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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 4 K 26/08
Rechtsgebiete: VO Nr. 800/1999/EG, Nr. 615/98/EG, Richtlinie 91/628/EWG


Vorschriften:

VO Nr. 800/1999/EG Art. 24
VO Nr. 800/1999/EG Art. 25 Abs. 1
VO Nr. 615/98/EG Art. 5 Abs. 3
Richtlinie 91/628/EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

4 K 26/08

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von als Vorschuss gewährte Ausfuhrerstattung durch das beklagte Hauptzollamt.

Mit Ausfuhranmeldung vom 19.1.2001 meldete die Klägerin beim Hauptzollamt A insgesamt 33 lebende Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 9000 zur Ausfuhr in den Libanon an und beantragte hierfür die vorschussweise Gewährung von Ausfuhrerstattung, die ihr mit Bescheid vom 29.10.2001 in Höhe von EUR 7.758,02 antragsgemäß gewährt wurde.

Im Rahmen der Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Transportplanes stellte das beklagte Hauptzollamt fest, dass die Transportdauer beginnend am 19.1.2001 um 11.30 Uhr in B (Abfahrt) mit Ankunft in C und anschließender Verladung auf das Schiff am 20.1.2001 gegen 17.30 Uhr insgesamt 30 Stunden betragen hatte. Diese Feststellung der Transportdauer nahm das beklagte Hauptzollamt zum Anlass, die der Klägerin vorschussweise gewährte Ausfuhrerstattung mit Änderungsbescheid vom 10.2.2005 mit einem Zuschlag von 10% mit der Begründung zurückzufordern, dass sie die nach den gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzbestimmungen zulässige Höchsttransportzeit von 29 Stunden überschritten habe.

Den gegen den Änderungsbescheid vom 10.2.2005 gerichteten Einspruch der Klägerin wies das beklagte Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 15.12.2005 zurück. Es führte zur Begründung u.a. aus: Nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 setze die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Tiere des KN-Codes 0102 voraus, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Richtlinie des Rates 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport eingehalten werde. In Kapitel VII Ziffer 48 Nr. 4 der Richtlinie 91/628/EWG sei geregelt, dass den Tieren nach einem Transportintervall von maximal 14 Stunden eine mindestens einstündige Ruhepause zu gewähren sei, während der sie zu tränken und nötigenfalls zu füttern seien. Nach einer zweiten Transportphase von wiederum höchstens 14 Stunden seien die Tiere im Rahmen einer Ruhepause von 24 Stunden an einem zugelassenen Aufenthaltsort zu entladen, zu füttern und zu tränken. Nach Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Transportplanes sei festgestellt worden, dass die Klägerin die maximale Transportzeit von 29 Stunden, die die Umladung der Tiere auf das Seeschiff einschließe, um eine Stunde überschritten habe. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer am 18.1.2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort. Sie verweist zum einen darauf, dass der Transport durch zwei Pausen unterbrochen worden sei, nämlich am 19.1.2001 in der Zeit von 20.00 bis 21.00 Uhr und am 20.1.2001 in der Zeit von 12.00 bis 13.30 Uhr. Unter Berücksichtigung dieser Pausenzeiten von insgesamt 2 1/2 Stunden verringere sich die Gesamttransportdauer entsprechend und halte sich innerhalb der Vorgaben der Richtlinie 91/628/EWG. Zum anderen meint die Klägerin, dass vorliegend im Interesse der Tiere eine Verlängerung der Höchsttransportdauer um 30 Minuten sachgerecht gewesen sei, was die Richtlinie 91/628/EWG ausdrücklich vorsehe.

Die Klägerin beantragt,

den Änderungsbescheid vom 10.2.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2005 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage führt zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten ( § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten merkt der erkennende Senat im Einzelnen Folgendes an:

1. Als Rechtsgrundlage für die Rückforderung des gemäß Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 15.4.1999 (ABl. Nr. 1 102/11, im Folgenden VO Nr. 800/1999) gezahlten Vorschusses kommt allein die Vorschrift des Art. 25 Abs. 1 der genannten Verordnung in Betracht. Danach hat der Ausführer den Unterschiedsbetrag zwischen dem Betrag des gewährten Vorschusses und der für die Ausfuhr tatsächlich geschuldeten Ausfuhrerstattung, erhöht um 10%, zurückzuzahlen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall nicht erfüllt. Das beklagte Hauptzollamt hat zu Unrecht angenommen, dass es der Klägerin im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18.3.1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. Nr. 82/19, im Folgenden: VO Nr. 615/98) keine Ausfuhrerstattung schuldete.

