umsatzsteuerlich richtig ausgezeichnet ist (FG-A Bl. 118).

7. Das Gericht hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung über die genannten Einkäufe und über die in den verschiedenen Läden erhaltenen Auskünfte informiert (FG-A Bl. 118).

VI. Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. April 2007 (FG-A Bl. 116) sowie auf die oben angeführten Vorgänge und die damit zusammen hängenden Unterlagen aus der Finanzgerichts-Akte (FG-A) und aus den folgenden Steuerakten:

Rechtsbehelfs-Akte (Rb-A), nebst Hefter Rechtsquellen-Material,

Umsatzsteuer-Akten (USt-A) Bd. I - III,

Betriebsprüfungs-Akten (Bp-A) Bd. I und II,

Betriebsprüfungs-Arbeitakten (BpArb-A)

1991-1995,

1996-2000 Bd. I-III.

Entscheidungsgründe:

B. I. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO).

Auf den Verkauf der Zeitschrift der Rechtsvorgängerin der Klägerin in den Streitjahren 1991-2000 ist nicht der Regelsteuersatz, sondern der begehrte ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden.

1. Anstelle des Regelumsatzsteuersatzes aus § 12 Abs. 1 UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf 7 % für die Lieferungen der in der Anlage 2 zu § 12 UStG bezeichneten Gegenstände. Zu diesen gehören nach Nr. 49 Bstb. b der genannten Anlage

"Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern oder Werbung enthaltend (ausgenommen Anzeigenblätter, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten).

(aus Zolltarif Position 4902)

2. Bei der vorliegenden Zeitschrift handelt es sich im Sinne dieser Begünstigungsregelung um eine "periodische Druckschrift, auch mit Bildern oder Werbung enthaltend".

Diese Warenbezeichnung entspricht insoweit wörtlich der Position 4902 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT). Zu diesen periodischen Druckschriften gehören Druckschriften, die in laufender Folge unter demselben Titel in regelmäßigen Zeitabständen veröffentlicht werden und deren einzelne Ausgaben in der Regel nummeriert und mit Datum versehen oder mit der Angabe eines Monats oder einer Jahreszeit versehen sind (vgl. Bundesministerium der Finanzen --BMF-- vom 5. August 2004 Abschn. 155 Nr. 2 a, Juris; Huschens in Vogel/Schwarz, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rd. 226), insbesondere Monats-, Mode-, Sport- und andere Zeitschriften, die der Information über spezielle Einzelfragen gewidmet sind (vgl. Langer in Hartmann/Metzenbacher, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rd. 123; Husmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Rd. 661).

Unter diese begünstigte Warenbezeichnung fällt die vorliegende, von der Klägerin zutreffend als "Special-Interest-Zeitschrift" charakterisierte, ursprünglich zweimonatlich und danach monatlich herausgegebene Publikumszeitschrift zum speziellen Thema Immobilien, die auch Bilder und Werbung enthält.

3. Die Ausnahmen "Anzeigenblätter, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten," sind seit der Neufassung ab Januar 1988 unverändert allein in Nr. 49 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG und nicht in Position 4902 GZT geregelt (vgl. Anm. Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1990, 442; vgl. für vor 1988: BFH vom 26. Februar 1991 VII R 127/89, BFH/NV 1991, 723, 779 m.w.N.).

Zollrechtlich kommt es nach Position 4902 GZT nicht mehr darauf an, ob oder inwieweit die periodische Druckschrift Werbung enthält. Die dortige Formulierung "auch Werbung enthaltend" versteht sich gleichbedeutend mit den anderen Zolltarif-Sprachfassungen "qu'ils contiennent ou non de la publicité" oder "whether or not containing advertising material" (BFH vom 18. Februar 1997 VII R 26/96, BFH/NV 1997, 726 zu II 2).

Die Ausnahmetatbestände im Klammerzusatz in Nr. 49 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG nehmen dementsprechend als Exposition nicht auf den Zolltarif Bezug. Über diese Ausnahmetatbestände und ihre Auslegung ist daher umsatzsteuerlich zu entscheiden (vgl. FG Hamburg vom 23. März 2007 2 K 79/06, Juris; FG Rheinland-Pfalz vom 14. Dezember 2001 3 K 2673/98, Juris, Datev; BFH vom 15. April 1993 V R 132/92, Juris m.w.N.). Rechtsprechung zu früherer zollrechtlicher Abgrenzung bleibt nur sinngemäß anwendbar (BFH vom 24. November 2005 V B 197/04, BFH/NV 2006, 624;vom 27. November 1990 VII B 121/90, BFH/NV 1991, 631;).

