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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 30.09.2008
Aktenzeichen: 4 K 130/08
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 72 Abs. 2 S. 2
FGO § 138 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 130/08

Gründe:

I. Das Finanzgericht Hamburg hatte den Antragsgegner mit Urteil vom 28.2.2008 (4 K 27/03) verpflichtet, auf die Anträge der Antragstellerin vom 12.9.2000 jeweils verbindliche Zolltarifauskünfte zu erteilen und die Waren in die Unterposition 6815 9910 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen. Das Urteil vom 28.2.2008 wurde dem Antragsgegner am 14.3.2008 zugestellt.

Am 5.5.2008 hat die Antragstellerin bei Gericht einen Antrag nach § 154 FGO auf Androhung eines Zwangsgeldes gestellt.

Mit Bescheiden vom 9.5.2008 hat der Antragsgegner die von der Antragstellerin erstrittenen verbindlichen Zolltarifauskünfte erteilt. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO durch Beschluss einzustellen und nurmehr gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen im Sinne des § 138 Abs. 1 FGO, dass die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt werden. Denn der von ihr gemäß § 154 FGO gestellte Vollstreckungsantrag war verfrüht. Der Antragsgegner hatte noch keine Veranlassung gegeben, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.

Nach § 154 Satz 1 FGO kann das Gericht des ersten Rechtszuges, kommt die Finanzbehörde in den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 2 und der §§ 101 und 114 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis 1.000,-- EUR durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Die Vorschrift des § 154 FGO enthält zwar keine Regelungen hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens im Einzelnen. In der Rechtsprechung ist indes im Grundsatz geklärt, dass einem Vollstreckungsschuldner vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen Gelegenheit gegeben werden muss, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 10.12.1998, 2 BvR 1516/93, [...]; VGH München, Beschluss vom 2.3.2004, 13 A 01.2055, [...]). Vor diesem Hintergrund hält das beschließende Gericht dafür, dass die Androhung eines Zwangsgeldes erst zulässig ist, wenn seit Rechtskraft des Urteils eine angemessene Frist verstrichen ist, innerhalb derer es der Finanzbehörde billigerweise zugemutet werden konnte, ihrer Verpflichtung aus dem Urteil bzw. Beschluss nachzukommen (in diesem Sinne für den Anwendungsbereich des § 172 VwGO Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., § 172, Rz. 5). Die Länge dieser Frist richtet sich zwar grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles, die allein durch die rechtliche und tatsächliche Komplexität des Falles markiert werden; typische behördliche Entschuldigungsgründe, wie etwa Personalengpässe oder Zuständigkeitsprobleme, rechtfertigen dagegen regelmäßig keine längere Frist. Allerdings ist das Gericht der Auffassung, dass der Finanzbehörde auch eine Mindestfrist zuzugestehen ist, innerhalb derer sie - nach Eintritt der Rechtskraft - Gelegenheit hat, die im Urteil bzw. Beschluss ausgesprochene Verpflichtung umzusetzen. Eine solche Frist, die das Gericht mit 1 Monat bemisst, liegt im Interesse des Vollstreckungsschuldners und Vollstreckungsgläubigers zugleich; denn auch Letzterer bedarf Rechtsklarheit mit Blick auf die auch in diesem Verfahren entscheidungserhebliche Frage, wann ein Antrag nach § 154 FGO frühestens zulässig ist.

Unter Berücksichtigung der vorstehend skizzierten Vorgaben erweist sich der vorliegende Vollstreckungsantrag als verfrüht: Das Urteil des Finanzgerichts vom 28.2.2008 war dem Antragsgegner am 14.3.2008 zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 Abs. 2 FGO lief folglich am 14.4.2008 ab. Da dem Antragsgegner nach Eintritt der Rechtskraft wenigstens eine Frist von 1 Monat zuzubilligen ist, der durch das Urteil des Finanzgerichts auferlegten Verpflichtung nachzukommen, hat die Antragstellerin den streitgegenständlichen Vollstreckungsantrag nach § 154 FGO am 5.5.2008 verfrüht angebracht.

Ob ein zunächst verfrühter Antrag nach § 154 FGO in die Zulässigkeit hineinwachsen kann, bedarf in diesem gerichtlichen Verfahren keiner näheren Erörterung. Denn die von der Antragstellerin abzuwartende Frist, ob der Antragsgegner seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Finanzgerichts nachkommt, war auch zu dem Zeitpunkt noch nicht verstrichen, als ihr die verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 9.5.2008 zugingen.

Die Unanfechtbarkeit der Entscheidung folgt aus § 128 Abs. 4 FGO.

Ende der Entscheidung

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