Nach Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 615/98 wird die Ausfuhrerstattung u.a. nicht gezahlt für Tiere, die während des Transportes verendet sind oder bei denen die zuständige Behörde aufgrund sonstiger Informationen zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden ist. In Kapitel VII des Anhangs der Richtlinie des Rates vom 19.11.1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. 340/17, in der Fassung der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.6.1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport, ABl. Nr. 1 148/52, im Folgenden: Richtlinie 91/628/EWG) ist unter Ziffer 48.4 lit. d) "Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Fahrt und Ruhezeiten" bestimmt, dass Tiere der Gattung Rind (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 91/628/EWG) bei der Verwendung eines - wie hier - unter Ziffer 48.3 genannten Fahrzeuges nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten müssen, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können; nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Nach der festgesetzten Transportdauer, so ist es in Ziffer 48.5 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG weiter geregelt, müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten. Ziffer 48.8 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG sieht schließlich vor, dass die Transportzeiten nach u.a. Ziffer 48.4 insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden dürfen. Als Transport gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 91/628/EWG jegliche Beförderung von Tieren mit einem Transportmittel, einschließlich Ver- und Entladen.

Der erkennende Senat geht davon aus, dass der in Rede stehende Tiertransport am 19.1.2001 um 11.30 Uhr in B startete (vgl. Bl. 45 der Sachakte), wobei die Verladung der Tiere auf den LKW gegen 10.00 Uhr begann (vgl. Bl. 17 der Rb.-Akte). Seine Fahrt nach D unterbrach der Transport noch am 19.1.2001 um 20.00 Uhr für eine insgesamt zweistündige Ruhepause, in der die Tiere getränkt wurden (Bl. 46 der Sachakte). Bevor der Tiertransport am Nachmittag des 20.1.2001 C erreichte, wurde gegen 12.00 Uhr in E eine weitere einstündige Ruhepause eingelegt, um die Tiere zu versorgen (vgl. Bl. 46 der Sachakte). In C wurden die Tiere unmittelbar nach Ankunft im Hafen auf das Schiff "F" zum Weitertransport in den Libanon verladen; die Umladung auf das Schiff war gegen 17.30 Uhr abgeschlossen (vgl. Bl. 60 der Sachakte). Der vorliegende Tiertransport ist somit dadurch gekennzeichnet, dass er sich aus insgesamt drei Transportintervallen mit einer jeweiligen Transportzeit einschließlich Ver- bzw. Umladen der Tiere (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 91/628/EWG, wonach der Begriff Transport das Ver- und Entladen der Tiere einschließt, vgl. hierzu auch EuGH, Urteil vom 23.11.2006, C-300/05, Rz. 20 f., [...]) von 10, 14 bzw. 4 1/2 Stunden sowie zwei Ruhepausen von 2 bzw. 1 Stunde zusammensetzt, die zu einer Gesamttransportdauer einschließlich Ruhepausen von 31 1/2 Stunden führen. Unter Berücksichtigung dieser Transportdaten vermag der erkennende Senat hinsichtlich des Streitfalles nicht festzustellen, dass die Klägerin die Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten hat (hierzu unter a). Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht (mehr) die Frage, ob das beklagte Hauptzollamt die Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angewandt hat (hierzu unter b).