4. Dass "Anzeigenblätter, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten," von der Umsatzsteuer-Ermäßigung ausgenommen sind, verstößt nicht gegen die Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz --GG--) und den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG).

Zwar fallen solche Presseprodukte nicht von vornherein aus dem Gesetzeszweck heraus, die Vielfalt der Presse zu erhalten und zu stärken, um letztlich Informationen und selbständige Meinungsbildung der Bevölkerung zu fördern (vgl. FG Köln vom 21. Oktober 2004 15 K 5570/01, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 652). Im Gesetzgebungsverfahren wurde zwischen Zeitungen und Zeitschriften nicht nach Art und Tendenz unterschieden und wurden die zunächst ausgenommenen Illustrierten wieder einbezogen (vgl. BVerfG vom 5. März 1974 1 BvR 712/68, BVerfGE 36, 321, BStBl II 1974, 267 zu C IV 2 a m.w.N.).

Jedoch muss der Gesetzgeber nicht alle Kommunikationsmittel einheitlich begünstigen (BFH vom 20. März 1998 V B 138/97, BFH/NV 1998, 1380). Der Staat darf eine sachgerechte Auswahl der steuerlich zu begünstigenden Medien treffen und bei der Beurteilung der Förderungswürdigkeit wirtschafts- und finanzpolitische sowie staatspolitische Gesichtspunkte berücksichtigen. Die durch arbeitsintensive Herstellungsweise und daraus resultierende Preiserhöhungen gegenüber anderen Kommunikationsmitteln erschwerte wirtschaftliche Lage vieler Publikationsorgane und das Bestreben, die Vielfalt der Presse zu erhalten und zu stärken, rechtfertigen die Umsatzsteuerermäßigung für die meinungsbildende Presse. Wie das Bundesverfassungsgericht weiter ausführt, erscheint die unterschiedslose Einbeziehung "aller Illustrierten" in diese Steuervergünstigung noch sachgerecht, weil die Übergänge zur meinungsbildenden Presse fließend sind und deshalb eine verfassungsrechtlich haltbare Abgrenzung schwierig sein würde. Hingegen können gemäß Bundesverfassungsgericht Werbezeitschriften, wie z.B. Kundenzeitschriften, "nach Zielsetzung, Inhalt und Verteilungsart eindeutig" von den übrigen Zeitungen und Zeitschriften unterschieden werden. Ihr Werbemittelcharakter stellt ein deutliches Unterscheidungsmerkmal dar (BVerfG vom 8. Mai 1974 1 BvR 772/68, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK-- UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 1 R. 4; BFH vom 26. Februar 1991 VII R 127/89, BFH/NV 1991, 723, 779). So gesehen bestehen gegen die in Nr. 49 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG geregelten Ausnahmen von der Umsatzsteuerermäßigung keine Bedenken (vgl. BFH vom 17. August 1993 VII R 34/93, BFH/NV 1994, 433 zu 2 a a.E.;vom 26. Februar 1991 VII R 127/89, BFH/NV 1991, 723, 779 zu 2).

5. Der in der Anlage 2 zu § 12 UStG unter Nr. 49 Bstb. b geregelte erste Ausnahmetatbestand "Anzeigenblatt" ist bei der vorliegenden Zeitschrift nicht gegeben und führt daher hier nicht vom ermäßigten Steuersatz zum Regelsteuersatz zurück.

Anzeigenblätter sind Presseprodukte, die (auch unter den Synonymen Wochenzeitung, Wochenblatt, Stadtteilzeitung) kostenlos regelmäßig an die Haushalte eines festumrissenen Gebiets verteilt werden, sich allein durch die aufgegebenen Anzeigen finanzieren und dabei nur einen kleineren - evtl. nur regionalen - redaktionellen Teil enthalten (www.wikipedia.de m.w.N.; Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter www.bvda.de; vgl. BFH vom 20. Februar 1990 VII R 121/86, BFHE 160, 79, BStBl II 1990, 761 a.E.).

Um ein solches - nach "Zielsetzung, Verteilungsart und Inhalt eindeutig" abgrenzbares - Produkt handelt es sich bei der anspruchsvoll aufgemachten und individuell verkauften Zeitschrift der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht.

6. Die vorliegende Zeitschrift erfüllt auch nicht den zweiten geregelten Ausnahmetatbestand einer "Annoncen-Zeitung" und ist auch danach nicht zum Regelsatz zu besteuern.

Eine Annoncen-Zeitung hat gar keinen oder nur einen unbedeutenden redaktionellen Teil und wird durch gewerbliche Anzeigen oder durch private Kleinanzeigen charakterisiert, von denen letztere unentgeltlich abgedruckt und durch den Verkaufserlös finanziert werden können (vgl. www.wikipedia.de "Offertenblatt" m.w.N.; BFH vom 24. November 2005 V B 197/04, BFH/NV 2006, 624;vom 20. März 1998 V B 138/97, BFH/NV 1998, 1380). Derartige Annoncen-Zeitungen waren bereits vor 1988 nicht begünstigt (vgl. BFH vom 2. April 1996 VII R 119/94, BFHE 180, 231, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --EuZW-- 1996, 668 m. Anm. Reiche;vom 27. November 1990 VII B 121/90, BFH/NV 1991, 631) und galten zollrechtlich als Werbedrucke (vgl. BFH vom 20. Februar 1990 VII R 121/86, BFHE 160, 79, BStBl II 1990, 761).

Gemäß Zielsetzung und Inhalt lässt sich auch davon eindeutig die vorliegende Zeitschrift in ihrer anspruchsvollen Aufmachung und mit ihrem bedeutenden redaktionellen Teil unterscheiden.

7. Für die gemäß Nr. 48 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG schließlich - nach den Anzeigenblättern und Annoncen-Zeitungen - zu prüfende Ausnahme "und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten" ist zunächst das Tatbestandsmerkmal "Werbung" abzugrenzen.

a) "Werbung" ist die zwangfreie und absichtliche Form der Beeinflussung, die die Menschen zur Erfüllung des Werbeziels veranlassen soll (BFH vom 28. September 1988 X R 49/81, BFHE 155, 200, BStBl II 1989, 208 m.w.N.). Das gilt nach dem weitgespannten Werbebegriff mindestens insoweit, als das Werbeziel darin besteht, den Entschluss zum Erwerb von Gegenständen oder zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen auszulösen. Dies ist bei Verkaufsanzeigen stets der Fall (FG Rheinland-Pfalz vom 14. Dezember 2001 3 K 2673/98, Juris, Datev), unabhängig davon, ob es sich um gewerbliche oder private Verkaufsanzeigen handelt und inwieweit diese gewisse Informationen über die Marktverhältnisse bieten (BFH vom 20. Februar 1990 VII R 121/86, BFHE 160, 79, BStBl II 1990, 761).

Ohne tatsächliche Bedeutung ist dabei im Streitfall die Abgrenzung zu privaten Suchanzeigen (vgl. BFH vom 17. August 1993 VII R 34/93, BFH/NV 1994, 433; vom 26. Februar 1991, BFH/NV 1991, 723).

b) Zum Werbeanteil einer Zeitschrift gehört ggf. auch die in die Form einer Sachinformation gekleidete positive Darstellung eines Objekts, die dem Adressaten eine bestimmte Entscheidung im Sinne des jeweiligen Werbeziels nahe legen soll. Es kommt nicht darauf an, auf welche Weise die Einflussnahme im Einzelnen verwirklicht werden soll, sondern nur darauf, dass sie (erkennbar) beabsichtigt ist (vgl. BFH vom 28. September 1988 X R 49/81, BFHE 155, 200, BStBl II 1989, 208; Lange in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1, Rd. 459). Von einer solchen durch Auftraggeber beabsichtigten Textwerbung sind jedoch die - wie hier - von der Redaktion für die speziell interessierten Leser zum Zweck des Objekt- und Preisvergleichs und zur sonstigen Bewertung neutral erarbeiteten Beiträge (nebst den darauf hinweisenden Titelschlagzeilen) zu unterscheiden, was im Verwaltungsverfahren möglicherweise nicht deutlich geworden ist.