a) Hinsichtlich des Streitfalles ist nicht festzustellen, dass die Klägerin die Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten hat.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 20.5.2008 (4 K 25/08) bereits ausgeführt, dass die Normierungen des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG einem Ausführer nicht eine maximale Transportdauer von 29 Stunden gestatten, sondern eine maximale Transportzeit auf der Straße einschließlich Ver- und Entladen von 28 Stunden, die durch eine mindestens einstündige Ruhepause unterbrochen wird. Aus diesem Verständnis folgt, dass die Gesamttransportdauer deutlich mehr als 29 Stunden betragen kann, sofern nämlich die beiden maximalen Transportzeiten (auf der Straße einschließlich Ver- und Entladen) von jeweils 14 Stunden durch eine längere als einstündige Ruhezeit unterbrochen werden, wobei eine längere als einstündige Ruhepause nicht dazu führt, dass sich das anschließende Transportintervall von 14 Stunden entsprechend verkürzt. Das skizzierte Verständnis hat zur weiteren Konsequenz, dass sich die maximale Transportzeit auf der Straße (einschließlich Ver- und Entladen) von 28 Stunden auf mehr als zwei Transportintervalle aufteilen kann, sofern das einzelne Transportintervall 14 Stunden nicht überschreitet.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Darlegungen kann der Klägerin im Streitfall weder angelastet werden, dass sie die Gesamttransportdauer auf drei Transportintervalle aufgeteilt hat, noch ist ihr im Hinblick auf die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den Schutz von Tieren beim Transport vorzuhalten, dass die beiden Ruhepausen zusammen 3 Stunden ausmachten. Allerdings betrug die Gesamttransportzeit auf der Straße einschließlich Ver- und Umladen der Tiere mehr als 28 Stunden - scil. insgesamt 28 1/2 Stunden, die sich aus den drei Transportintervallen von 10, 14 und 4 1/2 ergeben -. Dieser Umstand erweist sich indes vorliegend nicht als Verstoß gegen die Richtlinie 91/628/EWG, da es im konkreten Fall im Interesse der Tiere lag, die im Regelfall zu beachtenden Transportzeiten nach der Ziffer 48.4 des Kapitels VII des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG um 30 Minuten zu verlängern:

Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat in Ziffer 48.8 des Kapitels VII der Richtlinie 91/628/EWG geregelt, dass die Transportzeiten nach der Ziffer 48.4 - insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes - im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden dürfen. Dieser Regelung liegt ersichtlich die Erwägung zugrunde, dass eine maßvolle Verlängerung der Transportzeiten für die Tiere weniger belastend ist als eine Unterbrechung des Transports entsprechend Ziffer 48.5 zur Einhaltung einer Ruhezeit von 24 Stunden mit anschließendem Weitertransport, bei dem die Tiere innerhalb kurzer Zeit der besonderen Belastungssituation des Ver- und Entladens ausgesetzt sind. Mit Blick auf den vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgegebenen Rahmen - scil. eine Transportzeitverlängerung unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsortes - hält der erkennende Senat dafür, dass auch - wie hier - die Nähe eines Umladeortes, der in Art. 2 Abs. 2 lit. d) der Richtlinie 91/628/EWG als Ort definiert ist, an dem der Transport zum Umladen der Tiere von einem Transportmittel auf ein anders unterbrochen wird, eine Verlängerung der Transportzeit nach Ziffer 48.4 lit. d) des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG rechtfertigen kann. Dies gilt hinsichtlich des Streitfalles vor allem auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der LKW im Hafen von C bereits um etwa 16.15 Uhr und damit deutlich innerhalb der regelmäßigen maximalen Transportzeit von 28 Stunden (Ziffer 48.4. lit. d) des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG) angekommen war (vgl. Bl. 46 der Sachakte). Welche Zeit letztlich für die Umladung der Tiere vom LKW auf das Schiff benötigt wird, ist abhängig von verschiedenen Faktoren, die die Ausführer bzw. Transportunternehmer nur bedingt in ihre Transportplanung einbeziehen können. Der erkennende Senat ist deshalb der Auffassung, dass die regelmäßigen Transportzeiten unter Berücksichtigung der Nähe des Umladeortes im Interesse der Tiere gemäß Ziffer 48.8 des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG jedenfalls dann verlängert werden dürfen, wenn der Tiertransport den Umladeort noch unter Einhaltung der regelmäßigen maximalen Transportzeit erreicht hat.

b) Angesichts der vorstehenden Ausführungen stellt sich im Streitfall nicht (mehr) die Frage, ob das beklagte Hauptzollamt die Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angewandt hat (vgl. hierzu einerseits EuGH, Urteile vom 17.1.2008 und 13.3.2008, C-37/06 bzw. C-96/06, [...], sowie andererseits FG Hamburg, Urteil vom 20.5.2008, 4 K 25/08).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen ( § 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.



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