c) Diese Beiträge stellen auch insoweit keine Werbung dar, wie ihre Reihenfolge im Heft mit der Gliederung der Anzeigen synchronisiert wird (z.B. hier nach regionaler Lage der Immobilien). Nicht nur bei speziellen Zeitschriften, sondern auch bei der Tagespresse oder bei deren Wochenend- oder Wochenmitte-Ausgaben ist eine derartige Gliederung üblich (z.B. Immobilienartikel mit nachfolgend gegliederten Immobilienanzeigen, Autobeiträge mit nachfolgenden Autoangeboten, Ausflugs- und Reisebeschreibungen mit regional zugeordneten Inseraten, Berufsbeschreibungen mit sortierten Stellenanzeigen). Entsprechendes gilt für Sonderbeilagen (z.B. Wassersport, Bildung); Verlagsbeilagen und Werbebeilagen sind Bestandteil der Zeitung oder Zeitschrift, wobei Werbebeilagen dem Anzeigenteil gleichzuachten sind (vgl. BFH vom 5. Dezember 1968 V 242/65, BFHE 95, 232, BStBl II 1969, 385).

Ähnlich wie bei solcher thematischer oder regionaler Spezialisierung in Zeitungen kommt auch bei einer "Special-Interest-Zeitschrift" wie hier zu der allgemeinen überregionalen Zeitschriftenwerbung noch die Werbung auf dem speziellen Interessengebiet hinzu. Wenn zu dieser Spezialisierung der Zeitschrift die Beschreibung oder der Vergleich von interessanten Anschaffungsobjekten gehört, liegt es für deren Anbieter nahe, sich durch Anzeigen an die speziell interessierten Leser dieser Zeitschrift zu wenden. Dadurch kann sich der Anzeigenanteil im Vergleich zu anderen Zeitschriften erhöhen (vgl. oben A I 3 b), auch wenn sich nicht stets ein höherer Gesamtanteil ergibt (vgl. oben A I 2, 3 a, 4).

8. Bei dem gemäß Nr. 49 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG - nach den Anzeigenblättern und Annoncen-Zeitungen - zu prüfenden Ausnahmetatbestand "und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten", kommt es sodann auf das Kriterium "überwiegend" an.

a) Das Merkmal "überwiegend" ist in erster Linie qualitativ nach der Beschaffenheit und erkennbaren Bestimmung zu beurteilen, d.h. entscheidend nach Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck und nicht unmittelbar quantitativ nach dem Raumverhältnis (vgl. FG Köln vom 21. Oktober 2004 15 K 5570/01, EFG Köln 2005, 652 zu 2 a; FG Rheinland-Pfalz vom 14. Dezember 2001 3 K 2673/98, Juris, Datev; BFH vom 17. August 1993 VII R 34/93, BFH/NV 1994, 433 a.E.;vom 26. Februar 1991 VII R 127/89, BFH/NV 1991, 723, 779 zu II 3; Rondorf in Plückebaum/Malitzky, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rd. 1113; Husmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Rd. 661; vgl. ferner BFH vom 2. April 1996 VII R 119/94, BFHE 180, 231, BFH/NV 1996, 306).

Teilweise wird das Raumverhältnis als gänzlich unerheblich angesehen (Langer in Hartmann/Metzenbacher, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rd. 118 b) und nach vorstehenden Kriterien auch nicht ergänzend herangezogen (BFH vom 28. September 1988 X R 49/81, BFHE 155, 200, BStBl II 1989, 208 zu 2 c a.E. m.w.N.). Anderen Entscheidungssachverhalten ist ein Anzeigenanteil von 80-90 % oder mehr als 2/3 zu entnehmen (einschließlich oder ohne Suchanzeigen, vgl. BFH vom 24. November 2005 V B 197/04, BFH/NV 2006, 624;vom 26. Februar 1991 VII R 127/89, BFH/NV 1991, 723, 779; FG Köln vom 21. Oktober 2004 15 K 5570/01, EFG 2005, 652).

b) In Anwendung vorstehender Erkenntnisse auf den Streitfall kommt der Senat in tatsächlicher Hinsicht zu der Überzeugung (§ 96 FGO), dass die vorliegende Zeitschrift gewertet nach Aufmachung, Inhalt und erkennbarem Herausgabezweck nicht überwiegend Werbung enthält.

Die Aufmachung der Zeitschrift ist nicht nur unstreitig anspruchsvoll. Sondern sie richtet sich auch mit den Titelblatt-Schlagzeilen in erster Linie auf das spezielle Interesse der Leser an den Themen im Zusammenhang mit Immobilien. Daraus wird zugleich der Herausgabezweck erkennbar. Allenfalls in einer Randzeile oder einem Schrägvermerk wird auf die Verkaufsangebote hingewiesen (vgl. oben A II 1 a). Durch die Alleinstellung oder zumindest überragende Hervorhebung der redaktionellen Themen unterscheidet sich das Titelblatt deutlich von Zeitschriften, bei denen nach dem äußeren Erscheinungsbild die Anzeigen im Vordergrund stehen (vgl. oben A V 5).

Der Themenschwerpunkt der Aufmachung und der daraus zugleich erkennbare Herausgabezweck werden durch den - an die Titelblatt-Schlagzeilen anknüpfenden - Inhalt der Zeitschrift bestätigt. Aus Sicht des Lesers, der sich beim Kauf am Titelblatt orientiert hat, stehen die wertvollen sowie in Text und Bild interessanten inhaltlichen Beiträge im Vordergrund vor der Immobilien- und allgemeinen Werbung (vgl. oben AII 1 b-d). Herausragend sind die aufwendigen Reportagen mit zusätzlich sehr beeindruckenden Bildansichten, die sich im Übrigen in ihrem redaktionellen oder sogar künstlerischen Wert deutlich von abgeknipsten Fotos unterscheiden. Auch die sonstigen Berichte und die Marktanalysen mit Preisvergleichen in den verschiedenen Regionen und u.a. in den Bereichen Kauf, Bau und Miete zeigen gründliche Recherchen. Der redaktionelle Gehalt ist dadurch höher als bei der bloßen Übernahme von vielfach veröffentlichten Agenturmeldungen. Diese Leistung kann nur durch eine personell entsprechend besetzte eigene Redaktion erbracht werden.

Danach unterscheidet sich die vorliegende Zeitschrift auch im Inhalt deutlich von solchen, bei denen die Anzeigen im Vordergrund stehen oder die redaktionellen Beiträge einfacher gestaltet oder vom inhaltlichen Bezug relativ unbedeutend sind (vgl. oben V 5).

Bereits nach diesen - gemäß allgemeiner Auffassung maßgeblichen - Merkmalen steht für den Senat fest, dass die Zeitschrift nicht überwiegend Werbung enthält, so dass es bei dem ermäßigten Steuersatz gemäß Nr. 49 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG bleibt und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist, der zum Regelsteuersatz zurückführen würde.

Selbst wenn eine Abgrenzung isoliert nach dem Inhalt als schwierig oder problematisch angesehen würde, wäre allein danach der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt sein, sondern bleibt es bei der Gesamtwürdigung zusammen mit den Kriterien Aufmachung und erkennbarer Herausgabezweck und bleibt es auch aufgrund dieses Zusammenhangs bei dem gefundenen Ergebnis.

c) Selbst wenn ergänzend das Raumverhältnis zu betrachten wäre, ergibt sich daraus keine verwertbare Erkenntnis, die eine gegenteilige Würdigung ermöglichen würde.

Der Senat verkennt nicht den schwankenden Anzeigenanteil, der sowohl gemäß einfacher exemplarischer Zählweise der Betriebsprüfung als auch nach technisch unterstützter statistischer Umrechnung der seitenanteiligen Inserate bei etlichen Heften mehr als hälftig gewesen sein mag.

Umfassende genaue Feststellungen lassen sich dazu aber weder durch die exemplarische seitenweise Zählung in einigen Heften noch anhand der methodisch vorzuziehenden, erst ab 1994 veröffentlichten Statistik treffen oder nachvollziehen. Die Mehrzahl der betreffenden Hefte liegt nämlich nicht mehr vor. Außerdem lassen Ausreißer in der Statistik (einmal bis über 100 % Anzeigenanteil!) Eingabefehler möglich erscheinen (vgl. oben A II 3).

Davon abgesehen unterscheidet sich zumindest der für 1994-2000 statistisch berechnete durchschnittliche Anzeigenanteil deutlich von den in der Rechtsprechung angeführten Daten von 2/3 oder mehr als 80 % (oben a).

d) Im Übrigen sprechen Praktikabilitätsgesichtspunkte für die wertende Beurteilung des "Überwiegens" der Werbung in erster Linie nach den allgemein anerkannten Kriterien Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck.

Erstens wäre bei Abstellen auf das rechnerische Überwiegen (zumindest in Grenzfällen) der Anzeigenanteil im Geschäftsverkehr nicht ohne weiteres - umgerechnet - ermittelbar.

Zweitens wäre ein mit den Schwankungen des rechnerischen Anzeigenanteils im Zeitablauf variierender Steuersatz unpraktikabel, z.B. bei den Tageszeitungen je nach Anzeigenanteilen am Wochenende oder in der Wochenmitte und je nach Umfang von Werbebeilagen oder sowohl bei Zeitungen als auch bei Zeitschriften je nach saisonalem Anzeigengeschäft und ferienbedingten Schwächen.

e) Besonders deutlich bestätigen sich die auf Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck abstellenden Feststellungen des Senats anhand der Kontrollfrage, welcher Unterschied zwischen denjenigen vorliegenden Heften mit umgerechnet mehr als 50 % Anzeigenanteil und denjenigen vorliegenden Heften (aus und nach dem Streitzeitraum) mit weniger als 50 % Anzeigenanteil erkennbar ist (vgl. oben A II 3-4). Ohne (technisch-)rechnerische Unterstützung lässt sich nämlich kein auffälliger Unterschied feststellen. Auch aus dieser Sicht überwiegt in Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck unverändert der redaktionelle Schwerpunkt.

f) Entsprechende Vergleiche mit anderen redaktionell interessierenden Zeitschriften lassen ebenfalls keinen Unterschied anhand eines statistisch unter und über 50 % schwankenden Anzeigenanteils erkennen, seien es "Special-Interest-Zeitschriften" auf diesem oder einem anderen Gebiet oder sei es eine allgemein bekannten Publikumszeitschrift (vgl. oben A V 1-4).

9. Im Übrigen ist für die ähnliche und insoweit z.T. vergleichbare umsatzsteuerliche Einordnung von Warenzusammenstellungen anerkannt, dass nicht Teil-Umfang, -Menge oder -Gewicht bei allen beanstandeten Zeitschriftenheften zu zählen oder zu messen sind. Stattdessen sind für die Bestimmung des Charakters unter Praktikabilitätsgesichtspunkten äußere Aufmachung und Erscheinungsbild nach der Verkehrsauffassung zugrunde zu legen (vgl. FG Hamburg vom 30. Juni 2005 VI 323/03, EFG 2005, 1812; FG München vom 30. Januar 2003 14 K 3152/00, EFG 2003, 808). Dieselben umsatzsteuerlichen Praktikabilitätsgesichtspunkte sprechen für die obige Abgrenzung des Überwiegens der Werbung nach Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck.

10. Bestätigt wird die vorstehende wertende Verneinung überwiegender Werbung weiter im Gesamtzusammenhang der Auslegung des (in Nr. 49 Bstb. b der Anlage 2 zu § 12 UStG) nach den Anzeigenblättern und Annoncen-Zeitungen aufgeführten verklammernden Ausnahmetatbestands "und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten".

Der Begriff "dergleichen" deutet darauf hin, dass der Werbemittelcharakter oder die Werbung gleichermaßen deutlich bzw. auffällig überwiegen muss wie bei den Anzeigenblättern und Annoncen-Zeitungen, von deren Werbecharakter sich die vorliegende Zeitschrift jedoch gerade umgekehrt sehr deutlich unterscheidet (vgl. oben 5-6).

11. Insbesondere entspricht die vorgenommene Auslegung des Ausnahmetatbestands der überwiegenden Werbung anhand der allgemein anerkannten Kriterien Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck dem höherrangigem Recht, nämlich hier den verfassungsrechtlichen Erfordernissen aus Pressefreiheit (Art. 5 GG) und Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG).

Wie erwähnt hat das Bundesverfassungsgericht für eine verfassungsrechtlich haltbare Begünstigungsausnahme auf eine nach Zielsetzung, Inhalt und Verteilungsart der Zeitschrift eindeutig mögliche Abgrenzung des Werbemittelcharakters abgestellt (wie bei einer Kundenzeitschrift) und dabei die unterschiedslose Begünstigung von Illustrierten wegen der schwierigen Abgrenzung meinungsbildender Produkte als sachgerecht angeführt (oben 4 m.w.N.).

Der danach geforderten Deutlichkeit (bzw. Praktikabilität) entspricht die vorstehende Anwendung des Ausnahmemerkmals "überwiegend" mittels Gesamtwürdigung nach den Kriterien Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck. Hinsichtlich der Verteilungsart der vorliegenden Zeitschrift besteht ohnehin kein Unterschied, wie er sonst etwa zur Abgrenzung von Kundenzeitschriften oder Anzeigenblättern führt (vgl. oben 5).

12. Außerdem ist die Vorschrift des deutschen Umsatzsteuerrechts nach Maßgabe des höherrangigen europäischen Rechts anzuwenden und richtlinienkonform auszulegen (vgl. FG Hamburg vom 4. April 2006 III 105/05, EFG 2006, 1627; vom 4. August 1998 II 39/97, EFG 1999, 193 m.w.N.), zumal der Gesetzgeber sich bei der deutschen Umsatzsteuerermäßigung auch an der europäischen Entwicklung der Umsatzsteuerbegünstigung für die Presse orientiert hat (vgl. BVerfG vom 5. März 1974 1 BvR 712/68, BVerfGE 36, 321, BStBl II 1974, 267 zu C IV 2 a m.w.N.).

Soweit danach in den Streitjahren Art. 12 Abs. 3 Bstb. a der Sechsten EG-USt-Richtlinie i.V.m. Anhang H Kategorie 6 galt (jetzt Art. 98 Abs. 2 EG-MWStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 6), bedarf es der damit konformen Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 Bstb. b der Anlage zu § 12 UStG. Diese ist problemlos möglich (vgl. BFH vom 20. März 1998 V B 138/97, BFH/NV 1998, 1380; Huschens in Vogel/Schwarz, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Rd. 228).

Im Anhang zur europäischen Richtlinie wird die Steuersatzermäßigung abgegrenzt für:

"Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im wesentlichen Werbezwecken dienen."

In diesem Sinne ist danach die deutsche Begünstigungsregelung auszulegen, so auch der zum Regelsteuersatz zurückführende deutsche Ausnahmetatbestand "ausgenommen Anzeigenblätter, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten."

Insbesondere ist danach das deutsche Kriterium "überwiegend Werbung enthalten" im Sinne von "vollständig oder im wesentlichen Werbezwecken dienen" zu verstehen.

Diesem Verständnis entspricht die oben vorgenommene Auslegung des "Überwiegens" nicht nach einer schematischen 50 %-Grenze des Anzeigenanteils je Heft, sondern mittels Gesamtwertung von Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck. "Vollständig oder im wesentlichen" erfordert ebenso wie nach deutschem Verfassungs- und Steuerrecht eine praktikable deutliche Unterscheidung der auszunehmenden Werbe- oder Anzeigenpresse von der begünstigten redaktionellen Presse. Danach genügt es für "im wesentlichen" nicht, dass die beanstandete Werbung nur einen wesentlichen Teil eines Heftes und nicht die Zeitschrift im wesentlichen ausmacht (vgl. oben A III 2-3 zu den durch ZPLA und Betriebsprüfung beanstandeten Anteilen).

13. Auf eine gegenteilige Auslegung dürfte sich die Finanzverwaltung schließlich auch deswegen nicht berufen, weil dann ein strukturelles Erhebungsdefizit gegeben wäre. Ein solches würde der Mehrbesteuerung der Klägerin gemäß Art. 3 GG entgegenstehen (vgl. BVerfG vom 9. März 2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, BGBL I 2004, 591; ferner FG Hamburg vom 31. März 2006 III 155/05, EFG 2006, 1274; vom 3. August 2005 III 73/05, EFG 2005, 1951, DStRE 2006, 505).

Sollte die Umsatzsteuerermäßigung für Zeitungen und Zeitschriften bereits allein schon entfallen, soweit für einzelne Ausgaben oder Hefte ein mehr als hälftiger Anzeigenanteil errechenbar ist, würde ein massenhaftes und flächendeckendes strukturelles Erhebungsdefizit vorliegen.

Wie bereits einfachste Stichproben in der einschlägigen Statistik und im Handel zeigen, erschienen und erscheinen laufend Hefte verschiedenster weitverbreiteter oder auch allgemein bekannter Zeitschriften mit mehr als 50 % errechnetem Anzeigenanteil, die - in Übereinstimmung mit ihrem Scanneraufdruck - nur mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz vertrieben werden (vgl. oben A V 3 - 4).

Davon abgesehen dürfte - ohne dass es hier noch darauf ankommt - ein weiteres Vollzugsdefizit darin bestehen, dass im Zeitschriftenhandel ohne Scannerbenutzung ein Zeitschriftenverkauf zum Regelsteuersatz weithin unbekannt und ohne vorgeschriebenen oder üblichen deutlichen Titelblattaufdruck kaum praktikabel ist. Danach dürfte eine Regelsatzbesteuerung beim Hersteller oder im Großhandel zwar zu einem entsprechenden Vorsteuerabzug auf der nächsten Stufe aber nicht zu einer entsprechenden Umsatzsteuererhebung bei solchen Einzelhändlern führen (vgl. oben A III 5-7).

Auch eine Nachversteuerung würde dementsprechend nicht mehr auf die letzte Handelsstufe weitergegeben werden, ganz abgesehen von der Unmöglichkeit einer Weitergabe im Streitfall bei der Klägerin aufgrund zivilrechtlicher Verjährung.

14. Ebenfalls kommt es nicht mehr an auf die Fragen des Vertrauensschutzes der Klägerin nach der langjährigen und im Vergleich zum übrigen Zeitschriftenmarkt üblichen steuerlichen Behandlung und nach der langen Verfahrensdauer bis nach Verkauf der Zeitschriftenrechte oder auf die Frage der Diskriminierung durch nachträglich ungleiche Gesetzesanwendung (oben A I, IV)

II. Über die Berechnung der den Streitgegenstand - und jetzt die Klagestattgabe - ausmachenden Umsatzsteuer-Differenzbeträge aus den beiden Steuersätzen besteht für alle Streitjahre zwischen den Beteiligten kein Streit.

Gemäß jetziger Nachprüfung anhand der erst in der mündlichen Verhandlung vervollständigten Steuerakten stimmen die für die Streitjahre beantragten Herabsetzungsbeträge (oben A IV) sinngemäß mit den in den Betriebsprüfungsberichten bezüglich des Zeitschriften-Steuersatzes berechneten Mehrsteuern überein (oben A III 5 m.w.N.).

Wegen offenbarer Versehen beim protokollierten Klageantrag und beim entsprechend verkündeten Tenor wird hiermit allerdings der Klageantrag sinngemäß ausgelegt und der Tenor oben gemäß § 107 FGO dahin berichtigt, dass es dort nunmehr richtig heißt

... die Umsatzsteuer 1991 "mit minus 46.293 DM statt mit minus 14.137 DM",

... die Umsatzsteuer 1994 "mit 22.446 DM statt mit 112.012 DM" und

... die Umsatzsteuer 1997 "mit minus 94.716 DM statt mit 65.290 DM".

Dabei bleibt es für 1997 unverändert bei der begehrten Herabsetzung um 160.006 DM (vgl. oben A III 5). Bei dem alleinigen Änderungsbescheid 1997 vom 6. Dezember 2005 kann jedoch sinngemäß nur die Festsetzung von 65.290 DM angefochten sein und als Ausgangsgröße in Betracht kommen für die jetzige Berechnung der Herabsetzung um 160.006 DM auf demnach minus 94.716 DM.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Der mittels Berichtigung gemäß § 107 FGO ergänzte Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung --ZPO-- (vgl. FG Hamburg vom 29. November 2004 III 352/02, EFG 2005, 1282).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Ausgehend von den allgemein anerkannten Auslegungskriterien ergibt sich die Entscheidung aus der tatrichterlichen Würdigung und Überzeugung gemäß § 96 FGO (vgl. betreffend § 118 Abs. 2 FGO: BFH vom 2. April 1996 VII R 119/94, BFHE 180, 231, BFH/NV 1996, 306 zu II 2 a;vom 28. September 1988 X R 49/81, BFHE 155, 200, BStBl II 1989, 208 zu 4).

Ende der Entscheidung

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